Eine Annotation von Bernd Heimberger

Neresesian, Arthur:
f-train blues
Übers. von Bernhard Schmid.
Europa-Verlag, Hamburg/Wien 2001, 288 S.

Am Schluß gerinnt der Schluß zu reinem Hollywood. Das damit entschuldigen, daß das so amerikanische Art ist? Mancher amerikanische Roman war schon weniger amerikanisch und doch mehr Amerika. Arthur Neresesians Roman f-train blues ist allzu amerikanisch. Ist ein reiner New-York-Roman. Angesiedelt in den achtziger Jahren. Angekommen im Deutschen ein Jahrzehnt nach der Veröffentlichung. Zu spät! Alles, was der Roman an Szenen hat, hatten wir inzwischen in anderen Szene-Romanen, -Stücken, -Filmen, -Berichten. Was könnte da noch sonderlich aufregend sein? Oder sollte? Zu vieles sieht zu sehr nach Soap aus, durch was der namenlose Erzähler, Dreiundzwanzig, schlingert. Ein niederer New Yorker im niedrigen New York! Eine lähmende Linie: vom Beginn der Beschäftigung in einem Gay-Kino bis zur Ohnmacht in einem Obdachlosenheim. Ein gar nicht so gewöhnlicher Kerl aus wer weiß woher ist allem Gewöhnlichen ausgesetzt. Dem Abbruch einer Liebesbeziehung, dem Tod des einzigen Freundes, Biß-, Hieb- und Schußverletzungen. New York legt sich mit jedem an, der in New York leben will, um über New York zu triumphieren. Meist triumphiert die Stadt und macht die meisten zu Versagern und Verlierern und viele zu Wracks. Wie soll da einer Gewinner werden, der von sich sagt: „Abgesehen von all meinem Pech bin ich geradezu ein unverschämt gewöhnlicher Typ, völlig entbehrlich.“ Wieso sich die Story eines entbehrlichen, dieses Bruder Jedermann antun? Um sich als Sieger zu fühlen? Im Schlußbesatz des Romans zieht der Geschundene mit den Lesern gleich, die so um das Glück betrogen werden, die Überlegenen zu sein. Ein entbehrlicher Roman, dem zudem die deutsche Vertreterlobby einen Titel aufpfropfte, der die Serie der beliebigen Blues-Titel verlängert? The Fuck-up, der US-Titel, ist härter und passender, obwohl Härte nicht die Art des Erzählens ist. Die Sympathie der Leser für den Roman, die der Schriftsteller nicht selten strapaziert, gehört der lakonischen Erzählweise, dem nie strapazierten Slang, dem samtenen Sarkasmus, die Stimmungen, Situationen und Menschen charakterisieren. Die Dialoge, die Arthur Neresesian anbietet, sind immer besser als seine Geschichten. Hollywoodreife Dialoge. Doch die Szenen, nicht wahr, hatten wir schon! Seit wann scheren Hollywood die Wiederholungen der Wiederholungen?


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
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