Die Kurfürstenstadt mit ihrer Stadtbefestigung (um 1710)

Die Berliner Stadtentwicklung von der Mitte des 17. bis Mitte des 18. Jahrhunderts ist durch mehrere Stadtpläne gut belegt.

Dazu gehören vor allem die Vermessungspläne von Andreas Lindholz (1663) und G. Dusableau (1723 und 1737) sowie die darauf beruhenden Stadtpläne von La Vigne (1685), Johann Bernhard Schultz (1688), Johann Friedrich Walther (1738), Matthäus Seutter (um 1740) und Johann David Schleuen (um 1748). Um 1730 waren bereits elf »Kartenmacher« in der Residenzstadt tätig. Ihre Kartenwerke sind meist durch prächtige Zierränder geschmückt, wobei die Südausrichtung auf den oberen Kartenrand (»gesüdet«) eine Besonderheit der Stadtpläne dieser Zeit ist. Ihre Maßstäbe sind infolge der vormetrischen Maße (Fuß, Ruthe, Meile) sehr unterschiedlich.

Das Stadtbild der »Kurfürstenstadt« (F. Leyden, 1933) läßt im Jahre 1710 gegenüber dem Memhardtplan bedeutende Veränderungen erkennen. Noch unter der Regentschaft des Großen Kurfürsten und unter Leitung von J. G. Memhardt war von 1658 bis 1683 mit großem Aufwand ein massiver sternförmiger Befestigungsring um die Doppelstadt errichtet worden.

Berlin um 1700
Berlin um 1700 nach dem Bau der Festungsanlage.
Der Straßenverlauf späterer Stadterweiterungen ist skizziert.
 
Arbeit(1987/88) von Jo Doese im U-Bahnhof »Märkisches Museum«

Foto: D. Christel

Die Stadtbefestigung folgt auf der berlinischen Seite dem alten Mauerring, umfaßt jedoch auf Cöllnischer Seite ein vergrößertes Stadtgebiet. Wegen des sumpfigen Baugrundes konnte das Befestigungswerk hier erst 1683 vollendet werden. Die neue Festungsanlage bestand aus 13 Bastionen, die durch schnurgerade Kurtinen (Erdwälle) verbunden und von teilweise über 50 m breiten, mit Spreewasser gefüllten Festungsgräben umgeben waren. Die fünf alten Stadttore waren erneuert und z.T. auch versetzt worden; mit dem Neuen Tor zur Dorotheenstadt am Anfang der Linden war eine sechste Toranlage hinzugekommen. Aber schon fünfzig Jahre später (seit 1734) wurde mit dem schrittweisen Abbau dieser monströsen Befestigungsanlage begonnen: Neue Vorstädte waren außerhalb der Fortifikation entstanden, hatten deren militärische Schutzfunktion unwirksam gemacht und waren zum Verkehrshindernis ersten Ranges geworden. Zu den bedeutenden Veränderungen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gehörte ferner die Anlage neuer Stadtgebiete westlich und nördlich der Doppelstadt.

1662 erlangte der noch innerhalb der Festungswerke entstandene Friedrichswerder Stadtrecht, 1670 erfolgte die Erhebung zur Stadt. 1666 lebten dort allerdings auf den 26 ha Stadtfläche nur 92 Einwohner, darunter 47 kurfürstliche Beamte. Seit 1674 war nördlich von Friedrichswerder, aber schon außerhalb der Stadtbefestigung, zwischen Spree und Lindenallee, Stadtschloß und Tiergarten planmäßig die Dorotheenstadt (benannt nach der zweiten Gemahlin des Großen Kurfürsten, Kurfürstin Dorothea) angelegt worden, der 1674 ähnliche Stadtrechte gewährt wurden wie dem Friedrichswerder. Schließlich folgte - nun bereits nach dem Tode des Großen Kurfürsten - die Friedrichstadt. Sie wurde ab 1688 gleichfalls außerhalb der Festungswerke auf Betreiben des späteren Königs Friedrich I. südlich der Dorotheenstadt als fünftes selbständiges städtisches Gemeinwesen planmäßig angelegt und unter Friedrich Wilhelm I. beträchtlich erweitert. Als Gründungsjahr der Friedrichstadt gilt 1691, aber erst 1706 erhielt sie ihren Namen. Höhere Beamte wurden veranlaßt, auf dem großen Areal der neuen Stadt Häuser zu bauen, um darin Soldaten und auch Flüchtlinge aus Frankreich unterzubringen. Bald waren 23 Straßen entstanden. Als Nord-Süd-Achse durchschnitt die drei Kilometer lange Friedrichstraße vom Oranienburger Tor bis zum Rondell (später Belle-Alliance-Platz) die Friedrichstadt. Eine weitere bedeutende Magistrale war die als Prachtstraße angelegte Wilhelmstraße.

An vier Stellen entstanden Exerzierplätze, die unter Oberbaudirektor Johann Philipp Gerlach in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bei der Erweiterung der Friedrich- und Dorotheenstadt zu bedeutenden stadtprägenden Plätzen umgestaltet wurden: Im Inneren der Friedrichstadt der Wilhelmplatz sowie am Stadtrand das Quarré hinter dem Brandenburger Tor (später Pariser Platz), das Oktogon (Achteck) hinter dem Potsdamer Tor (später Leipziger Platz) und das Rondell hinter dem Halleschen Tor. Durch Erlaß des preußischen Königs wurden am 18. Januar 1709, der achten Wiederkehr der Krönung Friedrichs I. zum König in Preußen, zur »Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin« zusammengeschlossen. Die Stadtfläche betrug 6,26 km² mit ca. 57.000 Einwohnern. Diese Vereinigung der ursprünglich fünf selbständigen Kleinstädte bildet die historische Grundstruktur von Berlin und prägte maßgeblich das Berliner Stadtbild als preußische Metropole und spätere Reichshauptstadt.


 

© Edition Luisenstadt, 1998
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