Berlins Wachstum innerhalb und außerhalb der Zollmauer

Die zahlreichen Karten und Stadtpläne Berlins aus der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts - z.B. von
      Carl Ludwig von Oesfeld (1789),
      Daniel Friedrich Sotzmann (1789),
      Johann Friedrich Schneider (1802),
      Wilhelm von Möllendorf (1838) -
dokumentieren weitere gravierende Veränderungen der Residenzstadt Berlin.

Neue prächtige Repräsentationsbauten sollten seit Friedrich I. den absolutistischen Machtanspruch Preußens auch architektonisch und städtebaulich manifestieren. An die Seite der Barock-Architektur Stadtschloß, Gießhaus, Zeughaus,Palais Wartenberg, Schloß Monbijou eines Andreas Schlüter und Eosander von Göthe traten die glanzvollen Bauten des stark französich und niederländisch beeinflußten Barockklassizismus Königliches Opernhaus, Königliche Bibliothek, St. Hedwigs-Kathedrale, Französisches Komödienhaus, Palais Prinz Heinrich [seit 1810 Universität] eines Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff und Johann Boumann sowie schließlich die klassizistischen Bauten Carl Gotthard Langhans und vor allem Karl Friedrich Schinkels Brandenburger Tor, Neue Wache, Altes Museum, Bauakademie, Friedrichwerdersche Kirche, Schauspielhaus usw.

Berlin um 1840
Berlin um 1840 innerhalb der Zollmauer mit seinen (farblich abgesetzten) Teilstädten.
 
Arbeit(1987/88) von Jo Doese im U-Bahnhof »Märkisches Museum«

Foto: D. Christel

Auffälligstes »äußeres Merkmal« des Stadtbildes jener Zeit war die neue Zollmauer (Akzisemauer), die ein weitaus größeres Stadtgebiet umfaßte als einst die alte Stadtmauer im 14. Jahrhundert und der Festungsring im ausgehenden 17. Jahrhundert. Sie umschloß nunmehr ein Stadtgebiet von 13,3 km², die Einwohnerzahl einschließlich der Garnison näherte sich der 100.000-Marke. Die neue Zollmauer diente der staatlichen Erhebung von Steuern bei Ein- und Ausfuhren von Waren, der Behinderung von Warenschmuggel und der Verhinderung der Flucht von Deserteuren sowie der Überwachung des Zuzugs von Fremden (beispielsweise durften Juden nur über das Rosenthaler Tor, von Torwachen der jüdischen Gemeinde kontrolliert, in die Stadt gelangen). Friedrich Wilhelm I. (1713 - 1740) hatte den Bau der Zollmauer von 1734 bis 1736, teilweise parallel zum Schleifen der alten Festungsanlagen veranlaßt. Das dünne, etwa drei bis vier Meter hohe verputzte Ziegelmauerwerk (im Norden und Osten zunächst teilweise nur ein hölzerner Palisadenzaun) war 14,5 km lang und umfaßte auch Vorstädte samt weiter Flächen von Acker- und Weideland.

Die Zollmauer wurde von ursprünglich 14, später 17 unterschiedlich ausgebildeten Toren unterbrochen, an die heute noch einige Namen erinnern z.B.:
      Brandenburger Tor,
      Hallesches Tor,
      Kottbuser Tor,
      Schlesisches Tor,
      Frankfurter Tor,
      Oranienburger Tor,
      Prenzlauer Tor.

Zwischen 1786 und 1802, unter Friedrich Wilhelm II. (1786 - 1797) und Friedrich Wilhelm III. (1797 - 1840), wurde die letzte Stadtmauer zwar noch einmal verstärkt. Ersatz des alten Palisadenzaunes im Norden durch festes Mauerwerk; Erhöhung auf etwa 4,2 m; repräsentative Neugestaltung einiger Tore durch Architekten wie Gontard, Langhans und Unger; Verlängerung auf ca. 17 km. Schließlich wurde aber 1866 - 1869 gegen den Widerstand des Kriegsministeriums die Stadtmauer bis auf das Brandenburger Tor abgerissen, weil auch sie ihre ursprüngliche Bedeutung verloren hatte und zum Hindernis weiterer Stadtentwicklung geworden war.

Zunehmend dehnten sich die alten Vorstädte, die seit dem 17. Jahrhundert bereits innerhalb der Zollmauer entstanden waren, über die fiskalische Stadtgrenze hinaus auf dem einst unbebauten Land aus:
      im Nordwesten die Spandauer Vorstadt,
      im Norden die Georgen- und spätere Königsstadt,
      im Osten das Stralauer Viertel und
      im Süden die Köpenicker Vorstadt, seit 1802 Luisenstadt.

Die neuen Vorstädte prägten nicht nur in wachsendem Maße des Stadtbild mit, sondern in sie verlagerte sich der Schwerpunkt der Berliner Bevölkerungsentwicklung. Bis 1841 vergrößerte sich infolge der weiteren Expansion der Vorstädte der Verwaltungsbereich des Magistrats auf 35,11 km². Hatte Berlin schon Mitte des 18. Jahrhunderts Großstadt-Umfang erlangt (1755: 100.336 Einwohner, davon 26.325 Militärpersonen), so betrug die Einwohnerzahl hundert Jahre später (1855) etwa 440.000. Dabei verlor auch die ehemalige Zollmauer als fiskalische Stadtgrenze ihre Bedeutung: Die innerhalb gelegenen Stadtteilgebiete (»Innen«) verschmolzen mit den außerhalb gelegenen (»Außen«).


 

© Edition Luisenstadt, 1998
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