* 27. 08. 1913 in Berlin
Oberbürgermeister (Ost-Berlin)
vom 05. 07. 1967 bis 11. 02. 1974
Als die Stadtverordneten von Ost-Berlin am 5. Juli 1967 - einem Antrag der SED-Fraktion folgend - Herbert Fechner zum Oberbürgermeister wählten, hatte Walter Ulbricht seinen Wunschkandidaten im Roten Rathaus.
Vorgänger Friedrich Ebert hatte diesen Posten im Wortsinne 18 Jahre lang ausgefüllt; kommunalpolitisch jahrzehntelang erfahren, als strenger Rechnungsprüfer im Magistrat und den acht Rathäusern gefürchtet, bei der Bevölkerung populär. Sein Sitz im Politbüro der SED gab ihm Möglichkeiten, viele Eingriffe der Parteiführung und der Regierung in seinem Amtsbereich einzugrenzen. Kontroversen mit dem Ersten Sekretär waren unvermeidliche Begleiterscheinungen und nahmen im Laufe der Jahre zu. Gesundheitlich angegriffen, hatte Ebert seinen Rücktritt angeboten, der unverzüglich gebilligt wurde.
Nur durch diese Vorgeschichte wurde verständlich, warum der
Nachfolger trotz seiner Erfahrung weitgehend konturlos blieb;
es war die ihm verordnete Rolle. Walter Ulbricht als Erster Sekretär
schrieb sie sogar fest, indem er Anfang 1968 mit der Bildung einer
"Arbeitsgruppe für staatliche und wirtschaftliche Leitungsfragen
der Hauptstadt der DDR" faktisch einen "Obermagistrat"
schuf. Erläuternd sagte er: "Wir sind uns aber auch
dessen bewußt, daß es in einer so komplizierten Großstadt
... Probleme gibt, die nur mit Hilfe der zentralen Organe der
Parteiführung und der Regierung gelöst werden können,
die also der Magistrat beim besten Willen nicht allein lösen
kann." Geplant war - auf Grund von Beschlüssen des VII.
SED-Parteitages von 1967 -, die Hauptstadt zum internationalen
Modell einer sozialistischen Metropole zu gestalten. Damit sollte
zugleich West-Berlin zu einer Art Schattenlandschaft herabgestuft
werden.
Ein selbstbewußter Magistrat konnte dabei nur störend
wirken. So blieb für Herbert Fechner bestenfalls Mitarbeit
an der Umsetzung der Hauptstadtpläne, die ohne ihn ausgearbeitet
und entschieden wurden. Er besaß gute Voraussetzungen für
das komplizierte Amt, denn als geborener und hier aufgewachsener
Berliner kannte er die Stadt und ihre vielfältigen Probleme.
Ohne erlernten Beruf, aber handwerklich versiert, arbeitete er bis zur Wehrmachtseinberufung als Telegrafenbauhandwerker. Unmittelbar nach dem Kriegsende wurde er als technischer Zeichner tätig. Im Dezember 1945 zunächst SPD-Mitglied, ging er den Schritt in die SED. 1948 begann seine hauptamtliche Tätigkeit im SED-Apparat als Sekretär der Kreisleitung Lichtenberg. Ein Jahr später war er bereits als erster Sekretär in Treptow tätig. 1951 wechselte er als Stadtrat in den Magistrat. In den folgenden zehn Jahren wurde er für verschiedene Ressorts verantwortlich gemacht: Gesundheitswesen, Kultur, Volksbildung, Wohnungswirtschaft. Man bescheinigte Herbert Fechner, der ab 1953 einer der Stellvertreter des Oberbürgermeisters war, Fleiß, Kompetenz und sachlichen Umgang mit Mitarbeitern.
1961 übernahm er die Verantwortung als Bürgermeister für Köpenick. Beförderung oder Abstieg? Herbert Fechner nahm es als ersteres, war er doch in diesem größten Berliner Naherholungsgebiet dem geliebten Segelsport näher; lange Jahre stand er dem Seglerverband der DDR sogar als Präsident vor.
Kommunalpolitische Sorgen drückten ihn vor allem im Wohnungsbereich, gab es doch in Köpenick mit seinen zahlreichen Ortsteilen eine überdurchschnittlich hohe Zahl kleiner und alter Häuser mit schlechter Bausubstanz, für deren Erhalt es - wie überall im Land - kaum Kapazitäten gab. Für die Bürger war er ein Mann zum "Anfassen". Seine Aufgeschlossenheit bei Gesprächen, in Sprechstunden, beim alljährlichen symbolischen Ausliefern der Ratskasse an den "Hauptmann von Köpenick" verschafften ihm Popularität.
Die Berufung an die Spitze des Magistrats kam für ihn überraschend; ein Quell reiner Freude war es nicht. Seine "Hausmacht" war schmal: das Volkskammer-Mandat (1967 - 1990) schuf keinen Einfluß. Wichtiger war da schon die Wahl in das Sekretariat der SED-Bezirksleitung. In Fechners Amtszeit fällt die Ausarbeitung umfassender Hauptstadt-Baupläne. Verwirklicht wurden sie bis 1974 nur teilweise, weil bereits Ende der 60er Jahre sichtbar wurde, daß der Staat sich insgesamt übernommen hatte. Neugestaltet wurde der Alexanderplatz. Dankbar nahmen die Berliner und ihre Gäste den großzügigen Ausbau des Plänterwaldes zum Kulturpark an. Zahlreiche kritische Zuschriften erreichten den "Oberbürgermeister" aus der Bevölkerung, als die Neugestaltung des Leninplatzes publik wurde, doch die Entscheidung darüber hatte in keinem Augenblick beim Magistrat gelegen. Schwachstelle blieb der Wohnungsbau. Neubaukomplexe wie das Heinrich-Heine-Viertel sowie die Mollstraße waren Ausnahmen. Diese Situation verschärfte sich noch gegen Ende von Fechners Amtszeit, als ab 1972 die "Anerkennungswelle" über die DDR hereinbrach. Neubauten von Botschaften waren anfangs die Ausnahme, Ausquartierung von DDR-Instanzen aus repräsentativen Bauten der Innenstadt die Regel. Der Magistrat besaß hier kaum Mitspracherecht gegenüber der Regierung, hatte aber die Ausquartierten angemessen zu versorgen.
An dem Gegensatz, nach "oben" keinen Widerspruch durchsetzen zu können, ihn von "unten" aber rigoros abdrosseln zu müssen, rieb sich Fechner auf. Aus dem Entscheidungsträger wurde mehr und mehr ein quasi hochbezahlter Stadtführer für die zahlreichen Ehrengäste der Hauptstadt.
Als Erich Honecker, seit dem 3. Mai 1971 erster Mann an der Parteispitze, auf dem im Juni folgenden VIII. Parteitag die "Lösung des Wohnungsproblems als soziale Frage" bis 1990 verkündete, mehrten sich bei Fechner Zweifel über die Realisierbarkeit. Widerspruch gegenüber der eigenen Parteiführung war nicht seine Stärke, doch er galt auch nicht als bedingungsloser Durchsetzer; der aber wurde immer dringlicher verlangt. Es war in der DDR nicht üblich, selbst Konsequenzen aus der eigenen Gewissensnot zu ziehen. So blieb Fechner im Amt, bis das Politbüro der SED im Januar 1974 die Neubesetzung beschloß.
Zugleich bekam auch Fechner von der Partei eine neue Aufgabe zugewiesen: Vorsitzender der Interparlamentarischen Gruppe der Volkskammer. Das war ein repräsentatives Amt ohne nennenswertes politisches Gewicht, forderte dadurch auch kaum einmal parteiinterne Kritik heraus. Herbert Fechners Konzilianz, seine gewandten Umgangsformen sowie Kontaktfreudigkeit fügten sich gut in die Atmosphäre der IPU ein, deren immerwährende Linie die Suche nach dem gemeinsamen Konsens aller Mitgliedsgruppen ist. Hinderlich blieb für Fechner nur die Sprachbarriere, die er nicht abbauen konnte.
Für die SED-Führung wurde er nie zu einem Problemfall;
die neue Funktion weist keine politische Bruchstelle auf. So folgten
auch die Auszeichnungen zeitgerecht, zuletzt - zum 75. Geburtstag
- der Karl-Marx-Orden aus der Hand Honeckers.
© Edition Luisenstadt, 1998
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