An der Spitze der Reichshauptstadt Berlin von 1871 bis 1945

Berlin durchlebte in den nur 73 Jahren zwischen 1871 und 1945 einen der folgenreichsten Abschnitte seiner Geschichte, gekennzeichnet durch zwei Weltkriege, durch Revolution und Entstehung der deutschen Republik, durch faschistische Herrschaft, durch Aufstieg und Niedergang. Am Ende dieses Abschnittes war es zu annähernd drei Vierteln in Schutt und Asche gesunken und um mehr als ein Drittel seiner Einwohner dezimiert.

Wappen der Stadt BerlinAm 16. April 1871 wurde Berlin zwar Hauptstadt des eben gegründeten Deutschen Reiches, aber die kommunalen Strukturen basierten im wesentlichen weiter auf der Städteordnung von 1853. Erst im darauffolgenden Jahrhundert erfolgten diesbezüglich einschneidende Veränderungen.

Das Preußische Abgeordnetenhaus verabschiedete im Juli 1911 das "Gesetz über die Bildung eines Zweckverbandes für Groß-Berlin", das am 1. April 1912 in Kraft trat. Nach ihm wurden Berlin und die umliegenden Städte Charlottenburg, Schöneberg, Neukölln, Wilmersdorf, Lichtenberg, Spandau und die Landkreise Teltow und Niederbarnim - insgesamt 374 Einzelgemeinden - zu einem Zweckverband vereinigt. Als Aufgabe des Verbandes war eine weitgehende Abstimmung gemeinsamer Belange vorgesehen. Das gelang nur in einem gewissen Umfang für das Verkehrswesen, die Bebauung und die Erhaltung von Grünflächen. In den wichtigen Bereichen Wohnungswesen, Wirtschaft, Be- und Entwässerung sowie Stromversorgung konnte keine Einigung erzielt werden.

Erst mit dem "Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin", das mit einer Mehrheit von nur 16 Stimmen vom Preußischen Landtag beschlossen und am 1. Oktober 1920 in Kraft gesetzt wurde, veränderte sich die Verwaltungsstruktur der Stadt grundlegend. Bis dahin bestand Berlin aus dem sogenannten Altberlin, wozu die Stadtbezirke Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg, Tiergarten und Wedding gehörten. Es wurde nun um 7 Städte (Charlottenburg, Köpenick, Lichtenberg, Neukölln, Schöneberg, Spandau, Wilmersdorf), 59 Landgemeinden (darunter Pankow, Weißensee, Treptow, Oberschöneweide, Friedrichsfelde, Niederschönhausen) und 27 Gutsbezirke (darunter Buch, Dahlem, Plötzensee) erweitert. Berlin umfaßte fortan das Gebiet, das schon seit den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts als Groß-Berlin bezeichnet wurde, und war der Fläche nach damit zeitweilig die größte, der Zahl der Einwohner nach (3,8 Millionen) die drittgrößte Stadt der Welt (hinter New York und London).

Der Magistrat bestand - neben dem Oberbürgermeister - aus dem Bürgermeister, 18 für 12 Jahre gewählten besoldeten und 12 für 4 Jahre gewählten unbesoldeten Mitgliedern. Oberbürgermeister und Magistrat übten die Richtlinien- und Grundsatzkompetenz für die gesamte städtische Verwaltung aus. Ihnen unterstanden 17 Deputationen (Ausschüsse), die sich aus Mitgliedern des Magistrats, der Stadtverordnetenversammlung und aus Bürgerdeputierten zusammensetzten. Finanzen und Haushalt lagen dagegen in den Händen der Stadtverordnetenversammlung. Deren Beschlüsse wurden jedoch erst rechtskräftig, wenn der Magistrat ihnen zustimmte. In den 20 Stadtbezirken existierten Bezirksämter mit jeweils 6 bis 13 Bezirksstadträten und auch Bezirksdeputationen.

Die Kommunalaufsicht übte nach dem Gesetz von 1881 nach wie vor der Oberpräsident der Provinz Brandenburg aus. Er hatte auch das Bestätigungsrecht für die Magistratsmitglieder. Dem Polizeipräsidenten von Berlin oblagen dagegen neben den allgemeinen Polizeiaufgaben die Gewerbeverwaltung, die Gewerbeaufsicht, die Wasserbau- und Gesundheitsverwaltung, die Aufsicht über Theater, Kunst und Lichtspieltheater.

Das "Gesetz über die vorläufige Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts für die Hauptstadt Berlin" vom 30. März 1931 diente dann vor allem dazu, das Oberbürgermeisteramt zu stärken. Dieses wurde zu einer für alle Angelegenheiten der Kommunalverwaltung allein zuständigen Institution, die weder an Beschlüsse des Magistrats noch der Stadtverordnetenversammlung gebunden war. Der Oberbürgermeister erhielt Weisungsbefugnis gegenüber den Stadträten und den ihm zur Seite stehenden zwei Bürgermeistern. Der Magistrat setzte sich nach dem Gesetz aus dem Oberbürgermeister, zwei Bürgermeistern, neun weiteren hauptamtlichen besoldeten und sechs ehrenamtlichen unbesoldeten Mitgliedern (Stadträten) zusammen. Zugleich wurde als neue Einrichtung ein Gemeindeausschuß eingeführt, der aus 45 Stadtverordneten bestand und der die Stadtverordnetenversammlung entlasten und aktionsfähiger machen sollte. Dieses Gremium beriet unter Vorsitz des Oberbürgermeisters geheim alle ihm von der öffentlich tagenden Stadtverordnetenversammlung übertragenen Angelegenheiten. Statt der seit der Städteordnung von 1853 vorgesehenen zwei verfassungsmäßigen Organe (Stadtverordnetenversammlung und Magistrat) gab es in Berlin nunmehr vier: Oberbürgermeister, Magistrat, Gemeindeausschuß und Stadtverordnetenversammlung.

Nach der Stadtverordnetenwahl am 12. März 1933 erfolgte eine erneute Umstrukturierung der städtischen Behörden, und zwar nach dem sogenannten Führerprinzip. Die rechtlichen Bestimmungen des Gesetzes aus dem Jahre 1920 wurden weitgehend beseitigt. Oberbürgermeister und Magistrat wurden von einem Kommissar beaufsichtigt, der das Einspruchsrecht bei Anordnungen des Oberbürgermeisters hatte. An die Stelle des Magistrats trat eine "Stadtverwaltung Berlin". Im November 1933 wurde die Stadt der Aufsicht des preußischen Ministerpräsidenten unterstellt, der einen Kommissar mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe beauftragte. Spätestens ab Mitte 1934 war der Stadtkommissar die entscheidende Instanz in der Berliner Verwaltung.

Am 1. Januar 1937 wurden durch Gesetz Verfassung und Verwaltung Berlins wiederum neu geregelt. Berlin wurde ein Stadtkreis mit den Aufgaben eines Provinzialverbandes. An der Spitze der Verwaltung stand ein Kommissar mit der Amtsbezeichnung "Oberbürgermeister und Stadtpräsident". Ihm waren 14 beratende Beigeordnete und die zentral ernannten 20 Bezirksbürgermeister unterstellt. Die Bezirksverwaltungen wurden in allen wesentlichen Angelegenheiten zu Abteilungen der Zentralverwaltung. Im August 1944 wurde durch die "Verordnung über die Verfassung und Verwaltung der Reichshauptstadt" der Gauleiter der Berliner NSDAP zum "Regierungspräsidenten von Berlin" und damit faktisch zur höchsten kommunalen Befehlsinstanz.

In den Kriegsjahren waren die kommunalpolitischen Entscheidungen, soweit überhaupt noch welche getroffen wurden, auf die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs sowie auf sogenannte kriegswichtige Aufgaben ausgerichtet.

 

© Edition Luisenstadt, 1998
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