Dr. Paul Joseph Goebbels

* 29. 10. 1897 in Rheydt
+ 01. 05. 1945 in Berlin

Bildnis Paul Joseph Goebbels

Stadtpräsident/Regierungspräsident
vom 1. 4. 1944 bis 1. 5. 1945

Mit dem Namen Joseph Goebbels verbinden sich Erinnerungen an das wohl finsterste Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte. Er gehörte zum engsten Herrschaftskreis um Adolf Hitler und war eine der mächtigsten und einflußreichsten Führungspersönlichkeiten des "Dritten Reiches" überhaupt. Goebbels zählt zu den Hauptverantwortlichen des zweiten Weltkrieges, er ist mitschuldig an millionenfachem Tod, an Terror und Vertreibung. Dabei wird seine Person von vielen nur mit dem Amt des Reichspropagandaministers zu Zeiten der nationalsozialistischen Diktatur in Verbindung gebracht. Daß er bereits seit 1926 in Berlin politisch aktiv war und ab 1933 die kommunale Entwicklung der Stadt in wichtigen Fragen unmittelbar mitgeprägt hat, ist im allgemeinen weniger bekannt.

Der Aufstieg des aus ärmlichen Verhältnissen stammenden rheinischen Buchhaltersohnes in die höchsten Kreise der NS-Hierarchie scheint kometenhaft. Es ist sicherlich nicht abwegig, in diesem Karrieresprung auch eine Art Belohnung zu sehen, mit der Hitler das unermüdliche Engagement seines eifrigen Gefolgsmannes für die Sache der Nazis würdigte, dem es gelungen war, die in den 20er Jahren in der Reichshauptstadt kläglich dahinkümmernde, von Richtungskämpfen und Rivalitäten geschüttelte NSDAP aus ihrem Schattendasein zu holen und sie in eine Hitler treu ergebene, starke Bastion umzuwandeln. Ein begünstigender Faktor für Goebbels' ungestümen Weg nach oben dürfte ebenfalls sein rhetorisches Talent gewesen sein, das ihn alle Register der Volksverführung und Demagogie ziehen ließ.

Dabei sah es zu Beginn seines Lebensweges überhaupt nicht danach aus, daß einmal aus dem jungen Mann mit düsteren Zukunftsaussichten ein mit ungeheurer Machtfülle ausgestatteter Politiker an der Seite Hitlers werden würde. Paul Joseph Goebbels wurde am 29. Oktober 1897 in Rheydt (heute ein Stadtteil von Mönchengladbach) geboren. Seine Familie war alles andere als mit reichen Gütern gesegnet. Armut war ein ständiger Wegbegleiter seiner frühen Jahre. In einem kleinbürgerlich-katholischen Milieu wuchs der junge Goebbels auf. Als Gymnasiast gehörte seine Vorliebe der Literatur, und er begann mit kleinen schriftstellerischen Übungen. Nach dem Abitur nahm er ein Studium der alten Sprachen, Geschichte und Literatur auf. 1921 promovierte er, aber Aussichten auf eine gesicherte berufliche Zukunft bestanden nicht. Seine Versuche, sich als Schriftsteller oder Journalist durchs Leben zu schlagen, scheiterten. 1923 fand er eine Anstellung bei einer Bank in Köln, aber noch im selben Jahr wurde er bereits wieder arbeitslos.

Im Oktober 1924 erfüllt sich endlich sein Wunsch, sich journalistisch betätigen zu können. Bei einem in Elberfeld erscheinenden völkischen Kampfblatt gelingt es ihm, eine Anstellung als Schriftleiter zu finden. In dieser Zeit erwacht auch seine Begeisterung für Adolf Hitler. 1925 wird er Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Mit Intelligenz und Energie geht er an die Erfüllung seiner Aufgaben. Schon bald darauf avanciert er zum Geschäftsführer des Gaues Rheinland-Nord der Partei. Auch Hitler wird auf den jungen Mann aufmerksam. Er holt ihn nach Berlin und ernennt den erst 29jährigen Ende Oktober 1926 zum dortigen Gauleiter der NSDAP. Goebbels schien geeignet, in die als feste Bastion von SPD und KPD geltende "rote" Reichshauptstadt Breschen zu schlagen und sie für die NSDAP zu gewinnen. Die Aufgabe ist schwierig. Interne Flügelkämpfe und persönliche Machtambitionen sind an der Tagesordnung und lähmen den Handlungsradius der NSDAP. Dennoch gelingt es Goebbels innerhalb kurzer Zeit, die Partei "auf Vordermann" zu bringen. Zügellose Agitation und Propaganda, gepaart mit dem Terror der SA vorrangig gegen Kommunisten, werden von nun an bestimmende Mittel der Parteiarbeit. Die Gewalttaten erreichen ein derartiges Ausmaß, daß die NSDAP im Mai 1927 vorübergehend verboten und gegen Goebbels ein öffentliches Redeverbot verhängt wird.

Für die Reichstagswahlen am 20. Mai 1928 läßt sich Goebbels als Kandidat aufstellen. Ihm und weiteren 11 Parteigenossen gelingt der Sprung in die höchste deutsche Vertretung. Im Ergebnis der Wahlen zur Berliner Stadtverordnetenversammlung vom 17. November 1929 zieht Goebbels auch ins Berliner Stadtparlament ein und wird Fraktionsvorsitzender der NSDAP. Am 26. April 1930 wird er von Hitler zum Reichspropagandaleiter der Partei ernannt. Aufgrund starker Einbindungen in reichspolitische Aufgaben sieht sich Goebbels gezwungen, sein kommunales Engagement zu reduzieren. Er legt sein Mandat als Berliner Stadtverordneter nieder. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 steigt er in die oberste Herrschaftsriege der NSDAP auf. Er wird Minister des mächtigen Ressorts für Volksaufklärung und Propaganda und wenig später auch Chef der Reichskulturkammer.

Auch in bezug auf die Verwaltung der Stadt Berlin beginnen die neuen Zeiten ihre unheilvollen Spuren zu hinterlassen. Demokratische Gremien werden zerschlagen, aus politischen oder rassischen Gründen inakzeptable Mitarbeiter durch linientreue Nazis ersetzt. Es erfolgt die totale Gleichschaltung mit dem Willen der NSDAP. Der seit 1931 im Amt befindliche Oberbürgermeister Sahm wird in seinen Kompetenzen rigoros beschnitten; ihm wird das NSDAP-Mitglied Julius Lippert im Range eines Staatskommissars z. b. V. an die Seite gestellt. Die eigentlichen Fäden im Hintergrund zieht jedoch Joseph Goebbels -in seiner Eigenschaft als NSDAP-Gauleiter für Berlin. Das "Gesetz über die Verfassung und Verwaltung der Reichshauptstadt Berlin" vom 1. Dezember 1936 räumt ihm hierzu weitreichende Möglichkeiten ein. So kann fortan keine personelle Angelegenheit mehr ohne seinen Segen entschieden werden, und bei allen Entschlüssen des Oberbürgermeisters von grundsätzlicher Bedeutung ist vorher die Auffassung des Gauleiters dazu zu hören.

Als Anfang November 1938 in Paris der deutsche Diplomat Ernst vom Rath erschossen wird, erreicht die von Goebbels seit Jahren betriebene maßlose antijüdische Hetzkampagne ein bisher nicht gekanntes Ausmaß. Die Saat des Hasses geht auf; die verbalen Exzesse münden in rohe Gewalt. Synagogen brennen, jüdische Geschäfte werden geschlossen oder zerstört, jüdische Friedhöfe geschändet, jüdische Bürger mißhandelt, ghettoisiert, ins Konzentrationslager abtransportiert.

Seit Anfang der 40er Jahre beginnt der von Hitler entfesselte Aggressionskrieg auch immer mehr das Leben der Reichshauptstadt zu prägen. 1940 klinken zum ersten Mal britische Bomber ihre explosive Last über dem Berliner Himmel aus, 1943 beginnt der "totale Krieg". Schwere Luftangriffe fordern Todesopfer, überall Verwüstungen, Zerstörungen. Bis März 1944 ist etwa ein Sechstel der Wohnungen vernichtet, Obdachlosigkeit breitet sich aus, Engpässe in der Versorgung sind überall spürbar. In dieser Situation nutzt Goebbels des öfteren die Gelegenheit, sich in der Stadt zu zeigen und den Bewohnern Mut zuzusprechen. Er organisiert schnelle Hilfe, ist bei Trümmerbeseitigungen, Feuerlöscharbeiten, Speisungen oder ähnlichem zugegen.

Mitten im Krieg - am 1. April 1944 - greift Hitler per Führererlaß plötzlich korrigierend in den Status der Administration von Berlin ein. Die seit 1936/37 in Personalunion zusammengefaßten Ämter des Oberbürgermeisters und des Stadtpräsidenten werden nun wieder getrennt. Ludwig Steeg verliert das Amt des Stadtpräsidenten, das er seit Sommer 1940 kommissarisch führte, bleibt aber kommissarischer Oberbürgermeister. Neuer Stadtpräsident wird - Joseph Goebbels! Er soll von nun an "die Verwaltung der Reichshauptstadt lenken". Dem "Berliner Amtsblatt" aus jener Zeit ist es vorbehalten, die Situation in treffender Weise zu beschreiben: Damit finde "ein Zustand seine Bestätigung, ... der praktisch bereits seit der Machtübernahme im Jahre 1933 besteht". Der Einfluß, den Goebbels seit über 10 Jahren hinter den Kulissen auf die Berliner Stadtverwaltung ausübte, wird damit legalisiert; nun kann er dem Oberbürgermeister ganz offiziell Richtlinien und Anweisungen erteilen.

Am 1. Februar 1945 erklärt Goebbels in seiner Eigenschaft als "Reichsverteidigungskommissar für den Gau Berlin" die Stadt zum Verteidigungsbereich. Es ist ein verzweifelter Versuch, dem verlorenen Krieg doch noch eine Wendung zu geben. Gräben, Panzersperren und Barrikaden sollen den Vormarsch der Roten Armee stoppen, Volkssturmverbände werden in Marsch gesetzt, um Bahnhöfe, Brücken und öffentliche Gebäude zu sichern.

Am 16. April 1945 beginnt an Oder und Neiße die sowjetische Großoffensive zur Eroberung Berlins; 10 Tage später ist die Stadt eingeschlossen. Hitler, die unvermeidliche Niederlage vor Augen, trifft eine seiner letzten Entscheidungen: Er ernennt Joseph Goebbels am 29. April zu seinem Nachfolger als Reichskanzler. Am 2. Mai erklärt der Berliner Stadtkommandant General Weidling gegenüber der Roten Armee die Kapitulation der Hauptstadt des Reiches. Goebbels erlebt es nicht mehr. Einen Tag zuvor, am 1. Mai, geht er mit seiner Frau Magda in den Freitod.

 

© Edition Luisenstadt, 1998
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