Arthur Heinrich Ludolf Johnson Hobrecht

* 14. 08. 1824 in Kobierzyn (heute Koscierzyna)
+ 07. 07. 1912 in Berlin-Lichterfelde
Bildnis Arthur Heinrich Ludolf Johnson Hobrecht
Oberbürgermeister
von April 1872 bis Sommer 1878

Berlin war gerade seit einem Jahr Reichshauptstadt, als die Stadtverordnetenversammlung unter ihrem Vorsteher Friedrich Kochhann am 21. März 1872 den Nationalliberalen Arthur Hobrecht mit 55 gegen 47 Stimmen bei einer ungültigen Stimme zum Oberbürgermeister der Stadt wählte. Am 30. März teilte Hobrecht der Stadtverordnetenversammlung schriftlich die Annahme seiner Wahl mit; am 14. Mai bestätigte ihn der Landesherr. Hobrecht schien für die Anforderungen, die vor dem Magistrat Berlins standen, der geeignete Mann zu sein, da er neben reichlicher Verwaltungserfahrung bereits als Oberbürgermeister Breslaus (heute Wroclaw) bewiesen hatte, eine Großstadt leiten zu können. Berlin sollte und mußte sich nach innen und außen rasch als Reichshauptstadt mausern, was neuartige Aufgaben an Verwaltung und Kommune stellte.

Hobrecht stieg sofort voll ein. Bereits zum Amtsantritt als Oberbürgermeister brachte er die Zusage der preußischen Staatsregierung mit, daß die Berliner Kommunalbehörden die Befehlsgewalt über die Straßenpolizei und das Eigentumsrecht an allen Straßen, Brücken und Plätzen erhalten sollten. Zwar dauerte es noch einige Zeit, bis diese Zusage auch vertraglich realisiert wurde (11. Dezember 1875), aber ein wichtiger Akt zur Durchsetzung kommunaler Selbstverwaltung war damit eingeleitet.

Gleichzeitig packte Hobrecht das seit Jahrhunderten immer wieder versuchte, aber ungelöst gebliebene Problem an, Sauberkeit in die Stadt zu bringen. Berlin sollte nach seinen ehrgeizigen Vorstellungen die sauberste Stadt Europas werden. Dabei konnte er sich auf Planungen seines Vorgängers Karl Seydel und besonders auf Anregungen und entsprechende Initiativen des Pathologen und Anthropologen Rudolf Virchow stützen. Hobrecht erreichte, daß eine kommunale Straßenreinigung wirksam und 1873 auch endlich mit der Kanalisierung der Stadt begonnen wurde. Die Ausführung übernahm sein jüngerer Bruder, der Berliner Stadtbaurat Dr. James Hobrecht. Die Abwasser wurden auf Feldern der Stadtumgebung verrieselt. Im Zusammenhang mit diesen innerstädtischen Arbeiten erfolgten eine Verbesserung der Straßenpflasterung und die Beseitigung der bis dahin bestehenden knietiefen Rinnsteine. Überdies sorgte Hobrecht dafür, daß die Wasserversorgung Berlins der städtischen Verwaltung übertragen wurde, was der Stadt nicht zuletzt finanziell zugute kam. In seiner Amtszeit wurden auch der über drei Kilometer lange Kurfürstendamm und der Treptower Park angelegt.

Hobrecht bemühte sich, für die Bewältigung dieser und anderer Aufgaben der Stadt eine gedeihliche Arbeitsatmosphäre zwischen Magistrat und Stadtverordnetenversammlung zu erreichen. Bei seinem Vorgänger hatte es offenbar erhebliche Spannungen in den Beziehungen beider Kommunalorgane gegeben. Hobrecht äußerte hierzu gelegentlich, daß der künstliche Gegensatz Magistrat - Stadtverordnetenversammlung "die schlimmste Krankheit unseres altpreußisch-städtischen Kommunalwesens" sei. Damit hatte er geschickt die Ursache aktueller Unstimmigkeiten in die Geschichte zurückdatiert und so eine Brücke für deren rasche Überwindung gebaut.

Überhaupt hatte Hobrecht - so scheint es - eine glückliche Hand bei dem, was er anpackte. Nur seine Absicht, die Stadtkreise Berlin, Charlottenburg und die umliegenden Dörfer zu einer Provinz Berlin zu vereinen, stieß auf eindeutige Ablehnung insbesondere bei den Stadtverordneten, die dadurch einen politischen Einflußverlust befürchteten und einer Eingemeindung der Orte in Berlin den Vorzug gaben.

Dennoch, Hobrecht verschaffte sich in den nur wenigen Amtsjahren als Berliner Oberbürgermeister Ansehen in der Stadt und über ihre Grenzen hinaus. Anläßlich seines 80. Geburtstages 1904 verliehen ihm Magistrat und Stadtverordnetenversammlung in Anerkennung seiner Verdienste um die Stadt die Ehrenbürgerschaft Berlins. Hobrecht war damit nach Heinrich Wilhelm Krausnick der zweite Berliner Oberbürgermeister, den man so ehrte. Für ihn war es die zweite Ehrenbürgerschaft, denn 1872 hatte er diese Würdigung schon durch die Stadt Breslau erfahren.

1878 folgte Hobrecht dem Ruf des Reichskanzlers Otto von Bismarck und übernahm für kurze Zeit das Regierungsamt des preußischen Finanzministers. Wegen offenbar ernster Differenzen mit Bismarck legte er jedoch schon einige Monate darauf die Ministertätigkeit nieder. Das war wohl seine größte politische Niederlage. Trotz der ihm von Zeitgenossen nachgesagten diplomatischen Fähigkeiten und Geschicklichkeiten im Umgang mit Politikern und politischen Sachverhalten, müssen diese ihn auf der hohen Staatsebene verlassen haben, jedenfalls fand er in Bismarck seinen Meister. Damit endete seine Staats- und Verwaltungsdienstlaufbahn, obgleich er noch nicht einmal 55 Jahre alt war.

Arthur Hobrecht wurde 1824 als Sohn eines Gutsbesitzers in der Nähe von Danzig (heute Gdansk) geboren, besuchte das Gymnasium in Königsberg (heute Kaliningrad), studierte von 1841 bis 1844 Jura in Königsberg, Leipzig und Halle und begann nach einem zweijährigen Justizdienst an Gerichten in Schlesien 1846 seine Verwaltungslaufbahn. Er war nacheinander tätig als amtierender und dann berufener Landrat in zwei schlesischen Kreisen (1848/49), als Regierungsassessor in Posen (heute Poznan) und Regierungsrat im preußischen Ministerium des Innern. Hier wurde er durch seinen Vorgesetzten, den liberalen Grafen von Schwerin, für das Oberbürgermeisteramt in Breslau vorgeschlagen und von den Stadtverordneten Breslaus auch 1863 gewählt. Überlieferungen besagen, daß sich Hobrecht während seiner neunjährigen Amtszeit als Breslauer Oberbürgermeister darum bemühte, die Konfessionslosigkeit der Schulen durchzusetzen. Offenbar ohne Erfolg.

Nach dem Abschied aus dem Verwaltungs- und Regierungsdienst trat Hobrecht in die Wirtschaft, unter anderem als Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrundbahnen und als Mitglied des Aufsichtsrates der Mecklenburgischen Hypotheken- und Wechselbank, ein und widmete sich über lange Jahre der Abgeordnetentätigkeit. Schon von 1863 bis 1878 hatte er dem Preußischen Herrenhaus angehört. Nunmehr engagierte sich Hobrecht bis 1912 vor allem als Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses - ab Dezember 1910 sogar als dessen Alterspräsident - und nahm von 1881 bis 1884 und 1886 bis 1890 als Abgeordneter im Deutschen Reichstag Platz.

Hobrecht wohnte in den letzten Jahrzehnten seines Lebens in Berlin-Lichterfelde. Hier hat er sich mit Eintritt in den Ruhestand - neben seiner Aufsichtsrats- und Abgeordnetentätigkeit - teils allein, teils zusammen mit seinem jüngeren Bruder Max, einem Novellenschreiber, schriftstellerisch mit einigem Erfolg versucht. Es entstanden die "Altpreußische(n) Geschichten von dem einen und dem anderen" (1882), die Erzählungen "Von der Passarge" und "Die Treue" sowie der historische Roman "Fritz Kannacher" (1885). Die Publikationen hatten alle Preußen und seine Geschichte zum Thema. Arthur Hobrecht starb 1912 in Lichterfelde. Er wurde auf dem dortigen Friedhof in der Langestraße beigesetzt. Die Hobrechtstraße am Hermannplatz in Berlin erinnert an ihn, während die Hobrechtstraße in Grunewald nach seinem Bruder James benannt ist.

 

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