Berlin stieg zwischen 1709 und 1871 von einer mittleren königlichen Haupt- und Residenzstadt mit anfänglich ca. 55.000 Einwohnern zu einer Großstadt von europäischem Rang mit ca. 800.000 Einwohnern, moderner Industrie und entwickelter Wissenschaft, Kunst und Architektur auf.
Mit dem "Reskript von Combinierung der rathäuslichen Collegien" vom 17. Januar 1709 wurde unter dem Preußenkönig Friedrich I. das Nebeneinanderbestehen der Städte Berlin, Cölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt beseitigt. Vom 21. Januar 1709 an gab es nur noch die einheitliche preußische Haupt- und Residenzstadt Berlin.
Friedrich Wilhelm I. ordnete Berlin 1723 der Kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer zu, wodurch der Berliner Magistrat zu einer bloßen Unterbehörde herabsank. Drei Jahre darauf, 1726, setzte er zudem einen Stadtpräsidenten für Berlin ein, der den Vorsitz im Magistrat übernahm und dem die Bürgermeister unterstellt wurden. Der Magistrat verlor dabei nicht nur jegliche Entscheidungsbefugnis über die Stadtverwaltung und die Finanzen, er büßte auch das Recht der Wahl neuer Ratsmitglieder ein, die nunmehr vom König nicht selten nach der Höhe ihrer Zahlungen an die Rekrutenkasse ernannt wurden.
Friedrich II. führte die Linie der Entrechtung des Magistrats fort. So schuf er 1742 das Amt des Polizeidirektors, dem die Aufsicht über den Magistrat übertragen und der mit bedeutenden Befugnissen über die städtische Polizei und Wirtschaft ausgestattet wurde. Zugleich teilte Friedrich II. das Magistratskollegium in vier Departements ein: Justiz, Polizei, Ökonomie und Kämmerei. Selbst die hygienischen Verhältnisse der Stadt, das Wohnungswesen, der Stadtausbau und die Verkehrswege unterlagen fortan seiner Entscheidung bzw. der seiner Staatsverwaltung.
Mit dem "Rathäuslichen Reglement" vom 21. Februar 1747 erhielt Berlin ein Verfassungsstatut, das im wesentlichen die seit 1709 herbeigeführten Veränderungen in der städtischen Verwaltung bestätigte. Der Magistrat bestand danach aus dem vom König ernannten Stadtpräsidenten, der zugleich die Polizeiaufsicht ausübte, drei oder vier Bürgermeistern, zwei Syndici, einem Ökonomiedirektor, einem Kämmerer und zwölf Ratsherren.
Erst die Steinsche Städteordnung, die am 19. November 1808 in Kraft trat, schränkte den Einfluß des Staates auf die Stadt vorübergehend ein. Der Berliner Stadtverwaltung wurde das Erziehungs-, Gesundheits- und Armenwesen sowie die Grundstücksverwaltung übertragen. Die Wahl des Magistrats erfolgte durch die Stadtverordnetenversammlung, die ihrerseits aus einer geheimen und gleichen Wahl der männlichen Bürger mit einem Jahreseinkommen von mindestens 200 Talern hervorging. Die erste Berliner Kommunalwahl fand vom 18. bis 22. April 1809 statt. 102 Stadtverordnete, überwiegend Kaufleute und Gewerbetreibende, erhielten ein Mandat. Sie wählten am 25. April 1809 im Gebäude der heutigen Humboldt-Universität den einzigen Vertreter des Adels, Leopold von Gerlach, zu ihrem Vorsitzenden, der bald darauf der erste Oberbürgermeister Berlins wurde. Mit einem feierlichen Gottesdienst in der Nikolaikirche wurden die Stadtverordneten, der Oberbürgermeister, ein Bürgermeister, neun besoldete und fünfzehn unbesoldete Stadträte in ihr Amt eingeführt.
Aber bereits mit den Städteordnungen von 1831 und 1853 wurden bedeutende Teile der Steinschen Städteordnung ausgehöhlt oder beseitigt. 1831 wurde die Leitung der städtischen Angelegenheiten von der Stadtverordnetenversammlung auf den Magistrat übertragen. Ein Regulativ aus dem Jahre 1834 veränderte außerdem die Stellung des Oberbürgermeisters im Magistrat. Er wurde Dienstvorgesetzter mit allen disziplinarischen Befugnissen gegenüber dem Magistrat. An die Stelle der in der Steinschen Städteordnung festgelegten freiwilligen Mitarbeit ehrenamtlicher Kräfte trat nun eine von Beamten wahrgenommene und einer strengen Staatskontrolle unterworfene Kommunalverwaltung, in der das Amt des Polizeipräsidenten das wichtigste war.
Mit der Städteordnung vom 30. Mai 1853 wurde das Dreiklassensystem bei der Wahl der Gemeindevertretungen eingeführt, das Wahlrecht nach dem Einkommen der wahlberechtigten männlichen Einwohner über 21 Jahre abgestuft, die geheime Stimmabgabe beseitigt und festgelegt, daß die Hälfte der Stadtverordneten Haus- und Hofbesitzer sein mußten. Die Staatsaufsicht über die städtische Verwaltung wurde weiter ausgebaut. So legte die Städteordnung zum Beispiel fest, daß die Stadtverordneten nur solche Fragen erörtern konnten, die ihnen durch dieses Gesetz oder die Aufsichtsbehörde übertragen wurden. Der Polizeipräsident, der zugleich Regierungspräsident für Berlin war, konnte selbständig entscheiden, welche Fragen seine Behörden behandelten und welche die Stadtverordneten. Er konnte jede kommunale Aktivität mit dem Hinweis auf die Städteordnung außer Kraft setzen und zugleich von sich aus in kommunale Angelegenheiten eingreifen, ohne den Magistrat oder die Stadtverordnetenversammlung befragen zu müssen. Selbst auf den im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts beginnenden Umbau Berlins zu einer europäischen Großstadt hatten Magistrat und Stadtverordnetenversammlung keinen Einfluß.
Unter diesen Bedingungen entwickelte sich das kommunale Leben nur sehr langsam. Die allgemeinen Lebensverhältnisse und die Hygiene in Berlin blieben bis weit in das 19. Jahrhundert hinein äußerst rückständig. Es gab - außer Brunnen - keine öffentliche Wasserversorgung und keine Entsorgung. Die Straßen befanden sich in einem beklagenswerten Zustand. Die Bebauung war eng, und die Häuser waren mit Menschen überbelegt. Krankheiten griffen um sich, deren Brutstätten die sogenannten Familienhäuser (Mietskasernen) im Zentrum Berlins bildeten.
Dennoch wuchs und entwickelte sich die Stadt. Die seit 1807 in Angriff genommene Umwandlung des bis dahin mit feudalen Lasten behafteten städtischen Eigentums an Grund und Boden zu frei verfügbarem Eigentum (Separation) schuf ökonomische Voraussetzungen für die Erweiterung der Stadt. 1861 erfolgte die Eingemeindung von Wedding, Gesundbrunnen, Moabit und von Teilen Schönebergs und Tempelhofs.
© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de