Dr. Heinrich Wilhelm Krausnick

* 30. 03. 1797 in Potsdam
+ 14. 12. 1882 in Berlin
Bildnis Heinrich Wilhelm Krausnick
Oberbürgermeister
vom 06. 10. 1834 bis 20. 03. 1848
und 23. 01. 1851 bis 30. 12. 1862

Krausnick wurde als Sohn eines Schneidermeisters geboren. Nach einer Elementarschulausbildung in der Kantoreischule der Potsdamer Nikolaikirche bezog er 1806 das Gymnasium seiner Heimatstadt, das er nach dem Tod des Vaters offenbar nur durch Unterstützung aus der Monarchenfamilie abschließen konnte; diese Erfahrung begründete zweifellos die lebenslange Dankbarkeit Krausnicks gegenüber den Hohenzollern. Von April bis Dezember 1815 diente der Gymnasiast als Freiwilliger im Garde-Schützen-Bataillon, um dann nach dem im Oktober 1816 abgelegten Abitur ein Jurastudium an der Berliner Universität aufzunehmen. Schon nach zwei Jahren Studium wurde er zur Ersten Juristischen Staatsprüfung zugelassen und erhielt anschließend eine Anstellung beim Berliner Stadtgericht. 1820 legte er die Zweite, 1822 die Dritte Juristische Staatsprüfung ab, wurde infolgedessen erst Assessor, dann Justizrat. 1826 wechselte Krausnick zum Oberlandesgericht Breslau (heute Wroclaw), kehrte aber 1830 nach Berlin zurück, weil er eine Stelle beim Berliner Kammergericht annehmen konnte. Von dort wurde er 1831 ins Justizministerium berufen, um in einer Kommission zur Überarbeitung von Gesetzen mitzuwirken. 1832 wurde er Geheimer Justizrat und Vortragender Rat bei Justizminister Kamptz, dem berüchtigten Demagogenjäger. Zu seiner Überraschung wurde er ohne sein Wissen am 26. Mai 1834 mit 57 gegen 39 Stimmen von der Berliner Stadtverordnetenversammlung zum Oberbürgermeister gewählt. Da er als erfahrener Verwaltungsfachmann sein Amt mit erheblicher Sachkenntnis versah, nahmen die Mehrheiten bei seinen nach sechs Jahren turnusmäßig anfallenden Wiederwahlen kontinuierlich zu: 1840 wurde er mit 68 zu 28 und 1846 mit 77 zu 7 Stimmen gewählt.

Da mußte schon erstaunen, daß er am 20. März 1848 von seinem eigenen Magistrat zum Rücktritt gezwungen und Ende Juni 1848 von der Stadtverordnetenversammlung offiziell pensioniert wurde - ein Opfer der neuen demokratischeren Verhältnisse, wie es jedem erscheinen mußte. Genauso zum Erstaunen wurde die Öffentlichkeit veranlaßt, als die Berliner Kommunalvertretung im November 1850 ausgerechnet Krausnick wieder zum Berliner Stadtoberhaupt wählte - jetzt, entsprechend der neuen preußischen Gemeindeordnung, für eine Amtsdauer von 12 Jahren. Allerdings konnte der gealterte und durch die Ereignisse von 1848 auch zweifellos verbitterte Krausnick in dieser seiner letzten Amtsperiode nicht im entferntesten an die sehenswerten Bilanzen früherer Amtszeiten anknüpfen, noch überhaupt sichtbare positive Zeichen setzen.

Persönlich empfing er in dieser Zeit noch manche Ehre: 1854 wurde er zum Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit berufen, 1860 verlieh ihm die Juristische Fakultät der Berliner Universität den Ehrendoktor, 1861 berief ihn Wilhelm I. zum Komtur (Ordensritter) des Hohenzollern-Hausordens und ordnete die Benennung einer neuangelegten Straße in der Spandauer Vorstadt nach Krausnick an. Im Vorfeld der fälligen Oberbürgermeisterwahl nach Ablauf der 12jährigen Amtsperiode zum Jahresende 1862 wollte er sich gern erneut als Kandidat präsentieren, wurde aber von den Stadtverordneten nicht akzeptiert und - wiewohl mit Pomp und in allen Ehren - verabschiedet.

Krausnicks Wahl zum Oberbürgermeister ist in jedem der vier konkreten Fälle eng im Zusammenhang mit dem politischen Umfeld zu sehen. Nach der Welle mehr oder weniger ausgeprägter Volksbewegungen im Gefolge der Pariser Julirevolution 1830 setzte 1834 die organisierte blanke Reaktion ein, und die Berliner Kommunalbehörden, im Geruch der in der Affäre Bärensprung zutage getretenen antiautoritären Haltungen, wollten dem Verdacht auf liberale Einflüsse in ihren Reihen mit einem Bekenntnis zum Konservatismus entgegentreten: So fiel ihr Blick gerade auf einen engen Vertrauten des allmächtigen Herrschers über die preußische Polizei. Der Schachzug ging voll auf, denn der König stimmte der Wahl überraschend schnell zu und ehrte den Erwählten noch zusätzlich durch die Verleihung des Roten Adlerordens 4. Klasse. Krausnick wußte das Eisen zu schmieden, solange es heiß war und sorgte auf seine Art eines erfahrenen Verwaltungsjuristen dafür, daß aus der Affäre um seinen Vorgänger Bärensprung die notwendigen positiven Konsequenzen für den Oberbürgermeister hervorgingen; er initiierte noch 1834 ein Regulativ des Regierungspräsidenten in Potsdam über die Geschäftsverteilung im Magistrat, die für eine gestärkte Position des Oberbürgermeisters gegenüber den anderen Magistratsmitgliedern sorgte. Seine guten Beziehungen zur Staatsbürokratie zahlten sich dann recht bald aus bei den seit langem anstehenden Klärungen über die Abgrenzung der Kompetenzen von Staat und Stadt, die die Städteordnung von 1808 für die Residenz offengelassen hatte. Drei Jahrzehnte Querelen fanden damit weithin ihr Ende, und Hof, Regierung und Kommunalbehörden waren sich einig in der Einschätzung, daß dies zumeist Krausnicks Verdienst war - da kam seine Wiederwahl im Februar 1840 einem Bekenntnis zu vernünftigem Umgang miteinander gleich.

Die Wiederwahl im Februar 1846 sah Krausnick auf dem Höhepunkt seiner Popularität in Berlin, denn knapp ein halbes Jahr zuvor war der dem Wesen nach Konservative urplötzlich an die Spitze einer liberalen Demonstration gerückt, als der Berliner Magistrat, gedrängt von den Bürgern, beim König gegen die einseitige Bevorzugung orthodoxer Richtungen in der protestantischen Kirche Preußens aufmuckte und Krausnick an der Spitze einer Magistratsdeputation vom König angesichts solcher unerwünschten Protesthaltung rhetorisch abgestraft wurde.

1847 lädierte er seinen Ruf bei den Berlinern allerdings wegen seines Widerstands gegen die Öffentlichkeit der Stadtverordnetensitzungen. Im März 1848 machte er sich gänzlich unbeliebt, weil er in den Aufregungen der ersten Märzhälfte jede Möglichkeit blockierte, über den offiziellen Weg des Magistrats Meinungen an den Thron heranzutragen. Er äußerte seinen Unwillen über die Vorstellung, er habe irgendwann die Position des Vorsitzenden einer Provisorischen Regierung zu besetzen. Wegen seiner hochmütigen Feindschaft gegenüber der Revolution wurde er am 19. März 1848 auf der Straße mißhandelt und tags darauf selbst von seinen Stadträten zum Rücktritt veranlaßt, die allerdings in ihrer Mehrheit wohl von dem hintersinnigen Gedanken ausgingen, mit dem Bauernopfer des unpopulärsten Repräsentanten das Überleben des übrigen Magistrats zu sichern -eine Rechnung, die voll und ganz aufging! Im Mai, als mit der angekündigten Rückkehr des Prinzen von Preußen aus seinem kurzzeitigen englischen Exil die Regierung Camphausen-Hansemann ihren Frieden mit den Repräsentanten des vormärzlichen Regimes signalisierte, witterte auch Krausnick eine Gelegenheit zur Rückkehr auf seinen Posten und gab eine entsprechende Absicht bekannt; die Folge war ein Schrei der Empörung im demokratischen Lager und das Erscheinen eines ironischen Pamphlets in jiddischem Sprachduktus ("Offener Brief des Isaac Moses Hersch an den gewesenen Ober-Borgemeister Krausnick", sehr wahrscheinlich von dem Literaten und Verleger Samuel Löwenherz), das Krausnick der Lächerlichkeit preisgab. Die im Mai neugewählte Stadtverordnetenversammlung war aber bereit, sich auf juristisch einwandfreie Weise von Krausnick zu trennen und schickte ihn Ende Juni 1848 legitim in Pension: dabei kam zutage, daß Krausnick nicht so sehr politische oder Selbstwertmotive beim Widerstand gegen seine Verabschiedung bewegten als vielmehr finanzielle. Dennoch sandte ihm der Magistrat zur definitiven Verabschiedung ein wohltönendes Dankschreiben für seine Verdienste nach. Ein Jahr später verlieh er ihm auf sein Verlangen hin noch den Titel "Stadtältester" - der ihm entsprechend der Städteordnung nach seinen Dienstjahren auch zustand -, verband diese Ehrung jedoch mit einer beleidigend nüchternen Bekanntmachung.

Der nach der neuen Gemeindeordnung 1850 gewählte Gemeinderat der Reaktionsära setzte hingegen ein Zeichen für seinen Abscheu vor der Revolution, indem er mit einer Stimme Mehrheit ausgerechnet den 1848 gestürzten Krausnick wieder an die Spitze der Stadt stellte. Krausnick, neben der 1848 mit Berlin ausgehandelten Pension inzwischen seit Oktober 1849 auch wieder mit den Einkünften eines hohen Staatsbeamten im Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten gesegnet, widerstand der Versuchung nicht, die Wiedergutmachung für die 1848 erfahrene Demütigung anzunehmen. Wie angetan der Hof von der Berufung Krausnicks war, demonstrierte der König mit der Spezialverfügung, daß jener als Berliner Stadtoberhaupt - wenngleich die Gemeindeordnung von 1850 prinzipiell nur den Titel Bürgermeister kannte - sich weiterhin Oberbürgermeister nennen dürfe. Angesichts der absoluten Vorherrschaft des von städtischer Seite nicht kontrollierbaren Polizeipräsidenten hatte das Oberbürgermeisteramt aber in der Reaktionsära wenig Bedeutung, und Krausnick blieben als erinnerungswerte Handlungen bloß symbolische Akte, wie 1859 die Grundsteinlegung zum Schiller-Denkmal und 1861 die für das neue Berliner Rathaus. Auch die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Juristischen Fakultät der Berliner Universität im Jahre 1860 hatte bei näherem Hinsehen lediglich symbolischen Wert: die Fakultät hätte auch jede andere Person auf dem Posten des Berliner Oberbürgermeisters aus Anlaß des 50. Jahrestages der Universität in den Genuß dieser Ehrung kommen lassen, um ein Zeichen für das gute Verhältnis von Universität und städtischen Behörden zu setzen! Als wenig spektakuläre, aber bedeutende Leistung konnte der Magistrat in den 50er Jahren schließlich die Abtragung der durch die napoleonische Besetzung 1806 bis 1808 aufgehäuften Kommunalschulden verbuchen, und daran war Krausnick nicht unwesentlich beteiligt, weil er 1843 die Einrichtung einer Magistratshauptkasse durchgesetzt hatte, die die Überschüsse von Ressorts konsequent zur Schuldentilgung verwandte. Was nach 1850 in Berlin an verwaltungsmäßigen und sozialen Fortschritten zu verzeichnen war, ging allerdings durchweg nicht auf Rechnung des Magistrats. Selbst die notwendige Eingemeindung von Gesundbrunnen, Wedding, Moabit und den Vorstädten südlich des Landwehrkanals, die der Staat 1861 anbepfahl, stieß auf Krausnicks Widerstand.

Trotz der gänzlichen Verschiebung der politischen Gewichte - Berlin war inzwischen Hochburg der Fortschrittspartei! - wollte Krausnick auch 1862 noch einmal kandidieren, was die Stadtverordneten jedoch verhinderten. Zum Trost wurde ihm bei seiner feierlichen Verabschiedung die Ehrenbürgerwürde verliehen - die Ausfertigung des Ehrenbürgerbriefes ließ aber noch fast ein halbes Jahr auf sich warten.

Nach seiner Pensionierung war Krausnick noch in verschiedenen Ehrenämtern tätig, zum Beispiel im Direktorium des Bürger-Rettungsinstituts und in dem der Armen-Speisungs-Anstalt, auch im Vorstand des Vereins zur Erziehung sittlich verwahrloster Kinder. Als 1865 der "Verein für die Geschichte Berlins" ins Leben trat, gehörte Krausnick zu dessen Mitbegründern. In seinem letzten Lebensjahrzehnt wohnte er, von seiner Tochter betreut, im vornehmen Tiergartenviertel, wo er in der Königin-Augusta-Str. 25 (heute Reichpietsch-Ufer) auch verstarb. Krausnick wurde im Roten Rathaus aufgebahrt und am 17. Dezember 1882 in einem Trauerkondukt von dort zur Grabstätte auf dem Jerusalemer-Friedhof überführt.

 

© Edition Luisenstadt, 1998
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