* um 1520 in Brandenburg (Altstadt)
+ 7. 7. 1576 in Brandenburg
Oberbürgermeister
von 1561 bis 1562,
1563 bis 1564, 1565 bis 1566,
1567 bis 1568, 1569 bis 1570,
1571 bis 1572, 1573 bis 1574,
1574 bis 1575, 1576
Thomas Matthias, Enkel von Christian Matthias, Berliner Stadtoberhaupt ab 1482 und ältester Sohn des Bürgermeisters zu Brandenburg, gleichfalls Christian Matthias geheißen, wurde um 1520 in Brandenburg Altstadt geboren. Dank der Unterstützung eines adligen Gönners, Bertram von Bredows, konnte er ein Studium in Wittenberg aufnehmen. Hier wurde er mit dem Humanisten und Reformator Philipp Melanchthon bekannt, in dessen Haus er viele Jahre seiner Wittenberger Zeit verbrachte. Nach Abschluß seiner Studien empfahl Melanchthon seinen Schützling an den kurfürstlichen Kanzler Weinlob. Dieser sowie der Onkel von Thomas Matthias, Georg Matthias, Bürgermeister zu Berlin ab 1538, erreichten durch ihren Einfluß, daß Thomas 1547 seinen Dienst am kurfürstlichen Hof aufnehmen konnte. Bald darauf wurde er von Joachim II. Hector zum Kurfürstlich-Brandenburgischen Kammerrat ernannt und mit der Verwaltung der landesherrlichen Finanzen betraut. Dieses Amt versah er bis zum Tode Joachims II. Hector im Jahre 1571. Thomas Matthias galt als der vertrauteste Ratgeber des Kurfürsten und war diesem offensichtlich überaus ergeben. Als Erzbischof Sigismund von Magdeburg, der Thomas Matthias sehr gewogen war, ihn zu höchst vorteilhaften Bedingungen in seine Dienste nehmen wollte, schlug letzterer das Angebot aus. Oft soll er geäußert haben, daß er seinen Herrn, dem er die Treue geschworen, nicht verlassen werde, auch wenn er darüber zum Bettler würde.
Mehrfach entsandte der Kurfürst seinen Vertrauten zu wichtigen Verhandlungen, so 1567 gemeinsam mit Albrecht von Thümen an den Kaiserhof nach Wien, um die Übertragung des Erzbistums Magdeburg nach dem Tode Sigismunds an dessen Bruder, Markgraf Joachim Friedrich, zu veranlassen. Dank des diplomatischen Geschicks der beiden Gesandten erteilte Kaiser Maximilian II. seine Zustimmung, beschenkte beide reichlich und soll Thomas Matthias sogar zum Comes palatinus (Pfalzgraf) ernannt haben. Bereits Jahre zuvor, 1558, waren er und seine Brüder Georg und Christian vom deutschen Kaiser in den Adelsstand erhoben worden. Ihr Wappen, schräg geteilt, zeigte im oberen goldenen Feld den heiligen Matthias, im unteren schwarzen einen Löwen.
Auf der großen Festlichkeit, die man 1569 anläßlich der Mitbelehnung der brandenburgischen Hohenzollern mit dem Herzogtum Preußen durch den polnischen König Sigismund August, dem Schwager Joachims II. Hector, beging, wurden Thomas Matthias sowie verschiedene andere Räte und polnische Gesandte vom Kurfürsten zu Rittern geschlagen und mit je einer goldenen Kette und einem samtenen Gewand beschenkt.
Thomas Matthias übernahm neben seinem Hofamt 1561 auch noch die Funktion des Stadtoberhauptes und war damit der dritte - und letzte - Berliner Bürgermeister aus dieser Familie.
Zu seinen städtischen Verpflichtungen zählte er auch die Förderung von Wissenschaft, Bildung und Kunst. Gelehrte und Poeten, die sich hilfesuchend an ihn wandten, versuchte er nach Kräften zu unterstützen. Als 1574 auf Ersuchen des Berliner Rates durch den Nachfolger Joachims II. Hector, Johann Georg, im ehemaligen Franziskanerkloster (dessen letzter Mönch, Bruder Peter, war 1571 verstorben) eine allgemeine Landesschule gegründet wurde, die die seit 1552 wieder getrennten Pfarrschulen Sankt Nikolai und Sankt Marien in sich vereinigte, erwies sich Thomas Matthias als einer der Wohltäter dieser später als Gymnasium zum Grauen Kloster bezeichneten Bildungseinrichtung, indem er sie mit eigenen Geldmitteln unterstützte. Insgesamt finanzierte sich das neue Gymnasium vorwiegend durch solcherart Stiftungen und Zuwendungen sowie durch Mittel aus der allgemeinen Armenkasse. Beachtenswert waren die hier herrschende Schulgeldfreiheit sowie die Einrichtung einer sogenannten Kommunität, eines Schülerheims, in dem bedürftige Schüler untergebracht und versorgt wurden.
In erster Ehe war Thomas Matthias mit Margarete Domstorff verheiratet, die ihm fünf Töchter gebar, aber bereits mit 23 Jahren verstarb. Seine zweite Ehe schloß er am 21. Dezember 1561, also im Jahr seiner Wahl zum Berliner Bürgermeister, mit Ursula Meyenburg, Tochter des Stadtoberhauptes zu Nordhausen. Wie es heißt, war diese Hochzeit eine der glänzendsten, die jemals in Berlin gefeiert wurden. Nicht allein Joachim II. Hector, sondern auch viele andere Fürstlichkeiten, die anläßlich der gleichzeitigen Eheschließung der Markgräfin Sophie in der Residenz weilten, wohnten der Trauung bei und überbrachten den Neuvermählten wertvolle Geschenke. Aus dieser zweiten Ehe gingen drei Söhne und vier Töchter hervor.
Thomas Matthias wurde nicht nur als vermögender Bürger, sondern insbesondere als kurfürstlicher Finanzverwalter in die verworrenen Geldgeschäfte Joachims II. Hector hineingezogen. Oft genug streckte er dem Hof Mittel aus seinem privaten Vermögen vor, verpfändete eigene Wertgegenstände, um in dringenden Fällen Geld flüssig zu machen und übernahm zahlreiche Bürgschaften. Nach seinem Amtsantritt als Stadtoberhaupt half er dem Hof nicht nur mit eigenen, sondern auch mit städtischen Mitteln aus. Eine klare Unterscheidung zwischen dem Etat der Stadt und dem des Landesherrn war mitunter nicht mehr erkennbar. Seiner Anhänglichkeit an den Kurfürsten ist es wohl auch zuzuschreiben, daß er nicht ganz einwandfreie Finanzoperationen Joachims II. Hector gegenüber den Bürgern unterstützte, die sich oft genug für ihr Geld, das sie dem Landesherrn geliehen hatten, mit Schuldverschreibungen und einzelnen Huldbeweisen zufrieden geben mußten. Die meisten der aus dem finanziellen Wirrwarr entstandenen Mißhelligkeiten hatte er allein durchzustehen: "Jedermann verließ sich auf ihn. Alles wies man an ihn; sein Haus war stets von Bittenden umlagert, seine Person bei jedem Ausgange auf der Straße mit Gläubigern des Hofes und mit Mahnern umringt. Aus Liebe zu seinem Fürstlichen Herrn ertrug er solche Zudringlichkeit mit der Geduld eines Märtyrers und besänftigte die Ungestümen mit Vertröstungen und beruhigenden Worten. Ja, er versetzte sogar eigene Kostbarkeiten an die Juden, um in dringenden Fällen Geld zu schaffen. Oft auch verschrieb er sich an einheimische und fremde Kaufleute zum Bürgen."
Der plötzliche Tod seines Gönners Joachim II. Hector am 2. Januar 1571 brachte für Thomas Matthias einschneidende Veränderungen. Der neue Kurfürst, Johann Georg, machte für die Schuldenwirtschaft seines Vaters in erster Linie dessen Günstlinge - insbesondere Finanzverwalter Thomas Matthias und den jüdischen Münzmeister Lippold - verantwortlich. Gegen Thomas Matthias, der übrigens 1564 in einer Denkschrift als eine der Ursachen für die sinkende Wirtschaftskraft der Städte die Steuerfreiheit von Adel und Geistlichkeit bezeichnet hatte, leitete man ein Untersuchungsverfahren ein. Seine Amtsstube wurde gewaltsam geöffnet, Papiere sichergestellt und Zimmer versiegelt. Bei der Durchsuchung seines Hauses fand man nicht 10 Gulden baren Geldes, keine Hypotheken, keine Wechsel, hingegen Unterlagen über Verpfändungen seiner väterlichen Erbgüter, Versetzungen seiner Kleinodien und viele Schuldverschreibungen auf Rechnung des Hofes. Die Untersuchungen bewiesen seine Schuldlosigkeit; dennoch verlor er seine Stellung als kurfürstlicher Rat und Finanzverwalter, nur das Bürgermeisteramt verblieb ihm. Seine an den Hof geleisteten Geldvorschüsse wurden ihm nicht zurückgezahlt. Ein weitaus schlimmeres Schicksal ereilte den Münzmeister Lippold. Als die gegen ihn eingeleiteten Untersuchungen gleichfalls keine Unregelmäßigkeiten erbrachten, erpreßte man ihm auf der Folter das Eingeständnis, Kurfürst Joachim II. Hector, dem er in dessen letzten Stunden beigestanden hatte, vergiftet, überdies Zauberei und Verkehr mit dem Teufel betrieben zu haben. Im Januar 1573 wurde er auf grausamste Weise hingerichtet. Die übrigen Juden, die sich nach ihrer Vertreibung 1510 unter Joachim II. Hector allmählich wieder in der Mark Brandenburg angesiedelt hatten, wurden des Landes verwiesen.
Als im Juni 1576 ein weiteres Mal die Pest über
die Residenzstadt hereinbrach - insgesamt fielen ihr bis Jahresende
fast 4000 Menschen in Berlin und Cölln zum Opfer - flüchtete
Thomas Matthias gleich vielen anderen Bürgern aus der Stadt
und begab sich nach seinem Geburtsort Brandenburg. Dort ereilte
ihn aber kurz darauf, am 7. Juli, der Tod. Beigesetzt wurde er
in der Gruft seines Vaters. Sein in der Brandenburger Kirche Sankt
Gotthard befindliches Epitaph vermerkt in lateinischer Sprache
seine Lebensdaten. Auch in der Nikolaikirche zu Berlin errichtete
man ihm eine Gedächtnistafel. Da er auf dieser mit seiner
ersten Frau, die hier ihre Grabstätte gefunden hatte, abgebildet
ist, sind wahrscheinlich die Kinder aus erster Ehe als Stifter
anzusehen. Noch heute existiert im Berliner Stadtbezirk Friedrichshain
eine Straße, die nach ihm benannt ist.
© Edition Luisenstadt, 1998
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