Joachim Reiche sen.

+ 1518
Wappen Joachim Reiche sen.
Oberbürgermeister
von 1496 bis 1497, 1498 bis 1499,
1500 bis 1501, 1502 bis 1503,
1504 bis 1505, 1506 bis 1507,
1508 bis 1509, 1509 bis 1510,
1511 bis 1512, 1513 bis 1514,
1515 bis 1516, 1517 bis 1518

Mit Joachim Reiche sen. stand nach einem knappen halben Jahrhundert wieder ein Angehöriger dieser einst so angesehenen und wohlhabenden Patrizierfamilie an der Spitze der Stadt.

Infolge des 1448 ausgebrochenen offenen Aufruhrs der Berliner und Cöllner Bürgerschaft - angeführt von den alten Ratsgeschlechtern - gegen Friedrich II. Eisenzahn (siehe Bürgermeister Henning Strohband, Amtsantritt 1401) waren die Reiches all ihrer Lehen verlustig gegangen und mit den höchsten Geldstrafen bedacht worden. Joachims Vater, Bernhard Reiche, der zur Zeit dieser als "Berliner Unwillen" in die Geschichte eingegangenen Empörung das Bürgermeisteramt innegehabt und als einer der Köpfe der Rebellion gegolten hatte, wurde darüber hinaus aus den größeren Städten der Mark Brandenburg sowie Spandau verbannt. Etwa zwei Jahre danach erlag er einem Mordanschlag, ausgeführt von einem brandenburgischen Adligen. Erst 24 Jahre später erlangte sein damals noch unmündiger Sohn Joachim die Begnadigung. Er erhielt die väterlichen Lehen in Strausberg, Wiesenthal und Schmargendorf zurück, von Rosenfelde (dem heutigen Friedrichsfelde) allerdings nur einen Teil, der andere ging an Berlin und Cölln. Und nach wiederum 24 Jahren wurde Joachim Reiche sen. in die höchste Stadtfunktion gewählt, die er - jährlich alternierend - bis zu seinem Tod innehatte.

In seiner vorletzten Amtsperiode kam es wieder einmal zu Auseinandersetzungen zwischen Stadtregierung und Bürgerschaft. Bislang war es in Berlin und Cölln Brauch gewesen, daß die Einwohner ihre zu zahlende Vermögenssteuer ohne jegliche amtliche Überprüfung selbst eingeschätzt hatten. Jetzt verlangte Kurfürst Joachim I. Nestor vom Rat der Stadt, sich nicht mit der eidesstattlichen Bestätigung des angegebenen steuerpflichtigen Vermögens durch die Bürger zu begnügen, sondern die Bewertung selbst vorzunehmen. Der Widerstand der Berliner und Cöllner gegen diese Maßnahme führte am 7. Dezember 1515 zu tumultartigen Auftritten in der Stadt. Joachim I. Nestor unterdrückte die Krawalle, ließ die Rädelsführer ins Gefängnis werfen und erwog die Einleitung eines Verfahrens gegen die Anführer wegen Friedensbruchs. Die Angelegenheit konnte aber durch einen Vergleich beigelegt werden: Beide Städte verpflichteten sich zur Zahlung einer hohen Geldbuße als Entgeld für die Freilassung der Gefangenen. Um diese Summe aufbringen zu können, wurde den Bürgern ein neuer Schoß (Steuer) auferlegt.

Im darauffolgenden Jahr richtete Kurfürst Joachim I. Nestor das Hof- und Kammergericht - eine Art Obergerichtshof und zugleich Appellationsinstanz - ein. Mit diesem Kammergericht hatte sich der Landesherr ein Rechtsmittel geschaffen, um auch in die grundherrschaftliche und städtische Gerichtsbarkeit eingreifen zu können.

Wie damals üblich, trugen wohlhabende Bürgerfamilien zur Ausgestaltung der Kirchen bei. So auch Joachim Reiche sen., der im Jahre 1500 einen kleinen Altar für die Nikolaikirche in Berlin stiftete. In eben dieser Kirche wurde er, 1518 verstorben, beigesetzt. Er hinterließ zwei Söhne. Der ältere, Joachim, wurde 1526 ebenfalls Berliner Bürgermeister, der jüngere, Jan, war später im Fernhandel tätig.

 

© Edition Luisenstadt, 1998
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