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Frank Eberhardt
Vom Handwerker zum Großindustriellen

Ein Destillierapparat bestimmte den Weg von Carl Justus Heckmann

Bei Führungen über den Luisenstädtischen Kirchhof an der Bergmannstraße (Kreuzberg) fand ich das Grab eines Berliner Industriellen, nach dem heute noch ein Stück Straße am Landwehrkanal benannt ist, das Heckmannufer. Und in der von Touristen frequentierten Oranienburger Straße in Mitte gibt es neuerdings die »Heckmann Höfe«, frisch aufpoliert, allerdings der Durchgang von der Straße her noch mit marodem Charme. Bei den weiteren Nachforschungen fand ich eine Familie, die im vorigen Jahrhundert nicht nur den Ruf der Industrie Berlins mit begründet, sondern auch im gesellschaftlichen Leben eine bedeutende Rolle gespielt hat.
     Carl Justus Heckmann wurde am 3. Mai 1786 in Eschwege geboren. Er verlor schon in jungen Jahren seine Eltern. Da Großvater und Vater Kupferschmiedemeister in Eschwege gewesen waren, erlernte auch der Junge dieses Handwerk. Nach fünfjähriger Lehrzeit begab er sich auf Wanderschaft, wie es damals für Gesellen üblich war. Dabei durchquerte er Süddeutschland,

Österreich und Ungarn. 1816 kam der inzwischen Dreißigjährige nach Berlin, wo er zunächst als Geselle arbeitete.
     1819 machte sich Heckmann selbständig. Die Adreßbücher von 1820 bis 1825 weisen C. A. Heckmann, Kupferschmied, in der Alten Jakobstraße 59 aus. (Bis 1855 werden in den Adreßbüchern als Abkürzungen für die Vornamen C. A.(ugust?) statt C. J.(ustus) aufgeführt). In der Literatur über Heckmann wird als Werkstatt ab 1819 der Hausvoigteiplatz genannt. Ob sich in der Alten Jakobstraße nur die Wohnung oder, entgegen der üblichen Darstellung, auch die Werkstatt Heckmanns befand, konnte nicht geklärt werden. 1826 konnte er auf das Grundstück Hausvoigteiplatz 12 umziehen.
     Entscheidend für die Entwicklung von Heckmanns Betrieb war ein Auftrag von Pistorius, der ihm die Herstellung seines Destillationsapparates zur Spiritusgewinnung übertrug. Johann Heinrich Leberecht Pistorius (1777–1858, BM 3/97) war nach dem Besuch des Joachimsthal- Gymnasiums in Berlin Kaufmann geworden. Er hatte Experimentalvorträge des landwirtschaftlichen Chemikers Sigismund Friedrich Hermbstaedt (1760–1833) gehört und sich durch den Besuch vieler Vorlesungen weitergebildet. Insbesondere versuchte er, das nach althergebrachten Grundsätzen betriebene Brennereigewerbe nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten zu verbessern.
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Sein Verdienst ist es, an Stelle der alten, von der Alchemie überlieferten Destillationsapparate einen Destillier- und Rektifizierapparat geschaffen zu haben, der es gestattete, in einem einzigen Arbeitsgang aus 10prozentiger Maische 85prozentigen Spiritus zu erzeugen. Pistorius ließ sich den Apparat 1817 in Preußen patentieren. 1821 kaufte er das Rittergut Weißensee und machte es zu einem Mustergut. Zum Gut gehörte eine Brennerei. Deshalb dehnte Pistorius den Kartoffelanbau für die Branntweinproduktion aus. Eine Straße und ein Platz im Bezirk Weißensee erinnern an ihn.

Aufstieg der Firma Heckmann und die Erfindung von Pistorius

Schon im Jahre 1819 hatte Pistorius Bau und Vertrieb des Destillierapparates Carl Justus Heckmann übertragen. Gemeinsam mit Pistorius verbesserte Heckmann den Apparat und konnte dadurch die Alkoholausbeute weiter erhöhen. Dazu trug insbesondere bei, daß die Heizung der Destillationsapparate nicht mehr über offenem Feuer erfolgte, sondern vermittels Dampf mit Hilfe von Heizschlangen. Diese verbesserten Apparate fanden einen ständig größer werdenden Kundenkreis und erforderten den Übergang von der ursprünglich betriebenen Kupferschmiede- Werkstatt Heckmanns zum handwerklichen Kleinbetrieb.

Carl Justus Heckmann

 

Doch die Werkstatt am Hausvoigteiplatz erwies sich für den Bau der immer größer werdenden Apparate allmählich als zu klein, die Produktion vollzog sich größtenteils auf dem Hof und erregte wegen Rauchs und Lärms in der Nachbarschaft viel Ärger.
     In der Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens der Korporation der Berliner

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Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften Elise Wentzel, geb. Heckmann

 

Kaufmannschaft am 2. März 1870 wird festgestellt:
Wir schließen hieran das für Berlin nachher so wichtige Spiritus- Geschäft. Wir haben oben berichtet, daß sich um 1820 gegen 50 Branntwein- Brennereien hier befanden, welche ausschließlich Getreide brannten. Kurz darauf aber kam die Verwendung der Kartoffel zur Spiritus- Erzeugung auf,

und wurde von Staatswegen stark begünstigt, auch Exportvergütung bewilligt, welche zwei Drittheile der ausgelegten Maischsteuer zurückgab. Der erste Kartoffelbranntwein wollte nicht munden wegen seines fuseligen, erdigen Geschmacks, nachdem aber der Pistorius´sche Brenn- Aparat das Product in viel reinerer Gestalt darstellte, fand Kartoffelspiritus immer allgemeineren Eingang und in der Zeit von 1825-1835 entstanden in unseren östlichen Provinzen auf dem platten Lande unzählige Kartoffelbrennereien, welche die im Jahre 1820 noch in Preußen bestandenen c. 8000 Getreide- Brennereien (von denen der größere Theil indess nur 12–16 Scheffel1) Getreide täglich brannte) sowohl in den westlichen Provinzen als in den Städten und so auch in Berlin allmählich brach legten und eingehen ließen.2)

Heckmann war Marktbeherrscher geworden, seine Produktion expandierte. 1837 errichtete er in der sich damals schnell entwickelnden Luisenstadt zwischen nach heutigen Bezeichnungen der Schlesischen und Görlitzer Straße ein Kupfer- und Messingwalzwerk. Pierre Louis Ravené (1793–1861, BM 11/94), ein wohlhabender Kaufmann, der eine Metallhandlung besaß, hatte sich mit dem tüchtigen Handwerker assoziiert. Diese Geschäftsbeziehung bestand aber nur kurze Zeit. Bald wurde Heckmann alleiniger Inhaber und verlegte 1841 auch seine Kupferschmiede, für deren Bedarf er das Walzwerk

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zunächst in erster Linie arbeiten ließ, vom Hausvoigteiplatz auf das neue Grundstück.
     Mit seinem Gespür für neue Entwicklungen widmete sich Heckmann frühzeitig der Konstruktion von Apparaten für die sich damals stark entwickelnde Zuckerindustrie. Seine Erzeugnisse wurden auch international anerkannt, so daß er sogar nach Übersee exportieren konnte. In Kuba errichtete er später eine eigene Filiale. Auch für die entstehende chemische Industrie lieferte Heckmann Apparaturen: Glyzerin- Destillieranlagen, Fettsäure- Destillationen und Ölhärtungs- Einrichtungen. Alles, was damals aus Kupfer und Messing hergestellt werden mußte, konnte von Heckmann bezogen werden: Geräte für Gerbereien, die Tabak- und Salzindustrie, aber auch Kupferaggregate für Brauereien. Für den in Berlin aufblühenden Lokomotivbau lieferte Heckmann als erster kupferne Feuerbuchsen. Wenn sich neue Entwicklungen abzeichneten, griff Heckmann sie auf und stellte seine Produktion darauf ein.
     Einen sehr guten Überblick über das umfangreiche Produktionsprogramm der Heckmann- Werke gab Eugen Hausbrand 1919 in einer beabsichtigten, jedoch den Zeitumständen zum Opfer gefallenen Jubiläumsschrift zum 100jährigen Bestehen.3) Hausbrand (1845–1922), von dem behauptet wird, daß er der erste Verfahrensingenieur der Welt gewesen sei, begann 1875 seine Tätigkeit als Oberingenieur in den Heckmann- Werken und übernahm 1878 die Leitung der
Berliner Fabrik für über vierzig Jahre (die Söhne Heckmanns leiteten das Breslauer und das Duisburger Werk). Er veröffentlichte etliche Fachbücher und wissenschaftliche Artikel und schrieb später:
Daher ist es wohl als ein Verdienst der Firma C. Heckmann anzusehen, daß bei ihr die Erkenntnis dieser Dinge (Entwurf und Bau der Destillierapparate u.ä., F. E.) so weit kam, daß sie zur vollkommen theoretischen Beherrschung aller einschlägigen Verhältnisse führte und daß sie in der Folge ... die Abmessungen solcher Apparate berechnen konnte, ohne sich auf Nachahmungen oder auf den Glauben an die oft unbegründete Ansicht anderer zu stützen.4)
     Mit zunehmender Vergrößerung der Betriebe wurde der Fabrikkomplex weiter ausgebaut, bis er, vom Landwehrkanal und den umgebenden Straßen ganz umgrenzt, nicht mehr erweitert werden konnte. Außerdem errichtete Heckmann Ende der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mehrere Werkstätten und Maschinenbauanstalten in den Hauptgebieten des Zuckerrübenanbaus, so in Breslau, Hamburg, Letschin und Moskau, die sich teilweise sehr gut entwickelten.
     Wie damals üblich, wohnte der Fabrikant bei seinem Werk. Carl Justus Heckmann ließ sich in der Schlesischen Straße 18/19 eine Villa errichten, auf der gegenüberliegenden Seite, auf den Grundstücken Schlesische Straße 21/22 und 23/24, wohnten seine Söhne August und Friedrich.
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Adolph Menzels Gedenkblatt zum 50. Firmenjubiläum

Nach dem 50jährigen Bestehen seiner Firma 1869 zog sich Carl Justus Heckmann, inzwischen 83 Jahre alt, von der Leitung zurück und übergab sie seinen beiden Söhnen August (1822–1896) und Friedrich (1836–1907). Aus Anlaß dieses Geschäftsjubiläums hat der mit der Familie befreundete Adolph Menzel (1815–1905, BM 2/95) ein jetzt in der Nationalgalerie befindliches schönes Gedenkblatt geschaffen (unser Titelbild). Neben dem Firmengründer und einem weiblichen Genius sind mehrere Hammerschmiede in einer

feuerdurchglühten Fabrikhalle zu sehen, auf die in seinem Œuvre zum erstenmal die Bezeichnung Proletarier zutrifft.5)
     Eine Würdigung dieser Gouache gab Theodor Fontane (1819–1898) in einem Brief an seine Frau Emilie (1824–1902). Am 19. Oktober 1869 schrieb er an sie:
Um 6 in den Rütli bei Menzel, wo nur über Glucks »Armida« pro und contra gesprochen wurde; schließlich zeigte er uns ein neues Aquarell- Blatt (ähnlich wie in Monbijou) das er zum 50jährigen Jubiläum des alten Heckmann angefertigt hat. Brillant; eine seiner schönsten Arbeiten auf diesem Gebiet, geistreich, von herrlicher Farbenwirkung, klar verständlich, in jeder Beziehung gelungen.
Es war mir eine ordentliche Freude ihm mal sans phrase verständnißinnig die Hand drücken zu können.6)
Kontorhaus und Fabrikgebäude (ca. 1860), Schlesische Straße 18/19
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Anzeige von 1895

Da das Schreiben Heckmanns an seine Kundschaft gleichzeitig einen Überblick über den Stand der damaligen Besitzungen nach fünfzigjähriger Unternehmertätigkeit gibt, soll es hier wiedergegeben werden:
Ich beehre mich, Ihnen hierdurch ergebenst anzuzeigen, daß ich mein hier belegenes Berliner Kupfer- und Messingwerk nebst den dazu gehörigen Kommanditen und Werkstätten zu Breslau, Hamburg, Letschin (Oderbruch), und Moskau mit allen Aktivis – Passiva sind nicht vorhanden – meinen beiden Söhnen August Heckmann und Friedrich Heckmann am heutigen Tage übergeben habe, welche diese Geschäfte für ihre eigene Rechnung unter der alten Firma C. Heckmann fortführen und Ihnen das Weitere durch besondere Rundschreiben mitteilen werden. Ich habe ferner meine zu Herzershof (Oderbruch) belegene Zuckerfabrik Herzershof nebst dem dazu gehörigen Rittergute
Herzershof sowie meine in Stralsund belegene Zuckerfabrik Stralsund nebst den dazu gehörigen Gütern Devin und Voigdehagen mit sämtlichen Aktivis – Passiva sind nicht vorhanden – meinem Schwiegersohne, Herrn Theodor Sarre, überlassen, welcher diese Geschäfte usw. für seine eigene Rechnung und unter seiner eignen Firma fortführen und Ihnen das Nähere gleichfalls durch Circulaire mitteilen wird. Die außerdem bisher von mir betriebenen Bankgeschäfte und Unternehmungen werde ich mit meinem oben genannten Schwiegersohn Herrn Theodor Sarre zusammen für gemeinschaftliche Rechnung unter meinem Namen Carl Justus Heckmann weiterführen und mich beehren, Ihnen auch hierüber ein besonderes Circulaire zugehen zu lassen.
     Mit bewegtem Herzen blicke ich auf ein 50jähriges mühevolles, aber auch von Gott
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reich gesegnetes Geschäftsleben zurück, und es ist mir bei diesem Anlaß eine angenehme Pflicht, nächst der dankbaren Anerkennung, die ich meinen vielen langjährigen Mitarbeitern zolle, ganz besonders dem großen Kreise meiner verehrten Geschäftsfreunde für ihr mir in so reichem Maße geschenktes Vertrauen meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Möge dieses Vertrauen, welches mich stets so sehr beglückt hat, meinen Geschäftsnachfolgern erhalten bleiben: sie werden sich dessen würdig zeigen.
     Hochachtungsvoll
     C. Heckmann

Der »alte Heckmann«, wie man den betagten Geheimen Kommerzienrat in Berlin, vor allem in der Luisenstadt, nannte, verfolgte trotz seines hohen Alters in geistiger Frische noch zehn Jahre lang die weitere Entwicklung seines Lebenswerkes.

Ein Wohlfahrts-Clan in der Luisenstadt

So überschreibt Ludovica Scarpa ein Kapitel ihres Buches »Gemeinwohl und lokale Macht«.7) Sie stellt dort das soziale Engagement der Familie Heckmann dar. Wie Heckmann schon in seinem Schreiben anläßlich der Geschäftsübergabe besonders seinen Arbeitern dankte, sorgte er auch durch Stiftungen für deren Wohlfahrt. Aus den Carl-Justus- Friedrich- und Mathilde- Heckmann- Stiftungen erhielten invalide Beamte und

Arbeiter sowie deren Witwen und Waisen laufende Unterstützungen, ohne daß die Angestellten eine Beitragszahlung leisten mußten. Aber auch in der alltäglichen Arbeit wurde die Familie auf sozialem Gebiet tätig, z. B. in der Armenkommission des Gebietes. Während Carl Justus 1851 das Ehrenamt bereits in vorgeschrittenem Alter übernahm, war sein Sohn August nicht einmal dreißigjährig und blieb in diesem Gremium fast vier Jahrzehnte. Unterstützt wurde er erst von seinem Bruder Friedrich, dann von seiner Frau, seinem Sohn und seiner Schwiegertochter. Auch die weiblichen Familienmitglieder waren auf sozialem Gebiet tätig, so im Vorstand der Kleinkinderbewahranstalt des Viertels seit deren Gründung.
     Mit ihren umfangreichen sozialen Bemühungen nutzten Heckmanns als Eigentümer des in der östlichen Luisenstadt liegenden größten Industriebetriebes zugleich die vorhandenen traditionellen Wohlfahrtseinrichtungen, um durch die Mitwirkung bei Entscheidungen lokaler Politik das soziale Umfeld der eigenen Arbeiterschaft zu kontrollieren und sozialen Konflikten patriarchalisch organisierte Fürsorgeleistungen entgegenzustellen. Ein halbes Jahrhundert lang konnte die Familie diese Position halten.
     Carl Justus Heckmann starb am 25. Oktober 1878 im 93. Lebensjahr. Er war einer der angesehensten und begütertsten Bürger der damaligen Luisenstadt und das Oberhaupt einer weitverzweigten Familie.
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Für seine großen Verdienste um die Entwicklung in der Metallindustrie war ihm der Titel eines Geheimen Kommerzienrates verliehen worden. Auch die Stadt Berlin würdigte ihn 1899 mit der Benennung des Ufers des Landwehrkanals in der Nähe seines ehemaligen Betriebes zwischen Schlesischer Straße und Görlitzer Ufer.
     Bereits 1851 wurde in Breslau eine Zweigniederlassung errichtet, die ebenfalls für die Anfertigung von Kupferschmiedearbeiten aller Art, insbesondere für die Fabrikation von Apparaten für die in Schlesien und Posen mächtig heranwachsende Zuckerindustrie sowie für Brennereien und Brauereien, bestimmt war. In Berlin wurde Ende der sechziger Jahre das alte Walzwerk umgebaut und erweitert, für die Kupferschmiede wurde am Görlitzer Ufer 9 eine neue, umfangreiche Fabrikanlage geschaffen. Zehn Jahre nach Heckmanns Tod erfolgte eine entscheidende Veränderung: Von Berlin aus wurde in den Jahren 1887/88 das Kupfer- und Messingwalzwerk der Firma in Duisburg- Hochfeld gegründet, weil die günstige Lage am Rhein und mitten im Industriegebiet diesem Werk größere Entwicklungsmöglichkeiten bot. Hier wurden vor allem nach dem Patent Mannesmann nahtlose Kupfer- und Messingrohre hergestellt. In der Schlesischen Straße 25 verblieb lediglich ein Verkaufsbüro. Ein wesentlicher Teil der Produkte wurde in dem am Görlitzer Ufer 9 (heute Taborstraße) gelegenen Fabrikbereich weiterverarbeitet.
Hier waren eine Kupfer- und Kesselschmiede, eine Metall- und Eisendreherei, eine Abteilung zur Erzeugung von Kupferrohren mit Stahl, eine Metallgießerei und eine große Montagehalle verblieben. 250 Arbeiter waren in den zwanziger Jahren noch hier beschäftigt.
     1907 wurde das Familienunternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, wobei die Vertreter der Familie entscheidende Posten innehatten. Zum Heckmann- Imperium gehörten auf seinem Höhepunkt Maschinenfabriken, Kupferwalzwerke, Zucker- und Seifenfabriken in Breslau, Duisburg, Hamburg, Leipzig, Halle, Moskau und Havanna.
     In den schwierigen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg schloß sich 1927 die Aktiengesellschaft mit den Werken der Selve AG, Altena, und der Carl Berg AG in Werdohl zur Berg-Heckmann- Selve AG zusammen. Diese ging wenige Jahre später im Konzern der Vereinigten Deutschen Metallwerke AG, Frankfurt am Main, auf.
     Im Zweiten Weltkrieg wurden die meisten Standorte der Firma zerstört.

Die Familie im Leben der Berliner Gesellschaft

Carl Justus Heckmann schloß 1822 mit der Tochter des Klempnermeisters Reichnow die Ehe. Ihr entstammten vier Söhne und vier Töchter. Dem Sohn Friedrich August und seiner Frau Mathilde begegnen wir als den

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Hauptfiguren in Theodor Fontanes Roman »Frau Jenny Treibel«. Fontane war mit dem Ehepaar befreundet. Und er hielt sich sehr konkret an die Örtlichkeit: »Die Treibelsche Villa lag auf einem großen Grundstücke, das, in bedeutender Tiefe, von der Köpenicker Straße bis an die Spree reichte.« Und tatsächlich lag die Villa von Friedrich Heckmann direkt an der verlängerten Köpenicker Straße, der Schlesischen Straße. Das Grundstück reichte bis zur Spree. Das einzige Kind des frühverstorbenen ältesten Sohnes heiratete den damals sehr bekannten Operntenor Anton Woworsky.
     Die älteste Tochter von Carl Justus Heckmann, Dorothea (1826–1901), war mit dem Reichstagsabgeordneten Ludwig Rose-Döhlau verheiratet, die zweite Tochter Mathilde (1830–1879) mit dem Berliner Stadtrat Theodor Sarre (BM 5/98), mit dem Heckmann zur Verwaltung seines Vermögens ein Bankgeschäft gründete. Die jüngste Tochter Elise (1833–1914) wurde die Frau des Architekten Hermann Wentzel (1820–1889), eines engen Mitarbeiters von Friedrich August Stüler (1800–1865). Sie wurde durch ihre im Berliner Bürgertum ungewöhnliche Förderung wissenschaftlicher und humanitärer Bestrebungen bekannt. Infolge einer großzügigen Stiftung von 1,5 Millionen Mark für die Preußische Akademie der Wissenschaften wurde ihr 1900 die für eine Frau seltene Würde eines Ehrenmitgliedes der Akademie zuteil. 1910 wurde sie Ehrenmitglied des Architektenvereins.
Nach ihrem Tod diente ihr vornehmes Haus in der Viktoriastraße27, das ihr Mann selbst entworfen hatte, als Sitz des Berliner Architektenvereins.8)
     Fünf Enkel setzten das Werk fort. Darunter war Paul Heckmann (1849–1910), nicht nur Mitinhaber der Firma, sondern auch Gründer des Arbeitgeberverbandes; Georg Heckmann (1851–1918), Baurat, Chemiker; Reinhold (1873–1964 ), Direktor der Firma; Johannes (1876–1968), Dr. jur., Teilhaber und Mitinhaber der Maschinenfabrik und Apparatebauanstalt in Berlin und Breslau; und Clara (1848–1913), die mit dem Architekten Hugo Licht (1841–1923), dem Erbauer des Leipziger Rathauses, verheiratet war. Schließlich ist aus der Familie noch der Urenkel Werner (1892–1944) zu nennen, der Direktor der Berg-Heckmann- Selve AG war.9)
     Die ausgedehnten Heckmannschen Fabriken vor dem Schlesischen Tor sind der wachsenden Großstadt zum Opfer gefallen; verschwunden sind auch die schönen Villen der Familie mit ihren großen, sich bis zur Spree erstreckenden Gärten. Carl Justus Heckmann wurde auf dem Alten Luisenstädtischen Kirchhof in der Bergmannstraße beigesetzt. An der Trauerfeier in seinem Werk nahmen nicht nur die Familien- und Werksangehörigen teil. Arbeiterdeputationen anderer Fabriken, Vertreter des Magistrats und der Stadtverordneten- Versammlung, die Ältesten der Kaufmannschaft und der Deutsche Eisenbahnverein
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waren vertreten. Zahlreiche andere Korporationen hatten Deputationen entsandt. Beeindruckend sind die Namen der Großindustriellen und der Finanzwelt, die ihm die letzte Ehre erwiesen: Werner von Siemens (1816–1892), Louis Viktor Schwartzkopff (1825–1892), Franz Hermann Egells (1828–1885), Leiter der von seinem Vater Franz Anton Egells (1788–1854) gegründeten Eisengießerei und Maschinenfabrik, der Bankier Franz Mendelssohn (1829–1889) und viele andere. Heute ist sein Grab völlig vernachlässigt, die Inschrift kaum zu entziffern.
     Die Heckmanns sind in Berlin noch präsent, in den eingangs erwähnten Heckmann Höfen in der Oranienburger Straße 32. In den Jahren 1887/88 ließ der Kaufmann Koehne den heutigen Gebäudekomplex auf dem Grundstück einer Holzhandlung errichten. Er besteht aus dem fünfgeschossigen Vorderhaus mit Seitenflügeln sowie einem Quergebäude. Nach verschiedenem Eigentümerwechsel hat die Heckmannsche Erbengemeinschaft 1917 das Gebäude gekauft. Dort saßen bis in die vierziger Jahre noch Ingenieure des Werkes.
     Wenn man heute den noch nicht sanierten, düsteren Eingang und den schmalen ersten Hof durchschritten hat, überrascht der weitläufige und helle zweite Hof. Die mit restaurierten Gebäuden geschmückten Höfe erstrecken sich bis zur Auguststraße 9. Die Heckmann-Erben haben sich entschlossen, den ganzen als Flächendenkmal ausgewiesenen Komplex zu sanieren.
Für die Überlassung von Material gilt mein Dank der Erbengemeinschaft, insbesondere Frau Prelle, geb. Heckmann, und Frau Loß.

Quellen und Anmerkungen:
1     In Preußen hatte ein Scheffel 54,96 Liter
2     Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens der Korporative der Berliner Kaufmannschaft am 2. März 1870, in: Beiträge zur Geschichte des Berliner Handels und Gewerbefleißes aus der ältesten Zeit bis in unsere Tage, Berlin 1870, S. 64
3     Eugen Hausbrand, Von der Kupferschmiede zur Großindustrie, in: Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie, 13, 1923, S. 61 ff.
4     Gisela Buchheim und Rolf Sonnemann (Hrsg.), Lebensbilder von Ingenieurwissenschaftlern, Basel–Boston–Berlin 1989
5     Jost Hermand, Adolf Menzel mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek bei Hamburg 1986, S. 96
6     Theodor Fontane, Werke, Schriften und Briefe, Abt. IV, Briefe, 2. Bd., München 1994, S. 252
7     Ludovica Scarpa, Gemeinwohl und lokale Macht, Honoratioren und Armenwesen in der Berliner Luisenstadt im 19. Jahrhundert, Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Band 77, München, New Providence, London, Paris, S. 181 ff. und 308 ff.
8     Adolf Harnack, Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1. Bd., 2. Hälfte, Berlin 1900, S. 1019 ff., 2. Bd., S. 648 ff.
9     Bernhard Koerner (Hrsgb.), Genealogisches Handbuch Bürgerlicher Familien, ein Deutsches Geschlechterbuch, 17. Bd., Görlitz 1910, S. 186 ff.

Bildquellen: Vgl. 9), Archiv Autor

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