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Horst Wagner
19. Dezember 1932:
Der »Fliegende Hamburger« fährt

»Berlin–Hamburg in 141 Minuten. Schnelltriebwagen erreicht programmgemäß 122 Stundenkilometer im Durchschnitt.« So überschrieb der »Berliner Lokal- Anzeiger«, das »Zentral-Organ für die Reichshauptstadt«, seine Spitzenmeldung auf Seite1 in der Abendausgabe vom Montag, dem 19. Dezember 1932. »Der vom Publikum und Fachleuten mit Spannung erwartete Schnelltriebwagen, der zur Zeit das modernste und schnellste Schienen- Verkehrsmittel darstellt«, so das Blatt, »verließ pünktlich 8 Uhr den Lehrter Bahnhof und ist nach 141 Minuten Fahrt um 10.21 Uhr auf dem Hamburger Hauptbahnhof eingetroffen.« Damit sei die bisher schnellste Fahrzeit von Fern-D- Zügen, die auf dieser Strecke 2 Stunden und 59 Minuten betrug, um 37 Minuten unterboten worden. Die Höchstgeschwindigkeit des neuen Triebwagens betrage 155 Stundenkilometer.
     Damit reichte er allerdings nicht an das Tempo des »Schienenzeppelins« heran, der bei einer Fahrt von Bergedorf bei Hamburg nach Berlin- Spandau am 21. Juni 1931 eine Spitzengeschwindigkeit von 231 Kilometer pro Stunde erreicht hatte.

Doch während der propellergetriebene Schienen-Zepp sich wegen mangelnder Betriebssicherheit und eines Rechtsstreites um das Erfinderpatent nicht durchsetzen konnte, wurde der Schnelltriebwagen nach seiner Probefahrt vom 19. Dezember 1932 – am gleichen Tag noch ging es um 15.05 Uhr von Hamburg nach Berlin zurück – bald in den regelmäßigen Betrieb übernommen und als »Fliegender Hamburger« allgemein bekannt.
     »Der Schnelltriebwagen führt sein eigenes Kraftwerk mit sich«, beschrieb der »Lokal-Anzeiger« die neuartige Antriebsweise. Zwei 410 PS Maybach- Dieselmotoren lieferten über die von ihnen angetriebenen Siemens-Schuckert- Generatoren den Strom für die beiden im vorderen und hinteren Fahrgestell untergebrachten Elektromotoren, die eine, wie das Blatt bemerkte, »fast geräuschlose Fahrt« bewirkten. »Wollte man das Tempo spüren, dann müßte man schon aus dem Fenster sehen.«
     Der Führerstand sähe »eigentlich dem einer Berliner Straßenbahn nicht unähnlich«. Nur gäbe es viel mehr Hebel, Knöpfe und Meßgeräte. Der mit einer automatischen Bremseinrichtung ausgerüstete Triebwagen bot in seinen zwei Passagierräumen 100 Personen Platz. »Es sind keine geschlossenen Abteile, wie bei den D-Zug- Wagen, sondern auf der einen Fensterseite Polsterbänke mit drei Plätzen, auf der anderen Einzelplätze.«
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Ankunft im Hamburger Hauptbahnhof; der 42 m lange, stromlinienförmige und dadurch windschlüpfrige Triebwagen benötigte für die Fahrt nur 142 Minuten.
Gleich neben dem die beiden Wagenteile verbindenden Durchgang befand sich ein Erfrischungsraum. Nach dem Vorbild des Rheingold- Expresses war der Fliegende Hamburger in den Farben Silbergrau- Elfenbein- Violett gehalten.
     »Mit der heutigen Versuchsfahrt«, hob der »Lokal-Anzeiger« in seinem Bericht vom 19. Dezember 1932 hervor, »ist ein Verkehrsmittel auf der Reichsbahn erschienen, dem man eine große Zukunft voraussagen kann.« Tatsächlich wurde der »Fliegende Hamburger« zum Prototyp aller dieselelektrischen Schnelltriebwagen.
     Der im Winterfahrplan 1999/ 2000 ebenfalls als »Fliegender Hamburger« einmal
täglich verkehrende ICE 530 ist zwar größer und moderner, aber mit seinen 139 Minuten von Berlin-Zoo nach Hamburg- Hauptbahnhof kaum schneller. Wesentlich unterbieten ließe sich diese Fahrzeit sicher durch eine neue, vorhandene Anlagen nutzende Hochgeschwindigkeits- Strecke über Stendal. Diese käme, wie Fachleute betonen, wesentlich billiger als der Bau des umstrittenen »Transrapid« und würde diesen, der »von City zu City« – bei einer Geschwindigkeit von etwa 400 Stundenkilometern – 60 Minuten benötige, eigentlich überflüssig machen.

Bildquellen: Archiv Autor, Archiv LBV

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