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Jutta Schneider
11. Dezember 1750:
Weihnachtsmarkt in der Breiten Straße

Anfang Dezember 1750 werden die Leser des Berliner Intelligenzblattes davon in Kenntnis gesetzt, daß der »vorhin in der Hl. Geiststraße und auf dem Mulkenmarckte gehaltene sog. Weynachts- Marckt wegen der bekannten engen Passage ... über den Mühlendamm in die Breite Straße verleget« worden ist. Die »Verkäuffer und Käuffer« sollten »mit aller Gemächlichkeit und in einer Folge den Marckt bebauen und besuchen« können. Damit hat der Weihnachtsmarkt einen Platz gefunden, der, bald erweitert in Richtung Schloßplatz, bis 1872 sein wichtigster Standort bleiben sollte.
     Wann er zum erstenmal in Berlin stattfand, ist nicht eindeutig überliefert. Aus dem 15. Jahrhundert stammen die ersten Nachrichten über einen vorweihnachtlichen Handel. Wie im köllnischen Stadtbuch vermerkt ist, »wurde um die Mitte des 15. Jahrhunderts reellen Krämern der Handel mit Honigkuchen und anderen Syrupteiggebäcken gegen ein Stättegeld von zwei Mariengroschen pro Tag zur Weihnachtszeit auf dem Petriplatz und dem Köllnischen Fischmarkt ausdrücklich

gestattet«. Friedrich III./I. (1657–1713, Kurfürst ab 1688, König ab 1701) soll angeordnet haben, an den Buden »Syrupteiggebackenes und derley leckerhafte Dinge« für den Hof zu kaufen. Eine offizielle Nachricht stammt aus dem Jahre 1729. Einem zeitgenössischen Bericht zufolge ließ König Friedrich Wilhelm I. (1688–1740, König ab 1713) am Heiligabend dieses Jahres, nachdem er »die auf dem gewöhnlichen Weynachts- Marckt feilgestelleten Sachen in denen aufgestellten Boutiquen en Promenade in Augenschein« genommen, »hernach verschiedene Kostbarkeiten von Silber und allerhand Spielsachen nach dem Schlosse bringen«.
     Der Verkauf von Wachskerzen und Pfefferkuchen gilt als Vorläufer des Weihnachtsmarktes, dessen Buden sich ursprünglich auf den Straßenzügen Petriplatz – Gertraudenstraße – Köllnischer Fischmarkt –Mühlendamm – Molkenmarkt – Poststraße und Heiligegeiststraße befanden. Etwa 50 Buden, vor allem Honigkuchenbuden, sollen es 1650 gewesen sein. Bald war die Budenstadt so angewachsen, daß es notwendig wurde, den Markt mit behördlichen Maßnahmen einzugrenzen. Auf ein Gesuch des Stadtpräsidenten und Polizeidirektors Carl David Kircheisen (1704–1770) an den König ist er dann 1750 in die Breite Straße verlegt worden.
     Der Weihnachtsmarkt konnte viele Jahre vom 11. Dezember bis zum 6. Januar besucht werden. Die Dauer erklärt sich daraus, daß bei Hofe, wie auch in England und Frankreich,
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erst am Neujahrstage beschert wurde. Friedrich II. (1712–1786, König ab 1740) führte den 25. Dezember als Bescherungstag ein. Ab 1872 wurde der Weihnachtsmarkt nur noch bis zum 27. Dezember durchgeführt.
     Im Jahre 1805 wurden schon 303 Buden auf dem Weihnachtsmarkt gezählt, neben vielen Krämern mit Tischen und Körben. 25 Jahre später hatte sich die Zahl verdoppelt. Das Aufstellen der Buden durfte erst nach 6.00 Uhr morgens erfolgen. Wer früher verkaufen wollte, wurde »in 2 Thl. Strafe genommen«. Der Fahrverkehr auf der Breiten Straße durfte während des Weihnachtsmarktes nur in eine Richtung passieren. Außerdem mußte zwischen den Buden auf beiden Seiten der Straße soviel Platz gelassen werden, daß zwei Wagen bequem nebeneinander fahren und die Besucher daneben laufen konnten. Auch für eine angemessene polizeiliche Aufsicht wurde gesorgt. Für die gesamte Zeit des Weihnachtsmarktes wurden »am Tage zwei Mann und am Abend vier Mann von der Gendarmerie abgestellt«.
     Mit der Tradition des Berliner Weihnachtsmarktes ist auch die Geschichte des Tannenbaums verbunden. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war der Weihnachtsmarkt der einzige Ort, an dem der Baum gekauft werden konnte. Die Tradition des geschmückten Baums soll aus dem nachreformatorischen Brauch der Handwerkszünfte abgeleitet sein, die einen mit Äpfeln, Oblaten und Zuckerwerk geschmückten Gabenbaum in ihren
Gesellschaftsstuben aufstellten. Schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts findet sich in einer Berliner Zeitung die Erwähnung, daß »manche Leute um die Weihnachtszeit grüne Fichten in die Stube bringen«. Um diese Zeit trugen die Bäume noch keine Lichter. Die erste Kunde von einem lichtergeschmückten Tannenbaum geht auf einen Brief Caroline von Humboldts (1766–1829) zurück, den sie 1815 an Wilhelm von Humboldt (1767–1835) schrieb: »An zwei Enden eines langen Tisches brannten zwei kleine Weihnachtsbäume ...« 1885 gab es bei der Weihnachtsfeier des Elektrotechnischen Vereins erstmals einen elektrisch beleuchteten Christbaum.
     Die Geschäftsleute in der Breiten Straße und auf dem Schloßplatz, namentlich der Inhaber des größten Textiliengeschäftes in Berlin, Rudolph Hertzog (1815–1894), sahen ihre Umsätze durch den Weihnachtsmarkt gefährdet. Auf ihr Drängen wurde der Markt 1873 in den Lustgarten verlegt. Die Händler protestierten und steckten Trauerfahnen an ihre Buden, aber gegen den finanzschweren Konkurrenten Hertzog konnten sie nichts ausrichten. Schließlich mehrten sich die Stimmen, die forderten, den Weihnachtsmarkt ganz abzuschaffen. Sie sahen in ihm eine »in der That gänzlich veraltete, den Verhältnissen und der Würde der Reichs- Hauptstadt in keiner Weise mehr entsprechende Krämereieinrichtung«. 1893 wurde der Markt auch wegen des Domneubaus, in
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Der Weihnachtsmarkt in der Breiten Straße, Stich von 1776

die Arkona- und benachbarte Straßen verbannt. Ein Antrag des Polizeipräsidiums an die Stadtverordnetenversammlung im Jahre 1891, den Weihnachtsmarkt aus Verkehrsrücksichten ganz zu beseitigen, wurde jedoch abgelehnt. Erst 1934 kam der Weihnachtsmarkt wieder in den Lustgarten. 1945 fand zwischen Ruinen und Schutthalden der Markt in der ersten Friedensweihnacht im Lustgarten wieder seinen Platz.
     Christa Lorenz hat in ihrer Publikation »Berliner Weihnachtsmarkt«, Bilder und Geschichten aus 5 Jahrhunderten, Berlin 1987, eine umfassende Geschichte des Marktesveröffentlicht. Diese Publikation ist wesentliche Quelle des Beitrages.
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