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Jenny Schon
Studieren in frischer Luft

Aus der Geschichte der Technischen Universität

In diesen Tagen feiert eine Einrichtung ihren 200. Geburtstag, der man das Alter wegen der Neubauten nicht ansieht. Hier Daten und Fakten zur Geschichte der Technischen Universität.

Die Bauakademie (1799–1879)

Am 18. März 1799 von Friedrich Wilhelm III. (1770–1840, König ab 1797) gegründet. 23 Lehrfächer sind im Statut von 1799 verzeichnet. Lehrer waren u. a. Friedrich Gilly (1771–1800), der die Überwindung des Zopfstils und den beginnenden Klassizismus bewirkte. Sein Schüler Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) wurde 1820 Professor an der Bauakademie. Bis 1824 wurde die Bauakademie von Johann Gottfried Schadow (1764–1850) geleitet.
     Sitz der Bauakademie war anfangs die Akademie der Künste (1696 von Kurfürst Friedrich III. gegründet), als deren Tochterinstitution sie galt, ab 1800 die Neue Münze am Werderschen Markt, ein repräsentativer,

von Gentz geschaffener Bau. Schinkel schuf das Relief. 1806 siedelte die Bauakademie von der Münze in die Zimmerstraße 25 um, 1832 bis 1835 erbaute Schinkel ein eigenes Haus am Werderschen Markt, in dem sie bis 1884 unter dem Namen Allgemeine Bauschule verblieb.
     In den Anfängen waren die Hörerzahlen gering, der preußische Staat durch die Kriege geschwächt. Friedrich Wilhelm III. hatte die Bauakademie 1809 mit der Akademie der Künste verbunden, nach Ausscheiden Schadows 1824 unterstellte sie der König gemäß seinem Nützlichkeitsstandpunkt dem Ministerium für Handel und Gewerbe. Er verfügte auch die Verringerung der Lehrfächer auf 18 und erließ die Anordnung, daß die Technik bei der Bauakademie, die höheren ästhetischen Fächer bei der Akademie der Künste bleiben sollen.
     Nachfolger Schadows wurde bis 1830 Oberlandesbaudirektor Johann-Albert Eytelwein (1764–1849), der Pionier der deutschen Wasserbaukunst. Peter Christian Wilhelm Beuth (1781–1853) leitete die Bauakademie bis 1845, gleichzeitig auch das Gewerbeinstitut.
     Nach seinem Rücktritt setzte sich Friedrich August Stüler (1800–1865), ein ehemaliger Schüler der Bauakademie, jetzt Lehrer, 1846 in einer Denkschrift für Reformen ein, da es an der Akademie gravierende Differenzen gegeben hatte. Stüler hatte das Ziel, neben den wissenschaftlichen und theoretischen
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die künstlerischen Fähigkeiten der Studenten stärker zu entwickeln. Die Revolution von 1848 hatte ihre Wirkung auch auf die Studierenden, sie verlangten die volle Lernfreiheit und Wiedereinführung der Bezeichnung Akademie statt Bauschule. Auch der 1824 gegründete Architektenverein war für die Reformen.
     Resultat dieser Bemühungen waren die 1849 erschienenen Vorschriften für die Bauakademie, die unter Oberbaurat Busse, der von 1849–1866 Direktor und ein früherer Mitarbeiter Schinkels war, eine neue Periode im Lehrbetrieb der Bauakademie einleiteten und 1859 durch entsprechende Prüfungsvorschriften ergänzt wurden.
     Voraussetzung für den Besuch der Bauakademie war jetzt die Absolvierung eines Gymnasiums oder einer höheren Realschule. Das Studium dauerte zwei Jahre, außerdem gehörte ein Jahr praktische Tätigkeit dazu.
     Eine Folge der Lernfreiheit war, daß Lehrer wenigstens für die Hauptfächer etatmäßig angestellt werden konnten. 1869 gab es zum erstenmal eine Vertretung der Studentenschaft, die zunächst nur mit wissenschaftlichen und künstlerischen Veranstaltungen hervortrat, aber dennoch der Vorläufer des späteren Ausschusses der Studentenschaft der Technischen Hochschule von 1884 wurde.
     Letzter Direktor war der Architekt Richard Lucae (1829–1877), der erste aus dem
Lehrkörper hervorgegangene. Er lieferte auch die Baupläne für den Prachtbau der Technischen Hochschule und schuf 1875 eine kollegiale Organisation, entgegen der bisherigen Praxis, daß Staatsbeamte die Akademie führten. Es gab einen fünfköpfigen Senat.
     Das Studium wurde auf vier Jahre festgelegt, die Lehrfächer in fünf, den späteren Fakultäten schon sehr ähnliche, Abteilungen aufgegliedert:
I.     Natur- und mathematische Wissenschaften
II.   Allgemeine Bauwissenschaften
III. Manuelle Fertigkeiten
IV.   Ingenieurwesen
V.     Architekturwissenschaften

Die Gewerbeakademie (1821–1879)

1821 gründete Peter Christan Wilhelm Beuth die Technische Schule, ab 1827 Gewerbeinstitut, ab 1866 Gewerbeakademie genannt. Mit 13 Schülern hatte er begonnen, als er 1845 ausschied, waren es 101. Ursprünglich sollten die Zöglinge, wie er sie nannte, sie waren meist zwischen 12 und und 16 Jahren, Gewerbeschullehrer werden.
     Das gräfliche Haakesche Haus in der Klosterstraße bildete den Kern eines stattlichen Gebäudekomplexes. In ihm waren auch die gewerblichen Sammlungen untergebracht, ebenso die mechanische Werkstatt. Aus dieser Werkstatt gingen zahlreiche Plastiken

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und Statuen hervor, die später in Berlin aufgestellt wurden. August Kiß (1802–1865), der Rauch-Schüler, gehörte zu den künstlerischen Lehrkräften.
     Beuths persönliche Sammlung von Kupferstichen wurde nach seinem Tode dem Schinkelmuseum übergeben, das seitdem Beuth-Schinkel-Museum hieß und einen besonderen Schatz der späteren Technischen Hochschule bilden sollte. Beuth zeigte besonderen Sinn für die Veredelung der Gewerbe durch Kunst.
     Auch an der Gewerbeakademie ging die 48er Revolution nicht spurlos vorüber. Dem Regulativ vom 5. Juli 1860 lag der Gedanke an eine wirkliche Hochschule zugrunde. Der bisher an der Gewerbeakademie erteilte elementare Unterricht sollte möglichst schon in den provinzialen Gewerbeschulen abgeschlossen werden. Das Zulassungsalter wurde auf 17 bis 27 Jahre festgelegt, das Reifezeugnis und der Nachweis einer einjährigen praktischen Beschäftigung galten als Voraussetzung. Ausgebildet wurden die Zöglinge als Mechaniker, Chemiker oder Bauhandwerker. Der Unterricht dauerte drei Jahre, wobei drei Kurse zu absolvieren waren. Die Hörerzahl stieg auf über 500 im Jahre 1866.
     1860 forderte ein regulärer Streik der Studierenden eine weitere Reorganisation. Der schulmäßige Charakter sollte durch einen Studienbetrieb abgelöst werden, der dem Bildungsgrad der Studenten Rechnung
trug. Zehn Jahre nach der Bauakademie erzwangen sie auch hier Lernfreiheit.
     Die Fächer der technischen Abteilung: Mechanik, Chemie und Hüttenkunde, die bald gesonderte Abteilungen wurden, und Seeschiffbau.
     Einer der bedeutendsten Lehrer war seit 1868 Franz Reuleaux (1829–1905), der Begründer der Kinematik. Am 1. November 1871 feierte die Gewerbeakademie ihr 50jähriges Bestehen. Aus diesem Anlaß gab sie sich eine neue Verfassung, der sich 1875 die Bauakademie anschloß. Bis zur Vereinigung der beiden Anstalten war es nur noch ein Schritt.

Die Technische Hochschule zu Charlottenburg 1879

1876 hatte sich auch der Verein Deutscher Ingenieure für die Vereinigung ausgesprochen, mit dem Verfassungsstatut vom 17. März 1879 wurde sie am 1. April 1879 dann perfekt. Das erste Semester registrierte 1 180 Studenten und 121 Hospitanten. Das Studium war inzwischen gebührenpflichtig geworden.
     Der erste Rektor war Friedrich Karl Hermann Wiebe (1818–1881) bis zu seinem Tod. Nach den Plänen Richard Lucaes hatte Friedrich Hitzig (1811–1881), der Erbauer der Börse und der Reichsbank, mit einigen Abänderungen den Außenbau in der Charlottenburger Chaussee geschaffen.

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Das Gelände wurde von Kaiser Wilhelm I. (1797–1888; König 1861, Kaiser 1871) zur Verfügung gestellt. Vor den Toren Berlins waren die Grundstücke noch bezahlbar. Das Hippodrom in der Fasanenstraße lag in der Nähe, auch meinte man, daß den Studenten die frische Luft im nahen Tiergarten guttäte.
     Nach Hitzigs Tod hatten Julius Raschdorff (1823–1914) und sein Sohn Otto, die den Berliner Dom bauten, 1884 die Inneneinrichtung des Neorenaissancebaus vollendet. Für viele galt der Bau bis zu seiner Zerstörung in der Nacht vom 22. zum 23. November 1943 als eines der hervorragendsten Profangebäude Berlins.
     Die Einweihungsfeier fand am 2. November 1884 statt. Der Kaiser war anwesend, gefolgt vom Kronprinzenpaar. Kulturminister von Goßler übergab den Bau an Rektor und Senat. Rektor Hermann Guido von Hauck (1845–1905) gelobte in seiner Rede, aus diesem Hause eine »Zentralstelle für die Pflege der technischen Wissenschaften und Künste zu machen, die, mit dem praktischen Leben in innigster Verbindung, das von der Industrie ihr zugeführte überreichte Material wissenschaftlich zu verarbeiten habe, um wiederum auf diese anregend und fördernd zu wirken«.
     Dem Senat gehörten an: der Rektor, der seit 1880 gewählt wurde, der Prorektor, die Leiter der fünf Abteilungen sowie fünf für zwei Jahre aus den Abteilungen gewählte Vertreter.
Die Abteilungen:
1. Architektur
2. Bauingenieurwesen
3. Maschineningenieurwesen, einschließlich Schiffbau
4. Chemie und Hüttenkunde
5. Allgemeine Wissenschaften

1899 wurde bereits Jubiläum gefeiert: 20 Jahre Technische Hochschule und 100 Jahre Bauakademie. In diesem Jahr waren 3 804 Studenten eingeschrieben, darunter 280 Ausländer, allen voran Russen.
     Am 15. Juni 1898 hatte Wilhelm II. (1859–1941, Kaiser von 1888–1918) den Rektoren der drei damaligen Technischen Hochschulen Preußens Sitz und Stimme im Preußischen Herrenhaus gegeben. Auf der Hundertjahrfeier, die am 18. Oktober 1899 im Lichthof begangen wurde, verkündete Kultusminister Studt, daß Wilhelm II. allen preußischen Technischen Hochschulen das Promotions- und Ehrenpromotionsrecht sowie das Recht zuerkannt hat, den Grad des Dipl.-Ing. zu verleihen. Dieser Titel war bald sehr begehrt, zumal die Diplom- Hauptprüfung als erste Staatsprüfung galt. Erster Ehrendoktor wurde – wegen seines Technikinteresses – der Bruder des Kaisers, Prinz Heinrich von Preußen. Ernst Borsig (1868–1933) verkündete auf dem Festakt, daß er eine Jubiläumsspende der deutschen Industrie einbringe.
     1894 wurde ein Lehrstuhl für Elektrochemie (Elektroanalyse) eingerichtet.

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1899 wurde der Lehrstuhl Allgemeine Wissenschaften, an dem seit 1884 Mathematik, Physik, Nationalökonomie, Rechtswissenschaft, gewerbliche Gesundheitslehre und Hygiene vereinigt waren, um Literaturgeschichte und Sprachen erweitert: Französisch, Englisch, Italienisch und Russisch.
     Im Wintersemester 1922/23 waren mehr als 5 000 Hörer eingeschrieben. Im Sommersemester 1924, in dem 125jähriges Jubiläum gefeiert wurde, kamen das erste Mal drei weibliche Studenten an die TH, im Wintersemester 1930/31 waren es 112.
     1921/22 hatte es die Fakultätenverfassung gegeben, die zunächst vier Fakultäten vorsah:
1.     Fakultät für allgemeine Wissenschaften
2.     Fakultät für Bauwesen (zwei Abteilungen)
3.     Fakultät für Maschinenwirtschaft (drei Abteilungen), Ende der 20er Jahre Maschinenwesen genannt
4.     Fakultät für Stoffwirtschaft (zwei Abteilungen), sie wird 1934 Bergbau und Hüttenwesen.

1934 wird die Fakultät für Wehrtechnik gegründet, die bis 1945 bestand. 1942 erfolgt die Aufteilung von Bauwesen in zwei Fakultäten: Bauwesen und Architektur.
     In die Fakultät Bergbau und Hüttenwesen war in Etappen die 1770 von Friedrich II. (1712–1786, König ab 1740) gegründete Bergakademie integriert worden. In den 20er Jahren wurde der Abteilung Schiff- und

Schiffsmaschinenbau die neue Fachrichtung Luftfahrzeugbau angegliedert.
     Am 9. April 1946 wurde die Hochschule wiedereröffnet. Sie nahm dies zum Anlaß, sich Universität zu nennen. Der Lehrbetrieb wurde mit ca. 100 Lehrkräften aufgenommen. 1950 wurde die Humanistische Fakultät gegründet.
     Die Hochschule war im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden, außerdem war die Anlage für den Bedarf moderner Disziplinen zu klein. Es entsteht ein Erweiterungsbau. Die Architekten sind Kurt Dübbers und Schwannicke, 1965 wird er fertiggestellt. An die alte Technische Hochschule erinnern heute nur noch der Lichthof und einige rekonstruierte Fassaden.

Quellen:
Technische Universität Berlin, Berlin 1956
Chronik der Königlich-Technischen- Hochschule Berlin, Ernst-Verlag, Berlin 1899

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© Edition Luisenstadt, 1999
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