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Gerhard Fischer
Er prägte das Gesicht Berlins

Der Landschaftsarchitekt Peter Joseph Lenné
(1789–1866)

Peter Joseph Lenné war der Landschaftsarchitekt des deutschen Klassizismus. Ein halbes Jahrhundert hindurch, von 1816 bis zu seinem Tode 1866, hat er die Gartenkunst in Preußen geprägt. Unzählige Anlagen – man spricht von mehreren hundert – gehen auf ihn zurück. Vorbild seiner Parks waren die englischen Landschaftsgärten. An die Stelle der abgezirkelten Blumenbeete, Rabatten und Spaliere des feudalen Barock und Rokoko traten große, zusammenhängende Rasenflächen und weiträumige, oft von Schlängelwegen durchzogene Haine oder malerisch angeordnete Baumgruppen; die Bauten und die Gewässer wurden in die Landschaft eingebettet, Sichtachsen vermittelten den Ausblick in die umgebende Natur.
     Dieses von der bürgerlichen Aufklärung beeinflußte Parkprogramm hatte in Deutschland beispielgebend Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740–1817) verwirklicht, namentlich mit den Wörlitzer Anlagen, die er ab 1764 von Johann Friedrich Eyserbeck (1734–1818) und anderen Land-

Peter Joseph Lenné

 
schaftsgärtnern gestalten ließ. Eyserbecks Sohn Johann August (1762–1801), von Friedrich Wilhelm II. (1744–1797, König ab 1786) im Jahre 1787 nach Preußen berufen, hat das Programm von Dessau im wahrsten Sinn des Wortes nach Berlin und Potsdam »verpflanzt«. Doch erst Lenné verhalf ihm endgültig und auf breiter Front zum Durchbruch.
     Vor 210 Jahren, am 29. September 1789, wurde Peter Joseph Lenné in Bonn geboren. Er entstammte einer alten Gärtnerfamilie, die ursprünglich in Liège (Lüttich) ansässig war. Urahn Augustin Le Neu war 1665 ins

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Rheinland ausgewandert und zum erzbischöflich-kurfürstlichen Hofgärtner in Poppelsdorf – heute ein Ortsteil von Bonn – bestellt worden. In dieser Eigenschaft dienten auch seine Nachfahren ihrem Landesherren, bis Peter Josephs Vater (1756–1821) – er ließ den Familiennamen in »Lenné« ändern – schließlich zum Inspektor des Botanischen Gartens der Universität Bonn aufrückte.
     Nach dem Besuch des Gymnasiums erlernte Peter Joseph den Gärtnerberuf beim Vater und bei Clemens Weyhe, einem Onkel mütterlicherseits, der als Hofgärtner in Brühl bei Köln tätig war. Dann ging's auf Wanderschaft: 1811/12 studierte er in Paris und arbeitete als Gehilfe im dortigen Botanischen Garten, von 1812 bis 1814 in Schönbrunn und Laxenburg bei Wien und in München bei dem Hofgartenintendanten Friedrich Ludwig von Sckell (1750–1823), dem Schöpfer der Schloßparks von Schwetzingen, Nymphenburg und des Englischen Gartens der bayerischen Metropole.
     Im März 1816 wird Lenné zum »Gartengesellen« in Potsdam-Sanssouci ernannt. Das klingt bescheiden, ist aber für den 26jährigen eine hohe Berufung. In Sanssouci arbeitet um diese Zeit der Oberhofbaurat Johann Gottlob Schulze (1755–1834) als Königlicher Gartendirektor; ihm zur Seite steht Wilhelm Sello (1753–1822) aus einer berühmten Familiendynastie von Hofgärtnern. Beide sind dem Pensionsalter nahe, Lenné hat also gute Aussichten auf eine berufliche Karriere.
Noch im gleichen Jahr beauftragt der preußische Staatskanzler Karl August Fürst von Hardenberg (1750–1822) Lenné, seine Besitzungen Klein-Glienicke (heute Volkspark) und Quilitz landschaftsgärtnerisch umzugestalten. Die Arbeit in dem Oderbruchdorf, 1815 in »Neu-Hardenberg« umbenannt, bringt Lenné in Kontakt mit dem Schwiegersohn des Staatskanzlers, dem Fürsten Hermann von Pückler (1785–1871), der als Landschaftsgestalter – vornehmlich mit Muskau an der Neiße und Branitz bei Cottbus – wie als Schriftsteller zu Ruhm gelangt ist.
     Vor allem aber wächst und reift in Neu-Hardenberg und Klein-Glienicke eine echte Freundschaft mit Karl Friedrich Schinkel (1781–1841), der an beiden Orten die Gutshäuser zu Schlössern umbaut. Diese Partnerschaft dauert an, bis Schinkel infolge einer Krankheit 1840 ins Koma versinkt, und beschert uns beispielsweise Schloß und Park Charlottenhof (ab 1826). Nachdem Lenné in Sanssouci schon den Rehgarten und das Hauptparterre am Neuen Palais rekonstruiert hat, ist der Schloßpark Charlottenhof im »englischen Styl« seine erste gärtnerische Neuschöpfung auf Potsdamer Boden, ausgeführt von seinem Schüler Hermann Sello (1800–1876).
     1818 ist Lenné, inzwischen als Königlicher Garteningenieur vereidigt, zum Mitglied der Königlichen Gartenintendantur und 1824 zum Königlichen Gartendirektor in Potsdam
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berufen worden. Nachdem er 1822 den »Verein zur Beförderung des Gartenbaus in den Königlich- Preußischen Staaten« mitbegründet hat, ruft er 1824 die »Königliche Gärtner- Lehranstalt« Wildpark, deren Direktor er kurz darauf wird (BM 8/98), und 1832 die Landesbaumschule ins Leben. Für Nachwuchs ist also gesorgt, sowohl für Fachkräfte als auch für Bäume und Sträucher. Versagt blieb der ihm allerdings in der 35jährigen harmonischen Ehe mit »Fritzchen«, seiner Frau Louise Friederike geb. Voß, der Tochter eines Potsdamer Hofgärtners, die er 1820 geheiratet hatte.
     Im Park von Sanssouci gibt es kaum eine Partie, an der Lennés Hand nicht sichtbar und spürbar würde. Bei einigen dieser Anlagen entwickelt und bewährt sich die Zusammenarbeit mit den Schinkel-Schülern Friedrich Ludwig Persius (1803–1845), Ludwig Ferdinand Hesse (1795–1876), Friedrich August Stüler (1800–1865) und Ferdinand Heinrich Ludwig von Arnim (1814–1866).
     Auch im Potsdamer Stadtbereich und seinem unmittelbaren Umfeld zeugen Parks und Plätze von Lennés Schöpfergeist. Nachdem er schon ab 1817 im Neuen Garten tätig geworden ist und ab 1818 den Lustgarten am Stadtschloß in einen romantischen Landschaftspark verwandelt hat, gibt er dem Bassinplatz seine heutige Form, legt die Kolonie Alexandrowka an und läßt mit dem Aushub vom Bau der Nikolaikirche den Wilhelmplatz, den heutigen Platz der Einheit, aufschütten.
Eine Reihe von Lennés Grünanlagen um Potsdam entstehen im Zusammenhang mit Ideen Friedrich Wilhelms IV. (1795–1861, König 1840–1858), der schon als Kronprinz davon träumt, die gesamte Gegend in einen einzigen großen Landschaftspark umzuwandeln, und auch Entwurfsskizzen dafür liefert. Das trifft sich mit Lennés Vorstellungen, das ganze Havelgebiet »aufzuschmükken«. 1833 und 1843 legt er Pläne »zur Verschönerung der Insel Potsdam« vor. In diesem Sinne wirkt er gestalterisch in Caputh und auf der Pfaueninsel, in Sacrow und im Wildpark, in Bornim und Bornstedt. Die letzte grandiose Schöpfung dieser Art ist ab 1849 der Pfingstberg mit seinen Anlagen rund um das Belvedere.
     Mindestens ebensolang ist die Liste der ländlichen Schloß- und Gutsparks in der Mark, die Lenné als ihren Urheber bezeichnen können. Sie beginnt um 1820 mit Freienwalde, Criewen, Hohenlandin, Kränzlin und Petzow. Hier war Auftraggeber der Gutsbesitzer Karl Friedrich August Kähne, der einer seit 1630 in Petzow ansässigen Familie angehörte (BM 5/97). Auch die Schloßparks von Altranft, Baruth, Boizenburg und Lanke, um weitere Beispiele zu nennen, hat Lenné geschaffen.
     Mit seinem Namen verbindet sich ebenfalls die Neugstaltung von Schloßparks im unmittelbaren Umkreis von Berlin, nämlich Charlottenburg, Friedrichsfelde, Niederschönhausen und Bellevue. Wahrhaft Bahn-
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brechendes aber leistet er für die wachsende Großstadt- Bevölkerung, in dem er für Volksparks sorgt. Schon 1818 entwirft er einen ersten Plan, den Großen Tiergarten – ein frühes königliches Hofjagdgebiet – in einen öffentlichen Erholungspark umzugestalten; doch erst ab 1833 kann er das Projekt in die Tat umsetzen. Den Anfang macht vielmehr Magdeburg mit dem kleinen Kloster-Berge-Garten; dieser Stadt schreibt Lenné 1824: »Es ist mir nicht neu, daß Fürsten und reiche Privatleute große Summen an die Werke schöner Gartenkunst wenden. Allein ein Unternehmen dieser Art, daß nach vorläufigem Überschlag exklusive der Baulichkeiten nicht weniger als 18 000 Taler kosten wird, von seiten eines Stadtmagistrats ist das erste Beispiel, das sich mir in meiner Künstlerlaufbahn dargeboten hat.«1)
     Es folgen Projekte für das Magdeburger Herrenkrug- Gelände, auf dem sich die Bundesgartenschau 1999 etabliert hat, und für Volksparks in Leipzig, Breslau, Frankfurt (Oder), Dresden, Königsberg, Lübeck, für Köln, München und Wien, aber auch für kleinere Städte wie Homburg vor der Höhe, Ludwigslust und Neustrelitz. Lennés Entwürfe »projektierte Schmuck- und Grenzzüge von Berlin mit nächster Umgebung« (1840) und »Schmuck- und Bauanlagen der Residenz Berlin« (1843) sind die ersten Pläne, eine ganze Großstadt zu durchgrünen. Nur in vergleichsweise bescheidenen Teilen werden sie Wirklichkeit; dafür sorgt er
beispielsweise durch maßgebliche Mitarbeit an den Planungen für die Berlin-Potsdamer und die Berlin-Hamburger Eisenbahn oder mit den Entwürfen für den Landwehrkanal, den Luisenstädtischen Kanal und den Berlin-Spandauer Schiffahrtskanal.
     Seinen volkstümlichen Spitznamen »Buddel-Peter« bestätigt er außerdem bei der städtebaulichen Federführung für das Gelände an der Moabiter Pulvermühle, für das Köpenicker Feld, für das Gebiet um den Schlesischen Bahnhof (Ostbahnhof), für die an Berlin grenzenden Teile der Tempelhofer und Schöneberger Feldmark und für die Schlächterwiesen Am Urban. Er liefert die Entwürfe für den Lustgarten und den Kleinen Tiergarten, für die Grünanlagen auf dem Leipziger Platz, dem Schinkelplatz, dem Luisenplatz (Robert-Koch-Platz), dem Mariannenplatz, dem Belle-Alliance- Platz (Mehringplatz), dem (dem inzwischen verschwundenen) Wilhelmplatz, dem Opernplatz (Bebelplatz) und dem Hausvogteiplatz, für die Hasenheide und den Zoologischen Garten, den Invaliden- und den Kreuzbergpark, den Vorläufer des Viktoriaparks.
     Er verhilft der Charité zu neuen Gärten, auch dem Bethanien-Krankenhaus und dem Johannisstift in Moabit. Neben der öffentlichen Hand bedient er auch private Auftraggeber: Das Palais Redern und das Prinz-Albrecht- Palais verdanken ihm ihre Grünflächen ebenso wie die Borsig-Villa in Moabit. Die zunehmenden Aktivitäten in Berlin
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bringen es mit sich, daß er sich neben dem Haus in der nach ihm benannten Straße in Potsdam nun auch eine Berliner Stadtvilla zulegen muß. Persius baut sie ihm mit königlicher Hilfe 1838/39 in der Tiergartenstraße 1 – in jener Straße also, die 1839 Lennés Namen erhält. Hier hält er sich in der Regel an zwei Tagen in der Woche auf, hier wird Geselligkeit gepflegt, hier verkehren Persönlichkeiten wie Albrecht Thaer (1752–1828) und Leopold von Ranke (1795–1886), Karl Friedrich Zelter (1758–1832) und Samuel Heinrich Spiker (1786–1858), Christian Daniel Rauch (1777–1857 und Karl Begas (1794–1854), die uns Lennés Abbild überliefert haben.
     Nach »Fritzchens« Tod 1855 führt Lennés Schwester ihm den Haushalt, zu dem auch zwei Papageien gehören. Er liebt auch Hunde, vor allem Neufundländer; sie bewachen die Potsdamer Gartenkasse. Die Potsdamer wie die Berliner erkennen Lenné an dem Schimmelgespann, das vor den Küchenwagen mit Speisen und Wein gespannt wird, wenn es an Sonn- und Feiertagen »auf Landpartie« geht.
     Seit 1847 gehört er dem Königlichen Landesökonomie- Kollegium an. 1853 verleiht ihm die Preußische Akademie der Künste ihre Ehrenmitgliedschaft. Im Jahr darauf erhält er seine Ernennung zum Generaldirektor der Königlichen Gärten in Preußen, 1861 den Dr. phil. h. c. der Universität Breslau. Schon 1858 hat ihn Potsdam mit der
Ehrenbürgerschaft ausgezeichnet. Dieser Stadt widmet er seine letzte Arbeit in kommunalem Auftrag: den Neuen Friedhof in der Teltower Vorstadt (1863). Die Botaniker haben eine Magnolienart, ein Fensterblatt aus der Familie der Aronstabgewächse (Monstera Lennéaua) und eine Gattung aus der Familie der Papilionaceen (Schmetterlingsblütler) nach ihm benannt.
     Am 23. Januar 1866 ist Peter Joseph Lenné 76jährig in Potsdam verstorben. Auf dem Friedhof von Bornstedt fand er seine letzte Ruhe, neben den Angehörigen der Familie Sello und dem Potsdamer Hofgärtner Theodor Nietner (1823–1894), in unmittelbarer Nähe der Gräber von Ludwig Persius und Ferdinand von Arnim. Lennés Schüler, wie der Gartenarchitekt und Landschaftsgestalter Gustav Meyer (1816–1877), haben seine Lebensarbeit weitergeführt. Stadtplaner wie James Hobrecht (1825–1902, BM 1/93), der den Bebauungsplan für Berlin und Charlottenburg entwarf, haben an Lenné angeknüpft. Viele seiner Schöpfungen haben ihn überdauert und erfreuen uns noch heute.

Quellen:
1     Zitiert nach Paul Landau/Camillo Schneider, Der deutsche Garten. Ein Jahrtausend Naturleben. Mit einem Nachwort von Karl Foerster, Berlin 1928, S. 279 f.

Bildquelle: Archiv Autor

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