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Jutta Schneider
1. August 1844:
Eröffnung des Zoologischen Gartens

Der Eröffnungstag für den ersten Zoologischen Garten Deutschlands vor den Toren Berlins sollte für die Berliner zu einem großen Ereignis werden und wäre es auch sicher geworden. Doch am Vormittag des 26. Juli 1844 feuerte der ehemalige Bürgermeister Heinrich Ludwig Tschech (1789–1844) aus Storkow mehrere Pistolenschüsse auf König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861, König 1840–1858) ab, als dieser mit der Königin das Schloß zu einer Reise nach Erdmannsdorf in Schlesien verließ. Ernstlich verletzt wurde der König jedoch nicht. So kam es, daß das »Ereignis« der Eröffnung sang- und klanglos und ohne jegliche öffentliche Teil- und Anteilnahme stattfand. Es verbot wohl die Pietät, wenige Tage nach einem solchen Attentat Feste zu feiern.
     So mußte der Initiator des Zoologischen Gartens, Martin Hinrich Carl Lichtenstein (1780–1857), die formelle Übergabe an die Berliner allein vornehmen. Am Tag darauf veröffentlichte er lediglich eine Mitteilung, worin er »als einziges für den Augenblick in Berlin anwesendes Mitglied des Comiteés

einige zum Teil anonyme Anfragen, Aufforderungen und Ratschläge auf diesem »öffentlichen Wege« beantwortete. Da war z. B. die Frage und Sorge der männlichen Besucher, ob das Rauchen auf dem Gelände des Gartens erlaubt sei. Damals war das Rauchen auf öffentlichen Straßen und Plätzen, also auch im Tiergarten, bei Androhung einer Strafe von zwei Talern verboten.
     Lichtenstein war der erste Professor auf dem Lehrstuhl der Zoologie an der jungen Friedrich-Wilhelms-Universität. Er galt zugleich als der kompetenteste Zoologe Berlins. Friedrich Wilhelm III. (1770–1840, König ab 1797) zog ihn als seinen Ratgeber für die Tiere der Menagerie auf der Pfaueninsel heran. Schon 1832 wurde von Lichtenstein und seinem Freund Alexander von Humboldt (1769–1859) der Gedanke geboren, in Berlin einen Tierpark nach dem Vorbild des »Jardin des Plantes« in Paris und des Zoologischen Gartens in London zu schaffen. Der Gartenarchitekt Peter Joseph Lenné (1789–1866) hatte diese Idee nachdrücklich unterstützt und später die Pläne für die gärtnerische Gestaltung erarbeitet.
     Im August 1840 verfaßte der schon 60jährige Lichtenstein die Denkschrift »Gedanken über die Errichtung eines Zoologischen Gartens bei Berlin«. Der König gewährte die Mittel für eine Studienreise Lichtensteins nach London; die Pläne für die Errichtung des Zoologischen Gartens konnten aber erst unter Friedrich Wilhelm IV. in Angriff
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genommen werden. Schon am 31. Januar 1841 gab dieser seine grundsätzliche Zustimmung und verfügte, daß »die Sache mit dem Staatsminister von Ladenberg, dem Wirkl. Geh. Rat Freiherrn von Humboldt und dem Gartendirektor Lenné in gemeinschaftliche Beratung zu nehmen und das Resultat anzuzeigen« sei. Philipp von Ladenberg (1769– 1847) war zu dieser Zeit Chef der preußischen Domänen- und Forstverwaltung.
     Die nun von diesem »Comiteé« ausgearbeiteten Pläne finden beim König ein so großes Interesse und Gefallen, daß er am 8. September 1841 die Genehmigung zur Errichtung des Zoos auf dem Gelände der ehemaligen königlichen Fasanerie im Tiergarten erteilt und ein Darlehen in Höhe von 15 000 Talern gewährt. Im August 1843 folgt ein weiterer Kredit von 10 000 Talern.
     Am 17. Juli 1844 wurde den Berlinern mitgeteilt, daß »es nach seiner Allerhöchsten Ortes beigelegten Befugnis und nach erlangter ausdrücklicher Genehmigung nicht länger anstehen könne, die Anstalt dem Publikum zu öffnen, obwohl zu ihrer Vollendung nicht nur im Inneren noch gar vieles fehlt, sondern auch die Zugänge und namentlich eine Anfahrt bis vor den Eingang durch Hindernisse erschwert werden«. Langsam wurden die Berliner auch darauf vorbereitet, daß ein Eintrittsgeld erhoben werden müsse, das vorläufig für Erwachsene 5 Silbergroschen und für Kinder die Hälfte betragen sollte.
Zu den ersten Beständen gehörten die Tiere aus der Menagerie auf der Pfaueninsel, die Friedrich Wilhelm IV. dem Zoologischen Garten schenkte. Dort befanden sich 1842 schon 847 Tiere. Die Inventarliste ist detailliert überliefert. Bereits Friedrich Wilhelm II. (1744–1797, König ab 1786) hatte um 1795 mit der Ansiedlung von Pfauen und anderen Tieren auf der Pfaueninsel begonnen und den Grundstock für eine königliche Menagerie gelegt. (Vgl. BM 4/99) Der Zoo konnte sich in den Anfangsjahren auch über viele Tiergeschenke von Freunden und Gönnern erfreuen. Nicht selten aber brachten die hohen Transportkosten für die geschenkten Tiere den Vorstand in arge Bedrängnis.
     Die ersten Anlagen hatte Oberbaurat Heinrich Strack (1805–1880) entworfen. Dazu gehören vor allem das von den Berlinern am meisten bewunderte Elefantenhaus. 1857 gelang es Lichtenstein, eine erste »Attraktion« zu erwerben – für 2 500 Taler wurde der erste Elefant angekauft. Zu den ersten Bauten gehörten auch die Bärenburg (1847), das Affenhaus (1847), das große Raubtierhaus (1864) und das Stallgebäude für Wiederkäuer (1864). Das erste Restaurant auf dem Gelände des Gartens wurde 1861 eröffnet.
     Zum ersten hauptamtlichen wissenschaftlichen Direktor wurde 1869 Heinrich Bodinus (1814–1884, berufen. Unter seiner Leitung erlebte der Zoologische Garten einen neuen Aufschwung: Zahlreiche neue Tier-
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häuser entstanden, die aufgrund der damaligen Afrikabegeisterung oft dem Baustil des jeweiligen Heimatlands der Tiere nachempfunden wurden, wie z. B. das neue Antilopenhaus. Der Zoo wurde zunehmend zur »Hauptsehenswürdigkeit der Reichshauptstadt«.
     Und im Herbst 1872 gab es einen politischen
Höhepunkt: die Drei-Kaiser- Zusammenkunft am 8. September im Antilopenhaus. Kaiser Wilhelm, Zar Alexander II. von Rußland (1818–1881) und Kaiser Franz Joseph von Österreich- Ungarn (1830–1916) gaben sich die Ehre. Im Zoo erklang die russische Nationalhymne. An repräsentativen Gästen

Elefantenritte vor der prachtvollen Pagode des Dickhäuterhauses
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Das prächtig geschmückte Straußenhaus
mangelte es dem Garten durch seine Attraktivität ohnehin nicht – so kam im Jahre 1873 auch der Schah von Persien.
     Bis zum Jahre 1928 war der Berliner Zoo mit über 22 Hektar auch flächenmäßig der größte Zoologische Garten der Welt.
     Seit seiner Gründung 1844 hat der Zoologische Garten die Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Anfangs nannte sich die Gesellschaft »Aktienverein des Zoologischen Gartens«. So war es durch eine Kabinettsorder des Königs festgelegt worden. Die Aktien
sind bis heute breit unter der Bevölkerung gestreut und sichern ihren Besitzern auch freien Eintritt.
     Den größten Einschnitt in seiner wechselvollen Geschichte erlebte der Zoologische Garten zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Noch 1939 besaß er über 4 000 Säugetiere und Vögel in rund 1 400 Arten. In zwei Bombennächten und in den folgenden Kämpfen wurde der Zoo fast vollständig zerstört. Zehn Tage lang – vom 22. April bis zu 3. Mai 1945 – wurde er selbst zum Schlachtfeld.
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Das wiederhergestellte Elefantentor, Eingang zum Zoo
Am 29. Januar 1945 ging das Aquarium in Flammen auf. Nur 91 Tiere überlebten das Inferno, darunter der Elefantenbulle »Siam«, eine Schimpansin, ein Löwenpärchen und zwei Braunbären. So schnell wie möglich mußten für diese Tiere Notunterkünfte errichtet und Futter beschafft werden. Unerläßliche Hilfe gaben dabei die britischen und sowjetischen Militärbehörden.
     Katharina Heinroth (1897–1989) übernahm nach dem Krieg die schwere Aufgabe des Wiederaufbaus und Neubeginns. Das Bezirksamt Tiergarten schickte zur Unterstützung der Aufräumungsarbeiten 200 Trümmerfrauen. Schon am 1. Juli 1945 wurde der Zoo wieder geöffnet. An die verdienstvolle Zoodirektorin und ihren Ehemann, den Zoologen Oscar Heinroth (1871–1945), erinnern Gedenktafeln, die 1997 auf der Straßenseite des Aquariums angebracht wurden.
In den 60er und 70er Jahren ließ ihr Nachfolger Heinz-Georg Klöß (* 1926, Direktor von 1957–1991) neue Freianlagen und Tierhäuser bauen, darunter ein neues Vogelhaus, das Nashornhaus, das Raubtierhaus, die Bärenanlage und das Tropenhaus. Seit dem 1. September 1991 steht der Zoologische Garten unter der Leitung des Zoologen Hans Fädrich.
     Heute beherbergt der 35 ha umfassende Zoologische Garten über 13 400 Tiere in 1 408 Arten. Er gehört zu den bedeutendsten Tierparks der Welt. Erst im vergangenen Jahr ist eine neue Anlage für Robben und Pinguine sowie ein neues modernes Flußpferdhaus eingeweiht worden. Von der Beliebtheit des Berliner Zoologischen Gartens zeugen jährlich rund 3 Millionen Besucher.

Bildquelle: Archiv

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