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Dietrich Nummert
Jagd nach Reichtum, Jagd auf Kunst

Kaufmann Eduard Arnhold (1849–1925)

Den reich gewordenen Kaufmann Eduard Arnhold beschrieben gebildete und ernstzunehmende Zeitgenossen als »Mann reiner Hände und reinen Herzens«, der ein »ungeheures Arbeitspensum« bewältigte, dabei »immer gefaßt«, »mit feinstem Takt begabt«, voller »Herzensgüte« und »vornehmer Gesinnung« blieb, »ein Mann der Ordnung«, gesegnet mit »überragenden Geistesgaben« und »unübertrefflicher Energie«, »ein Meister überzeugender Rede«, »erfrischenden Humors«, »ein kühner Bergsteiger«, »ein Naturmensch«, »ein großer Lebenskünstler«, »eine herrliche Mischung von Tag und Ewigkeit«, eine »Lichtgestalt«, »zweifellos einer der größten Kaufleute, von denen wir wissen«. Versuchen wir, diesen Mann kennenzulernen.
     Geboren wurde Eduard Arnhold am 10. Juni 1849 in Dessau. Der Vater arbeitete dort als Arzt, war jüdischen Glaubens, die Mutter, eine Berlinerin und geborene Cohn, soll dem sprichwörtlichen Berliner Witz alle Ehre gemacht haben. Mit zwei Brüdern, Max und Georg, verlebte Eduard die Kindheit


Eduard Arnhold

 

und drückte die harte Bank der Herzoglichen Franzschule bis September 1863. Unmittelbar danach ging er, als Vierzehnjähriger, nach Berlin.
     Der Zufall spielte eine Rolle. Caesar Wollheim (1814–1889), erfolgreicher Kohlenhändler, zugleich im Aufsichtsrat der Dessauer Wollgarnspinnerei sitzend und dort mitverdienend, kam durch Bekannte in das Haus des Arztes Arnhold. Eduard fiel ihm auf. Wie und wodurch, ist nicht bekannt. Der aufmerksam beobachtende Wollheim, der den

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Eltern vorschlug, Eduard in eine Kaufmannslehre nach Berlin mitzunehmen, muß gute Anlagen bei ihm vermutet haben.

Laß deine Augen nicht fliegen nach dem, was du nicht haben kannst.
(Die Bibel, Sprüche)

Ab Herbst 1863 lebte er also in Berlin bei der Großmutter. In der Behrenstraße 59 befand sich die Firma, die Arnhold nun täglich aufsuchte und wo er in die Geheimnisse von Soll und Haben, Handelsspanne, Bilanz, Kohleförderung und Absatz eingeweiht wurde. Das Geschäft faszinierte ihn derart, daß er mit Feuereifer lernte. Lieferverträge mit Kohlengruben, Vereinbarungen zum Transport der schwarzen Ware nach Berlin, ihr Verkauf waren ihm bald so geläufig, daß er Schwachstellen erkannte, die nun beseitigt werden konnten.
     Der Chef und sein Lehrbursche sahen den Boom der Wirtschaft in Preußens Hauptstadt. Enorm wachsende Mengen Kohle brauchte die Stadt. Aber die oberschlesische Förderung ebenso wie das Waggonangebot hinkten hinterher. Ein erster Schritt, hier korrigierend und gewinnsteigernd einzugreifen, bestand in dem Angebot, man werde künftig nicht nur vor dem Winter, sondern zu jeder Jahreszeit und in jeder Menge Kohle abnehmen. Das aber bedurfte weiterer Schritte. Es mußte Einfluß auf die Förderung, das Verkehrswesen, die Lagerwirt-

schaft genommen werden. Für die Lösung derartiger Arbeiten reifte Arnhold. Eingedenk der Regel, immer nur das zu jagen, was zu haben ist, verwirklichte er seine Ideen. Es kam vor, so Johanna Arnhold in »Eduad Arnhold, Ein Gedenkbuch«, daß er, der Lehrling, »große Geschäfte erledigte ohne Anweisungen Wollheim's, sogar einmal direkt gegen« dessen Instruktion und dabei die Firma vor Verlusten rettete.

Wenn das Glück kommt, stell ihm einen Stuhl hin. (Jiddisch)

Im Büro respektierte man den agilen Lockenkopf längst. Nicht weil er der Liebling des Alten war, sondern weil die Angestellten in ihm ein kaufmännisches Genie sahen. Arnholds Entscheidungen basierten auf einer kaum zu definierenden Mischung von Wissen und Instinkt, denn Erfahrung hatte er noch nicht.
     Der gewonnene Deutsch-Französische Krieg von 1870/71, die Gründung des Deutschen Reiches, die fünf Milliarden Francs Kriegsentschädigung, die Frankreich an Deutschland zu zahlen hatte, ließen hierzulande die Gründerjahre ausbrechen. Zeitungen berichteten über die Gründung immer neuer Aktiengesellschaften. Auch Banken zu gründen, Geldgeschäfte zu wagen, wurde Mode. Arnhold stand hellwach mitten im Geschehen, er registrierte alle Veränderungen im Geldverkehr, in der Technik, in der

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Struktur der Industrie. Während andere mitliefen, aber nicht wußten wohin, handelte er zielstrebig. Das war seine Zeit.
     Auch formell bekam er nun Macht. 1873 erhielt er Prokura, und bereits zwei Jahre später war er Teilhaber des Geschäftes. Andeutungen in der Literatur belegen, daß er seinen Chef ausdauernd dazu gedrängt hatte. Jedenfalls bekamen die Geschäfte des Kohlen-Kontors, das inzwischen Räume in der Kronenstraße 37 bezogen hatte, noch mehr Breite, Vielfalt, weiteren Schwung.

Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. (Die Bibel, Matthäus)

Das Volk war dem Kaufmann, dem Händler nie und nirgendwo besonders gewogen. Redewendungen, geflügelte Worte, Sprüche prangern Schacher an, die Bibel geißelt Bereicherung. Der gläubige Jude Arnhold kämpfte gegen den schlechten Ruf seines Berufsstandes. Aber auch ihm zwang die Wirtschaft unerbittlich ihre Gesetze auf. Vorteile mußten sofort und konsequent genutzt werden. Arnhold tat das, nahm den gnadenlosen Konkurrenzkampf, die Jagd nach Profit als gegeben hin, wie er die Monarchie als gottgewollt sah.
     Beiden jedoch, der Alleinherrschaft wie dem Kapitalismus, versuchte er Menschlichkeit abzugewinnen, wenn seine Vorhaben auch Versuchen glichen, aus dem Beelzebub einen Engel zu machen. Im Kampf um den

Kohlenmarkt beispielsweise probierte er Schritte, die seinem Charakter mehr entsprachen als die Zuspitzung. Wußte er doch, daß dabei nicht nur der oder jener und damit auch er selbst auf der Strecke bleiben könnte. Er bevorzugte Absprachen mit Konkurrenten, etwa denen aus dem Ruhrgebiet, übernahm sogar deren Vertretung zu deren Vorteil – letztlich natürlich immer auch zum eigenen. Gerade das nie aus dem Auge zu verlieren, hatte er von seinem Lehrherren gelernt. Nach Wollheims Tod 1882 beherzigte er weiter dessen Lehren, nun als alleiniger Chef der Firma.

Wie ein Nagel in einer Mauer zwischen zwei Steinen steckt, also steckt auch Sünde zwischen Käufer und Verkäufer. (Die Bibel, Sirach)

Der Kohlehandel beanspruchte Arnhold ganz. Dennoch erweiterte er sein Engagement. Um die hohen Kosten der Transporte per Eisenbahn zu reduzieren, wählte er den Wasserweg. Eine Reederei entstand, eine Schiffswerft in Breslau und Cosel kam hinzu, von Gleiwitz nach Cosel wurde der Klodnitz-Kanal gegraben, in Berlin wurden Grundstücke gekauft für Kohlelager – in der Nähe vom Schlesischen Bahnhof und in der Eichenstraße.
     Eduard Arnholds Name bekam Gewicht. Er stieg in das Bankgeschäft ein: Mitglied des Aufsichtsrates der Dresdner Bank, Mit-

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glied des Zentralausschusses der Reichsbank, der Bank des Berliner Kassenvereins. Er war im Börsengeschäft tätig: Mitglied des Börsenausschusses, Vorsitzender des Ehrengerichts bei der Berliner Börse. Als Mitglied der Industrie- und Handelskammer zu Berlin förderte er den Zusammenhalt der Kaufmannschaft. Er saß in Aufsichtsrat und Vorstand der Bamag-Meguin AG, der Ludwig Loewe & Co AG, der Chemischen Fabriken Kunheim & Co AG, der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau, der AEG, der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken. Er engagierte sich im Verkehrswesen, war Mitglied des preußischen Landeseisenbahnrates, des Bezirkseisenbahnrats Berlin, des Verwaltungsrates der Deutschen Reichsbahngesellschaft, der Großen Berliner Straßenbahn, der Westlichen Berliner Straßen-Vorortbahn. Arnhold war ein Hans Dampf in vielen Gassen, ein Multi an Posten und an Arbeit, die ihm große Gewinne brachten. Bald schon zählte er zu den fünf Reichsten in Berlin; 1908 betrug sein Vermögen 42,5 Millionen Mark.

Wer sich selber nichts Gutes tut, was sollte der andern Gutes tun? (Die Bibel, Sirach)

Der Bibel- und Talmudkenner Arnhold berief sich nicht ausdrücklich auf dieses Bibelwort, aber sein Tun illustriert es, namentlich sein ganz persönliches Leben. 1880 hatte er die Hamburgerin Johanna Arnthal ken-


Jugendbildnis von Eduard Arnhold

 

 

nengelernt, die Verlobung folgte und ein Jahr später die Hochzeit. Da dem Paar eigene Kinder versagt blieben, nahmen sie ein Kind auf – Else Mulert, Tochter eines Försters, nach der Adoption Else Arnhold.
     In den zeitraubenden Arbeitstag fügte der Vielbeschäftigte das Familienleben ein. Viel-

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leicht entstand damals Arnholds Leitspruch: Ich habe keine Zeit, unpünktlich zu sein. Jedenfalls aktivierte er Reisen, Erholung, Sammeln. Mit letzterem hatte er bereits begonnen. Wie andere Kunstfreunde wollte er das eine und andere Werk gern besitzen. Und da er sich Besitz leisten konnte, kaufte er Bilder von Andreas Achenbach, Ludwig Knaus, Benjamin Vautier und Karl Gussow. Später kam ihm Böcklin vor Augen und die »Italiener« Feuerbach, Marées und von Hildebrand. Es folgten Wilhelm Leibl, Walter Leistikow, Max Klinger, Hans Thoma, Louis Tuaillon, Fritz von Uhde. Schließlich begann sein Sammlerherz für die französischen Impressionisten zu schlagen, und er trug eine erstaunlich vielfältige und kostbare Galerie zusammen. Neben Gemälden von Edouard Manet, Claude Monet, Paul Cézanne, Edgar Degas, Auguste Renoir und Alfred Sisley hingen auch Werke von Camille Pissarro, Vincent van Gogh und den großen Deutschen wie Lovis Corinth, Max Slevogt und immer wieder Max Liebermann.
     Die Wohnung in der vornehmen Bellevuestraße war der Bilderflut nicht mehr gewachsen, das neue Haus in der Regentenstraße 19 wurde ihr Hort. Hier und in der Nachbarschaft wohnte das reiche Berlin. Als Nachbarn hatten die Arnholds Bankiers wie Carl Cahn, Louis Rothschild, Albert Hadra. Um die Ecke in der Sigismundstraße 3 wohnte Adolf von Menzel in einem Haus, das Arnhold gehörte. Und weitere Bankiers,
Kommerzienräte und Geheime Kommerzienräte, Direktoren und Generaldirektoren, Regierungsräte und Geheime Regierungsräte.

Ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums ... (Die Bibel, Jeremia)

Hier war man unter sich. Die Herrschaften kamen nicht auf den Gedanken, ihre Herrlichkeit könnte irgendwann zu Ende gehen. Und das Gottesgnadentum des Kaisers wie das Reich – sie besaßen ohnehin Ewigkeitswert. Ja, man hatte vergessen, daß man nicht prahlen solle mit seinem Reichtum. Eduard Arnhold machte da keine Ausnahme.
     Der Kaufmann Arnhold genoß nicht nur in seinen Kreisen einen guten Ruf. Er hatte sich einen Namen als Förderer von Wissenschaft gemacht, galt als spendabler Mäzen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Sein Tun war selbst dem Kaiser zu Ohren gekommen. Wilhelm II. holte sich von Eduard Arnhold Antworten auf finanzielle Fragen. Und 1913 berief der Monarch ihn sogar als ersten und einzigen Juden in das Preußische Herrenhaus. Wen wundert es da, wenn der Gelobte und Anerkannte sich geschmeichelt fühlte, auch keinen Anstoß nahm an dem giftig gemeinten Titel »Kaiserjude«. Aufschlußreich für Arnholds Charakter ist, daß er die Berufung in das Herrenhaus annahm, seine Nobilitierung, das hübsche Adelsprädikat »von« jedoch ablehnte.
     Mit der Gattin und der Tochter reiste er

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durch Europa, auch nach Übersee, bildete sich, weitete den Blick, tankte Kraft. Und knüpfte unaufhörlich und überall Kontakte, fand Ideen für neue Projekte. In Rom kaufte er Grundstücke, ließ darauf die schöne Villa Massimo bauen und schenkte sie dem deutschen Staat, damit dort junge talentierte Künstler sich weiterbilden könnten. In Florenz erwarb er nach Böcklins Tod dessen hoch über Fieselo gelegene Villa Bellagio samt Inventar und Nachlaß. Das Schloß und die 1 583 Hektar großen Gutsländereien Hirschfelde östlich von Berlin wurden sein Refugium, nachdem er hinter dem Herrenhaus einen Skulpturenpark voller Kostbarkeiten hatte gestalten lassen. Am bayerischen Schliersee erstand er ein Bauernhaus und am Berliner Wannsee die von Kyllmann und Heyden entworfene und 1872 erbaute geräumige Villa als rasch erreichbare Erholungsstätte.

Eine jüdische Seele ist nicht zu ergründen. (Jiddisch)

So ließ es sich leben. Und das Gewissen? Störten die Streiks der Bergarbeiter im oberschlesischen Revier, der Berliner Maurer und Metaller nicht seine Seelenruhe? Sie brachten Geschäfte durcheinander. Natürlich wußte man im Hause Arnhold, daß das Leben eines Arbeiters schwer ist. Aber wessen fleißigen Menschen Leben bleibt schon ohne Sorge? Überdies konnte sich der Millio-

när auf einem Kissen zahlreicher Beweise seiner Güte, Hilfsbereitschaft und Menschenliebe ausruhen.
     Auch für Eduard Arnhold blieb die große Erschütterung nicht aus. Deutschlands Niederlage 1918, die Abdankung des Kaisers trafen ihn schwer. Dieser lebenskluge Beobachter, der wie kaum ein anderer komplizierte Situationen analysieren konnte – er fand keine befriedigende Antwort, was eigentlich die Niederlage verursacht hatte. Ihn schmerzte, daß laut Versailler Vertrag die Hälfte Oberschlesiens an Polen fiel. Doch Arnhold wäre nicht Arnhold gewesen, hätte er diesen Verlust nicht noch erträglich gestaltet. Aber das war es dann wohl auch, seine Tatkraft war nicht mehr die alte.
     Eduard Arnhold starb am 10. August 1925 auf seinem Besitztum in Neuhaus am Schliersee. Während der folgenden Tage füllten Traueranzeigen der Familie, von Firmen, Banken, Ausschüssen und Räten ganze Zeitungsseiten. Der Tote wurde nach Berlin übergeführt. Die Einäscherung erfolgte im Krematorium Berlin-Wilmersdorf. Bestattet wurde der Mann jüdischen Glaubens auf dem Städtischen Friedhof in Berlin-Wannsee.
     Soweit der Lebenslauf und einige Aktionen, die ihn reich gemacht haben. Und das ist der ganze Arnhold? Er selbst hätte uns auf eine solche Frage vielleicht mit dem Sprichwort seines Volkes geantwortet: Eine jüdische Seele ist nicht zu ergründen.
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Berlinische Monatsschrift Heft 6/99
© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de