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Herbert Mayer
Wofür steht der Name Spanische Allee?

Am 6. Juni 1939 vermelden Berliner Zeitungen, daß die Wannseestraße in Zehlendorf den Namen Spanische Allee erhalten hat. An diesem Tag ist die Reichshauptstadt reich geschmückt. Die Kinder haben schulfrei. An der Ost-West-Achse (heute Straße des 17. Juni) stehen Hunderttausende Spalier. Das NS-Regime feiert die Heimkehr der Truppen aus Spanien, von denen bis dahin kaum jemand etwas wußte. Hitlers Regierung hatte seit 1936 geschwiegen und geleugnet, es galt die Anweisung, »Deutschland hat keinerlei Truppenverbände oder Einheiten nach Spanien geschickt«.
     Schon am 31. Mai hatte das faschistische Deutschland die aus Spanien zurückkehrenden Truppen demonstrativ im Hamburger Hafen empfangen. Hermann Göring (1893–1946) war persönlich erschienen und nahm von Generalmajor Wolfram von Richthofen (1895–1945) die Meldung über »die glückliche und siegreiche Rückkehr« der Legion Condor entgegen.
     Was hatten deutsche Soldaten und Offiziere drei Jahre in Spanien zu suchen?1) Im Februar 1936 hatten die Parteien der Volksfront – Sozialisten, Republikaner, Kommunisten

und katalanische Gruppen – in den Wahlen zum Parlament, den Cortes, gesiegt. Die Nationale Front, die vornehmlich Großgrundbesitzer, katholische Konservative, Monarchisten, Rechtsrepublikaner und die faschistische »Falange Espanola« vereinte, war unterlegen. Am 17. Juli 1936 lösten auf die Geheimlosung »Über ganz Spanien wolkenloser Himmel«, die der Radiosender Ceuta verbreitete, Generale einen seit Monaten vorbereiteten Militärputsch gegen die Volksfront-Regierung aus. Am 18. Juli entbrannte in ganz Spanien ein drei Jahre dauernder, international geführter (Bürger-) Krieg. Den Putsch unterstützten reaktionärkonservative Kräfte, vor allem die Falange und monarchistische Bewegungen, auch die katholische Kirche war involviert. Anführer der Putschisten und Chef der Militärjunta wurde nach dem Tode von José Sanjurjo (1872–1936), der bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam, General Francisco Franco (1892–1975).
     Zunächst waren die Aufstände in Madrid, Barcelona und anderen Städten in kurzer Zeit niedergeschlagen worden, etwa drei Viertel des Landes, mit Ausnahme einiger Provinzen im Süden und Nordwesten, blieben in der Hand der Republikaner. Als sich die Niederlage für die Putschisten abzeichnete, kamen ihnen Italien und Deutschland mit Truppen, Waffen, Flugzeugen, Kriegsschiffen und anderem Kriegsmaterial zu Hilfe. In Berlin wurde ein von Göring geleiteter
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»Sonderstab W« geschaffen, unter Tarnbezeichnungen wie »Unternehmen Feuerzauber«, »Operation Rügen« oder »Reisegesellschaft Union« wurden Truppen nach Spanien gesandt. In einem am 25. Oktober 1936 in Berlin unterzeichneten deutsch- italienischen Abkommen fixierten beide Regierungen ihre Parteinahme für General Franco vertraglich.
     Großbritannien und Frankreich betrieben eine Nichteinmischungspolitik. Ein Internationaler Nichteinmischungsausschuß von 27 Staaten – ihm gehörten auch Deutschland und Italien an – sollte verhindern, daß sich der spanische Krieg auf andere Länder ausweitete. Er untersagte die Mitwirkung ausländischer Mächte. Die gewählte spanische Regierung erhielt nur von den Regierungen der Sowjetunion und Mexikos Hilfe. Unterstützung erhielt die legale Regierung ferner durch Freiwillige aus über 50 Ländern, die in Internationalen Brigaden organisiert wurden und der Spanischen Volksarmee unterstanden.
     Die von Deutschland zur Unterstützung Francos entsandten Truppen wurden auf Beschluß der Wehrmacht-Kommandostellen im November zu der von Generalleutnant Hugo Sperrle (1885–1953) befehligten Legion Condor zusammengefaßt. Von November 1936 bis März 1937 wurden heimlich, allen Dementis zum Trotz, mehr als 5 000 deutsche Soldaten nach Spanien geschickt. Die hauptsächlich aus Angehörigen der Luftwaffe
bestehende Legion Condor war eine Elitetruppe. Zu ihr gehörten vor allem Transport-, Kampf- und Jagdflieger, Flak-, Panzer-, Panzerabwehr-, Aufklärer-, Nachrichten- und Transporttruppen. Der ständige Personalbestand betrug 5 000 bis 6 000 Mann. Die Legionäre blieben in der Regel ein Jahr in Spanien, um dann nach Deutschland zurückzukehren. Insgesamt kämpften mindestens 20 000 Deutsche auf Francos Seite. Durch den ständigen Personalwechsel wurden kriegserfahrene Offiziere und Mannschaften herangebildet. In Ausbildungslagern bildete die Legion über 50 000 Offiziere und Soldaten der Franco-Armee aus. Das NS-Regime ließ sich die Kriegsführung in Spanien über 500 Millionen Reichsmark kosten, es lieferte über 100 000 Tonnen Kriegsgerät, über 21 Millionen Tonnen Bomben warfen deutsche Flugzeuge in diesen drei Jahren auf spanischen Boden. Das Kriegsmaterial für einen Weltkrieg wurde systematisch vervollkommnet, auch die Erfahrungen der Waffengattungen gingen in die Kriegsvorbereitungen ein.
     Die Legion war de facto nicht den spanischen Truppen unterstellt, ihr Befehlshaber war Franco direkt verantwortlich. International besonders heftige Reaktionen löste ihr Angriff am 26. April 1937 auf die baskische Stadt Guernica aus, das kulturelle Zentrum und religiöse Heiligtum der Basken. Pablo Picasso (1881–1973) hat ihn mit seinem berühmten Gemälde für den Pavillon der Spa-
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nischen Republik bei der Weltausstellung in Paris 1937 eindrucksvoll angeklagt. Den Befehl zur Bombardierung der Stadt gaben vermutlich der Deutsche Oberstleutnant Wolfram von Richthofen und der Spanier Oberst Juan Vigón.2) Der Angriff wurde von deutschen Kampffliegern, die von einem italienischen Kampffliegerverband unterstützt wurden, in sechs Staffeln mit drei Ketten geflogen. Innerhalb von drei Stunden war die Stadt dem Erdboden gleichgemacht.
     Sofort dementierten Deutsche und Francisten das Bombardement, Guernica wäre vielmehr von seinen Einwohnern in Brand gesetzt und durch republikanische Truppen beim Rückzug zerstört worden. Einer internationalen Untersuchung verweigerte Deutschland die Zustimmung.
     Der spanische Krieg endete 1939. Die Legion Condor war an allen größeren Schlachten beteiligt gewesen. Franco zog am 28. März 1939 in Madrid ein, am 1. April erklärte er den Krieg für beendet. Er erhielt Glückwünsche von Benito Mussolini (1883–1945), von Adolf Hitler (1889–1945) und vom Papst Pius XII. (1876–1958).
     Am 6. Juni 1939 fand – übertragen durch den Rundfunk – in Berlin die Siegesparade der Legion Condor statt. An der Spitze der etwa 15 000 Mann der erste und der letzte Kommandeur, Sperrle und von Richthofen. Um 10 Uhr marschierte die Legion unter den Klängen des Legionärmarsches und der Nationalhymnen durch das Brandenburger Tor.
Der Siegesparade folgte ein Appell im Lustgarten. Hitler pries die Verbrechen der Legion in Spanien als »Kampf für Deutschland« und »als Lehre für unsere Gegner«, er dankte den Legionären für »Einsatzbereitschaft, Opfermut, Treue, Gehorsam, Disziplin«.3) Die Presse berichtete umfangreich und glorifizierte die Legion in Sonderausgaben und Heften wie »So kämpfte unsere Legion« oder »Wir kämpften in Spanien«.
     Die ehemalige Wannseestraße heißt noch heute Spanische Allee. Wie das Amtsblatt 1939 wissen ließ »anläßlich des Einzugs der aus Spanien zurückkehrenden deutschen Freiwilligen«. Mit der Straßenbenennung würden die »freundschaftlichen Gefühle« des faschistischen »Spanien gegenüber Deutschland erwidert«.4)

Quellen und Anmerkungen:
1     Die Darstellung des Krieges folgt gängiger Literatur. Verwiesen sei u. a. auf W. Bernecker (Krieg in Spanien 1936–1939), H. Kühne (Krieg in Spanien 1936–1939); P. von und zur Mühlen (Spanien war ihre Hoffnung), H. Thomas (Der spanische Bürgerkrieg), M. Tunon de Lara (Der spanische Bürgerkrieg)
2     Den detaillierten Hergang konnte die Forschung nicht rekonstruieren, da keine Unterlagen mehr vorhanden sind. Vgl. zu Guernica u. a. K. A. Maier, Guernica 26. 4. 1937, G. Thomas/ M. Morgan-Witts, Der Tag, an dem Guernica tarb
3     »Völkischer Beobachter« vom 7. 6. 1939
4     Amtsblatt der Reichshauptstadt Berlin, 24/1939, S. 475

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