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Gisela Langfeldt
Der erste Arzt in Niederschönhausen

Was auch immer über die Beziehungen zwischen Friedrich II. (1712–1786, König ab 1740) und seiner Gemahlin Elisabeth Christine (1715–1797) verbreitet worden ist – eines ist gewiß: Mit großer Sorgfalt achtete der König darauf, daß ihr stets die gebührenden Ehren zuteil wurden. Die Wünsche der Königin zu erfüllen war ihm oberstes Gebot.
     Elisabeth Christine aus dem Hause Braunschweig-Bevern war fromm und bescheiden. Allein die Tatsache, daß sie bei einem Besuch im April 1736 auf Schloß Schönhausen den Ort »schön und reizend« fand, bewog Friedrich, unmittelbar nach seinem Regierungsantritt im Jahre 1740, ihr aus besonderer gegen Unserer Königl. Gemahlin Majestät tragenden herzlichen Liebe ... Unser Schloß Schönhausen benebst denen dahin behörigen Gebäuden und den Garten daselbst, auch so wohl zum Schloß als Garten gehörigen Inventario und Diensten, auf Ihre Lebenstage zu schenken und zu übergeben.1)
     Elisabeth Christine war ganz entzückt über das Geschenk und wählte Schönhausen zu ihrem Sommersitz. Mit einem Konzert und einem großen Fest weihte sie Ende August 1740 ihren neuen Besitz ein. Auch bei

ihren Bemühungen, das vernachlässigte Gebäude und den verwilderten Garten instand zu setzen, war Friedrich nicht kleinlich.
     Daß seine Haltung durchaus beständig war, zeigte sich u. a. im Herbst 1777 bei Elisabeths Wunsch, für ihren Sommer-Hofstaat in Schönhausen und darüber hinaus für die Bewohner der dortigen Umgebung einen Arzt anzusiedeln. Unverzüglich traf Friedrich die notwendigen Anordnungen, allerdings sollte sein Wohlwollen auf eine harte Probe gestellt werden. Zunächst bestimmte er 250 Taler aus dem Etablissementsfonds 1778/79 des Amtes Niederschönhausen für den Bau eines einfachen Hauses. Kriegsrat Pinnow informierte in einem Schreiben vom 23. Oktober Oberamtmann Witte vom Domänenamt Niederschönhausen, daß Ihre Majestät beschlossen, zu Schönhausen zum Besten dero Leuthe, wie auch der übrigen dortigen Einwohner und der Nachbarschaft, einen vom Colligio Medico examinierten und approbirten Chirurgum in der Person des Chirurgi Heyden, eines Ausländers, auf einem daselbst belegenen bestimmten Platze als Kolonisten anzusetzen.2)
     Schon sechs Tage später teilte Witte der Kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer mit, daß für den Chirurgen der ledige Fleck an der Dorfstraße zwischen der Schmiede und dem Büdner Hauße, des Küster Palm zu Pankow, welcher zu der Wittwe Zernicken Bauer Guth gehört von 54 Quadratruten zur Verfügung stehe. Die Wittwe
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Zernicken erklärt sich auch auf Befragen diesen Fleck zur Erbauung dieses Haußes und zu einem kleinen Gärtchen herzugeben, wenn ihr dafür jährlich ein Canon von 2 Scheffel Roggen entrichtet würde.3)
     In den folgenden Monaten wurde vom Hofzimmermeister Hoffmann eine Zeichnung angefertigt für ein Haus von 26 Fuß Länge, 24 Fuß Breite und 8 Fuß Höhe, das eine Stube, eine Kammer, Küche und Flur enthalten sollte und einen ordentlichen schwarzen Ofen auf gemauertem Fuß, der das ganze Haus beheizt. Auch berechnete Hoffmann den Bedarf an Bauholz, den Fuhrlohn sowie die Kosten für Zimmermann, Maurer, Dachdecker, Lehmer, Glaser, Schlosser, Töpfer und Tischler und kam auf 211 Taler und 36 Silbergroschen. Zusätzlich sollte ein kleiner Stall für 17 Taler errichtet werden. Der König war zufrieden. Im Juni 1778 wurde das notwendige Bauholz aus dem Mühlenbeckschen Forst angewiesen.
     Der Arzt Carl Friedrich Heyden war weniger zufrieden. Er wandte sich an die Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer mit der Bitte, anstatt der nach dem Riße darin nur projectirten einen Stube und Cammer, zu Gewinnung mehren Raumes / um bey vorkommenden dringenden Fällen, dergleichen sich schon zweymal, nemlich aus Blankenfelde und aus Malchow ereignet hätten, einen Patienten im Hause bey sich aufzunehmen zu können / zwey Stuben und eine Cammer anlegen zu lassen; und ihn auch von denen an den
Eigenthümer des Grundes dem Bauer Brückmann (vormals Witwe Zernickow, d. V.) jährlich zu entrichten zwey Scheffeln Korn und den an das Kgl. Amt zu bezahlenden 1 Th. jhl. Grundzinß gäntzlich zu befreien.
     Mit dem Hinweis auf den für die Landleute so notwendigen und nützlichen Chirurgen übermittelt Kriegsrat Pinnow Heydens Anliegen dem König. Anscheinend wurde nun lange und ausführlich gerechnet. Am 2. September 1778 stimmte Friedrich der Erweiterung zu und bewilligte dafür 22 Reichstaler und 7 Silbergroschen, erließ dem Heyden auch den jährlichen Grundzins an das Domänenamt, verzichtete also auf seine Steuereinnahme, jedoch muß derselbe Wittwen Zernicken wegen des zum Hauß Bau abgetretenen Flecks gehörig befriedigen.
     Inzwischen wurde das Bauholz angeliefert. Da es wegen zu geringen Holzvorrates nicht aus der nahe gelegenen Jungfernheide, sondern aus dem Mühlenbeckschen Revier geholt werden mußte, waren die Transportkosten um 10 Taler und 12 Silbergroschen gestiegen. Friedrich wies auch diese Summe an.
     Aber das Holz war frisch geschlagen, noch konnte mit dem Bau nicht begonnen werden. Heyden nutzte die Zeit für das Vorbringen weiterer Wünsche: eine Ausgangstür von der Küche zum Garten und für die zweite Stube einen separaten Kachelofen, der nur im Bedarfsfalle geheizt werden muß, so spare man doch Brennholz. Das leuchtete auch
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dem sparsamen König ein. Am 31. März 1779 ließ er dem Oberamtmann Witte u. a. folgendes übermitteln:
     Wir laßen Uns diesen Vorschlag bewandten Umständen nach, gefallen, und genehmigen, daß die dazu nach dem hiebey zurück gehenden Anschlage erforderlichen Kosten mit Eilf rth. 8 sgr. aus dem Extraordinario des Büdner Etablissementsfonds p. 1775/78 genommen werden, jedoch müßen nunmehr die Prätensiones des Heyden einmal ein Ende nehmen, welches Ihr ihm zu erkennen zu geben habt.
     Im Herbst 1779 konnte Heyden endlich sein Haus beziehen, und es wurde ihm sogar »zu seinem unbezweifelten Eigenthum« verschrieben.
     Gegenüber dem Kostenvoranschlag war es um mehr als 40 Taler teurer geworden. Doch hatte es mit den Aufwendungen für das Haus noch kein Ende. Zwei Jahre später wurde es als baufällig gemeldet: Der Schornstein war gesprungen, die Fenster, aus nassen Brettern gefertigt und ohne Wasserschenkel, undicht, das Bauholz ist sehr zusammengetrocknet, daher die Lehmfächer nicht mehr so dichte. Über die Nachbesserungskosten schweigt die Akte.
     Elisabeth Christine bewies ihre Gunst gegenüber Carl Friedrich Heyden u. a. bei der Geburt seines dritten Kindes. Bei der Taufe am 13. August 1781 übernahmen die Königin und die Prinzessinnen Friederike und Wilhelmine (»Prinzessin Heinrich«) die Patenschaft über Heydens Töchterlein, die denn
auch die Namen Christine Friderique Wilhelmine erhielt. Aus dem Eintrag des Pfarrers ist zu entnehmen, daß die Exzellenzen aber nicht in Person anwesend waren, allerdings sämtliche Hofdamen.4)
     Der Chirurg Carl Friedrich Heyden wirkte bis zu seinem Tode in Niederschönhausen und versorgte auch die Kranken in den umliegenden Dörfern. Er starb mit 86 Jahren am 14. Oktober 1831 an Altersschwäche. Nach bisherigen Kenntnissen war er der erste festangesessene Arzt in Niederschönhausen, möglicherweise sogar im Gebiet des heutigen Stadtbezirkes Pankow.

Quellen:
1     Ernst Rehfeldt, Geschichte von Niederschönhausen, Zweite erweiterte Auflage, Berlin 1929, S. 145 f.
2     Ebenda, S. 162 f.
3     Brandenburg. LHA, Pr. Br. Rep. 2 Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer, Niederschönhausen D 14844, S. 5
4     Erstes Kirchenbuch der Gemeinde Niederschönhausen 1752–1804, Taufen 1781

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