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Karl-Heinz Arnold
Verbrannte Pracht am Anhalter Bahnhof

Curt Elschners Hotel Excelsior

Am Askanischen Platz im Berliner Bezirk Kreuzberg, wo die Anhalter Straße und der südliche Teil der Stresemannstraße einen rechten Winkel bilden, befindet sich eine Freifläche. Nur das dahinter aufragende 17stöckige Excelsiorhaus, Wohn- und Geschäftsgebäude, erinnert mit seinem Namen an ein verschwundenes Stück Berliner Geschichte: das Hotel Excelsior.
     Gegenüber, auf der anderen Seite der Stresemannstraße, ist ein Fragment der Backsteinfassade des Anhalter Bahnhofs stehengeblieben. Die häßliche kleine Ruine mahnt eindringlicher vor dem Krieg, als es ein künstlerisches Denkmal wohl jemals könnte. Der Kopfbahnhof wurde durch Luftangriffe weitgehend zerstört. Das Excelsior, einst größtes Hotel Europas und durch einen Tunnel unter der Stresemannstraße mit der Bahnhofshalle verbunden, ging in Flammen auf, als der Zweite Weltkrieg für Berlin fast zu Ende war, nach Ansicht der Berliner Feuerwehr geschah es gegen Ende April 1945. Am 2. Mai kapitulierte die Reichshauptstadt. Für die folgenden Tage hat die Feuerwehr in

ihren – allerdings spärlichen – Berichten keinen Hinweis auf einen Großbrand in Kreuzberg. Vom Baubeginn des Excelsior bis zu seiner Zerstörung waren 40 Jahre vergangen.
     Errichtet wurde von 1905 bis 1907 zunächst ein Haus mit 200 Zimmern, Restaurant, Festsälen und Plätzen in Gartenhöfen. Standort war die damalige Königgrätzer Straße 112/113, ab 1930 – und seit 1947 wieder – Stresemannstraße 78, während der Nazizeit Saarlandstraße. Auftraggeber für den Bau war die Vermögensverwaltung des Fürsten Christian von Hohenlohe-Oehringen. Architektur, der Zeit entsprechend Neobarock, und Bauausführung lagen bei der renommierten Firma Boswau und Knauer. Sie baute zur gleichen Zeit das Hotel Esplanade in der Bellevuestraße. Architekt für beide Häuser war Otto Rehnig. Er zeichnete auch für ihre spätere Erweiterung verantwortlich. Vergrößert wurde das Excelsior 1912/13 durch einen im Stil der Moderne gestalteten Neubau in der Anhalter Straße 6. Der so geschaffene Komplex umfaßte 450 Zimmer, 50 weniger als das Central-Hotel am Bahnhof Friedrichstraße, zu der Zeit größtes Berliner Hotel.
     Trotz günstiger Lage verschlechterte sich die geschäftliche Situation des Excelsior nach dem Ersten Weltkrieg einschneidend. Die meisten Zimmer blieben leer. Das Haus war billig zu erwerben, sofern ein neuer Inhaber das Risiko nicht scheute. Den Zugriff
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Eigentümer des Excelsior: Curt Elschner

verschaffte sich 1919 ein 43jähriger Fachmann, der das Metier von der Pike auf gelernt und einen sicheren Blick fürs Geschäftliche hatte: Curt Elschner.
     Der Gastwirtssohn, am 27. Januar 1876 in der thüringischen Gemeinde Willerstedt geboren, hatte Ende des vorigen Jahrhunderts in Leipzig Kellner gelernt, in verschiedenen Städten als Oberkellner gearbeitet, 1903 mit 27 Jahren das Hotel Metropol in Erfurt gepachtet, später das Hamburger Esplanade sowie weitere Hotels und Gaststätten übernommen. Nach seinem Kriegsdienst wurde Elschner 1919 kurzzeitig Berater und Strohmann eines Unersättlichen, des Konzernherrn Hugo Stinnes (1870–1924, für die Deutsche Volkspartei 1920–1924 Mitglied des Reichstags).1)

Stinnes, der sich bereits vor dem Krieg eine breite Unternehmenspalette und ein Netz von Beteiligungen geschaffen hatte, beauftragte Elschner mit dem Kauf des Berliner Nobelhotels Esplanade sowie des Thalia-Theaters in Elberfeld mit dazugehöriger großer Gastronomie. Offenbar hat Elschner auch bei der Übernahme weiterer Hotels geholfen und dabei seinen Schnitt gemacht: Atlantis in Hamburg, Nassauer Hof in Wiesbaden, Kurhaus Travemünde, Golfhotel Oberhof. Und die Verbindung mit dem Industriellen zahlte sich auch direkt aus: »Gelegentlich der Überführung des Esplanadehotels in den Besitz von Stinnes« sei es Elschner geglückt, »gleichzeitig das damals vollständig heruntergewirtschaftete Hotel Excelsior in seinen Besitz zu bringen«.2) In das Reich der politischen Märchen gehört allerdings die in den 20er Jahren verbreitete Behauptung, der Konzernchef habe sich die Hotels verschafft, um sie vor ausländischem Zugriff zu bewahren.3) Stinnes nämlich »beschwor unermüdlich das deutsche Interesse und kannte doch nur sein eigenes«.4)
     Das Excelsior und sein Besitzer, Geheimer Kommerzienrat Dr. phil. h. c. Curt Elschner, wurden in den goldenen 20er Jahren zu einem legendären Begriff für Berlin. Das Haus gab sich nicht so vornehm wie Adlon, Esplanade und Kaiserhof, aber es wurde das größte Hotel der Stadt und des Kontinents. Nach amerikanischem Vorbild durchgreifend modernisiert, bekam es ein eigenes Kraftwerk
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Hotel Excelsior auf einer Postkarte von 1929
und Wasserwerk sowie Gasheizanlage. Sämtliche Küchen und die Bäckerei wurden auf Elektrobetrieb umgestellt. »Keine Kohle, kein Staub und damit ein Höchstmaß an Sauberkeit«, verkündet einer der wenigen erhalten gebliebenen Hotelprospekte, der auch nicht mit Elogen auf den Chef des Hauses spart. Nach Erweiterung der Räumlichkeiten (1925/26, Architekten Heidenreich und Michel), vor allem durch eine anspruchsvolle Hotelhalle, entstand im Keller des Gebäudes Anhalter Straße 6 das prächtige Excelsiorbad (1927/28, Architekt Johann Emil Schaudt) als »Herrenbzw. Damenbad«, von einem Facharzt und einer Fachärztin geleitet. Diese Sehenswürdigkeit wurde schon 1931 zu einem
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ungleich rentableren Bierkeller umgebaut, dem Thomaskeller mit 1 500 Plätzen. Hier floß Münchner Bier buchstäblich in Strömen ebenso wie nebenan original Pilsner im Bürgerlichen Bräuhaus Pilsen. 1939, vor Kriegsbeginn, kostete der halbe Liter in Selbstbedienung 48 Pfennig, der Liter 95 Pfennig. Mit der Stadtschänke (500 Plätze), dem Wein- und Bierrestaurant (400 Plätze) sowie weiteren Restaurants, Bars und Bols-Likörstube kam das Excelsior auf reichlich 5 000 gastronomische Plätze. Der Bierausschank lag 1939 bei 1,2 Millionen Litern im Jahr.
     Eine – je nach Ansicht – große oder kleine Sensation wurde der Fußgängertunnel zum Anhalter Bahnhof, 1927 für 1,2 Millionen RM gebaut, 80 Meter lang, 3 Meter breit, 3 Meter hoch. Er war durch je zwei Fahrstühle und Treppen mit Hotelhalle und Bahnsteig verbunden. Elschner ließ nicht mit Reklame sparen: Es sei der größte Hoteltunnel der Welt. Und wer dann ins Haus kommt, »hat das Gefühl, inmitten einer modernen Welt sein ideales Heim für die glanzvollen Tage seines Berliner Aufenthalts gefunden zu haben«. Auch alle denkbaren Dienstleistungen bot das Hotel. Flugscheine der Deutschen Luft Hansa wurden ebenso verkauft wie Bahn- und Schiffskarten und Valuta – bis die Nazis solcher Freizügigkeit ein Ende setzten. Dem »Zug der Zeit« folgend, wurde auch die Jazz-Kapelle abgeschafft, eine Bigband, die dem Excelsior in der Weimarer Zeit viel
Zulauf verschafft hatte. Sie war schon vor 1933 den Hitlerleuten ebenso ein Ärgernis wie der hartnäckig parteilos bleibende »Betriebsführer« Elschner, der kein Antisemit war und dessen Vorliebe für die Weimarer Republik sicherlich mit der unternehmerischen Freiheit zu tun hatte, die dort herrschte.
     So präsentierte sich das Excelsior zu seiner Glanzzeit, Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre, als Hotelriese mit 600 Zimmern, bis zu 750 Betten, 250 Bädern, einem Dutzend gastronomischer Einrichtungen. Trotz mäßiger Preise – Einzelzimmer ab 4,50 RM, Zweibettzimmer 9,00–16,00 RM, Frühstück 1,60 RM – wurde das Haus eine Goldgrube, vor allem durch die Kneipen und Restaurants, aber auch durch ständige hohe Belegung: Pro Nacht waren es meist an die 700 Gäste, mal 20 weniger, mal 20 mehr. Elschners Direktoren ließen sich diese märchenhafte Auslastung immer wieder vom Vorsteher des zuständigen 104. Polizeireviers bestätigen. Das Excelsior hatte 1919 mit 60 Angestellten einen Umsatz von 450 000 RM. Mit 700 Angestellten erreichte es 1939 runde acht Millionen. Curt Elschner, der nur die Dorfschule besucht hatte, betrieb auf dem Höhepunkt seiner Selfmademan-Karriere bis Anfang der 30er Jahre fast ein Dutzend Gaststätten und Hotels. Nicht zuletzt durch seinen größten Coup, das Excelsior, wurde er zum schwerreichen Mann. Der Kinderlose ließ es an gezielten
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Großzügigkeiten nicht fehlen.
     Ansehnlich bedacht hat er die Universität Würzburg, die ihn zum Ehrendoktor promovierte. Der Stadt Eisenach stiftete er 1925 die Elschnergalerie mit rund 70 Bildern, darunter Werke von Oswald Achenbach, Defregger, Anselm Feuerbach, Lenbach, Jozef Israels, sowie 1927, als er Ehrenbürger wurde, den Till-Eulenspiegel- Brunnen auf dem Theaterplatz, der dann zeitweilig Leninplatz hieß.
Seinem Geburtsort gab er Geld für soziale Zwecke und für Kirchenglocken, finanzierte Friedhofshalle und Schulbänke. Auch dort wurde er vor 1933 Ehrenbürger. Die Urkunde ist nicht mehr vorhanden. Wohl kein Zufall. Elschner hatte »ja mit dem Dritten Reich nichts am Hut und war daher auch beim Willerstedter Gemeinderat nicht besonders angesehen«, so die Bürgermeisterin heute.
     Eine persönliche Erinnerung ist anzufügen.

Teilansicht des Prunksaales
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Seine »Kneipe«, wie er sich ausdrückte, machte mit ein paar Angestellten einen hübschen Umsatz, vor allem mit Faßbrause und Bier. Er war jedoch bereit, die Bewirtschaftung abzugeben und der HO in finanziellen Fragen der Übernahme entgegenzukommen, wenn er wohnen bleiben dürfte. Der Geschäftsführer der Wartburgstiftung, Dr. Asche, erklärte sich mit allem einverstanden, sofern an seine Steine, Fresken und Balken nicht gerührt würde, über die er unerbittlich wachte.
Wein- und Bierrestaurant (Teilansicht)
1951/52 hatte ich mit Curt Elschner zu verhandeln, als junger Justitiar der zentralen Leitung der HO Gaststätten, damals Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in der Berliner Gontardstraße. Die HOG wollten in Eisenach auf der Wartburg Hotel und Gaststätte übernehmen. Elschner war dort bereits 1923 Pächter geworden und hatte einen Geschäftsführer eingesetzt. Ich traf ihn in seiner kleinen Wohnung im Hotel auf der Burg, das 1913 von Bodo Ebhardt im mittelalterlichen Stil erbaut und von Elschner ein Jahrzehnt später komfortabel modernisiert worden war.      Der nun 75jährige Elschner mochte die Trümmer des Excelsior am Anhalter Bahnhof nicht mehr sehen. Einen Neubeginn schloß er für sich aus, altersbedingt und wegen der durch die Sektorengrenze entstandenen Randlage des Grundstücks. Auch die »Kneipe auf der Burg« wollte er nicht mehr betreiben – »für wen denn«, meinte er resignierend. So wurden wir in Eisenach bald einig. Der hochgewachsene, schwergewichtige und noch kraftvolle Mann lud dann ein, »zum gemütlichen Teil überzugehen«, wie er
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sagte. In seinem mit alten Möbeln sparsam eingerichteten, etwas unordentlichen Wohnzimmer entkorkte er mehr als eine Flasche besten Bocksbeutels. Amüsiert beobachtete er mein unverhülltes Interesse an einem kleinen Bild, dessen leuchtende Farben an der weißen Wand des Raumes besonders zur Geltung kamen: Blick in eine Theateraufführung, Meisterwerk des Berliners Adolph Menzel.
     Auch bei einer Begegnung im Restaurant des Berliner Hotels Johannishof, gut geführtes Haus der VWR (Vereinigung der Wirtschaftsbetriebe der Regierung), erwies Elschner sich als trinkfest und guter Erzähler, sichtlich froh, Gesellschaft zu haben. Freimütig breitete er aus, wie er im Excelsior Geld gescheffelt hatte. So kaufte er im Winter Tausende Gänse auf einen Schlag zu Rabattpreisen und ließ sie in Fleischerei und Küchen des Hauses zubereiten – das Feinste der Vögel für die teuren Restaurants, die Flügel und Hälse und alles sonst Verwertbare für die billigen Lokale, wo die Zapfhähne nicht zur Ruhe kamen, Bier und Schnaps den großen Umsatz brachten.
     Der Vollblutgastronom lebte auf, wenn er vom Excelsior erzählte. Der Tunnel zum Anhalter war ebenso sein Stolz wie die perfekte Technik von Hotel und Restaurants. Mit bitterem Unterton sprach er vom Untergang seines »Flaggschiffs«. Die Version, es sei – wie beim Hotel Adlon – Brandstiftung nach Kriegsende gewesen, hörte ich von Elschner
nicht. Nach seinen Worten wurde der Komplex gegen Ende des Krieges mit Bomben belegt und brannte vollständig aus. Die Bombenschützen, sagte er, hätten sein Excelsior sehr gut getroffen, die Betriebe der AEG und die große Siemensstadt dagegen sehr gut ausgespart.
     Curt Elschner, der sich auch nach 1945 gern mit Herr Geheimrat anreden ließ, ist mit fast 88 Jahren am 12. Dezember 1963 in Erfurt gestorben und dort begraben worden. Sein einfaches Geburtshaus in Willerstedt ist auch heute noch Gasthaus. Auf dem Grundstück seines Hotels Excelsior, Anhalter Ecke Stresemannstraße, steht als einzige gastronomische Reminiszenz eine Imbißbude.

Quellen:
1     Besonders ausführlich: Gerald D. Feldman, Hugo Stinnes. Biographie eines Industriellen 1870–1924, C. H. Beck, München 1998
2     »Eisenacher Tagespost«, 23. 1. 1927. Stinnes habe, so das Blatt, Elschner zur Anbahnung der Transaktionen in dessen großem Kaffeehaus am Hamburger Rathausmarkt aufgesucht
3     Ebenda
4     Volker Hentschel in »Berliner Zeitung«, 5./6. 12. 1998

Bildquellen:
Der Prospekt von 1939 sowie die weiteren Illustrationen wurden freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Excelsior Hotel, Hardenbergstraße 14, das seit Februar 1978 besteht

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Berlinische Monatsschrift Heft 5/99
© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de