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Günter Wirth
Zeugnis aus dem anderen Deutschland

Der Theologe Heinrich Grüber
(1891-1975)

Zehn Jahre nach dem Tod Propst Heinrich Grübers hat einer seiner besten Freunde und treuesten Gesinnungsgenossen in West-Berlin, Pfarrer Rudolf Weckerling (1912), einem Gedenkaufsatz die Überschrift gegeben: »Ein Diakon«. In der Tat wird mit diesem ebenso schlichten wie rühmenden Titel nicht nur der eher niedere Rang in der Hierarchie der Kirche, sondern vor allem das Wesen des Lebenswerks von Heinrich Grüber, dem »Judenfreund und Trümmerpropst«, sehr klar getroffen: die dem je einzelnen geltende Begegnung und Bemühung, die Resistenz gegenüber autoritären und totalitären Systemen, ohne allerdings auf den immer neuen konkreten Versuch zu verzichten, im Interesse von Menschen Brücken zu bauen. »Leben in Spannungen«, »Leben an der Todeslinie«, »Pontifex nicht Partisan« und »Dona nobis pacem!« sind denn die charakteristischen Titel von Büchern über und von Grüber - ebenso wie dieser cantus firmus: »Ich will rühmen Gottes Wort.« Es waren in der Tat nicht höchste kirchliche oder


Heinrich Grüber

öffentliche Ämter, die das Profil des Lebenswerks dieses Diakons bestimmten, sondern Konstanten sachlicher Entscheidungen für Menschen, Entscheidungen, die nicht an Institutionen gebunden waren und die sich, wenn sie sich gegen Personen hatten richten müssen, nie - oder wenn, dann nur in Fällen zynischer Verstöße gegen die Menschenrechte - verfestigten; der heute von Grüber aus sachlichen Gründen Bekämpfte konnte morgen - wiederum aus sachlichen Gründen - sein Freund sein.

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Leben an Grenzlinien – das hatte Heinrich Grüber schon früh gelernt: Im niederrheinischen Stolberg am 24. Juni 1891 geboren, war die Grenze zu den Niederlanden nicht weit, seine Mutter war geborene Holländerin, und seine theologischen Studien sollte er später nicht nur in Bonn und Berlin, sondern auch in Utrecht absolvieren; schließlich war er dann sogar Brückenbauer besonderer Art im Konzentrationslager Sachsenhausen, nämlich Dolmetscher für die holländischen und französischen Gefangenen. Leben in Spannungen – das war für den jungen Heinrich Grüber freilich auch das der konfessionellen, und zwar weniger der katholisch-protestantischen als vielmehr der zwischen Lutheranern und Reformierten; zeitlebens hatte Grüber calvinistische Sympathien.
     Nach den theologischen Studien, in denen den Bibelwissenschaften und der Kirchengeschichte die besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, bestand Heinrich Grüber 1914 das erste theologische Examen; das zweite konnte er, der seit 1915 Feldartillerist sowohl an der Westwie an der Ostfront gewesen war, erst vier Jahre später ablegen, in Gestalt eines Lehrgangs als Militärpfarrer 1918. Nach weiterer Ausbildung am renommierten Berliner Domkandidatenstift war der fast Dreißigjährige 1920 in der Lage, seine erste Stelle zu übernehmen, als Pfarrer in Dortmund-Brackel, wo er bis 1925 tätig war, unterbrochen durch Ausweisung während der Zeit der französischen Besetzung. Sein
frühes pfarramtliches Wirken war durch seelsorgerliches und diakonisches Handeln geprägt.
     In der Diakonie fand dann der Fünfunddreißigjährige den Platz, der seinen Intentionen entsprach, erst als Erzieher an den Düsseldorfer Anstalten, dann als Direktor des Erziehungsheims Waldhof in Templin. Die Betreuung schwach begabter und psychopathischer junger Menschen hatte vielfältige soziale und pädagogische Dimensionen. Andererseits bot dieses kirchliche Amt Gelegenheit, gesellschaftliche Perspektiven zu verfolgen. Der Absolvent des Berliner Domkandidatenstifts fand relativ leicht den Zugang zu gesellschaftlich relevanten Zirkeln, etwa zum Nationalen Club in Berlin, also zu einem Kreis von Altkonservativen und Industriellen, sowie zum »Stahlhelm«, und Anfang der dreißiger Jahre wird sein Name oft im Zusammenhang mit einem (kirchlich organisierten) Arbeitsdienst genannt. So verwundert es nicht, daß Heinrich Grüber kurzzeitig nach dem 30. Januar 1933 als Kandidat für den Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium im Gespräch war. Er erhielt dieses Amt dann doch nicht; im Gegenteil zeigten sich, bereits im Umfeld des »Tags von Potsdam« (21. März 1933), nicht geringe Spannungen zu den neuen Machthabern, so daß der Leiter des Waldhofs zeitweilig untertauchen und am 1. August 1933 sein Amt aufgeben mußte.
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Es dauerte mehrere Monate, bis der mit der Jungreformatorischen Bewegung verbundene Heinrich Grüber im Februar 1934 – nach Ablehnung vieler anderer Bewerbungen – seine Tätigkeit als Pfarrer in Berlin-Kaulsdorf aufnehmen konnte; 1935 übernahm er zusätzlich die Betreuung der Niederländischen Gemeinde in Berlin, und er wirkte engagiert in der Bekennenden Kirche, was schon 1937 zu einer ersten Verhaftung führte. All dies bleibt indes noch im Rahmen dessen, was wir bisher von diesem Pfarrer kennengelernt haben: Sein immerhin beispielhaftes seelsorgerliches Wirken und diakonisches Handeln hatte noch nicht den Charakter des Besonderen angenommen (wie dies im Falle des von ihm verehrten Albert Schweitzer, 1875–1965, früh zur Wirkung kam). Als dann für Heinrich Grüber zum erstenmal die Stunde der Bewährung schlug, war er da und stand seinen Mann.
     Mit der Forcierung der NS-»Gesetzgebung« zur Judenverfolgung stand die Bekennende Kirche vor der Frage, wie sie den verfolgten Juden, zumal den evangelisch getauften, helfen könnte; auch aus der Ökumene, zumal aus England (Bischof George Bell 1883–1958), kamen hierzu Anstöße. Unter den Frauen und Männern in der Bekennenden Kirche, die sich hier engagierten, nahm Heinrich Grüber insofern eine singuläre Stellung ein, als er die vielen einzelnen, oft ganz spontan entstandenen Bemühungen seiner Schwestern und Brüder bündelte und
sie in seinem »Büro Pfarrer Grüber« (erst an der Oranienburger Straße, dann An der Stechbahn in Berlin-Mitte) zur Wirkung brachte, von dort aus ein Netz von 22 Hilfsstellen in 20 großen Städten des Reichs koordinierte und vor allem die Verhandlungen mit den Institutionen des Regimes führte, insbesondere zugunsten der Emigration evangelisch getaufter Juden (dies konzentriert in der Zeit nach dem 9. November 1938 bis zum Kriegsbeginn). Die Tätigkeit dieses Büros hatte indes bis zur Verhaftung Grübers am 19. Dezember 1940 einen umfassenderen Charakter dergestalt, daß die Wohlfahrts- und die Seelsorgeabteilung des Büros sich jener annahm, die aus unterschiedlichen Gründen nicht ausreisen konnten (bis hin zum Aufbau von Erziehungseinrichtungen); andererseits hatten Grüber und seine Mitarbeiter eigenständige Projekte ausgearbeitet, die im Ausland eine ökonomische Basis für die Emigranten schaffen sollten; nach Kriegsbeginn waren sie utopisch. Insgesamt gelang es Grüber und seinem Büro, die Auswanderung und das heißt die Rettung von über 1 700 rassisch Verfolgten zu erreichen (davon noch 580 nach dem 1. September 1939). Irgendwann – und darüber war sich Grüber von vornherein im klaren – mußte solchen Bemühungen ein »offizieller« Schlußpunkt gesetzt werden: Im Falle des Büros Grüber erfolgte dies in dem Augenblick, als Grüber im Herbst 1940 bei der Deportierung von Juden aus Baden, der
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Pfalz und dem Saargebiet ins Lager Gurs (in Südfrankreich) konkrete Abwehrpläne entwickelte.
     Heinrich Grüber wurde verhaftet, erst ins KZ Sachsenhausen, wo er Blockältester und Dolmetscher war, dann in den »Pfaffenblock« des »Musterlagers« Dachau verbracht. In den beiden Lagern lernte er kommunistische und sozialdemokratische Häftlinge kennen, die später in amtlichen Funktionen seine Verhandlungspartner werden sollten. Vor allem aber kam es ausgerechnet in den Lagern zu ökumenischen Kontakten herausragender Art, und es kam mit Grüber, dessen Andachten in Dachau gedruckt erschienen sind, zu einer Art Bekenntnissynode.
     Durch die Bemühungen seiner Frau, aber auch seines Schwagers Dr. Vits, eines Industriellen, wurde es möglich, im Juni 1943 die Entlassung Grübers »probeweise« zu erreichen. Nach einer »Quarantäne« konnte er seine pfarramtliche Tätigkeit in Berlin-Kaulsdorf wieder aufnehmen und auch in Kontakt zu antinazistischen Freunden, vor allem zu Ewald von Kleist-Schmenzin (1890–1945) und zu Oberst Wilhelm Staehle (1877–1945), treten.
     Indem der Kaulsdorfer Pfarrer in den Tagen des Kampfes um Berlin im April 1945 ganz für seine Gemeindemitglieder da war (auch in der Verhinderung abenteuerlicher Werwolf-Aktionen), wurde aus dem Mann der letzten Stunden des Kriegs sogleich der Mann der ersten Stunde nach der Befreiung
vom NS-Regime. Er übernahm zeitweilig Verantwortung als Bürgermeister von Kaulsdorf; als solcher verhandelte er mit Generaloberst Nikolai Erastowitsch Bersarin (1904–1945), dem ersten Stadtkommandanten. Was erst recht nach der Wende in der DDR, 1989/90, zu beobachten war, nämlich die Übernahme staatlicher und kommunaler Funktionen durch Kirchenleute – das war auch 1945 festzustellen: Schon am 17. Mai 1945 wurde der Pfarrer und Bürgermeister stellvertretender Leiter des Beirats für Kirchenfragen beim gerade erst gebildeten Berliner Magistrat. Und dieser Beirat war in der Tat eine staatskirchenrechtliche Konstruktion eigener und singulärer Art: Vertreter der beiden großen christlichen Konfessionen und der Jüdischen Gemeinde übernahmen (bis Anfang 1947) die amtliche Regelung der kirchlich-staatlichen Beziehungen. Gleichzeitig finden wir Heinrich Grüber im Juni 1945 im Gründerkreis der CDU, ohne daß er formell den Gründungsakt mitvollzieht: Ihn störte aus theologischen Gründen das »C« im Namen der Partei.
     Grüber, der Judenfreund, der KZ-Häftling, der Mann der ersten Stunde – es lag nahe, daß der Pfarrer der Bekennenden Kirche auch ein höheres kirchliches Amt erhielt: Er wurde zwar nie Bischof, aber als Propst an der (im Krieg zerstörten) Kirche St. Nikolai und an St. Marien in Berlin übernahm er ein traditionell angesehenes und herausragendes Amt, das er bis zu seiner Ausschließung
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aus Ost-Berlin nach dem Mauerbau als gewissenhafter Seelsorger und Gott rühmender Prediger wahrgenommen hat, und es konnte schon einmal vorkommen, daß er auch eine in der Öffentlichkeit stark beachtete »politische Predigt« gehalten hat (so 1953 nach beiden Seiten gewandt, nach Ost und nach West).
     Auch andere überregionale kirchliche Ämter wurden Grüber übertragen, insbesondere im Evangelischen Hilfswerk, in der Evangelischen Frauenhilfe, als Lizenzträger der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin und als Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, die 1947 gebildet wurde und gleichsam als legitime kirchliche Fortsetzung des Beirats anzusehen war. Vor allem aber wurde er Präsident der Evangelischen Hilfsstelle für ehemals Rasseverfolgte.
     Nicht zuletzt war »Propst Grüber« (wie er jetzt allgemein in Kirche und Gesellschaft genannt wurde) der Kirchenmann, der die frühesten ökumenischen Kontakte wahrzunehmen in der Lage war. Wenige Tage nach der Schulderklärung des deutschen Protestantismus (Stuttgarter Erklärung vom 18./19. Oktober 1945) kam es in der Berliner Marienkirche zu einem eindrucksvollen kirchlichen, ja kirchenhistorischen Ereignis, in der Begegnung der Gemeinde und deutscher Politiker mit Kirchenvertretern der vier Siegermächte, unter ihnen mit dem anglikanischen Bischof George Bell und dem russischen orthodoxen Erzbischof Alexander
(1875–1960). In diesem Gottesdienst wurde das interne (und damals noch unbekannte) Stuttgarter Dokument gleichsam von der Gemeinde in St. Marien verifiziert. Grüber war dann einer der ersten Deutschen, der nach 1945 die Niederlande, England und Dänemark besuchte und kirchliche, aber auch politische Kontakte herstellen konnte (1955 sollte er übrigens der erste deutsche evangelische Kirchenführer sein, der in Warschau predigte).
     Auch im öffentlichen Leben in der sowjetischen Besatzungszone hatte Grübers Name einen guten Klang, insbesondere in der VVN, deren stellvertretender Vorsitzender er wurde, und in den Anfängen der Volkskongreßbewegung, so daß die frühe Ehrenpromotion Grübers an der Ostberliner Universität 1948 keine Überraschung war. 1948/49 zog sich der Propst indes aus dem gesellschaftlichen Leben weitgehend zurück, was zweifellos auf die Verschärfung des Kalten Krieges, insbesondere im Zusammenhang mit der Berliner Blockade, zurückzuführen war.
     Als es 1949 in der Folge des Kalten Krieges zur förmlichen deutschen Spaltung kam, erhielt Propst Grüber als Bevollmächtigter des Rats der EKD bei der Regierung der DDR ein Amt, das nicht nur ein kirchliches Schlüsselamt war, das ihm vielmehr als auf den Leib geschrieben erscheinen mußte. Mehr als acht Jahre konnte er es wahrnehmen, darunter in so schwierigen Situationen wie 1952/53, aber auch in Zeiten einer gewissen
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kirchenpolitischen Entspannung wie 1956. Dabei ging er, wie immer auch die konkrete Lage sich darbot, von der Verfolgung der legitimen Interessen und Rechte der Kirche, aber auch von der Bereitschaft aus, Brücken zu bauen, was stets Hilfe für Menschen in ihrer Not, Bedrückung und in ihrem Kampf fürs Recht einschloß. Hilfe erhielt Grüber in seinen Bemühungen von einigen der KZ-Kameraden, die jetzt hohe Funktionen in der DDR innehatten, vor allem aber vom CDU-Vorsitzenden Otto Nuschke (1883–1957, BM 2/99), der als stellvertretender Ministerpräsident Regierungsverantwortung für Kirchenfragen trug. »Grübers Haltung gegenüber der DDR-Regierung war durch kritische Loyalität und konstruktive Unabhängigkeit bestimmt«, hat Gerhard Besier resümierend festgehalten und dabei besonders auf Grübers Anteil an der Gestaltung des Leipziger Kirchentags von 1954 hingewiesen.
     Hatte Grüber Anfang der fünfziger Jahre eine gewisse Sympathie für DDR-Vorschläge zur Wiedervereinigung bekundet (das Nationale war sicherlich eine Konstante in seinem Denken und Fühlen), so war Mitte der fünfziger Jahre eine beachtliche Nähe Grübers zum Friedenskomitee der DDR und zum Weltfriedensrat (Teilnahme am Weltfriedenskongreß 1955 in Helsinki) zu beobachten – eine Tatsache, die wiederholt zu innerkirchlichen »Fällen Grüber« führte. Was Grübers Beziehungen zur Weltfriedensbewegung angeht, so darf hierbei nicht über-
sehen werden, daß er mit deren Hilfe eine Legalisierung von Aktivitäten christlicher Friedensorganisationen in der DDR erreichen wollte (Versöhnungsbund, Christlicher Friedensdienst). In diesen hatte er seine eigentliche Heimat.
     Seine Bemühungen, ein geordnetes Verhältnis zwischen Kirche und Staat in der DDR herzustellen, blieben letztendlich angesichts der Haltung der Betonfraktion in der SED und in der Folge des Kalten Kriegs ohne formelles Ergebnis. Grüber hat aber – wie seine Berichte als Bevollmächtigter, aber auch andere Dokumente und vor allem seine Briefe ausweisen – viel für die Kirche und gleichermaßen für einzelne erreichen können. Nach dem Tode Otto Nuschkes Ende 1957, für den er die Beisetzungspredigt hielt, gab es in der DDR keinen einflußreichen Politiker mehr, der den Bruch mit der EKD und damit mit ihrem Bevollmächtigten hätte verhindern können. Im Mai 1958 ließ Ministerpräsident Otto Grotewohl (1894–1964) wissen, das Amt sei für die DDR erledigt.
     Dieser Ausschluß aus der Öffentlichkeit der DDR, in der der Propst eine angesehene und (dank seines rheinischen Humors) auf Empfängen gern gesehene Persönlichkeit gewesen war, wurde, wie erwähnt, nach dem Mauerbau 1961 durch den Ausschluß aus Ostberlin und damit von der Familie seines in der DDR tätigen Sohnes zusätzlich verschärft.
     Danach sehen wir Heinrich Grüber als Prediger (in vielen Gemeinden West-Berlins
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und der Bundesrepublik), als Redner, auf Reisen ins Ausland, 1958 erstmalig nach Israel, dann vor allem in die USA und in die Niederlande, wo er mehrere Ehrendoktorate und andere Auszeichnungen entgegennehmen konnte. Wir finden ihn in der Nähe von Martin Buber (1878–1965), Martin Luther King (1929–1968) und Albert Schweitzer, den er 1965 in Lambarene besuchte, aber auch engagiert in den inneren Auseinandersetzungen in West-Berlin um 1968, in denen er zur Überraschung mancher seiner Freunde aus der Bekennenden Kirche eher konservativen Kreisen (Axel Springer, 1912–1985) zuneigte, also denen, die er Jahre zuvor bekämpft hatte.
     Seine ureigene Sache war es, die 1961 Heinrich Grüber in singulärer Weise im Rampenlicht der gesamten Weltöffenlichkeit, aber vor allem in der israelischen und deutschen, erscheinen ließ, aus einem Anlaß, der ihn freilich früh bewogen hatte, öffentlich vor »Sensationsmache« zu warnen: beim Eichmann-Prozeß (Adolf Eichmann 1906–1962) in Jerusalem. Hier war Grüber, wie die »Jerusalem Post« am 17. Mai 1961 schrieb, der erste deutsche Nichtjude, der in den Zeugenstand gerufen wurde und authentisch Zeugnis ablegen konnte; es war, wie die »Neue Zürcher Zeitung« einen Tag später feststellte, das Zeugnis aus dem »anderen Deutschland«. »Vielen Freunden aus Israel möchte ich sagen«, hatte Grüber bezeugt, »an dem Tage, als ich bei den Leichen
lag, stand für mich als Fanal in der Schrift das Wort von Ephraim: >Gott hat mich wachsen lassen im Lande meines Elends<, und es ist meine herzliche Bitte für alle, die in dieser Zeit wieder neues Leid erlebt haben, ... daß sie dieses Wort auch bekennen können.« Die große israelische Zeitung »Haaretz« bezeugte ihrerseits, und es gilt dies für das Lebenswerk dieses evangelischen Kirchenmannes in der Bewährung unter Bedingungen totalitärer und autoritärer Regime: »Mit den Worten seines Zeugnisses bezwang er alle ...«
     Heinrich Grüber starb am 29. November 1975 in Berlin.
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Berlinische Monatsschrift Heft 4/99
© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de