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Wolfgang Helfritsch
Im Dienste des Gesundheitswesens

Ehrenbürger Ferdinand Strassmann
(1838–1931)

Ferdinand Strassmann stammte aus einer Familie, in der der medizinische Beruf offensichtlich im Mittelpunkt stand. Er war der jüngste von vier Brüdern, die alle angesehene Mediziner wurden; einer von ihnen, Fritz Wolfgang Samuel Strassmann, leitete drei Jahrzehnte das Gerichtsmedizinische Institut der Charité. Die drei Schwestern gingen Ehen mit Medizinern ein.
     Ferdinand Strassmann, der am 24. Februar 1838 in Rawitsch/ Provinz Posen geboren wurde, besuchte zunächst die dortige Jüdische Bürgerschule, nahm außerdem privaten Unterricht in alten Sprachen und schloß seine Schulausbildung 1857 auf dem Gymnasium in Lissa mit dem Abitur ab. Nach einjähriger Kaufmannslehre zog er nach Berlin, um an der Friedrich-Wilhelms- Universität Medizin zu studieren. Zu seinen Lehrern gehörten Virchow, Mitscherlich, Langenbeck, Martin und Baerensprung.
     Im Sommer 1862 promovierte er mit seiner in lateinischer Sprache verfaßten Inauguraldissertation »Nonnullae observationes


Ferdinand Strassmann

ad ossium incrementum pertinentes« zum Dr. med.
     Von 1863 an praktizierte Ferdinand Strassmann als niedergelassener Arzt in Berlin. Er ging seinen beruflichen Aufgaben mit großer Leidenschaft nach; so ist bekannt, daß er sich bei der Bekämpfung der Choleraepidemie 1866 selbstlos einsetzte und 1870 ein Barackenlazarett leitete.
     Infolge seines ärztlichen Engagements wurde er sowohl von den Berliner Bürgern als auch von Persönlichkeiten der Stadtverwaltung geachtet. Nachdem er bereits 1884 in der Berliner Schuldeputation tätig war, wurde er im Juni 1889 zum unbesoldeten

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Stadtrat gewählt; das Vertrauen zu diesem Amt erhielt er viermal in Folge. In all diesen Jahren blieb er der einzige medizinische Fachmann im Magistrat. Besonders widmete sich Ferdinand Strassmann der öffentlichen Gesundheitspflege. Seine Leistungen auf dem Gebiet des Sanitätswesens, das während seiner Amtszeit unter städtische Verwaltung gestellt wurde, sind ebenso bemerkenswert wie seine Fürsorge für die medizinische und soziale Betreuung von Geisteskranken oder die unter seiner Verantwortung erreichten Verbesserungen im städtischen Desinfektionswesen. In der Amtszeit Ferdinand Strassmanns wurden neue Krankenhäuser errichtet und Pflegeanstalten in Betrieb genommen. Diese Bauvorhaben wurden dadurch erleichtert, daß er mit Ludwig Hoffmann einen erfahrenen und tatkräftigen Stadtbaumeister an seiner Seite wußte.
     Das von Ferdinand Strassmann zu bewältigende gemeinnützige Arbeitspensum nahm ihn so sehr in Anspruch, daß er seine Praxis aufgeben mußte.
     In Anerkennung seiner hohen Verdienste für die Bürger Berlins und das städtische Gesundheitswesen wurde Ferdinand Strassmann auf Beschluß von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung vom 17./18. Dezember 1915 die Ehrenbürgerschaft verliehen.
     Während der Jahre des Ersten Weltkrieges war Ferdinand Strassmann beim Magistrat als Stadtmedizinalrat angestellt. Für den inzwischen weit über 70jährigen ergaben sich
aus der Not des Krieges Anforderungen, die all seine Kräfte und Erfahrungen verlangten und ihn oft über Gebühr beanspruchten. Ein schwerer Unfall, den er am 24. März 1919 auf dem Heimwege vom Rathaus erlitt, zwang ihn dazu, sein Amt trotz aller Hingabe und Selbstdisziplin niederzulegen.
     Als Ferdinand Strassmann am 19. April 1931 im Alter von 94 Jahren starb, verlor die Stadt Berlin ihren bis dato ältesten Ehrenbürger. Das »Israelitische Familienblatt« betrauerte in seiner Ausgabe vom 23. April 1931 das Hinscheiden eines Mitgliedes der Jüdischen Gemeinde, das sich um die Stadt Berlin hochverdient gemacht hatte. Die »Vossische Zeitung« würdigte in ihrem Nachruf nicht nur den angesehenen Mediziner und Kommunalbeamten, sondern sie ehrte mit Ferdinand Strassmann eine Berliner Ärztedynastie, zu der neben ihm der Gerichtsmediziner Fritz Strassmann, der langjährige Stadtverordnetenvorsteher Wolfgang Strassmann und der Gynäkologe Paul Strassmann gehörten. »Die Benennung der Straßmannstraße im Stadtbezirk Friedrichshain«, schloß die Zeitung ihre Laudatio, »... ehrte einen dieser Strassmanns oder alle.«
Ferdinand Strassmann wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee bestattet.

Bildquelle:
Zeichnung H. Peters

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Berlinische Monatsschrift Heft 4/99
© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de