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Hans-Peter Doege
Hier gab S. M. seine Herrenabende Wechselvolle Geschichte des Hotels »Esplanade« Ein Zeitdokument Berliner Geschichte soll auf der Sony- Baustelle am Potsdamer
Platz entstehen. Nach der spektakulären
Verschiebung des historischen Kaisersaals des ehemaligen Hotels »Esplanade« im
Frühjahr 1996 wurde unlängst damit begonnen,
den Frühstücksraum des legendären Hotels
wiederherzustellen. Im Zuge der Eingliederung der Reste des Hotels in den Sony- Komplex war der Frühstückssaal zuvor unter
Aufsicht der Denkmalpfleger zerlegt und zur Restaurierung nach Gotha gebracht worden. Rund 50 Millionen Mark kostet die Restaurierung des gesamten noch vorhandenen
Esplanade- Ensembles.
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Das »Esplanade«, Bellevuestraße 16–18
a, war sozusagen eine hocharistokratische Gründung, denn Kaiser Wilhelm II.
persönlich geruhten, den Wunsch nach einem feudalen Hause nur für allerhöchste
Herrschaften zu äußern. So ließ es sich
der »Fürstenkonzern«, bestehend aus den
Fürsten Christian Kraft zu Hohenlohe, Max Egon zu Fürstenberg und später auch
Fürst Henckel von Donnersmarck, zur Ehre gereichen, diesem Wunsche für 25
Millionen Goldmark nachzukommen.
Die Firma Boswau & Knauer baute nach den Plänen des Architekten Otto Rehnig (1864–1925) ein standesgemäßes Adelshotel, in dessen Betten sich auch wirklich nur Adlige tummeln durften. In diesem Prachtbau mit seinen grauen Sandsteinquadern und den vielen Reliefs und Verzierungen in der 94 Meter langen Straßenfront sollten die zu Hofbällen nach Berlin kommenden allerhöchsten Herrschaften nicht Gefahr laufen, mit gewöhnlichen Sterblichen unter einem Dache ruhen zu müssen. Und so öffneten sich im Dezember 1908 dem auserwählten Publikum nicht Türen, sondern wuchtige Portale. Sobald die Gäste eingetreten waren, sanken sie in tiefen Teppichen ein, konnten Atmosphäre, viel Aristokratie, lautloses Personal und noch mehr Komfort erleben. Hier verkehrte auf Wunsch Seiner Majestät der Hochadel, der zusammen mit hohen Militärs zu den Herrenabenden geladen wurde. Zu diesen | ||
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Das Hotel »Esplanade«, erbaut von Otto Rehnig |
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Anlässen wurde dann die kaiserliche
Standarte aufgezogen, und das Volk wußte,
Siegfried Meier, wie man Seine Majestät (S.
M.) scherzhaft nannte, »kloppt Skat mit seine Leute«.
Ein Blick in den Eröffnungsprospekt des Hotels zeigt den Pomp in diesem Grandhotel der Kaiserzeit. Es glitzerte in den Prunksälen, die Stuckverzierungen waren vergoldet, auf den Böden war Marmor verarbeitet, an den Decken hingen riesige, schwere Kristalleuchter. »Die hoheitlichen Räume sind im graziösen und fröhlichen Stil der Zeitalter eines Ludwig XIV. bis XVI. gehalten, der sich trefflich mit unserem modernen Geschmack vereint und es er- |
möglicht, eigenartig anschmiegsame
deutsche Einflüsse zur Geltung kommen zu lassen.«
1911/12 wurde ein Erweiterungsbau angefügt. Das »Esplanade« mit seinen 600 Betten und 250 Bädern galt ebenso wie die anderen Grandhotels als Vorreiter technischen und sanitären Fortschritts. Obwohl das Hotel über die neuesten sanitären Einrichtungen verfügte, fanden sich in allen Schlafzimmern altmodische Waschschüsseln für die illustren Gäste. Die adligen Gäste befürchteten nämlich, daß durch die neumodischen Waschbecken schädliche Gase aus den Abflüssen aufsteigen und in die Zimmer dringen könnten. | ||||
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| Der historische Kaisersaal | ||||
Der technische Fortschritt war überall
im Hotel zu besichtigen. Es gab elektrische Aufzüge, statt Kerzen und Gasleuchten erhellten im »Esplanade« 30 Bogenlampen und 6 000 Glühlampen die
Räumlichkeiten. Es gab Telefon in allen Zimmern für
internen und externen Sprechverkehr, ebenso Rohrpostleitungen und
Telegrafiestationen für die Kommunikation nach draußen.
Für das Haus- und das Personal der Gäste
existierte eine gesonderte Rufanlage. Als besonderen Service des Hotels gab es in jeder Etage eine Kontrolldame, die drei Sprachen beherrschte.
Im »Esplanade« gab es auch die erste elektrische Großküche. Hier konnte für 1000 Gä- |
ste gleichzeitig gekocht werden. Auch
auf anderem Gebiet war das »Esplanade«
führend. Als erstes Hotel Berlins hatte es
einen großen Innengarten. Hier ließ sich die
High-Society beim Tanztee entzücken, und in
den Festräumen wie Silber- und Palmensaal, Bankett- oder Kaisersaal, der so
genannt wurde, weil Kaiser Wilhelm hier seine Herrenabende abhielt, wurden rauschende Feste und Bälle gefeiert.
Doch die fürstliche Zeit des Hotels dauerte nicht lange, denn der letzte große Soldat des deutschen Reiches war, auf dem Schlachtfeld unbesiegt zwar, aber von der Heimat schmählichst im Stich gelassen, beleidigt nach Holland ins Exil gegangen. Es regierten | ||||
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Der einst berühmte Wintergarten |
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nun andere, eine neue, gemischte
Gesellschaft zog ein, der Hochadel aus. 1918 versammelten sich hier die
Industriemagnaten, Politiker, Bankiers, Schauspieler und
Bohemiens. Hugo Stinnes wurde neuer Besitzer des Hotels. Dieser ließ sich nach
zeitgenössischen Berichten aus der vorzüglichen Küche am liebsten Rindfleisch mit Meerrettich servieren.
In den 20er Jahren wurden vor allem die Tanztees im Palmengarten berühmt. Es rauschten zwar keine Schleppen mehr beim Walzer über das Parkett, aber getanzt wurde immer noch. Charleston wurde gehämmert, die Zeit der Gigolos kam, und es wurde sehr fröhlich in den ehemals heiligen Hal- |
len. Berühmte Kapellen spielten hier
auf, und viele Veranstaltungen, wie die von Barnabas von Gezy, wurden im
Rundfunk übertragen. Die Kapellen waren am
Umsatz beteiligt, und was an sonnigen Tagen im Palmengarten los war, konnte man am Umsatz ablesen. Ein Kännchen Kaffee kostete 4,50 Mark, ein Drittel bekam die
Kapelle, und an manchen Tagen spielte man 10000 Mark ein.
Einige Zeit später verstummten auch die hämmernden Rhythmen des Charleston. Die Deflation zwang den Besitzer Hugo Stinnes, auch das Hotel »Esplanade« abzustoßen. Es kam in Schweizer Besitz. In den 30er Jahren verkehrten hier die neuen Her- | ||||
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ren in hellbraunem oder schwarzem
Einreiher. Auf den spiegelglatten
Parkettfußböden knarrten jetzt die braunen und
schwarzen Stiefel, und in Barnabas von Gezys Lieblingssalon konferierten nun, uniform
und ordensgeschmückt, die
Wirtschaftsgrößen des Dritten Reiches. Unter ihnen
natürlich auch solche, die das Haus aus
Kaiserzeiten noch bestens in Erinnerung hatten.
In diesem Hotel versprach am 19. Dezember 1933 der amtierende evangelische Reichsbischof Müller dem Führer der Hitlerjugend, Baldur von Schirach, bei einem Essen, die evangelische Jugend mit 700 000 Mitgliedern der HJ zu unterstellen. Der Generaldirektor der Reichsbaudirektion und Erneuerer der Reichshauptstadt, Albert Speer, erfüllte nun den Wunsch des neuen Herrschers: »Der Führer und Reichskanzler wünschen ein Haus für gehobene Personen seiner Partei und des Reiches sowie deren Gäste.« Allerdings hatten die Nationalsozialisten zuerst vor, im Zuge der Erneuerung der Reichshauptstadt das »Esplanade« zugunsten von Kasernen abzureißen. Dazu wurde das Hotel vom Generalinspekteur für das Deutsche Straßenwesen erworben und ging 1943 an das dem Rüstungskontor übergeordnete Industriekontor über. Dann wurde es doch von Albert Speer als Gästehaus requiriert. So folgte dem Hochadel über den Umweg der Hochfinanz die braune Kohorte, und statt der vielen erwarteten Gäste aus aller Welt kamen nun die von Hit- |
ler heraufbeschworenen Bomben und
machten dem braunen Spuk ein jähes Ende.
Dem Hotel leider auch. Neun große Sprengbomben ließen den größten Teil in Flammen aufgehen. Die vorderen Eingangshallen, der Palmenhof, der Speisesaal, der Kaisersaal, ein Barraum, das Kellergeschoß mit der Großküche und das wertvolle Geschirr für über 1 000 Gäste blieben erhalten. Und natürlich auch der Name »Esplanade«, und der allein genügte für einen bescheidenen Neuanfang. 1948 bekam der Festsaal ein provisorisches Dach, 1950 war alles soweit wieder hergerichtet, daß man hier den Ball der Technik abhalten und das Haus ein zweites Mal eröffnen konnte. Ein Restaurant hatte den Krieg unbeschadet überstanden und wurde nach 1945 weiter betrieben. Da es kaum Ball- oder Konzertsäle gab, boten sich die erhalten gebliebenen Säle des »Esplanade« geradezu an, denn trotz des ruinösen Zustandes der Anlage befanden sich diese in ausgezeichneter Verfassung. Man hatte sogar für 50 000 Mark einen Saal in Richtung Potsdamer Straße angebaut, der allerdings aus verkehrstechnischen Gründen kurz darauf wieder verschwinden mußte. Dem Ball der Technik folgten nun Opern-, Presse-, Film- und andere Bälle, Modenschauen, Mißwahlen und Ausstellungen reihten sich aneinander. Das schöne Foyer mit Verandenumlauf, die Glastüren, die Spiegelflächen und viel Marmor ließen alte Pracht und Herrlichkeit wieder aufleben. Es | ||
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Innenhof des Hotels |
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grünten wieder Palmen im
Palmengarten, der immer noch an den Silbersaal
angrenzte, von den Wänden lächelten jetzt die
Paare des gezeichneten Abraxas- Balletts. Die immer noch hervorragend
funktionierende Großküche konnte nach wie vor für 1
000 Gäste gleichzeitig kochen und dazu noch warme Speisen in Thermophoren in die
entlegensten Gegenden Berlins verschicken.
Das Haus im Tiergarten wurde wieder zu einem Zentrum für repräsentative Tagungen, Kongresse und für Ballveranstaltungen. Doch nach und nach verfiel der alte Glanz des wilhelminischen Neobarocks und machte nüchterner, kühler Eleganz Platz. | Es wurden immer noch Bälle abgehalten, und alle, die in der damaligen schlechten Zeit noch Mut und Geld hatten (viele hatten nur Mut, andere nur Zeit, aber die wenigsten hatten Geld), feierten immer noch im »Esplanade«. Die einst so günstige Lage am Potsdamer Platz hatte sich jetzt allerdings ins Gegenteil verkehrt. Jenseits der Straße begann der Ostsektor, und durch die Zerstörung der meisten Häuser rings um das alte Diplomatenviertel fehlte hier nun die Laufkundschaft. Die Zeit des Hotels war endgültig vorbei. Man hielt sich nur noch durch Bälle und Vermietung der Konzertsäle für Tonaufnahmen über Wasser. Hin und | ||||
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wieder wurden hier auch
Filmaufnahmen gemacht. Eine religiöse Sekte hielt
nun zweimal die Woche ihren Gottesdienst hier ab, just an dem Ort, an dem Seine
Majestät zu seinen Herrenabenden geladen hatte.
Nachdem nun Ost-Berlin auf seiner Seite die Reste der zerstörten Häuser abgetragen hatte, wollte man hier eine Grünanlage schaffen und begann auch tatsächlich mit den Vorbereitungen. Drei Jahre später war sie dann fertig, allerdings als Todesstreifen mit Schußfeld für die »Friedenswächter«. So mußte der Traum von besseren Zeiten für das Hotel begraben werden. Es wurde still um das Haus. Wer wollte, konnte aber noch kommen. Da das Haus im sogenannten Lennédreieck lag, zwar noch auf Westberliner Seite, der Eingang sich aber im Ostsektor befand, war es ein umständliches Unterfangen, in das Haus zu gelangen. Nach dem Mauerbau standen hier in den ersten Monaten britische Soldaten Spalier, damit sich bei Dunkelheit niemand in den Ostsektor verirrte. So konnte man, beschützt und kontrolliert zugleich, unter den Augen der Schutzmacht zum Ball gehen. Doch die Schickeria, die anfangs nicht auf ihre Feste an gewohnter Stelle verzichten wollte, hatte die Prozedur bald satt und blieb aus. Nun gingen die Lichter endgültig aus, das Haus stand sowieso nicht mehr zur Verfügung, denn es drohte einzustürzen. Die Industrie- Verwaltungs- Gesellschaft mußte es 1981 aus Sicherheitsgründen |
schließen, denn die gesamte
Bausubstanz des seit 1944 als Teilruine erhaltenen
Hotels hatte gelitten.
In den 60er Jahren gab es Pläne, aus den Resten des »Esplanade« ein Gästehaus des Bundes und des Senats von Berlin für gehobene Gäste aus dem Ausland zu machen. Aber auch an eine Zentrale der Entwicklungshilfe oder an ein Haus für Kultur hatte man gedacht. Nach dem Gebietsaustausch zwischen Ost und West 1988 glomm ein Fünkchen Hoffnung. Der Senat erinnerte sich des Hauses. So sollte, rechtzeitig zum 100. Geburtstag des deutschen Films, das Haus eine neue Blüte als Filmzentrum erleben. Aber auch daraus wurde nichts. Nach der Hauptstadtentscheidung wurde die Stadtbrache am Potsdamer Platz für Investoren interessant. Auf dem Sony- Grundstück befanden sich die Reste des Hotels »Esplanade«. Der Senat verpflichtete den Investor, für den Erhalt zu sorgen. Wenn der Sony- Komplex fertig ist, werden Frühstückssaal, Kaisersaal, Palmenhof und Silbersaal wieder Gäste empfangen. Bildquelle:
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© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de