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Wolfgang Bauer
Fontanes Verlobungsbrücke

Die Weidendammer Brücke auf Wanderung durch die Mark

Eine bewegte Geschichte hat die sogenannte Teufelsbrücke in Eberswalde. Und sie ist eng verbunden mit der Geschichte der alten Berliner Weidendammer Brücke. Dreibis viermal wurde sie auf- und abgebaut und auf Reisen geschickt, bevor sie ihren jetzigen Standort erhielt. Ihrer Wanderung durch die Mark ging der Transport von England, wo sie 1820 entworfen und hergestellt worden sein soll, nach Berlin voraus. Hier wurde die als Weidendammer Brücke bezeichnete Konstruktion zwischen 1824 und 1826 an der Friedrichstraße errichtet. Schon bald zog sie die Aufmerksamkeit der Berliner auf sich, denn sie war eine der ersten gußeisernen Brücken in Mitteleuropa.1)
     Leopold von Zedlitz beschreibt sie 1834 in seinem Neuesten Conversations- Handbuch für Berlin und Potsdam: »Jetzt ist diese Brücke insofern die erste und einzige ihrer Art in der Welt, als bei ihr nämlich anstatt der bisher allein üblich gewesenen massiven Pfeiler, gegen welche die Bogen gespannt werden müssen, zuerst der Versuch gemacht

ist, mit freistehenden eisernen Pfeilern, welche die ebenfalls eisernen Bogen tragen, so daß, an dieser Brücke, ausgenommen den hölzernen Pfahlrost im Grunde, die hölzernen Zugklappen, ... alles durchaus von Eisen ist.«2) Die Brückenjochbögen bestanden aus Eisenplatten, die auf die tragenden Eisenbögen aufgelegt waren, die wiederum von mehreren gußeisernen Rundsäulen, acht je Pfeilerreihe, getragen wurden. In der Mitte der fünfbogigen Brücke war der Scheitel des Mitteljoches beidseitig klappbar, um auch Schiffen mit höheren Masten die Durchfahrt zu ermöglichen. Getrennte Fahr- und Fußwege hatte sie noch nicht. Ihre Breite reichte für zwei Pferdefuhrwerke und Fußgänger aus.
     Für Theodor Fontane hatte die Brücke eine ganz besondere Bedeutung. Hier verlobte er sich am 8. Dezember 1840 mit Emilie Rouanet- Kummer. Er selbst schilderte das Ereignis später so: »Es war wenige Schritte vor der Weidendammbrücke, daß mir dieser glücklichste Gedanke meines Lebens kam, und als ich die Brücke wieder um ebenso viele Schritte hinter mir hatte, war ich dann verlobt.«3)
     Als die Brücke in der Gründerzeit dem wachsenden Verkehr nicht mehr gerecht wurde, mußte sie 1880 durch zwei Fußgängerbahnen erweitert werden. Der ursprüngliche für Fahrzeug- und Fußgängerverkehr gleichermaßen ausreichende Weg blieb seit dieser Zeit ausschließlich dem Fahr-
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Weidendammer Brücke, 1881
betrieb vorbehalten.4) Die zusätzlich geschaffenen Gehwege waren gegenüber dem Brückenscheitel der Fahrbahn um etwa 40bis 60 Zentimeter erhöht. Der Brückenscheitel im Mitteljoch war aushängbar. In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts kam noch eine Pferdebzw. Straßenbahn hinzu, die auf einem extra errichteten, hölzernen Brückengerüst die Spree überquerte, und später – mit dem Neubau der Weidendammer Brücke – in den Straßenbaukörper der südlichen Friedrichstraße integriert wurde.
     Dieses Provisorium genügte durch das ständig wachsende Verkehrsaufkommen nicht mehr den Anforderungen, so daß die erste gußeiserne Weidendammer Brücke von Berlin 1895 demontiert und durch eine
neue, breitere aus Stahl ersetzt wurde. Sie steht nach mehreren Rekonstruktionen und Veränderungen noch heute.
     Die durch Holzhandel, vor allem mit Berlin, in der Gründerzeit reich gewordene Gemeinde Liepe bei Oderberg kaufte die demontierten Teile der alten Weidendammer Brücke und errichtete sie wieder als private »Interessentenbrücke« über den Finowkanal (sie gehörte der Gemeinde, wurde also nicht vom Landkreis finanziert). Somit konnten die Lieper ungehindert auf ihre Oderwiesen gelangen.5) Offensichtlich wurden aber nur die relativ neuen, erst 15 Jahre alten Gehwege der Weidendammer Brücke und die alten gußeisernen Säulen wieder verwendet. Dafür spricht ein Ver-
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Zeichnung der Treidelbrücke aus dem Jahr 1913, als sie von Liepe nach Eberswalde kam
gleich der unterschiedlichen Längen des Brückenscheitels. Betrug die Länge des Mittelscheitels der alten Weidendammer Brücke 7,80 Meter,6) so ergaben Nachmessungen für das Lieper Modell an der Oberseite eine Länge von 7,98 Metern und an der Unterseite 7,64 Meter. Die Weidendammer Brücke und die Brücke von Liepe wiesen dieselbe technische Variante des herausnehmbaren Brückenscheitels der Gehwegbahnen auf.
     Allerdings wurden die beiden Berliner Fußwegbahnen beim Lieper Wiederaufbau 1895/96 an beiden Endjochen geringfügig gekürzt. Dadurch verringerte sich die ursprüngliche Brückenlänge von 55,5 auf 42,5 Meter. Vermutlich wurde das spätklassizistische Brückengeländer der Weidendammer Brücke in Liepe mit verwendet,
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   29   Probleme/Projekte/Prozesse Fontanes Verlobungsbrücke  Vorige SeiteNächste Seite
... und am Messingwerk Heegermühle errichtet wurde
während die Zierverkleidungen der Brükkenpfeileraugen bei der Neumontage entfernt wurden. Das jeweilige Brückenauge wurde dafür durch einen Vertikalwinkelstab ausgesteift.
     Bereits 15 Jahre nach ihrer Errichtung in Liepe kaufte die Kanalverwaltung Eberswalde – heute Dienststelle des Wasser- und Schiffahrtsamtes – die Brücke und demon-
tierte sie. Das war notwendig, da der Finowkanal im Abstiegsbereich zur Oder den 1914 eröffneten Hohenzollernkanal (heute Oder-Havel- Kanal) aufnahm und sein altes Kanalbett für größere Schiffe vertieft und verbreitert werden mußte. Somit verlor die alte Brücke ihre Funktion und wurde 1912 durch eine neue, längere und höhere aus Holz, die Hohenzollern- Kanalbrücke, ersetzt.
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Die wiedererrichtete Weidendammer Brücke in Liepe nach 1895
(Sie ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden.)
     1913 kam die Brücke nach Eberswalde. Hier wurde sie als umgebaute Leinpfad- oder Treidelpfadbrücke (der Treidelweg wurde über die Brücke fortgeführt) über den Fabrikteich des ehemaligen Königlichen, später privaten, Messingwerkes bei Heegermühle (damals noch eigenständiger Gutsbezirk) wiedererrichtet. Dabei kappte man die beiden Seitenfelder der ehemals fünfjochigen Brücke, so daß sie seitdem mit ihren drei Bögen nur noch 33,3 Meter lang war. Das spätklassizistische Brückengeländer wurde in Eberswalde durch ein Geländer aus Winkelstahllängsprofilen mit vertikal angeschweißten Winkelstützen ersetzt, eine Lösung, die auch bei anderen untergeordneten Brücken der Kanalbaubehörde seit der Jahrhundertwende typisch war. In dieser alten Form
steht die Brücke bis heute am Messingwerkhafen.
     Dieser Standort wurde damals gewählt, um zu vermeiden, daß die Treidler das private Werksgelände passieren. Sie nutzten nun einen an der Südseite des Messingwerkes angelegten steinernen Saumpfad am Finowkanal und weiter den Weg über Fontanes Verlobungsbrücke, die in Eberswalde bis heute Teufelsbrücke genannt wird. Wann und warum dieser Name geläufig wurde, kann nur vermutet werden. Möglicherweise hat ihr die eigentümliche, seit mehreren Generationen nicht mehr geläufige Konstruktion den Namen eingebracht.
     Seit den 30er Jahren dieses Jahrhunderts wird sie nicht mehr als Leinpfad- oder Treidelpfadbrücke genutzt. Der Treidelweg, der längst überflüssig war, verfiel wie auch der künstlich verbaute Abschnitt dieses Weges.
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Interessant ist übrigens eine Darstellung des oben beschriebenen Geländes mit einer hölzernen Vorgängerbrücke auf einem Bild des Malers Karl Blechen (1798–1840) aus der Zeit um 1830/34. Allerdings enthält der Titel der Gouache keinen Hinweis auf die Brücke und das Messingwerk; im Werkverzeichnis taucht sie als brandenburgische Seenlandschaft auf. Das Bild zeigt das Königliche Messingwerk Heegermühle von der Südseite des Finowkanals, wo sich etwas weiter oberhalb später der Werkhafen befand, mit dem Hüttenamtsgebäude im Hintergrund.
     Eine nochmalige Wanderung, ihre letzte zur Verschrottung, konnte verhindert werden. Die Brücke, deren Herkunft und Entstehungszeit bis Anfang der 90er Jahre unbekannt war, sollte Mitte der 80er Jahre abgerissen werden, da sie funktionell überflüssig und baufällig war. Der Eigentümer, das Wasserstraßenaufsichtsamt Berlin, hatte schon Maschinen und Geräte bereitgestellt. Dem Engagement aufmerksamer Bürger, des eilig herbeigerufenen ehrenamtlichen Denkmalspflegers und des damaligen Vorsitzenden des Rates des Kreises ist es zu verdanken, daß ein einmaliges Zeugnis der Verkehrsgeschichte gerettet werden konnte. Die »Teufelsbrücke« wurde in die Kreisdenkmalliste aufgenommen. In den 80er Jahren wurde die Brücke durch Mitglieder der Interessengemeinschaft Denkmalpflege des Kulturbundes mit Unter-
stützung von Anliegern notdürftig instand gesetzt.7)
     Dem jetzigen Eigentümer, dem Wasserstraßen- und Schiffahrtsamt Eberswalde, und den örtlichen Behörden ist die historische Bedeutung des Bauwerkes bewußt.
     Sie würden auch eine funktionelle Einbindung der Brücke in den alten und nach der Wende wieder erneuerten Treidelweg unterstützen. So entstünde ein attraktiver Wanderweg von Eberswalde bis Finowfurt für Einheimische und Touristen.

Quellen:
1     Vgl. Eberhard Heinze, Eckhard Thiemann, Laurenz Demps, Berlin und seine Brücken, transpress, Berlin 1987
2     a. a. O., S. 222
3     Vgl. Heinz Knobloch, Verlobungsgeflüster und Magenbitter, »Berliner Zeitung«, vom 14. 1. 1994
4     Vgl. Eberhard Heinze, Eckhard Thiemann, Laurenz Demps, a. a. O.
5     Konrad Gründer, Detlev Bugk: Liepe – Das Dorf unter den Linden, Eberswalder Heimatkalender, 1993, hrsgg. von der Kreisverwaltung Eberswalde
6     Vgl. Eberhard Heinze, Eckhard Thiemann, Laurenz Demps, a. a. O.
7     Manfred Villain, Die Fußgängerbrücke im Ortsteil Finow–Messingwerk, Heimatkalender Kreis Eberswalde 1988, hrsgg. vom Rat des Kreises Eberswalde

Bildquellen:
Archiv, Kreisarchiv Barnim, Wasserstraßenamt Eberswalde

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