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Dorothea Minkels Das kurze Leben einer Berliner Volkspartei Schaut man in das Standardwerk »Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (17891945)«, das Jenenser und Leipziger Historiker unter der Leitung von Dieter Fricke in den achtziger Jahren publizierten (Bd. 14, Leipzig 19831986), so findet man dort unter dem Stichwort »Deutscher Volksverein« zwei Organisationen vermerkt: die republikanisch ausgerichtete Vereinigung deutscher Emigranten in Paris 1833/34 (Bd. 2, S. 325 ff.) und eine antisemitische Kohorte, die sich 18811883 in Berlin erfolglos als Rammbock gegen die in der deutschen Hauptstadt übermächtige, aber angeblich »verjudete« Fortschrittspartei zu betätigen versuchte (Bd. 1, S. 79). Auf einen weiteren »Deutschen Volksverein« in Berlin hat Christoph Hamann 1996 im Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins, »Der Bär von Berlin«, in dem Beitrag »Herr Urban ist kein Robespierre« (S. 7 ff.) aufmerksam gemacht. Eine Bemerkung über die Gründung eines Deutschen Volksvereins in Berlin 1861 findet sich auch schon 1959 bei Ernst Engelberg in dessen Abriß »Deutschland 1849 bis 1871« (S. 124) unter Hinweis auf |
eine Quelle aus dem
Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam, übrigens
auch die von Hamann benutzte. Inzwischen sind im Zusammenhang mit der tieferen
Erforschung des Lebens des Tierarztes Urban (BM 9/98) weitere Einblicke in die von
ihm begründete Organisation möglich geworden.
Der Parteigründer Friedrich Ludwig Urban war ein im damaligen Berlin stadtbekannter Mann, Tierarzt, seit 1843 häufig durch religiöse Gedichte in den Zeitungen aufgefallen, populärer Barrikadenheld in der Märzrevolution von 1848, Veranstalter der ersten großen Volksversammlung vor dem Schönhauser Tor, wegen »geistiger Brandstiftung« beim Zeughaussturm zu Festungshaft verurteilt und unter großem Jubel der Bevölkerung in zweiter Instanz freigesprochen, 1849 Gründer der freien Berliner Gemeinde des Urchristenbundes. Die stattliche Erscheinung imponierte selbst Theodor Fontane, der sich in seinem Rückblick »Von Zwanzig bis Dreißig« an Urban erinnert als einen sehr ansehenswerten Mann, bei dem man allerdings von seiner äußeren Erscheinung her nicht wußte, ob er besser in die böhmischen Wälder oder nach Utah passe. Kennzeichnend war außer seinem langen lockigen, ehemals braunen Haupthaar, das bei dem 55jährigen allmählich grau wurde, der mächtige Demokratenbart. Er hatte fünf Jahre auf seiner Kossätenwirtschaft in Friedersdorf bei Storkow gelebt, war aber im Herbst 1860 mit seinen drei | ||
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Kindern aus erster Ehe nach Berlin
zurückgekehrt. Seinem Naturell entsprechend, wollte er nicht nur als Tierarzt wieder
in Berlin seinen Lebensunterhalt verdienen, sondern auch erneut öffentlich
wirksam werden; die politische Situation kam ihm dabei entgegen.
Denn die seit 1850 schwer auf dem Lande lastende Reaktionsperiode hatte ihren Schwung verloren. Die 1849 geschlagene Nationalbewegung für die staatliche Einheit Deutschlands hatte bei den Schiller- Feiern im November 1859 in Massendemonstrationen wieder ihr Haupt erhoben, und der im selben Jahr gegründete Deutsche Nationalverein hatte 1860 unverhüllt ein einheitliches Deutschland unter der Führung von Preußen zu seinem Programm gemacht. Dort aber rang das Parlament gerade zäh um bürgerlichen Einfluß auf die Regierungspolitik, und im Eifer des Gefechts formierte sich in ihm im Februar 1861 eine neue liberal- demokratische Linke, die auch dem deutschen Nationalgedanken nicht fern stand. Mit der politischen Windstille war es also vorbei, und die Diskriminierung und Verketzerung der Achtundvierziger zündete nicht mehr. Selbst der 1848/49 als profilierter Demokrat in Berlin hervorgetretene Adolf Streckfuß (18231895) konnte im Frühjahr 1861 einen Verein für volkstümliche Wahlen aus der Taufe heben, der den Mut besaß, das Drei- Klassen- Wahlrecht anzugreifen. | Auf einen entsprechenden Antrag beim Polizeipräsidium erhielt Urban im April die Genehmigung zur Parteigründung. Die dazu einberufene Versammlung fand am 2. Mai 1861 in der Villa Colonna am Alexanderplatz (Königstraße 32) statt vielleicht nicht ohne Absicht in der Nähe des Standorts jener Barrikade, die Urban am 18./19. März am Alexanderplatz befehligt und als einzige vor der Einnahme durch das Militär bewahrt hatte. Vor 69 Anwesenden stand die deutsche Einheit im Vordergrund der Diskussion. Während die Mehrheit der Anwesenden diese als politisches und soziales Problem betrachtete, rückte der konfessionelldissidentisch vorgeprägte Urban einen religiösen Schwerpunkt in den Vordergrund. Zur nächsten Versammlung am 15. Mai um 8 Uhr abends kamen 200 Interessenten. Urban eröffnete die Versammlung durch Verlesung eines Gedichts »Frühlingsgruß«. Dann las er einen langen Aufruf an das deutsche Volk vor Gewäsch, meinte der zur Beobachtung abkommandierte Polizeileutnant Kunze dazu. Allerdings fand das polizeiliche Mißtrauen einzelne Stellen darin enthalten, die die Geistlichkeit dem Haß und der Verachtung der Mitbürger aussetzen könnten; außerdem habe Urban verächtlich von Fürsten und kirchlichen Einrichtungen und von der Stiehlschen Schulregulative von 1854 gesprochen (deren Ziel es bekanntlich war, den Untertanengeist mit schulischen Mitteln zu fördern). | ||
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Junge Leute im Saal verlangten die
Aufstellung eines konkreten Programms, aber Urban hielt schon seine religiös gespickte Rede für ein solches. Einige
Versammlungsteilnehmer forderten den Anschluß an
den Deutschen Nationalverein. Urban war allenfalls gewillt, diesem entgegenzukommen.
Er sah die künftige Lösung der deutschen Frage allein in der Religion. Urbans Vorschlag, daß alle, welche zu seinen
Ansichten hielten, gleich ihm als stummes Zeichen der Zusammengehörigkeit die deutsche Kokarde anlegen sollen, löste den Hinweis aus, daß schwarzrotgoldene Kokarden
verboten wären und deren Träger in die Stadtvogtei führen
könnten. Das machte Urban ziemlich ratlos.
Da Polizeileutnant Kunze es für angemessen hielt, Anzeige wegen Aufreizung zum Haß gegen die Geistlichkeit zu erstatten, nahm er Urbans Redekonzept als Beweismittel in Beschlag. Auf dessen Beschwerde hin erhielt es der Verfasser allerdings vom Polizeipräsidium zurück; das teilte er triumphierend in einer der nächsten Zusammenkünfte mit. Bei der nächsten Versammlung am 22. Mai wurde endlich Paragraph 1 der Statuten angenommen und damit zugleich ein Bekenntnis zum Namen Deutscher Volksverein abgegeben: Das immer drängender gewordene Bedürfnis des deutschen Volkes, Freiheit, Einigkeit und Macht zu erlangen, hat als Mittel zu die- |
sem Zweck den Deutschen Volksverein
hervorgerufen.
Nachdem man damit immerhin zum Konkreten gelangt war, nahm das Interesse auch sofort zu. Am nächsten Tag strömten 800 Interessierte in der Villa Colonna zusammen. Nach einem satirischen Gedicht über den Deutschen Bundestag verlas Urban das Programm des Deutschen Volksvereins, zu welchem Zweck er weitschweifig vom Fortschritt mit gesetzlichen Mitteln und von der freiheitlichen Entwicklung der Menschen, besonders im Hinblick auf die im Dezember bevorstehenden Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus, sprach. Das Bild von 1848 wurde wieder beschworen kein Wunder, denn es waren einige von 1848 her bekannte Berliner Demokraten anwesend, so Ludwig Eichler, Adolf R. Janson und Adolf Karbe. Zur endgültigen Ausarbeitung der Statuten wurde ein 10köpfiges Komitee gewählt. Bei der folgenden Versammlung am 27. Mai schaute sich der polizeiliche Berichterstatter die 400 Zuhörer genauer an und kam zu dem Schluß, daß das Publikum dem wohlhabenden gewerbetreibenden und dem Kaufmannsstand angehörte. In dieser Sitzung kam es wegen der Uneinigkeit im Komitee über die Statuten zu persönlichen Streitigkeiten und zu Verdächtigungen gegen Urban. Als die Angriffe zu heftig wurden, sah sich dieser gezwungen, abzutreten. Er schloß die Versammlung vorzeitig schon | ||
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um 9.30 Uhr. Aber schon zwei Tage darauf war es wieder Urban, der die Versammlung eröffnete. Nach einem deutlichen Bekenntnis zur Religion die er aber pantheistisch auffaßte verlas er die inzwischen vollständig verfaßten Statuten und brachte die einzelnen Paragraphen zur Abstimmung. Am nächsten Tag reichte er sie in folgendem Wortlaut beim Polizeipräsidium ein:
2. Der Deutsche Volksverein hat die Aufgabe, zur Erringung der Freiheit, Einigkeit und Macht Deutschlands alles aufzubieten, was ein Verein deutscher Männer in Begeisterung für so heilige Sachen leisten kann, ohne jedoch bei diesen Bestrebungen die Gesetze Preußens, auf dessen Boden der Verein sich gegründet hat, irgendwie zu verletzen.
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5. Der Vorstand des Deutschen Volksvereins
besteht nur aus 7 Personen, welche die Versammlung mit absoluter Mehrheit auf
eine Amtsdauer von 3 Monaten wählt.
6. Der Vorstand wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und einen Schriftführer, sowie Stellvertreter für dieselben, einen Kassenverwalter sowie 2 Beisitzer desselben. 7. Zur Unterstützung des Vorstandes in seinen geschäftlichen Obliegenheiten wählt die Versammlung 6 Vertrauensmänner. 8. Dem Vorstand steht die Befugnis zu, die Vereinsgelder zu Vereinszwecken zu verwenden, doch behält sich der Verein vor, jederzeit eine Spezialkommission zur Revidierung der Kasse zu erwählen. 9. Der Verein versammelt sich wöchentlich zweimal. Außerdem hat der Vorstand das Recht, außerordentliche Versammlungen zu berufen. Auch muß derselbe solche berufen auf den Antrag von mindestens 25 Mitgliedern. 10. Die Mitgliedschaft des Deutschen Volksvereins wird durch Unterzeichnung dieser Statuten und Zahlung eines Monatsbeitrags von mindestens 2 Silbergroschen in die Vereinskasse erworben. Berlin, den 29. Mai 1861 Durch Unterschrift unter die Statuten bekannten sich 55 Männer zur Mitgliedschaft im Deutschen Volksverein. Als erster trug sich ein biederer, für das Publikum etwas griesgrämig wirkender 75jähriger, der Kaufmann, Rentier, ehemalige Stadtverord- | ||
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nete und einstige kurzfristig
ehrenamtliche Stadtrat Daniel Alexander Benda
17861870) aus der Grenadierstraße 32, ein.
Urban kannte Benda schon seit dem Juli/ August 1845, als seine Unterschrift bei einer
Petition der Berliner Lichtfreunde- Anhänger
für reale Gewissensfreiheit Urban versuchte zu der Zeit gerade vergebens, den
Behörden die Zulassung eines »Vereins für den
inneren Menschen« abzutrotzen nur wenige
Zeilen unter der des Erstunterzeichners Benda stand. Als zweiter setzte Urban seinen
Namen in die Liste. Dann folgten 53 weitere Männer mit Namen und Anschrift
beinahe alle aus Alt-Berlin, der Königstadt und
dem Stralauer Viertel. Nur 18 gaben ihren Beruf in der Liste an, aber bei 16 weiteren hilft
der Berliner »Wohnungsanzeiger für 1861«: sechs Drechsler, sechsmal Kaufmann bzw. kaufmännischer
Angestellter/ Händler/ Fabrikant, drei Mediziner, zwei
Rentiers/ Privatiers, zwei Literaten, zwei Schneider,
zwei Schuhmacher und jeweils einen Maurerpolier, Tischler, Maschinenbauer,
Buchbinder, Hutmacher, Appreteur, Barbier/ Bader, Lithographen, Bildhauer,
Schreiber, (Woll-) Sortierer.
Stolz berichtete Urban bei der nächsten Sitzung am 5. Juni, die Statuten hätten selbst bei hochgestellten Personen Beifall gefunden Namen nannte er allerdings nicht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, aus den etwa 100 Anwesenden einen Vorstand zu wählen, waren am Ende der Sitzung die Aufgaben |
verteilt: Urban wurde Vorsitzender, Adolf
R. Janson sen. Stellvertreter, der Literat Emil Cohnfeld Schriftführer, Jansons Sohn stellvertretender Schriftführer, der Kaufmann Robert Linsener Kassierer, der
Seidenfabrikant Mack und der Privatier Karbe waren Beisitzer. Adolf Karbe,
ehemaliger Volksschullehrer und
Erziehungsinspektor an der Anstalt für sittlich verwahrloste Kinder, war, wie Urban, 1848 als engagierter Volksredner aufgetreten, und Janson
sen. hatte sich 1848 mit fünf Flugschriften
bemerkbar gemacht. Als ein Mann aus der Versammlung mitteilte, daß der Berliner Stadtgerichtsrat Twesten wegen eines am 27. Mai stattgehabten, politisch motivierten Duells mit dem Chef des
Militärkabinetts, von Manteuffel, vom Amt suspendiert und in Untersuchung sei, Manteuffel dagegen unbehelligt weiter amtiere, beantragte Urban, der Verein solle diese Angelegenheit in die Hand nehmen und sich sofort an beide Kammern des Preußischen Landtages
wenden. Er wollte nicht glauben, daß die Kammern gegen Mittag desselben Tages
gerade ihre Session beendet hatten
offensichtlich las der Vorsitzende der neuen Partei
keine der Berliner Zeitungen, die den Schluß
der Sitzungsperiode 1861 doch ausführlich
angekündigt hatten.
Die nächste Versammlung fand am 10. Juni beim Cafétier Johannes, Krausenstraße 10 (»Zentralhalle«), statt. Nach Urbans Vortrag über die Genesis eines Oberhauptes benann- | ||
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te er fünf Institutionen, die für die
Erhaltung eines Staates notwendig seien: Kultur,
Medizin, Justiz, Polizei und Militär.
Beschlüsse konnte die Parteiversammlung nicht
fassen, denn von den 40 Anwesenden waren nur 15 Mitglieder der Partei. Es mußte also
Beschlußunfähigkeit festgestellt werden.
Heftiger interner Streit bewirkte, daß nach dieser Versammlung Cohnfeld, die beiden Jansons, Mack und Karbe wieder aus
dem Vorstand ausschieden. Urban reagierte darauf, indem er am 17. Juni beim Cafétier Johannes einen neuen Deutschen Volksverein konstituieren wollte, der nur noch einen Vorstand von drei Mitgliedern haben sollte. Immerhin waren zehn neue
Mitglieder als Erfolg vorzuweisen! Da sich aber keine neuen Vorstandskandidaten fanden, wurde nach zweieinhalbstündiger
Debatte der Beschluß gefaßt, eine weitere
Versammlung anzuberaumen. Aber am 19. Juni traten schon Mitglieder aus der Partei aus,
zum Beispiel der Arzt Dr. Pincus.
Am 16. Juli teilte dann der Schutzmann Richter seinem Reviervorsteher mit, daß die in der Großen Frankfurter Straße 77 anberaumte Versammlung des Deutschen Volksvereins nicht stattgefunden habe, weil außer Urban nur noch ein Mitglied erschienen war was Urban dem schönen Wetter zugeschrieben hatte. Zwei Tage später schrieb Urban an das Polizeipräsidium, daß der Deutsche Volksverein seine Versammlungen einstweilen einstelle, aber in seinen Mitglie- |
dern fortexistiere. Einen weiteren Tag
darauf teilte er derselben Behörde mit, daß
dem Verein nur noch 14 Mitglieder angehörten und die übrigen Gemeldeten zu
streichen seien. Auch Benda gehörte zu den 14
letzten Getreuen. Aber weitere Aktivitäten
sind auch von diesen nicht mehr übermittelt.
Das verwundert nicht. Denn mit dem 9. Juni 1861 hatten sich für die Formierung von politischen Organisationen, die unter Rückbesinnung auf die Werte von 1848 deutsche Einheit, deutsches Parlament, in Preußen liberale Regierung mit Verantwortlichkeit der Minister gegenüber dem Parlament, Selbstverwaltung in Gemeinde, Kreis und Provinz, Trennung von Kirche und Staat Forderungen für die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft formulierten, die Bedingungen erheblich gewandelt: An diesem Tage hatten die aus der liberalen Fraktion des Abgeordnetenhauses nach links ausgescherten Parlamentarier darunter auch bekannte Namen aus der liberalen und demokratischen Bewegung von 1848 zusammen mit anderen Linksliberalen im Hinblick auf die im Dezember anstehenden Neuwahlen ihr politisches Glaubensbekenntnis verabschiedet, das zu Recht sofort als das Gründungsmanifest einer Deutschen Fortschrittspartei in Preußen angesehen wurde. Es schloß mit der Aufforderung, fernerliegende Meinungsunterschiede zu vergessen und allerorts Lokalwahlvereine bzw. Komitees der Fortschrittspartei ins Leben zu rufen, | ||
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die für die Wahl von Kandidaten der
Fortschrittspartei wirken sollten. Die daraufhin einsetzende breite überlokale Bewegung
riß alle kleineren Initiativen mit sich fort
und integrierte sie. Berlin wurde fast über
Nacht zu einer Hochburg der Fortschrittspartei. Wenn selbst Adolf Streckfuß' Verein
für volkstümliche Wahlen in die Knie
gehen mußte, so traf das für einen politischen
Zusammenschluß, dessen Vorsitzender in der weitgehend säkular gesinnten
städtischen Bevölkerung mit der Religiosität des
Menschen operieren wollte, um so mehr zu. Das Banner der Urbanschen
Urchristengemeinde von 1849/50 der preußische Adler
inmitten der aufgehenden Sonne der Aufklärung hatte des Barrikadenhelden Einstellung zur Verknüpfung von Religion und Politik zwar sehr deutlich symbolisiert.
Aber dieses auch in Urbans Reden vom Mai 1861 wieder strapazierte Konzept bestach
doch mehr durch Dürftigkeit eine
Dürftigkeit, die das Programm des Deutschen
Volksvereins noch unterstrich. Es reichte eben nicht aus, sich allein auf eine nationale Floskel zu fixieren. Da halfen auch der Bekanntheitsgrad und das Charisma eines ehemaligen Barrikadenhelden nicht.
Daß die Deutsche Fortschrittspartei hingegen den Nerv des Wahlvolks getroffen hatte, bewiesen die Abgeordnetenhauswahlen am 6. Dezember 1861. Die neue Partei eroberte auf Anhieb 109 Mandate (von insgesamt 350), ihre rechtsliberale Mutterpartei kam nur |
noch auf 95, die total verwirrten
Konservativen auf ganze 15 Sitze. In Berlin, wo
neun Abgeordnete zu wählen waren, kam nur ein Altliberaler durch, alle anderen Mandate fielen an die Fortschrittspartei. Der Anziehungskraft der neuen
Oppositionspartei konnten sich auch ihre anfänglichen
Konkurrenten nicht entziehen. In der Folgezeit finden wir unter ihren Mitgliedern
sowohl Streckfuß als auch Benda und Urban.
Quellen:
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© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de