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Eberhard Fromm
Vater der Futurologie Ossip K. Flechtheim Auf den Akademischen Tagen des Luisenstädtischen Bildungsvereins, die 1993 zum Thema »Vom Beitritt zur Vereinigung. Schwierigkeiten beim Umgang mit deutsch- deutscher Geschichte« in Berlin stattfanden, war Ossip K. Flechtheim einer der wenigen Referenten, der betonte, daß er einen »dezidierten Standpunkt vertrete, nämlich den des demokratischen Sozialismus«. Und er machte den anwesenden Geisteswissenschaftlern aus allen Teilen der Bundesrepublik in seinem knappen Beitrag klar, wie man aus einer kritischen Haltung gegenüber einem »Superkapitalismus« in der alten Bundesrepublik und ebenso gegenüber dem »bürokratischen Etatismus« in der früheren DDR zu Positionen gelangen kann, die eine positive Synthese bedeuten. Bereits im März 1990 war er für einen dritten Weg eingetreten, der über die bisherigen Systeme hinausführen könnte. Denn sonst, so warnte er, würde an die »Stelle des Negativen, was wir bisher im Osten hatten, ... das Negative treten, was wir im Westen ha- |
ben. Ich denke aber, daß es im Westen
wie im Osten positive Elemente der Gesellschaftsgestaltung gibt, es kommt darauf
an, diese zusammenzubringen, zu Lasten der
negativen.«1) 1993 konnte er nur noch
überlegen, was aus Deutschland hätte
werden können, wenn ein Weg der Synthese
gefunden worden wäre. Und in den letzten Jahren seines Lebens mußte er wie schon so oft feststellen, daß ein dritter Weg
wiederum nur in der Zukunft lag. Doch trotz alledem blieb er bei seiner Grundhaltung: »Ich selbst betrachte mich ja immer noch als einen globalen, frugalen und humanen
Ökosozialisten.«2)
Ein »exemplarischer Intellektueller« Ossip K. Flechtheim wurde am 4. März 1909 in Nikolajew (Rußland) geboren. Sein Vater, ein Buchhändler, kam 1910 mit seiner Familie nach Deutschland, wo sie in Münster/Westfalen und dann in Düsseldorf lebten. Hier orientierte sich der junge Ossip an der geistigen Haltung seines Onkels Alfred Flechtheim, der als bedeutender Kunstmäzen galt. Nach dem Abitur 1927 in Düsseldorf trat Flechtheim aus der Synagogengemeinde aus und schloß sich der KPD an. Im gleichen Jahr begann er mit dem Studium der Staats- und Rechtswissenschaften, zuerst in Freiburg, dann in Paris, Heidelberg, Berlin und Köln. Die frühen dreißiger Jahre wirbelten das Leben | ||
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Flechtheims gewaltig durcheinander.
In Köln wurde er Doktorand bei Carl Schmitt, der ihn jedoch wegen seiner jüdischen Herkunft und seiner kommunistischen Positionen 1933 nicht mehr förderte, ihm sogar Inkompetenz in theoretischen Fragen vorwarf. Auch seine Referendarstelle in Köln verlor er. Trotzdem gelang ihm noch 1934 die Promotion zum Dr. jur.
Zugleich wandelte sich auch unter dem Einfluß einer Reise nach Moskau 1931 sein Verhältnis zur KPD. Er verließ die Partei,
blieb aber links orientiert. So arbeitete er bis
1935 in der »Miles Gruppe« (auch »Neu
beginnen«) mit, einem illegalen marxistischen Zirkel. Als Flechtheim 1935 kurzzeitig
verhaftet wurde, verließ er sofort nach der Freilassung Deutschland: Über Belgien kam er in die Schweiz, wo er in Genf Gelegenheit bekam, als Assistent
wissenschaftlich zu arbeiten.
1939 ging Flechtheim in die USA, wo er in der Folgezeit an verschiedenen Universitäten als Dozent und Professor arbeitete. Hier lernte er die aus Berlin emigrierte Lili Faktor kennen, Tochter des Theaterkritikers und Feuilletonisten Faktor, in den 20er Jahren Chefredakteur des »Berliner Börsencouriers«. Im September 1942 heirateten sie. Später sagte Lili Flechtheim in einem Interview: »Die Heirat mit einem Neffen des berühmten Kunsthändlers Alfred Flechtheim, der auch bei den Jours meiner Eltern in Berlin Gast gewesen war und dessen |
Name schon etwas Heimatliches
hatte, schien mir die richtige Hilfe in der Einsamkeit. Ihm auch. Viele solcher Ehen
wurden in der Emigration geschlossen. Die Familie war tot, man brauchte wieder eine Familie, bevor man eine neue Heimat fand.«
In den USA formte Flechtheim seine theoretischen Positionen aus. Dabei kamen ihm Kontakte mit deutschen Emigranten aus dem Umkreis der »Frankfurter Schule« vor allem mit Erich Fromm (19001980) ebenso zugute wie die Beschäftigung mit den Ansichten des britischen Historikers Arnold Joseph Toynbee (18891975). Nach Deutschland kehrte er jedoch anfänglich nicht als Wissenschaftler zurück, sondern 1946 als Oberstleutnant der US-Army und Sektions- und Bürochef des amerikanischen Hauptanklägers im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß. Nachdem er 1947 in Heidelberg erneut promoviert hatte (Dr. phil.), kehrte er in die USA zurück, wo er an verschiedenen Universitäten lehrte. 1951 nahm er eine Gastprofessur an der Berliner Hochschule für Politik an und erhielt 1954 die Stellung eines Direktors des Instituts für Zukunftsforschung. Zwar ging er noch einmal in die Staaten zurück, doch 1955 übersiedelte er endgültig nach Berlin. Seit 1958 lehrte er an der FU Berlin, seit 1961 leitete er als Direktor das bekannte Otto-Suhr- Institut der FU. Bis zu seiner Emeritierung 1974 widmete | ||
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sich Flechtheim an der Universität und
außerhalb so zwischen 1952 und 1961 in der SPD, dann im »Sozialistischen
Bund« und in dem von ihm mitbegründeten
»Republikaner Club e. V. Berlin«, schließlich seit 1980 in der Partei der Grünen vor allem den Fragen der Politik und der Zukunft. Als radikaler Demokrat verfolgte
er die Entwicklung in der Bundesrepublik. Besorgt und enttäuscht mußte er jedoch feststellen, daß alle Hoffnungen darauf,
»daß zumindest eine radikale Reform aufs
dritte Reich folgen würde, angesichts der
Restauration der fünfziger Jahre tief
erschüttert waren«.3) Auch in der SPD waren seine
linken Positionen nicht gefragt, so daß er
1961 mit Wolfgang Abendroth (19061985) und anderen die Partei verlassen
mußte. Flechtheim engagierte sich in den
politischen Auseinandersetzungen der sechziger Jahre und wirkte aktiv in vielen
Organisationen wie dem PEN-Zentrum und der Internationalen Liga für Menschenrechte. Bei seiner konsequenten Haltung gegen alle Formen des Konservatismus konnte es nicht verwundern, daß ihn seine Gegner als linksradikal einstuften und zu einem Sympathisanten des Terrorismus
stempeln wollten.
Flechtheim blieb auch nach dem Abschied als akademischer Lehrer in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien wirksam. Vor allem aber publizierte er eine Reihe bedeutsamer Arbeiten Bücher, Bei- |
träge in Sammelbänden und Artikel , die in ihren Grundaussagen bis heute nichts an Aktualität verloren haben. Unter den
vielen Ehrungen, die ihm zuteil wurden, sind sicher der Ehrendoktor der FU und der Fritz-Bauer- Preis hervorzuheben; aber auch seine konsequente Haltung bei der Zurückweisung des Bundesverdienstkreuzes. Am 4. März 1998 starb Ossip K. Flechtheim in Berlin. Sein Schulfreund, der seit
den dreißiger Jahren in den USA wirkende Politikwissenschaftler John H. Herz,
nannte ihn in einer öffentlichen Gratulation zum 80. Geburtstag einen »exemplarischen
Intellektuellen«4) und gab damit wohl
eine treffende Charakteristik seines Freundes und Weggefährten.
»Laßt uns die Zukunft lehren!« Im Jahr 1945 erschien im amerikanischen »Journal of higher education« ein kleiner Artikel mit dem Titel »Teaching the future!« Mit dem Aufruf »Laßt uns die Zukunft lehren!« propagierte der Politikwissenschaftler Flechtheim eine neuartige Disziplin: die Futurologie. Die wissenschaftliche Untersuchung der Zukunft besteht danach aus der Futuristik, der Prognostik und der Planung. In der Folgezeit arbeitete Flechtheim seine Ansichten über diese neuartige Disziplin weiter aus. Sein besonderes Interesse galt dabei der Futuristik mit ihren Bestandteilen Philosophie, Politik und Pädagogik | ||
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der Zukunft. Bereits seit den fünfziger
Jahren mußte er sich dabei immer häufiger
mit der von ihm so bezeichneten Establishment- Futurologie auseinandersetzen, die den Status quo fortzuschreiben versucht und grundlegend Neues vor allem im
technischen Bereich sieht. Flechtheim betonte dagegen seine kritische Futurologie, in der
es stets »um eine Gesamtschau möglicher, wahrscheinlicher, insbesondere aber
auch wünschenswerter Zukünfte« gehe.
5)
Auch machte er darauf aufmerksam, daß die kritische Futurologie sich nicht auf eine reine Wissenschaft beschränken lasse, sondern daß sie durch ihren Praxisbezug in die Nähe einer Kunde, vielleicht sogar einer Kunst gerückt werden müsse. In seinen Büchern »Futurologie Möglichkeiten und Grenzen« (1968), »Futurologie Der Kampf um die Zukunft« (1970), »Futurologie als dritte Kraft« (1973) und »Ist die Zukunft noch zu retten?« (1987) arbeitete er nicht nur das theoretische Konzept einer kritischen Futurologie weiter aus, sondern wandte sich auch einer Vielzahl konkreter Probleme der Zukunftsgestaltung zu. Mit hoher Sachkenntnis beschrieb er die Gefahren zukünftiger Entwicklungen wie den Rüstungswettlauf und den Krieg, die Bevölkerungsexplosion und den Hunger in der Welt, die Bedrohung und Zerstörung der Umwelt, Wirtschaftskrisen, aber auch Kulturkrisen und Demokratiedefizite. Zugleich entwickelte er Überlegungen, wie |
diesen Gefahren zu begegnen sei. Er
blieb also nicht bei einer pessimistischen Darstellung dessen, was im Negativen in der Zukunft möglich sein kann, sondern setzte dem immer wieder die
Gestaltungsmöglichkeiten der Menschen in der Zukunft und für die Zukunft entgegen.
Die futurologischen Überlegungen Flechtheims waren stets verknüpft mit seinen Positionen zur Politikwissenschaft. Für ihn war die Politikwissenschaft ein Spezialzweig der Sozialwissenschaften, »der sachlich- kritisch sowohl den Staat, soweit dieser Machtinstitution und Herrschaftsorganisation ist, wie auch alle Herrschaftsverhältnisse, -prozesse und -gebilde, kurz das individuelle und kollektive Machthandeln untersucht, vorausgesetzt, daß jene und dieses mehr oder weniger unmittelbar auf den Staat bezogen sind«.6) Diese Bestimmung war für ihn eine Kompromißformel, um einem zu ausgeweiteten Politik ist alles oder einen zu eingeengten eine reine Macht- und Staatslehre Anspruch zu entgehen. Im Unterschied zu einer »Mehrheitspolitologie«, die den Verfassungsanspruch mit der Verfassungswirklichkeit gleichsetzte, ohne diese kritisch zu untersuchen, trat Flechtheim auch hier für eine kritische Politikwissenschaft ein. Gegenüber jeder Idealisierung der Herrschaftsverhältnisse in der modernen Demokratie war er bemüht, Wege zur weiteren Ausgestaltung der Demokratie, hin zu einer sozialen | ||
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Demokratie zu finden und zu
beschreiben. Mit solchen Arbeiten wie »Politik als
Wissenschaft« (1953), »Grundlegung der
politischen Wissenschaft« (1958), »Eine Welt
oder keine?« (1964) und »Zeitgeschichte
und Zukunftspolitik« (1974) trug er
wesentlich zur Herausbildung und Entwicklung einer kritischen Politikwissenschaft in der Bundesrepublik bei.
Sowohl in seinen futurologischen wie auch in seinen politikwissenschaftlichen Arbeiten ließ Flechtheim nie einen Zweifel aufkommen, auf welcher Position er stand: links, kritisch, für einen globalen, demokratischen, humanen, ökologischen Sozialismus. Bereits in einer frühen vielbeachteten Untersuchung »Die KPD in der Weimarer Republik« (1948) wurde das sichtbar. Dabei verteidigte er seine Position sowohl gegenüber den konservativen Kräften in der westlichen Welt wie gegenüber dem von ihm immer wieder attackierten »Weltkommunismus«. Intensiv befaßte er sich mit den Auffassungen von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Solche Arbeiten wie »Weltkommunismus im Wandel« (1965), »Bolschewismus 1917 1967« (1967), »Marxistische Praxis« (1974) oder »Von Marx bis Kolakowski Sozialismus oder Untergang in der Barbarei?« (1978) kennzeichnen sein Bemühen, in der geistigen und politischen Auseinandersetzung mit den realen Verhältnissen seine eigene sozialistische Vorstellung zu entwickeln und zu behaup- |
ten. Der von ihm vertretene Sozialismus enthält wohl die Verwirklichung aller wichtigen demokratischen Ziele und verbleibt so stets ein wenig im Utopischen. Auf eine kurze Formel gebracht heißt das, »der Sozialismus ist identisch mit einer Synthese von demokratischer Selbstbestimmung, solidarischer Weltplanung und
kulturellem Pluralismus«.7) Flechtheim
war sich, gerade auch in den letzten Jahren, des utopischen Grundzuges seiner Ziele
wohl bewußt.
Der Sozialismus, das bekräftigte er auch und gerade nach dem Ende des von ihm attackierten »realen Sozialismus«, wird ein Ideal bleiben so wie die Demokratie oder der Pazifismus. Daß dazu angesichts der Entwicklungen in seinem letzten Lebensjahrzehnt auch eine gehörige Portion Skepsis kam, ist wohl nicht verwunderlich. Trotz alledem aber blieb er bei einer Haltung, die er 1990 mit einem Ausspruch des Physikers Leo Szilard (18981964) so beschrieb: »Wenn ich mir alles auf dem Papier ausrechne, muß ich dahin kommen, daß die Chancen für einen gewaltsamen Untergang der Menschheit bei 85 Prozent liegen. Ich lebe und kämpfe aber für die verbleibenden 15 Prozent.« | ||
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Denkanstöße
Wie aber, wenn nur der russische Weg gangbar sein wird? Ein Weg zu einem
unheimlich dunkeln, von uns nur halb gebilligten Ziel und mit Mitteln, die keiner ethisch verantworten kann, selbst wenn sie politisch unvermeidlich sind. Denn ich fürchte,
daß bei uns noch zuviel Illusionen bestehen über die »Unzweckmäßigkeit« der
heutigen russischen und spanischen (d. h.
»chinesischen«) Methodik. Ich fürchte, daß sie
gar nicht so unzweckmäßig ist und daß
wir selbst in gegebener Lage bei solchen Verhältnissen ebensolche oder ähnliche
Mittel anwenden müßten wenn wir nicht
scheitern wollten. Ich glaube, daß man hier
die Möglichkeit eines wirklich tragischen Konflikts sehen soll ...
Im historisch- kulturellen Gesamtprozeß der Menschheit erscheint unser Zeitalter als eine Epoche des Übergangs und der Krise per excellence, als eine Epoche, die das »Faustische Intermezzo« abschließt, das im Zeichen des gewaltsamen Kampfes um die Beherrschung der Natur wie um die Vereinheitlichung der Welt stand. In einer solchen eminent dynamischen labilen Ära ist es einfach undenkbar, daß sich der weltpolitische oder innenpolitische Status |
quo auf längere Sicht konservieren oder
gar die »gute alte Zeit« restaurieren läßt.
So bleibt will man Nieder- und Untergang vermeiden! als echte Alternative nur die Wahl zwischen einer gewaltsamen
Lösung der grundlegenden Konflikte und einer friedlichen Anpassung der politischen
Verhältnisse. Ist aber diese Deutung unserer Zeit richtig, so wird vielleicht doch die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts vorausgesetzt immer, daß es den geschichtsbewußten Kräften der Menschheit
stärker als bisher gelingt, diese vor der
Katastrophe eines dritten Weltkrieges zu bewahren
als eine Epoche in die Geschichte eingehen, in der endlich nicht nur der Friede über den Krieg, sondern auch die auf Zustimmung und Einsicht beruhende rationale gewaltlose »Revolution« neuen Stils über die blutige Revolution und Gegenrevolution der Vergangenheit triumphiert haben wird.
Die Revolutionen: Formen und Wandlungen (1957), in: Vergangenheit im Zeugenstand der Zukunft, Berlin 1991,S. 127 Politisch haben wir kaum das Jahr 1933 bewältigt technologisch scheint uns
schon heute das Jahr 2000 überwältigen zu wollen.
Meine große Hoffnung, daß die große Mehrheit der Deutschen nach Auschwitz und Sta- | ||
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lingrad und Dresden nicht nur mit dem Nationalsozialismus, sondern auch mit der Tradition des Polizeistaates, der
Obrigkeitsgesellschaft und der
Untertanenmentalität radikal brechen würde, hat sich als falsch erwiesen dazu saßen diese Charakterzüge doch wohl zu tief und waren die weltpolitischen Konstellationen zu ungünstig.
So feiert der deutsche Spießer heute mit seinen nur allzubekannten alteingesessenen Eigenschaften seinem Mangel an echtem Mitgefühl für die Kreatur, seiner Gefühlsstumpfheit ob gegenüber der Ermordung von Millionen Juden oder Polen oder der Mißhandlung des Nachbarkindes seinem Ordnungsfanatismus und seiner Wehleidigkeit sich selber gegenüber fröhliche Urständ. Judenfeindschaft in Altertum, Mittelalter und Neuzeit. Königstein/Taunus 1981, S. 110 Wir sitzen doch heute zum erstenmal tatsächlich alle in einem Boot. Dies ist zwar ein Bild der Konservativen, doch ich übernehme es heute im Gegensatz zu früher durchaus. Wir sitzen alle in einem Boot, das heißt, daß wir im Falle eines totalen atomaren Infernos alle miteinander untergehen, ebenso im Falle einer ökologischen Katastrophe oder einer progressiv fortschreitenden Verelendung der Dritten Welt. Insofern hat der Konservative vielleicht nicht ganz unrecht. Aber ich sage auch: Wir sitzen alle in einer unterschiedlichen |
Funktion in diesem Boot; gestaffelt in
einer Stufenleiter vom Schiffsjungen bis zum Kapitän, die Passagiere wohnen im
Zwischendeck oder aber auch in Luxuskabinen diese Unterschiede sind heute nicht einfach verschwunden.
Miteinander Ausschau halten nach einer besseren Welt ... In: »Neues Deutschland« vom 3./4. 3. 1990, S. 10 Frage: Ihre Hoffnung auf einen dritten Weg, einen demokratischen Sozialismus
jenseits von Kapitalismus und Staatssozialismus, hat sich bisher nicht erfüllt. Sehen Sie
neue Kräfte, die Träger des sozialen
Fortschritts sein können?
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den Mann ist nicht nur, zu töten,
sondern auch, getötet zu werden. Auf dem Felde
der Ehre zu fallen, ist für den Mann nicht
etwas absolut Negatives. Sonst wären Kriege
ja wahrscheinlich gar nicht denkbar.
Das ist bei der Frau im Prinzip anders, was wiederum aus ihrer Anatomie und Physiologie zu erklären ist. Sie hat weder die physische Kraft zum Zerstören, noch kann sie einen Mann vergewaltigen. Außerdem hat sie als Produzentin von Leben wohl auch ein anderes Verhältnis zum Leben, überhaupt ein positiveres Verhältnis zum anderen Menschen. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, daß die positive Chance, die wir heute haben, an die Emanzipation der Frauen gebunden ist. Eine relativ humanere Zukunftsgesellschaft wird und muß eine stärker feministische Gesellschaft sein. Ossip K. Flechtheim im Gespräch, »Berlinische Monatsschrift« 10/93, S. 8 Quellen:
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4 John H. Herz, Gratulation, in: europäische
ideen, Heft 69/1989, S. 3
5 Ossip K. Flechtheim, Die Futurologie und der Fortschritt, in: Ossip K. Flechtheim/Egbert Joos, Ausschau halten nach einer besseren Welt, Berlin 1991, S. 165 6 Ossip K. Flechtheim, Politik als Wissenschaft (1953), in: ebenda, S. 148 7 Ossip K. Flechtheim, Vergangenheit im Zeugenstand der Zukunft, Berlin 1991, S. 303 | ||
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Berlinische Monatsschrift Heft 3/99
© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de