98   Geschichte und Geschichten Nofretete kommt zurück  Nächste Seite
Hans Hauser
Nofretete kommt auf die »Insel« zurück

Die Berliner Museumslandschaft ist nach wie vor in Bewegung. Unlängst wurden Pläne bekannt, die legendäre Büste der Königin Nofretete (ägyptisch: die Schöne ist gekommen) und die anderen altägyptischen Preziosen aus dem östlichen Stülerbau in Charlottenburg wieder auf die Museumsinsel zurückzuführen, und zwar früher als geplant. Der Direktor des Ägyptischen Museums und der Papyrussammlung der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Dietrich Wildung, freut sich, einige Jahre vor dem bis 2005/06 geplanten Wiederaufbau des Neuen Museums und damit auch vor dem offiziellen Einzug der Ägypter auf der »Insel« Flagge zeigen zu können. Bereits Anfang April 1996 wurde damit begonnen, als eine 7,9 Tonnen schwere Sitzfigur des Pharaos Amenehet II., an einem langen Kranarm hängend, in den Ehrenhof des Pergamon- Museums gehievt wurde. Die im Jahre 1850 im Nildelta ausgegrabene Statue hatte, auf dem Rücken liegend, die Zerstörung des Neuen Museums am Ende des Zweiten Weltkriegs überstanden und war bei der Beräumung der Baustelle freigelegt worden. Die Büste der Nofretete war, wie

andere Kunstschätze auch, im Zweiten Weltkrieg von der Museumsinsel ausgelagert worden. Seit den 50er Jahren ist sie in Charlottenburg zu bewundern.
     Die Chance der frühzeitigen Rückkehr der berühmtesten Berlinerin, wie die um 1350 v. u. Z. geschaffene, bei Ausgrabungen der deutschen Orient- Gesellschaft im Jahre 1912 in Tell el-Amarna gefundene Büste der Königin Nofretete manchmal genannt wird, an ihren ursprünglichen Aufstellungsort ergibt sich, weil die bisherige Unterkunft der Ägyptischen Sammlung gegenüber dem Charlottenburger Schloß künftig als Zentrum für Fotografie genutzt werden soll. Hier werden künftig nicht nur Aufnahmen von Helmut Newton und anderer Stars dieses Genres gezeigt. Vielmehr sollen sich in der zum Museum umfunktionierten Kaserne Restauratoren und Konservatoren auch um die empfindlichen Glasplatten und die gefährdeten Originalabzüge im Besitz der Staatlichen Museen kümmern.
     Der Umzug des Ägyptischen Museums in die bisher von der Antikensammlung genutzten Räume des Pergamon- Museums, erreichbar über den Ehrenhof links, hängt allerdings von der Finanzierung ab. Aufgrund von Genehmigungsabläufen im Bundesbauministerium, die von »entnervender Zähflüssigkeit« seien, würden für Bauvorhaben der Staatlichen Museen vorgesehene Millionensummen nie vollständig ausgeschöpft. Jetzt bestehe die Möglichkeit,
SeitenanfangNächste Seite


   99   Geschichte und Geschichten Nofretete kommt zurück  Vorige SeiteAnfang
im Zusammenhang mit der Neuordnung der Sammlungen schnell zu handeln und die Töpfe sinnvoll auszuschöpfen. Statt Gelder in zweistelliger Millionenhöhe zurückzugeben, könnten mit der Schaffung des Fotografie- Zentrums und der interimistischen Aufstellung der ägyptischen Altertümer zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden, meint Wildung. Der Umzug könne schnell vonstatten gehen, niemand müsse befürchten, daß die Schätze aus dem Land am Nil für eine geraume Zeit verschwinden. »Wenn wir heute abend die Ausstellung in Charlottenburg schließen, kann schon morgen unser Zugpferd, die Nofretete, auf der Museumsinsel gezeigt werden.«
     Hinsichtlich der bis jetzt noch im Charlottenburger Stülerbau aufgestellten altägyptischen Architekturmonumente und ihrer Neupräsentation auf der Museumsinsel sind die Würfel noch nicht gefallen.
     Da das Pergamon- Museum von seiner ursprünglichen Bestimmung ein Museum der Baukunst des klassischen Altertums, des Vorderen Orients und Vorderasiens darstellt, ist es nach Wildungs Meinung nicht abwegig, dort neben dem Pergamonaltar und dem Markttor von Milet, dem Ischtartor und der Prozessionsstraße von Babylon, der

 
Pharao Amenehet II. bewacht seit April 1996 den Ehrenhof des Pergamon- Museums

Fassade des Mschatta- Palastes auch ägyptische Architekturmonumente zu plazieren, und zwar sowohl in den Museumsräumen als auch im Ehrenhof. Allerdings müßte der »unwirtliche Raum«, wie Wildung meint, zu diesem Zweck ein Glasdach bekommen, das aber vom Denkmalschutz abgelehnt wird. Hier gebe es noch Diskussionsbedarf.

Bildquelle: Autor

 

SeitenanfangAnfang

© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de