|    75   Geschichte und Geschichten | Spezialbefehl wider die Hurerei   | 
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Horst Wagner
 Königlicher Spezialbefehl wider die Hurerei »Verordnung wider die Verführung 
junger Mädchens zu Bordells und zur 
Verhütung der Ausbreitung venerischen Übels«  so 
der volle Titel jener Preußischen 
Kabinettsorder, die unter dem Datum des 2. Februar 1792, im 3. Jahr nach der Französischen Revolution also, »auf Sr. Königlichen Majestät 
allergnädigsten Spezialbefehl« erlassen 
wurde.1) Friedrich Wilhelm II. (17441797), durch seine Mätressenwirtschaft ebenso bekannt wie durch sein Mäzenatentum, ließ 
darin seine Besorgnis ausdrücken, »daß junge einfältige Mädchen, besonders aus 
kleinen Städten, unter arglistigen 
Vorspiegelungen, sie in vorteilhafte Dienste 
unterzubringen, nach Berlin gelockt, hier aber, ohne es 
zu wissen, in Bordells gebracht und wider ihres anfänglichen Vorsatz zu feilem Hurenleben, also zu ihrem Verderben, 
verleitet werden«. Mit preußischer Gründlichkeit 
und Strenge sollte fürderhin gegen dieses 
Übel angegangen werden.
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also noch als brandenburgischer 
Kurfürst, einen Befehl zur Tilgung aller 
»Freudenhäuser« erlassen. Da die Prostitution im gesetzlosen Dunkel um so schlimmer blühte, mußten diese Etablissements bald wieder erlaubt werden. Besonderer Beliebtheit erfreute sich damals ein Bordell an der 
Jungfernbrücke. Friedrichs I. Nachfolger, 
der »Soldatenkönig« Friedrich Wilhelm 
I. (16881740), erwies sich als sehr 
großzügig, wenn es darum ging, seine Soldaten bei Laune zu halten, und die Zahl der Bordelle nahm unter seiner Regentschaft weiter zu. Als 1717, wie Hans Ostwald in seiner Sittengeschichte »Die Berlinerin« 
berichtet, »die Bordelle und Hurenwinkel 
visitiert wurden, stellte es sich heraus, daß die 
Insassinnen zum größten Teil 
Soldatenkinder waren, die aus Mangel an Erziehung 
und schicklichem Broterwerb das Laster zu ihrem Erwerb gemacht hatten«.2) Unter 
des Soldatenkönigs Sohn, Friedrich II. (17121786), gab es 1780 an die hundert 
derartiger Häuser in Berlin mit je sieben bis neun Mädchen. Die meisten Bordelle 
hatten inzwischen auch die Erlaubnis erhalten, ihrem Betrieb eine Tanzwirtschaft anzugliedern.
 Friedrich Wilhelm II., des Großen Friedrichs Neffe und Nachfolger, auch »der dicke Wilhelm« genannt, versuchte erst gar nicht, die Bordellwirtschaft zu verbieten. Es sollte nur alles seine preußisch- polizeiliche Ordnung haben. So bestimmte die Ordre vom  | ||
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 Zerstörung eines »Tempels unreiner Freuden«, 1793 
 2. Februar 1792 gleich im ersten Paragraphen, daß mit einbis zweijähriger Zuchthausstrafe »nebst gänzlicher Aufhebung seiner Wirtschaft« belegt wird, wer ein Bordell betreibt, »ohne sich vorher dazu bey dem Polizei- Directorio gemeldet und schriftliche Erlaubnis erhalten zu haben«. Wobei, so er-  | 
gänzte Paragraph 2, jede Dirne einzeln 
dem Polizeidirektorium vorzustellen und mit ihr ein von dieser Behörde genehmigter Vertrag gemacht werden müsse. »Zu 
keiner Entschuldigung« dürfe es dienen, daß 
der Wirt »die nichtgemeldete Person ... als 
seine Freundin aufgenommen oder als Dienstmagd gemiethet« habe. Die Meldepflicht 
galt trotzdem. Zweijährige Festungshaft sogar wurde im Paragraphen 3 jedem 
Bordellwirt angedroht, der eine »unmündige 
Weibsperson« zur »Lohnhurerey« anstellt. 
Paragraph 4 sagte jeder Bordellinsassin 
polizeilichen Schutz und Unterstützung zu, »die ihre 
Lebensart ändern und sich auf ehrbare Weise nähren will«. Ihr dürfe der »Austritt aus dem Hurenhause« nicht »verschränkt 
oder erschweret werden«, auch wenn sie beim Wirt Schulden gemacht oder von ihm 
Vorschüsse erhalten habe.
 Geregelt wurde auch der Betrieb inner- und außerhalb der Etablissements. Untersagt war, »auf der Straße, vor dem Hause und in den Fenstern durch Gebehrden, Zeichen und Winke die Vorübergehenden anzulocken und einzuladen«. Bei Zuwiderhandlung drohten der Prostituierten drei bis sieben Tage Gefängnis, dem Wirt das doppelte Strafmaß. In den Bordellen sollten »weder Wein, Brandwein, Liquers oder andere starke Getränke noch Essen« serviert werden. Erlaubt waren dagegen »Thee, Caffe, Chocolade, Bier« und andere »nicht erhitzende und berauschende Erfrischungen«.  | ||
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Weitere Strafandrohung enthielten die 
Paragraphen 8 und 9. »Öffentliche 
Ausstellung« und eine vierbis zehnjährige 
Zuchthausstrafe drohten dem, der »eine 
unschuldige Weibsperson durch List oder Gewalt« in ein Bordell bringt. Wer dagegen jemandem »von welchem Stand er seyn möge, 
Gelegenheit gibt, mit einer anderen mitgebrachten Frauensperson in seinem Haus Unzucht 
zu treiben«, sollte mit einem Jahr Zuchthaus oder Festung bestraft werden.
 Die folgenden sieben Paragraphen hatten die Vorbeugung und Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten zum Ziel. Sie reichten von der Anzeigepflicht über die Regel, wer bei Ansteckung die Unterhalts- und Heilungskosten zu tragen hat, bis zur Einrichtung einer »Heilungskasse«. In diese sollte »jeder Bordellwirt monatlich für jede Lohnhure, die er hält, sechs Groschen« einzahlen. Dafür sollte »jede inficierte Lohnhure sofort in die Charité ohne weitere ihr oder ihrem Wirte abzufordernde Kosten« unterkommen können  eine, wie man zugeben wird, für diese Zeit doch recht fortschrittliche Regelung. Bestimmte Paragraph 16, daß »in den vorzüglich bewohnten und frequentierten Plätzen der Stadt keine Bordelle geduldet werden«, so erklärte Paragraph 17, daß das bisher für Bordellwirte Gesagte auch für Wirtinnen dieses Gewerbes gilt. Abschließend findet sich dann noch die Regelung, daß »Denuncianten« die Hälfte der eingetriebenen Geldstrafen  mit denen  | 
z. T. auch Haftstrafen abgegolten 
werden konnten  als Belohnung erhalten.
 Trotz dieser Regelungen ging die Zahl der Bordelle und Prostituierten offenbar nicht zurück. 1795, als Berlin 173 000 Einwohner zählte, gab es in der Stadt 54 registrierte Bordelle mit 257 »polizeilich inskribierten« Dirnen. Hinzu kam eine Unzahl sogenannter »Winkeldirnen«. Mit einer Verordnung vom 22. Dezember 1795 wurden die registrierten Prostituierten nach ihrem Einkommen in drei Klassen eingeteilt, wonach sich auch die zu entrichtenden Beiträge für die »Heilungskasse« richteten. In der ersten Klasse  hier hatten die Huren monatlich einen Taler, die Wirte jährlich 20 Taler zu zahlen  gab es sechs Bordelle mit 16 Dirnen. Als das nobelste Haus galt das der Madame Schobitz in der Behrenstraße. Außerdem gab es in diesem Gewerbe viele für sich wohnende Mädchen, vornehmlich in der Friedrichstraße. Von diesen waren allein 63 in der ersten Klasse registriert.3) Quellen:
 Bildquelle:
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© Edition Luisenstadt, 1999
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