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Fremdsprache folgten im A-Zweig als
zweite und dritte Fremdsprache vor allem Englisch, Französisch und Latein, an einzelnen Schulen auch Tschechisch, Polnisch und Schwedisch. Im B-Zweig wurde nur
eine zweite Fremdsprache unterrichtet. Im C-Zweig kamen Latein und Griechisch hinzu. Im Schuljahr 1947/48 stand
beispielsweise an den brandenburgischen Oberschulen, wie es in den Erläuterungen
zur schulstatistischen Erhebung heißt,
»Englisch an erster Stelle, Latein fällt zahlenmäßig stark ins Gewicht, Französisch
und Griechisch wenig«.3)
Im Schuljahr 1949/50 besuchten rund 36 Prozent der Oberschüler in den fünf Ländern den neusprachlichen, knapp fünf Prozent den altsprachlichen und 58 Prozent den mathematisch- naturwissenschaftlichen Zweig, wobei die Werte für Brandenburg im A-Zweig deutlich darüber (rund 40 Prozent), im B- (etwa 56 Prozent) und C-Zweig (vier Prozent) darunter lagen.4) Von den 71 Oberschulen des Landes Brandenburg führten 1951/52 mit einer Ausnahme (nur A-Zweig) alle einen B-Zweig, fast 70 Prozent zudem einen A-Zweig. Während als zweite Fremdsprache in den A-Zweigen jeweils in der Hälfte der Schulen Englisch bzw. Französisch sowie als dritte Fremdsprache überall Latein unterrichtet wurde, verteilte sich die zweite Fremdsprache im B-Zweig zu gleichen Teilen auf diese drei Sprachen. Altsprachliche Zweige be- | ||||||
Anke Huschner
Strukturwandel im Schulsystem der Regionen Berlin und Brandenburg Die vierstufige Oberschule in der SBZ/DDR gliederte sich bis Ende der 60er Jahre
in Anlehnung an die traditionelle Schultypendifferenzierung des höheren Schulwesens in Deutschland 1) in drei Zweige, die jeweils verstärkten neusprachlichen (A-Zweig), mathematisch- naturwissenschaftlichen (B-Zweig) bzw.
altsprachlichen (C-Zweig) Unterricht anboten. Die
Oberschulen boten nicht unbedingt alle drei Zweige, sondern in der Regel jene an, die ihrem bisherigen Ausbildungsprofil entsprachen. So führten insbesondere die
vormaligen Gymnasien weiterhin einen altsprachlichen Zweig. Zudem konnten
in Abhängigkeit von den personellen und materiellen Möglichkeiten der Schule weitere Zweige eingerichtet werden. Dementsprechend differierte die
Zweigstruktur an den Oberschulen (ab 1959
Erweiterte Oberschulen) auch in den 50er und 60er
Jahren.2)
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standen lediglich an der
Helmholtz-Oberschule in Potsdam, an der
Goethe-Oberschule in Brandenburg sowie an der
Oberschule Cottbus 1. Zumindest (bis) 1951/52 gab es einen C-Zweig auch an der Fontane-Oberschule in Neuruppin, an der
Landesschule Templin sowie an der Oberschule in
Altdöbern.5)
Mitte der 50er Jahre (Schuljahr 1954/55) werden zwar für alle Bezirke, ausgenommen Frankfurt an der Oder und Suhl, Schüler in C-Klassen erfaßt, aber an den meisten Schulen waren diese Zweige rückläufig. 1956 führten in der DDR 33 Schulen, das waren weit weniger als 10 Prozent aller Oberschulen, einen C-Zweig. In den »brandenburgischen« Bezirken zählten dazu nach wie vor die Oberschulen in Potsdam und Cottbus sowie die Oberschule Falkensee,6) d. h. drei von 61 voll- und sieben nicht vollausgebauten Oberschulen. In Berlin (Ost) gab es im Schuljahr 1951/52 C-Zweige nur an zwei von 22 Oberschulen: am Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster in Mitte sowie an der Franz-Liszt- Oberschule in Pankow; spätestens seit 1953/54 nur noch am Grauen Kloster. Bei den wenigen Schulen mit altsprachlichem Zweig handelte es sich zumeist um ehemalige Gymnasien bzw. höhere Schulen. Allerdings sagt die Existenz eines C-Zweigs noch nichts über dessen Umfang aus. Während einige Schulen über C-Klassen in allen Stufen bzw. über durchschnittliche Klassen- | frequenzen verfügten, hatten andere
nur wenige Schüler bzw. liefen diese Zweige oder auch die gesamte Schule
aus.7) In Cottbus wurde offenbar jeweils nur eine C-Klasse bis zum Abitur geführt (im Schuljahr 1956/57 lediglich 16 C-Schüler in Stufe IX; in den anderen drei Klassenstufen keine Schüler), andere Schulen wiesen relativ hohe Schülerzahlen in allen vier
Klassenstufen auf (1956/57 Potsdam 131 bzw. Berlin 302 Schüler).
Der Erhalt oder die Einrichtung von C-Zweigen an ausgewählten Schulen wurden aus fachlichen, aber auch aus politischen Gründen toleriert. Dennoch stellten gerade die altsprachlichen Zweige in den Augen nicht weniger Schulleiter bzw. -funktionäre eine Art bürgerliches Relikt dar. Der um den Erhalt des Altsprachenunterrichts bemühte Altphilologe Wilhelm Hartke führte Ende der 50er Jahre zwar die vielfältigen Berufswünsche der Abiturienten des C-Zweiges des Berliner Gymnasiums zum Grauen Kloster in den Jahren 1952 bis 1957 als einen Beleg dafür an, daß Schüler solcher Klassen nicht vor allem Pfarrer werden wollten lediglich acht Absolventen hatten dies vor, hingegen wollten immerhin 54 Schüler Medizin studieren.8) Aber die Ablehnung gegenüber den altsprachlichen Zweigen resultierte wohl weniger aus den Berufswünschen als vielmehr aus der nicht genehmen sozialen Herkunft vieler Schüler. Insbesondere die C-Zweige dürften von be- | |||||
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stimmten sozialen Berufsgruppen so z.
B. von Arztkindern bevorzugt worden sein. Christoph Kleßmann spricht in diesem
Zusammenhang auch von »bildungspolitischen Nischen«, die eine Reihe von
Traditionsschulen boten.9)
Unter Hinweis auf die Erfordernisse der Volkswirtschaft, denen die im Rahmen der traditionellen Zweiggliederung ausgebildeten Absolventen nicht mehr gerecht würden, verfügte das Ministerium für Volksbildung zum einen die Einführung eines K-, d. h. eines kombinierten Zweiges ab 1964/65; dieser sollte eine naturwissenschaftliche und eine breite fremdsprachliche Ausbildung verbinden. Vorgesehen war zudem neben einer deutlichen Verringerung der A-Klassen eine Reduzierung der C-Klassen auf einen Bestand von Spezialklassen bzw. Klassengruppen mit ca. 200 Schülern. Bei der Realisierung dieser Vorgaben wurde in vielen Kreisen jedoch vor allem in bezug auf den Altsprachenunterricht noch rigoroser vorgegangen. Nachdem die Schulstatistik vom September 1965 im IX. Schuljahr in der gesamten DDR nur noch sechs Klassen (und zwei Klassengruppen) im C-Zweig mit etwa 190 Schülern erfaßte, wies das Ministerium für Volksbildung darauf hin, daß diese Zahlen »bereits in der Höhe des errechneten Bedarfs« lägen und eine weitere Kürzung daher »aus kulturpolitischen, ökonomischen und pädagogischen Gründen nicht mehr zu vertreten« | sei. Dennoch sank die Schüler- und
Klassenzahl im C-Zweig im Folgejahr noch weiter ab.
Ab dem Schuljahr 1967/68 wurde die EOS auf die Klassenstufen XI und XII reduziert. Die bisherigen Stufen IX und X wurden denen der POS zwar rechtlich gleichgestellt, de facto behielten sie aber nunmehr als Vorbereitungsklassen bezeichnet ihren Status als »EOS-Klassen«. Zum September 1967 wurden an acht EOS Vorbereitungsklassen der Stufe IX mit verstärktem altsprachlichem Unterricht gebildet. Fünf EOS führten »reine« Altsprachenklassen, darunter die 2. EOS Berlin-Mitte (vormals Berlinisches Gymnasium zum Grauen Kloster) sowie die 4. EOS Potsdam (Helmholtz-Oberschule). An den übrigen EOS erhielt jeweils ein Teil der Schüler verstärkten altsprachlichen, der andere verstärkten neusprachlichen Unterricht.10) Bei der Standortwahl für diese speziellen Klassen hatte u. a. eine Rolle gespielt, daß der Altsprachenunterricht an diesen Schulen Tradition hatte und entsprechend qualifizierte Lehrer vorhanden waren. Zudem verfügte ein Teil der Schulen über Internate, die einen bezirksoffenen oder auch überbezirklichen Einzugsbereich ermöglichen sollten. Allerdings blieb dieser zumeist doch auf die Stadt und ihre Umgebung beschränkt. Nur in der Hälfte der Bezirke befanden sich Schulen mit Altsprachenklassen; die Be- | |||||
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zirke Cottbus und Frankfurt gehörten zu
jenen, die gar keine derartigen Klassen mehr führten.
1967/68 wurden außerdem in allen Bezirken an den früheren A-Zweigen orientierte Klassen mit verstärktem neusprachlichem Unterricht, vor allem mit Französisch als dritter Fremdsprache, eingerichtet. Das Netz der EOS mit neusprachlichen Klassen war damit vergleichsweise dichter gestaltet als jenes der Altsprachenklassen. Im Schuljahr 1974/75 wurden für 67 Schulen, d. h. für rund ein Viertel aller EOS, Klassen mit verstärktem altbzw. neusprachlichem Unterricht verzeichnet. An einigen Schulen konnte man sowohl verstärkten altals auch neusprachlichen Unterricht bzw. Unterricht in verschiedenen modernen Sprachen erhalten. Mitte der 70er Jahre (Schuljahr 1974/75) führten fünf von 12 Berliner EOS neusprachliche Klassen, darunter je eine mit Polnisch (EOS »Immanuel Kant«, Berlin-Lichtenberg), Spanisch (EOS »Heinrich Schliemann«, Berlin-Prenzlauer Berg) und Tschechisch (EOS »Klement Gottwald«, Berlin-Treptow) als dritte Fremdsprache. Im Bezirk Cottbus gab es Neusprachenklassen in Cottbus (EOS »Dr. Theodor Neubauer« mit Polnisch und Tschechisch) sowie in Elsterwerda und Hoyerswerda; im Bezirk Frankfurt in Bernau, Eberswalde (Spanisch), Eisenhüttenstadt und Frankfurt an der Oder (Polnisch); im Bezirk Potsdam in Bel- | zig, Brandenburg, Königs
Wusterhausen, Oranienburg sowie in
Potsdam.11)
Hinzu kam als einzige derartige Einrichtung in der DDR die Mitte der 70er Jahre in Berlin-Lichtenberg eingerichtete Spezialschule für Fremdsprachen »Johann Gottfried Herder« mit den Klassenstufen III bis XII, deren Einzugsbereich jedoch auf Berlin beschränkt war. Rund 19 Prozent aller EOS führten in den 70er Jahren zudem Klassen mit erweitertem Russischunterricht (sogenannte R-Klassen). Da Schülerzahl, demographische bzw. Bevölkerungsstruktur in den Bezirken und Kreisen, in Städten und in ländlichen Gebieten differierten, konnten sich die regionalen Zugangsbedingungen für die EOS allgemein und somit auch für die Klassen mit verstärktem Fremdsprachenunterricht sehr unterschiedlich gestalten. Nach Berechnungen von Gerhard Schreier lagen die »Maße regionaler Bildungschancen« bezogen auf die Zugangsmöglichkeit zur EOS in den einzelnen Bezirken von Mitte der 50er bis Mitte der 80er Jahre in Berlin (Ost) mit Abstand über dem DDR-Durchschnitt, in Cottbus und Frankfurt an der Oder deutlich unter sowie in Potsdam leicht unter dem Durchschnitt. Zudem ist innerhalb der Bezirke ein Gefälle zwischen städtischen Zentren und Randgebieten zu berücksichtigen.12) Die Existenz bzw. die Konzentration spezieller Klassen an ausgewählten EOS läßt ver- | |||
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muten, daß diese Schulen eine
herausgehobene Position im Territorium einnahmen. Zudem war die Nutzung von
Bildungsangeboten, wie sie u. a. die Klassen mit
verstärktem Fremdsprachenunterricht darstellten, in erster Linie Schülern aus den
jeweiligen Städten und ihrem unmittelbarem
Umfeld und weniger Schülern aus dem
ländlichen Raum vorbehalten.
Als zu Beginn der 80er Jahre nunmehr endgültig der direkte Übergang auf die EOS nach Abschluß der zehnklassigen POS erfolgte, die Vorbereitungsklassen daher aufgelöst wurden, mußte für die bisherigen Klassen mit verstärktem Fremdsprachenunterricht eine Alternative gefunden werden. Sie erhielten ab 1981/82 den Status von Spezialklassen und umfaßten nach wie vor die Stufen IX bis XII. Im Zuge der Umstrukturierung der Abiturstufe reduzierte sich die Zahl der selbständigen EOS in den Bezirken Potsdam, Frankfurt an der Oder und Cottbus von 49 (Schuljahr 1980/81) auf 33 (Schuljahr 1983/84), in Berlin um eine Schule auf elf EOS; die Zahl der EOS-Schulteile an POS stieg im gleichen Zeitraum in den drei Bezirken von zwei (Potsdam) auf 14. Zahl und Standorte der EOS, die fremdsprachliche Spezialklassen führten, blieben jedoch im Vergleich zu den 70er Jahren und auch bis 1989/90 nahezu konstant. An knapp 30 Prozent aller EOS gab es Mitte der 80er Jahre Spezialklassen ab Stufe IX, darunter die mei- | sten mit verstärktem
Fremdsprachenunterricht. Wie Analysen des Volksbildungsministeriums aus dieser Zeit belegen, sahen nicht wenige Eltern bzw. Schüler,
vornehmlich aus Kreisen der sogenannten Intelligenz, in diesen Klassen analog den
ehemaligen Vorbereitungsklassen eine Art Vorauswahl für die Abiturstufe. Gerade einer derartigen Tendenz sollte mit der offiziellen Umwandlung der Klassen mit verstärktem Fremdsprachenunterricht in fremdsprachliche Spezialklassen jedoch entgegengewirkt werden. Aufgrund der restriktiven Zulassungspraxis für die
Abiturstufe gelang dies aber offenbar nur
begrenzt.13)
Quellen und Anmerkungen:
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3 Statistische Erhebung über die Grund- und Oberschulen der SBZ nach dem Stand vom 1. Januar 1948
4 Schulstatistische Erhebung des Statistischen Zentralamtes vom Februar 1950. Die Differenz in den Prozentwerten kommt durch einen sogenannten »Ausgleichszweig« in Sachsen-Anhalt zustande. Berlin ist in der Statistik nicht erfaßt. 5 Schulstatistische Erhebung vom 24. November 1951; Fremdsprachenverteilung an den Oberschulen des Landes Brandenburg, o. D. (1952), Bundesarchiv (künftig BArch), R-2, Nr. 2 097 6 Verzeichnis der Oberschulen, an denen sich ein C-Zweig befindet, Stand vom März 1956, BArch, R-2, Nr. 1 950 7 Die Oberschule Altdöbern hatte beispielsweise 1951/52 nur sieben C-Schüler; ab 1953 erfolgte die Umwandlung der Schule in ein Institut für Lehrerbildung. 8 Wilhelm Hartke: Die C-Klassen im Lehrplan der Oberschulen der Deutschen Demokratischen Republik, In: Das Altertum, 3 (1957), H. 4, S. 187 f. 9 Christoph Kleßmann: Relikte des Bildungsbürgertums in der DDR, In: Hartmut Kaelble/Jürgen Kocka/Hartmut Zwahr (Hrsg.): Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 261 10 BArch, R-2, Nr. D 285; D 1 325 11 BArch, R-2, Nr. D 1 381 12 Gerhard Schreier: Zur Entwicklung der regionalen Bildungsbeteiligung in der DDR, in Bildung und Erziehung, Jg. 1990, H. 1, S. 84 f. | 13 Vgl. Anke Huschner: Fremdsprachliche Spezialklassen als Strukturmerkmal des DDR-Schulsystems (1967/68 bis
1989/90), In: Kindheit, Jugend und Bildungsarbeit
im Wandel. Ergebnisse der Transformationsforschung, 37. Beiheft der Zeitschrift
für Pädagogik (im Druck)
Mit diesem Artikel setzen wir die Veröffentlichung von Beiträgen eines wissenschaftlichen Kolloquiums an der Humboldt-Universität zum Thema: »Stadt und Provinz, Berlin und Brandenburg in Wechselbeziehung« fort. | |||||
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© Edition Luisenstadt, 1997
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