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demselben Zimmer befänden und mit
vollkommener Deutlichkeit, so daß das Ideal
der Abkürzung des Geschäftsganges und
der Verminderung des Schreibwerks erreicht ist.«
Diese Telefon-Premiere gibt den Startschuß für den ersten regelmäßig betriebenen Fernsprechdienst in Berlin, für die erste praktische Verwendung des Telefons bei der Reichspost, zunächst noch beschränkt auf den dienstlichen Verkehr von Heinrich Stephan mit dem Direktor des Generaltelegraphenamtes. Das Ganze hat eine erstaunlich kurze Vorgeschichte, auch wenn es Philipp Reis, einem Lehrer und Physiker aus Friedrichsdorf im Taunus, bereits Jahre zuvor gelungen war, Sprache elektrisch zu übertragen. Am 26. Oktober 1861 hatte er dem Physikalischen Verein Frankfurt am Main sein Telefon erstmals öffentlich vorgestellt, teilte danach aber das Schicksal vieler Tüftler und fand bis zu seinem Tod 1874 weder Geldgeber noch besondere Resonanz auf seine Erfindung. Dem in Boston lebenden Taubstummenlehrer Proessor Alexander Graham Bell, Schotte von Geburt, blieb es vorbehalten, das Telefon für kommerzielle Zwecke weiterzuentwickeln. Auf der Weltausstellung in Philadelphia (Oktober 1876) wurde der Bell-Apparat erstmals offiziell vorgeführt. Bell trat unmittelbar danach in den Vereinigten Staaten und in Westeuropa einen regelrechten Werbefeldzug für seine Apparate an. Heinrich von Stephan findet am 18. Okto- | ||||||
Hans Aschenbrenner
5. November 1877: »Als ob beide Herren sich in demselben Zimmer befänden ...« Der 5. November vor 120 Jahren ein Montag, kein gewöhnlicher Beginn einer neuen Arbeitswoche für Dr. Heinrich Stephan (BM 4/97) und dessen nächste Mitarbeiter. Spannung allenthalben. Im Zentralbureau des deutschen Generalpostmeisters in der Leipziger Straße 15 ist ein Telefon installiert, daß an diesem Tag »hier wirklich in Dienst gestellt« werden soll. Eine zwei Kilometer lange unterirdische Drahtleitung verbindet es mit einem Gerät gleicher Art im Direktorialbureau des Generaltelegraphenamtes in der Französischen Straße 33 c. Was dann passiert, liest sich in der »National-Zeitung« vom 7. November 1877 so: »Der Generalpostmeister spricht in das auf seinem Arbeitstische befindliche Instrument, erläßt mündlich Verfügungen und Anfragen, ertheilt mündliche Aufträge und erhält die Berichte und Antworten von dem Direktor des Generaltelegraphenamts, auf dessen Arbeitstisch sich das andere Instrument befindet, ebenfalls auf mündlichem Wege, und zwar unmittelbar, als ob beide Herren sich in ein und | ||||||
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ber 1877 in der eingegangenen Post eine
Ausgabe der amerikanischen Zeitschrift »Scientific American« mit einem Bell-Telefon
auf dem Titelblatt. Ihm, zu jener Zeit bei
ausländischen Fachkollegen ob seiner Rolle bei
der Schaffung des Weltpostvereins und als Initiator der internationalen
Telegraphenkonferenz von St. Petersburg bereits hochangesehen, ist seit dem Tod des Generaldirektors der Reichstelegraphie,
Generalmajor Meydam, neben der Post auch die
Telegraphie direkt unterstellt. Als er besagtes
Journal in die Hände bekommt, hat er gerade den Bau eines Telegraphennetzes auf
den Weg gebracht, das von Berlin aus strahlenförmig verlaufen und 221 Städte
berühren soll. Sofort bestellt er bei der Western
Union Telegraph Company in New York einen Satz Bell-Telefone, verbunden mit dem
Ersuchen, »mir mitzuteilen, ob Sie schon Versuche damit angestellt haben und wie diese ausgefallen sind« tatsächlich war bereits am 9. Oktober 1877 das erste Ferngespräch der Welt in den USA von Boston nach
Cambridge geführt worden.
Der Zufall will es, daß eine knappe Woche darauf der Chef des Londoner Haupttelegraphenamts, Henry C. Fisher, ein gebürtiger Hannoveraner, dienstlich in Berlin weilt. Uneigennützig stellt er seinem Gastgeber am 24. Oktober 1877 zwei Telefone von Bell zur Verfügung, die dieser ihm gerade übereignet hatte. Noch am selben Tage werden Versuche innerhalb Berlins durchgeführt. In | den Diensträumen des
Haupttelegraphengebäudes wird damit begonnen. Darüber
weiß die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« vom 7. November unter Bezugnahme auf die jüngste Ausgabe der »Deutschen
Verkehrs-Zeitung« anschaulich zu berichten: »Es
wurde zu diesem Zwecke der Leitungsdraht auf eine Länge von etwa 100 Schritt von
Zimmer zu Zimmer geführt und demnächst bei
geschlossenen Thüren, so daß die
Möglichkeit einer Fortpflanzung der Schallwellen
von dem einen Ende der Leitung zu dem andern ohne Zuhülfenahme des Telephons
ausgeschlossen war. Es erwies sich alsbald,
daß nicht allein einzelne Worte, sondern
auch im Zusammenhang gesprochene längere Sätze mittels des Telephons von beiden Seiten deutlich und ohne alle Schwierigkeit verständlich waren; ja, man konnte sogar die Modulation der Stimme ganz klar vernehmen und die Sprache jedes
Einzelnen der Betheiligten in ihren
Eigenthümlichkeiten genau erkennen.« Am 26. Oktober
folgt dann ein erster Sprechversuch zwischen Generalpostamt und Generaltelegraphenamt. Dabei werden auch musikalische
Töne eingespielt. »Von den versuchsweise
abgesungenen Liedern war Melodie sowohl wie Text für jedes Ohr deutlich vernehmbar.
Die Töne einer Violine kamen selbst im Piano vollkommen zur Geltung.« Euphorisch erklärt Stephan, etwas verfrüht, wie Kritiker vermerken werden, »dieser Tag ist als Geburtstag des Fernsprechers in Deutsch- | |||||
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land zu betrachten«. Verteidiger
deutscher Sprache, hat er das Telefon
»Fernsprecher« getauft.
Etappenweise werden die Versuche nun auf weitere Distanzen ausgedehnt: jeweils vom Generaltelegraphenamt aus, zunächst bis Schöneberg (sechs Kilometer), danach Potsdam (26 Kilometer), alsdann Brandenburg (61 Kilometer). Mit Erfolg. Keine Frage, der Verkehr per Brief oder Boten kann damit überhaupt nicht konkurrieren. Schließlich gelingt auch noch eine schwache Verbindung zwischen Berlin und Magdeburg (142 Kilometer). Der Durchbruch ist geschafft, die Fachwelt zufrieden. Fragen, Skepsis gibt es noch zuhauf: Wird man mit oberirdischen Leitungen gleichermaßen gute Ergebnisse erreichen können? Ob und wie weit wird die neue Erfindung von der deutschen Telegraphenverwaltung auch als praktisch verwertbar befunden? Die Praxis gibt eindeutige Antworten. Noch betrachten nicht wenige das Telefon als ein Instrument spaßiger Unterhal- |
tung, mitnichten als künftig
weltumspannendes Nachrichtenmittel, da veranlaßt
Stephan Werner von Siemens, Telefone herzustellen. Die Firma Siemens &
Halske baut die Geräte, eingeschlossen selbst beigesteuerter
Verbesserungen, bald in immer größeren Stückzahlen
nach; den Spottpreis von 12 Mark kosten zwei Geräte
inklusive 15 Meter Leitung zunächst.
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mit Telefonbetrieb eingerichtet (BM
8/92). Auf 800 wächst die Zahl dieser
Verkehrsanstalten in den folgenden zwei Jahren an.
Weniger schwungvoll entwickelt sich die Verwendung des Fernsprechers als Instrument des öffentlichen Stadtfernsprechverkehrs. Am 2. Januar 1878 ersucht Stephan Polizeipräsidium und Magistrat in Berlin um Stellungnahmen zu dem Plan der Postverwaltung, »an den Häusern Drahtleitungen zu befestigen, die eintretendenfalls auch die Straßen kreuzten und die, mit Fernsprechern betrieben, Kontore, Geschäftsräume usw. an ein Verkehrsamt der Postverwaltung anschließen sollten«. »Wohl amerikanischer Schwindel«, »ein neuer Humbug« u. ä. so wird vielfach in den »ersten Häusern« reagiert. Der spätere Begründer der »Allgemeinen Electricitäts- Gesellschaft« (AEG), Emil Rathenau, schaltet sich ein; man versucht, die persönlichen Beziehungen zur Berliner Geschäftswelt zu nutzen. Bell wird von Stephan unter Verweis darauf, dies sei laut Reichsgesetzgebung Sache des Staates, abschlägig beschieden, als er in Berlin ein privates Fernsprechnetz errichten will. Am 12. Januar 1881 wird das erste handvermittelte Fernsprechamt Berlins in der Französischen Straße mit acht Teilnehmern eröffnet. Am 14. Juli desselben Jahres erscheint das erste Fernsprechbuch Berlins ( BM 7/96), mit 99 Teilnehmern, von vielen Berlinern »Buch der 99 Narren« genannt. | Immerhin, der Bann scheint gebrochen,
und auch in Städten wie Hamburg, Frankfurt am Main, Dresden, Köln oder Mannheim werden öffentliche Fernsprechnetze
errichtet. In Berlin werden 1883 1500 Teilnehmer gezählt; am 27. Mai 1889 wird dann die 10 000. Sprechstelle eingerichtet. Weitere neun Jahre später sind laut »Vossischer Zeitung« vom 29. November 1898 »in
Berlin und den baulich mit Berlin verbundenen Vororten Schöneberg, Charlottenburg, Rixdorf, Pankow und Reinickendorf rund 34 500 Theilnehmer angeschlossen«.
Unberücksichtigt sind bei dieser Zahl die ebenfalls nach vielen Tausenden zählenden Anschluß- und Zwischenleitungen. Eine große Zahl von Anschlüssen weist u. a. das königliche Schloß auf mit allen seinen Abteilungen, Oberhofmarschallamt, Zeremonienamt bis herab zur Mundküche. Vervielfacht hat sich inzwischen der Fernsprechbetrieb der Stadtverwaltung. Knapp vor der Jahrhundertwende zählt Groß-Berlin bereits an die 130 000 Telefonanschlüsse ... Bildquelle: Archiv Autor | |||||
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© Edition Luisenstadt, 1997
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