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praxis. 1902 setzte Siemens & Halske die
ersten Berliner U-Bahn-Wagen auf die Schienen; sie verkehrten zunächst vom
Stralauer Tor (später Osthafen heute nicht mehr
vorhanden) über Gleisdreieck zum Potsdamer Platz, am Jahresende schon von
Warschauer Brücke bis Knie, dem heutigen
Ernst-Reuter-Platz. 1903 fuhr ein Elektro-Triebwagen von Siemens & Halske, der auf der Versuchsstrecke zwischen dem Berliner
Militärbahnhof (Nähe Yorckstraße) und Zossen
erprobt wurde, erstmals in der Welt schneller als 200 Kilometer in der Stunde. Die
Reihe solcher Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen.
Hand in Hand mit derartigen technischen Pionierleistungen ging die Fähigkeit der Konzernspitze, sich die damals generell einsetzende Tendenz zur Monopolbildung zunutze zu machen, die sich in Fusionen, neu entstehenden Kartellen und auch in einem Wandel von Eigentumsformen äußerte. 1897 beispielsweise, also vor genau einem Jahrhundert, wurde die Siemens & Halske GmbH zu einer Aktiengesellschaft umgebildet. Mit ihrem Aktienkapital von 30 Millionen Mark kontrollierte sie im Bereich des Baus von Telegraphen und anderen Elektroapparaten eine Gruppe von Betrieben mit einem Gesamtkapital von 130 Millionen Mark. Zwei Jahre darauf gründeten Siemens und die AEG eine gemeinsame »Studiengesellschaft für elektronische Schnellbahnen« und abermals vier Jahre | ||||||
Gerhard Fischer Vom Heizkissen bis zu Schiffsausrüstungen Vor 150 Jahren wurde der Grundstein zum Siemens-Imperium gelegt Als Werner von Siemens (BM 9/92) 1892 wenige Tage vor seinem 76. Geburtstag in Charlottenburg verstarb, zählte seine
Firma am 12. Oktober 1847 mit drei Mitarbeitern ins Leben getreten bereits 6 500
Arbeiter und Angestellte, die einen Jahresumsatz
von 20 Millionen Mark erbrachten. Seine Nachfolger setzten den Kurs fort, den er in
wissenschaftlich-technischer wie in ökonomischer und politischer Hinsicht
vorgegeben hatte.1) Sie bauten das Unternehmen
ständig aus und eroberten ihm weitere
beherrschende Positionen. Das gelang ihnen, weil sie
an dem Erfolgsrezept des Firmengründers festhielten: sich überall, wo es möglich
war, an die Spitze des technischen Fortschritts zu setzen und ihn kommerziell effektiv zu verwerten.
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später die »Gesellschaft für drahtlose Telegraphie System Telefunken m. b. H.«, an der Siemens bis 1941
einen 50prozentigen Anteil hatte. 1919 bildeten
Siemens, die AEG und Auer die »Osram GmbH KG« für die Glühlampenherstellung.
Soviel an dieser Stelle zu der häufig behaupteten heftigen Konkurrenz zwischen den dominierenden Elektrokonzernen in jenen Zeiten ... Ebenfalls 1903 verschmolz sich Siemens auf dem Starkstromsektor mit der Nürnberger »Elektrizitäts-AG vormals Schuckert & Co.«, deren Gründer Johann Sigmund Schuckert acht Jahre zuvor verstorben war und die über ein Aktienkapital von 118 Millionen Mark verfügte. So entstand neben Siemens & Halske die Siemens-Schuckert-Werke GmbH, die eine führende Stellung im Maschinen- und Eisenbahnbau einnahm, 1906 auch in die Autoproduktion, 1908 in den Luftschiffbau einstieg und 1927 gleichfalls in eine Aktiengesellschaft umgewan- |
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Die »Entstäubungspumpe«, ein Staubsauger aus dem Jahre 1906 | |||||
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delt wurde, bis sie 1939 in den
Alleinbesitz von Siemens & Halske überging, wobei
ihre juristische Selbständigkeit noch weitere 27 Jahre lang gewahrt blieb. Ähnliches galt übrigens für den 1925 von Siemens
übernommenen medizintechnischen Betrieb von Reiniger, Gebbert & Schall in
Erlangen, der von 1932 bis 1966 als
»Siemens-Reiniger-Werke AG« firmierte.
Doch vor allem in und um Berlin dehnte Siemens sich in den zurückliegenden 100 Jahren fortwährend weiter aus. In Lichtenberg zum Beispiel errichtete er ab 1901 das Werk für Elektrokohle, das ab 1928 als »Siemens-Planiawerke« firmierte. Schon 1897 kaufte das Unternehmen die »Nonnenwiesen«, 210 000 Quadratmeter zwischen Charlottenburg und Spandau. Hier entstand 1899 als erstes Siemens-Fabrikgebäude am Nonnendamm das Kabelwerk Westend. Ihm folgte auf jenem ausgedehnten Areal eine Produktions- und Verwaltungsstätte nach der anderen, so 1905 für die Schwachstromtechnik das Wernerwerk, 1906 die Fabriken für den Großmaschinenbau am Nonnendamm und das Dynamowerk, 1913 das Verwaltungsgebäude der Siemens-Schuckert-Werke am Nonnen-/Ecke Rohrdamm. Allein in den Spandauer Siemens-Betrieben waren 1914 über 20 000 Arbeiter und Angestellte für den Konzern tätig. So rasch wuchsen dort seine Werke aus dem Boden, daß seine Bauleute für die unaufhörlich wachsende Zahl der »Siemensianer« 1905 | einen eigenen Personenbahnhof, heute Siemensstadt-Fürstenbrunn, und 1908 eine eigene Straßenbahnlinie von Bahnhof
Spandau zum Nonnendamm anlegen mußten, damit die Massen der Beschäftigten
überhaupt zu ihren Arbeitsplätzen befördert
werden konnten. Gleichzeitig rückte die
Unternehmensleitung diesem Transportproblem durch den Bau von Wohnsiedlungen
in Werksnähe zuleibe, der außerdem dazu
beitragen sollte, Stammbelegschaften herauszubilden und deren Betriebsverbundenheit
zu entwickeln. 1906 wurden die ersten Wohnblocks fertiggestellt; 1913 erhielt der
gesamte Industrie- und Wohnkomplex offiziell den Namen »Siemensstadt«.
Im Bau jener »Wohnkolonien«, denen sich nördlich des Hohenzollernkanals als Dauerkleingartenkolonie die »Siemens-Siedlung« anschloß, drückte sich eine Unternehmensphilosophie aus, die schon der Firmengründer gepflegt hatte. Er besaß ein Gespür dafür, daß eine bestimmte Art von Sozialpartnerschaft geeignet ist, gesellschaftlichen Konfliktstoff in Grenzen zu halten und zugleich das Betriebsergebnis zu begünstigen. Brieflich äußerte er dazu: »Es war mir schon früh klargeworden, daß eine befriedigende Weiterentwicklung der ständig wachsenden Firma nur herbeizuführen sei, wenn ein freudiges, selbsttätiges Zusammenwirken aller Mitarbeiter zur Förderung ihrer Interessen erwirkt werden könnte. Um dieses zu erzielen, schien es mir erforder- | |||||
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lich, alle Angehörigen der Firma nach
Maßgabe ihrer Leistungen am Gewinn zu
beteiligen.«2)
So schüttete Siemens bereits 1858 erstmals »Inventurprämien« aus, schuf zehn Jahre später einen Fonds, der in Not geratene Belegschaftsmitglieder unterstützte, und gründete 1872 eine Pensions-, Witwen- und Waisenkasse für Angehörige seiner Betriebe in Berlin, London und St. Petersburg. 1891 wurde die 50-Stunden-Woche mit einem Normal-Arbeitstag von achteinhalb Stunden eingeführt, 1908 die Siemens-Betriebskrankenkasse gegründet, 1919 für den Konzern eine eigene Sozialpolitische Abteilung gebildet, 1921 die betriebliche Erholungsstätte »Siemenswerder« bei Pichelsdorf eingeweiht, im selben Jahr mit dem Bau der Wohnsiedlung am Rohrdamm begonnen und der dortige betriebseigene Sportplatz zu einer Vielzweckstätte für die »Sportvereinigung Siemens« ausgebaut. Die 1929 dem Verkehr übergebene S-Bahn-Strecke von Jungfernheide über Wernerwerk und Siemensstadt nach Gartenfeld, deren Bau 14 Millionen Reichsmark kostete, wurde zu zwei Dritteln aus Siemens-Geldern errichtet. Die Siemens-Bauabteilung hat mit ihren leitenden Architekten bis 1915 Karl Janisch, dann Hans Hertlein, dem Projektanten der ersten Industrie-Hochhäuser in Europa das Stadtbild von Spandau, ab 1920 von Berlin mitgeprägt. Ihre Fabrik- und Verwaltungsgebäude in Siemensstadt haben als bleiben- | de Zeugnisse der
Architekturgeschichte ebensolchen Rang wie etwa die
»Ringsiedlung«, die von 1929 bis 1932 von
namhaften Mitgliedern der progressiven Architektenvereinigung »Der Ring« Hans
Scharoun, Otto Bartning, Walter Gropius, Hugo
Häring und anderen für Siemens-Angestellte
im Bereich Jungfernheideweg, Goebelstraße, Heckerdamm geschaffen wurde. 1925/26 entstand mit dem von Siemens ausgerüsteten Verkehrsturm am Potsdamer Platz die erste deutsche Lichtsignalanlage
zur Steuerung des Straßenverkehrs durch automatische rotgelbgrüne Signalgebung
mit seinerzeit noch nebeneinanderliegenden Lampen. Zu einem weiteren
Wahrzeichen Berlins wurde am Spree-Unterlauf das
1931 fertiggestellte Kraftwerk West, das im Zweiten Weltkrieg zerstört, ab 1949
wiederaufgebaut wurde und seit 1953 zu Ehren des damals verstorbenen Westberliner Regierenden Bürgermeisters »Kraftwerk
Reuter« heißt.
Alles in allem wurde Siemens im ersten Drittel dieses Jahrhunderts zum größten Elektrotechnik-Imperium Deutschlands, zum zweitgrößten in der Welt. Im Maschinen- und Anlagenbau übte der Konzern auf seinem Gebiet den maßgeblichen Einfluß aus. Er führte in allen Bereichen der Energieerzeugung, -übertragung und -anwendung. Dabei übernahm er zum Beispiel im Kraftwerksbau nicht nur die elektrische Ausrüstung, sondern in Gestalt der | |||||
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1921 gegründeten Siemens-Bau-Union
auch die bauliche Ausführung. In andere
Produktionszweige drang er durch Kapitalbeteiligungen ein. Steigende Rüstungsaufträge gaben seinem Wachstum kräftigen Auftrieb.
Fast selbstverständlich war es für die Konzernleitung, im politischen Leben weiterhin ein gewichtiges Wort mitzureden. Typisch dafür war die gesellschaftliche Karriere von Carl Friedrich von Siemens (18721941), einem Sohn des Firmengründers, der 1919 an ihre Spitze trat. Stets hatte er eine Witterung für die Konjunktur nicht nur für die wirtschaftliche, sondern auch für die politische. Im November 1918 gehörte er zu den Großindustriellen, die das »Arbeitsgemeinschafts-Abkommen« mit den Gewerkschaftsführern aushandelten und unterzeichneten; es erkannte die Existenz der Gewerkschaften und das Koalitionsrecht an, führte die Tarifverträge und den Acht-Stunden-Tag ein. Gleichzeitig zählte Siemens zu den finanzstarken Hintermännern der Antibolschewistischen Liga. Carl Friedrich von Siemens war Vorsitzender des 1918 gegründeten Zentralverbandes der Deutschen Elektrotechnischen Industrie, Gründungs- und Präsidiumsmitglied des 1919 ins Leben gerufenen Reichsverbandes der Deutschen Industrie und Vorsitzender des 1921 gebildeten »Reichskuratoriums für Wirtschaftlichkeit«, das die inner- und überbetriebliche Rationalisierung vorantrieb. Von 1920 bis 1924 gehörte er der Reichstagsfraktion der Deut- | schen Demokratischen Partei an. 1924
wurde er nebenamtlich Präsident des Verwaltungsrats der Deutschen Reichsbahn. In
den letzten Jahren der Weimarer Republik half er, die Nazipartei zu finanzieren, und
lobte im Oktober 1931 ihren »Führer« in New
York vor Industriellen, weil der seine
Anhänger »zu starker Disziplin erzogen« habe, »um revolutionäre Bewegungen des Kommunismus zu verhindern«. Zum Dank
ließ Hitler ihn im Juli 1933 in den
17köpfigen »Generalrat der deutschen Wirtschaft« berufen.
Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs zählte Siemens weit über 180 000 Belegschaftsmitglieder. Das Aktienkapital der beiden Stammhäuser betrug über 277 Millionen Reichsmark; die offenen Reserven beliefen sich auf rund 190 Millionen Reichsmark. Siemens besaß Elektro- und Maschinenbaubetriebe nicht nur an seinen angestammten Sitzen in Berlin, Nürnberg und Wien, sondern inzwischen auch in Mülheim an der Ruhr, Sonneberg, Plauen, Falkenstein im Vogtland, Müglitz, Oppach, Rodach und Neustadt bei Coburg, außerdem die Papierfabrik Wolfswinkel in Finow (Mark) und eine Porzellanfabrik im thüringischen Neuhaus. Seine Auslandsbeteiligungen erstreckten sich bis nach Japan. Vom Heizkissen bis zu elektrischen Schiffsausrüstungen, vom Rundfunksender bis zum Rundfunkempfänger, vom Röntgenapparat bis zum Elektronenmikroskop, von der | |||||
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Eisenbahn-Signaltechnik bis zum
Großkraftwerk gab es auf dem Gebiet der
Elektrotechnik wohl nichts, was Siemens nicht herstellte und wovon seine Aktionäre
nicht profitierten ganz zu schweigen von Rüstungsgütern, die 1937 schon einen
Anteil von 85 Prozent am Produktionsvolumen hatten. Lag der Gesamtumsatz 1933 bei 330
Millionen Reichsmark wesentlich niedriger als bei Beginn des Ersten Weltkrieges -,
so überstieg er 1939 erstmals die Milliardengrenze und erhöhte sich bis 1944 auf
mehr als 1,8 Milliarden.
1938, also noch vor der Pogromnacht, richtete Siemens unaufgefordert gesonderte Abteilungen für jüdische Beschäftigte ein. Als eine der ersten deutschen Firmen setzte der Konzern bereits im Frühjahr 1940 Jüdinnen und Juden zur Zwangsarbeit ein; diese hofften vergebens, dadurch einer Deportation zu entgehen. Im August 1942 begannen die Bauarbeiten für das Siemenswerk Ravensbrück, in dem schließlich in 20 Montagehallen über 2 000 KZ-Insassinnen für die Kriegsproduktion schufteten. Für sie wurde Ende 1944 vor den Werkshallen das »Siemenslager« mit 13 Schlafbaracken errichtet. Aus ihm wurden ab Anfang 1945 Arbeitsunfähige selektiert, in das vormalige Jugend-KZ »Uckermark« verbracht und dort oder in der Gaskammer des KZ Ravensbrück ermordet. Weitere Arbeitskräfte ließ sich Siemens aus Konzentrations- und Vernichtungslagern | wie Buchenwald, Flossenbürg,
Groß-Rosen (Schlesien) und Auschwitz zuweisen. Im Geschäftsjahr 1943/44 bestand die Gesamtbelegschaft des Konzerns zu rund
einem Drittel aus KZ-Häftlingen,
Kriegsgefangenen und anderen Zwangsarbeitern. Im März
und April 1945 mußten KZ-Insassinnen die
Anlagen des Siemenswerks Ravensbrück demontieren, damit sie in die nachmaligen
Westzonen verlagert werden konnten. Tausende Arbeitssklaven sind während des
Krieges der Schinderei erlegen.
Ein einziges Mal nach dem Krieg, nämlich Anfang der 60er Jahre, hat die Konzernleitung auf Drängen der Jewish Claims Conference 2 203 jüdische Zwangsarbeiterinnen mit je 3 200 DM »entschädigt«, ohne jedoch eine Rechtspflicht dazu anzuerkennen. Gegen diese Verweigerungshaltung richtet sich seit geraumer Zeit der Protest eines Aktionsbündnisses »150 Jahre Siemens Entschädigung jetzt!«. Nach der Befreiung 1945 wurden die Berliner Siemenswerke weitgehend demontiert, die Betriebe in der sowjetisch besetzten Zone in Volkseigentum überführt. Im Westen Berlins und Deutschlands wurde der Konzern schrittweise mit finanzieller Hilfe der Deutschen Bank, von Mannesmann-Kapital und mit Unterstützung US-amerikanischer Partner restauriert: Siemens & Halske von München aus, Siemens-Schuckert in Erlangen. Nicht zuletzt die in den 50er Jahren einsetzende Wiederaufrüstung in der | |||||
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Bundesrepublik half, ihn zu
stabilisieren. Setzt man das Ende dieser
Sanierungsphase in etwa auf das Jahr 1960 an, so
überschritt damals die Belegschaftsstärke erstmals
seit Kriegsende die 200 000er-Grenze und der Umsatz die Vier-Milliarden-DM-Marke.
Das Geschäft blühte wieder.
Die gewinnbringende Siemens-Strategie läßt sich mit der Kurzformel »Konzentration der Produktion und des Kapitals« umschreiben. 1966 wurden die Siemens & Halske AG, die Siemens-Schuckert-Werke AG und die Siemens-Reiniger-Werke AG Erlangen zur »Siemens AG Berlin und München« zusammengefaßt. Kooperation oder Fusion mit Konkurrenten stärkte die eigenen Potenzen. 1967 wurde die Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH (BSHG) gegründet. 1969 hoben Siemens und AEG gemeinsam die Kraftwerk Union AG (KWU) und die Transformatoren Union (TU) aus der Taufe; die KWU ging 1977 gänzlich auf Siemens über. 1978 erwarb Siemens die Osram GmbH. 1990 übernahm Siemens die Stammaktienmehrheit der Nixdorf Computer AG; die daraufhin gebildete Siemens Nixdorf Informationssysteme GmbH ist jetzt die größte Gesellschaft dieser Branche in Europa. Heute steht Siemens mit einer Bilanzsumme von mehr als 80 Milliarden DM unter den Elektro-Unternehmen an erster Stelle auf unserem Kontinent, an sechster in der Welt. 1996 machte der Konzern 94,2 Milliarden DM Umsatz und 2,5 Milliarden DM | Gewinn 20 Prozent mehr als im Jahr
zuvor. Der größte Sprung nach vorn
gelang ihm übrigens durch die Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands; belief
sich sein Umsatz 1990 auf knapp 63,2 Milliarden, so wuchs er 1991 auf mehr als 73 Milliarden.
Allerdings bleibt auch dieser Riese von den ökonomischen Grundproblemen unserer Zeit nicht unberührt; die Zahl seiner Arbeitnehmer etwa ging zwischen 1991 und 1996 von 427 000 auf 379 000 zurück. Andererseits liegt der Wert der Auftragseingänge derzeit bei mehr als 100 Milliarden DM im Jahr. In rund 190 Ländern aller Erdteile ist der Konzern tätig. Mancher sieht in ihm nach wie vor und in erster Linie den Hersteller elektrischer Heimgeräte, von Rundfunk- und Fernsehapparaten, von Fernschreibern oder Herzschrittmachern. Doch in der Hauptsache produziert er nun Starkstromtechnik und Elektronik, Nachrichten-, Rechen- und Meßtechnik, Optik und Automatisierungstechnik, Gasturbinen und Nukleartechnik. In Berlin haben seine leistungsstarken Betriebe ihren Sitz in den Bezirken Spandau und Charlottenburg, in Moabit und neuerdings auch wieder in Treptow. Über die Firmentochter KWU entwickelte und baute die Siemens AG fast alle Reaktoren in westdeutschen Kernkraftwerken, plant bis 2005 allein in der Bundesrepublik acht neue Reaktorblöcke, ist jetzt am Bau des umstrittenen Forschungsreaktors Mün- | |||||
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chen 2 in Garching beteiligt und
exportiert Nukleartechnologie in andere Länder,
namentlich nach Osteuropa und in Staaten der Dritten Welt. Dagegen wenden sich
Atomkraftgegner mit ihren Aktionen unter der Losung »Siemens abschalten!«.
Werner von Siemens hat es als Aufgabe der Wissenschaft bezeichnet, »den Schatz des Wissens und Könnens des ganzen Menschengeschlechts zu erhöhen und dasselbe einer höheren Kulturstufe zuzuführen«.3) Hoffentlich besteht Grund zu der Annahme, daß die vielfältigen Veranstaltungen zum 150jährigen Firmenjubiläum diese Erkenntnis fördern. Quellen:
| 1941 gefolgt von Hermann von Siemens, der lediglich von 1946 bis 1948 (Nürnberger
Kriegsverbrecherprozesse!) von Friedrich Carl Siemens, dem Sohn von Werners Bruder
Friedrich, vertreten wurde. Ab 1956 präsidierte Ernst von Siemens beiden Aufsichtsräten und seit 1966 dem Aufsichtsrat der nun vereinigten »Siemens AG, Berlin und München«. Dessen Vorsitz
übernahm 1971 schließlich Peter von Siemens; 1981 trat er aus Altersgründen zurück. Heute leiten Hermann Franz den Aufsichtsrat (nach B. Plettner, 19811988, und H. Närger,
19881993) und Heinrich von Pierer den Vorstand (nach K. Kaske, 19811992).
2 Werner von Siemens: Mein Leben, Zeulenroda 1940, S. 357 f. 3 Ebenda, S. 359
Bildquelle:
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© Edition Luisenstadt, 1997
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