![]() | ![]() |
11 Probleme/Projekte/Prozesse![]() | Geschichte der Seehandlung ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Adelspatent und ein Wappen verlieh.
Nachdem Eckart in Ungnade gefallen war, wurde am 18. Juni 1740
1) die Schenkung wieder eingezogen und dem Staatsminister August Friedrich von Boden
überschrieben.2) Ab 1786 gehörte es dem Kaufmann Karl
Hesse, aber wichtiger als dieser Besitzerwechsel
ist die Tatsache, daß ab 1777 hier die
Königliche Seehandlungs-Companie einzog und
dem Gebäude den Namen gab. Auch später,
als das Haus für den Geschäftsbetrieb der
Seehandlung zu klein und nicht mehr repräsentativ genug war, wurde der Standort
beibehalten. Am 2. April 1901 legte der Generaldirektor der Gesellschaft den Antrag für
einen Neubau vor. Landesbauinspektor
Alfred Bürde hatte die Entwürfe
geliefert.3)
Ein prunkvoller Bau im überladenen wilhelminischen Neobarock sollte entstehen. Am 26. Juni 1901 wurde der Bauschein ausgehändigt und gleichzeitig die Genehmigung zum Abriß des wertvollen historischen Gebäudes erteilt. Nach Protest der Öffentlichkeit mußte der künstlerische Schmuck der alten »Seehandlung« gesichert und in die Hoffront des Neubaus eingefügt werden (beim Umbau 1939 vernichtet). Mit der Bauausführung wurde der Architekt Paul Kischke beauftragt. Der Rohbau war bereits im Oktober 1902 fertig, 1903 konnte das Gebäude übergeben werden. Die überladene Fassade des dreigeschossigen, sandsteinverkleideten Gebäudes befand sich dem Schauspielhaus genau gegenüber und störte die | ||||
Dagmar Claus
Aus der Geschichte der Seehandlung Zu den schönsten Plätzen Berlins,
vielleicht sogar Europas, gehört zweifellos der
Gendarmenmarkt. Umgeben war der Platz einst von palastartigen Bauten. Besonderer
Aufwand wurde mit den Eckgebäuden der zum Platz hinführenden Straßen betrieben.
Das älteste Haus am Platz Markgrafen-/ Ecke Jägerstraße war das Domestikenhaus. Das Domestikenhaus Friedrich Wilhelm I. (16881740, König seit 1713), der das Haus auf eigene Kosten hatte erbauen lassen, schenkte es 1740 dem Geheimen Kriegsrat von Eckart, dem er auch ein | ||||
![]() ![]() |
![]() | ![]() |
12 Probleme/Projekte/Prozesse![]() | Geschichte der Seehandlung ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
wohlproportionierte Platzanlage. Erneut
gab es Proteste. 1915 mußte deshalb ein Teil
des plastischen Schmucks abgenommen werden. Als zwischen 1936 bis 1939 in der
Jägerstraße ein Erweiterungsbau entstand, wurde
auch das Innere des 1903 errichteten Gebäudes verändert. Am Altbau schlug man nochmals rigoros Teile der Fassadengestaltung
ab und verkleidete alles mit grauem Sandstein. Der Kischke-Bau von 1903 steht
heute noch und ist nunmehr das älteste
Gebäude der Randbebauung des
Gendarmenmarktes. Nun ist die Berlin-Brandenburgische
Akademie der Wissenschaften hier untergebracht.
Seehandlung und Merkantilismus Die vielen Kriege, die Friedrich II. (17121786, König seit 1740) während seiner Regierungszeit führte, schwächten nicht nur die Finanzkraft des Staates, sondern auch das gewerbliche und kommerzielle Leben. Die Gründung der Königlichen Seehandlungs-Companie am 14. Oktober 1772 sollte dem entgegenwirken. Am 1. Januar 1773 nahm die Aktiengesellschaft ihre Tätigkeit auf. Ihre Aufgabe war es, den Überseehandel zu fördern und von ausländischen Transport- und Handelsunternehmen unabhängig zu machen. Die Seehandlung war von Anfang an mit Privilegien ausgestattet. Für 20 Jahre erhielt sie das Monopol, Meersalz aus Spanien, Portugal und Frankreich einzufüh- | ren und in den Magazinen der
preußischen Häfen einzulagern. Daneben besaß sie
die Einfuhr- und Ankaufsrechte für Wachs, das links und rechts der Weichsel in einer
Zone von jeweils zehn Meilen erzeugt wurde.4)
Schon im Gründungsjahr ging es aber
auch um den Transport von Seide,
französischen Weinen, Gewürzen und Spezereien
ausschließlich für den Transithandel mit
Rußland. Der Handel war auch auf die
Erschließung neuer Märkte ausgerichtet. So fand
die schlesische und westfälische Leinenindustrie z. B. in Lateinamerika neue Absatzgebiete.
Die Societät war mit einem Betriebskapital von 1 200 000 Talern in Form von 2 400 Aktien mit einem Nominalwert von 500 Talern ausgestattet. Nur 300 Aktien sollten frei gehandelt werden. Der König besaß zunächst 88 Prozent des Kapitals. Das ermöglichte ihm eine absolute Kontrolle der Geschäftstätigkeit und schloß jede eigenverantwortliche Mitwirkung bürgerlicher Handelskreise aus. Lediglich eine Zinsgarantie von 10 Prozent (später nur noch 5 Prozent) und bei günstiger Jahresbilanz eine Dividende waren für die anderen Anteilsinhaber, die lediglich als stille Teilhaber geduldet wurden, vorgesehen. Später verschob sich das Verhältnis etwas. Von 1 900 Aktien, die ein Verzeichnis von 1782 aufführt, waren 590 im Besitz der Königlichen Bank, die übrigen in den Händen einzelner, vorwiegend Adliger. Die Seehand- | |||||
![]() ![]() |
![]() | ![]() |
13 Probleme/Projekte/Prozesse![]() | Geschichte der Seehandlung ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
lung war also nur dem Namen nach eine Aktiengesellschaft, in Wirklichkeit aber ein staatliches Handelshaus, dessen Kapital vom Adel aufgebracht wurde. Den bürgerlichen Reedern und Kaufleuten wurden durch die Privilegierung der Seehandlung Einnahmequellen entzogen. Gegen
diese Monopolstellung kämpfte die Kaufmannschaft von Königsberg und Memel
schon früh an, da ihnen der lukrative
Salzhandel nach Preußen und in die ehemals
polnischen Gebiete durch die Seehandlung für Jahre genommen
wurde.5)
Vom Handelshaus zum Geldinstitut 1793 wurde das Privileg für den Salzhandel verlängert, das Betriebskapital auf 1 500
000 Taler erhöht. Zwar verlor die Seehandlung 1794 das Monopol des Wachshandels,
aber gleichzeitig wurde ihr Tätigkeitsfeld
erweitert. Sie konnte in Konkurrenz zur privaten Wirtschaft Import-, Export- und Transitgeschäfte tätigen, Werften und
Reedereien betreiben. Um neue Märkte für
einheimische Rohstoffe und Produkte zu
erschließen, unterhielt die Seehandlung eine eigene
Flotte. Ziel war es, Handel und Industrie Preußens mit staatlichen Mitteln auf das
Niveau Westeuropas zu heben und über die wirtschaftliche die politische Macht des
Landes zu stärken.
| der Sanierung des Finanzwesens
gesehen werden. In den Jahren 1795 bis 1806
versorgte die Seehandlung den Staat mit Geld
für außergewöhnliche Bedürfnisse. Die
Kapitalien wurden durch Anleihen, Pfandbriefe und Obligationen beschafft. Nachdem die
Konsolidierung der Staatsfinanzen erreicht war, ging die Seehandlung daran, die
Infrastruktur zu verbessern und die Industrie im
wirtschaftlich rückständigen Preußen
aufzubauen. Voraussetzungen für Wirtschaftsentwicklung waren ein leistungsfähiges Straßennetz, ein überregionales
Transportwesen und eine offensive Handelspolitik,
die neue Märkte erschloß und alte
zurückeroberte. Die Privatwirtschaft in Preußen
war für diese Aufgaben weder selbstbewußt
noch leistungsfähig und finanzkräftig genug,
so daß der Staat als Investor und Unternehmer gefordert war.
1810 wurden die Aktien der Seehandlung in Staatsschuldscheine umgeschrieben; die Societät war das ausführende Organ für das Staatsschuldenwesen geworden. Zehn Jahre später wurde die Gesellschaft dann endgültig zu einem Geld- und Handelsinstitut des Staates, das nur dem König verantwortlich war. Sein Direktor war dem Finanzminister gleichgestellt. Für die Geschäfte der Seehandlung übernahm der Staat die volle Garantie. Nach 1810 wurde die Aktiengesellschaft der größte Unternehmer Preußens. Durch gezielte staatliche Investitionshilfe | |||||
![]() ![]() |
![]() | ![]() |
14 Probleme/Projekte/Prozesse![]() | Geschichte der Seehandlung ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
entstanden neue Gewerbegebiete wie
die Leinenherstellung in Niederschlesien, und wichtige Produktionszweige
(Wollverarbeitung, Tuchfabrikation) wurden am
Leben erhalten. Neben dem Leinenwurde das
Seiden- und Luxusgewerbe subventioniert. Im Wollgeschäft war die Seehandlung
der größte Einzelhändler, stützte ab 1826
den preußischen Wollmarkt und wirkte in
diesem Bereich preisbildend. Preußen bot Schafwolle in bester Qualität an, konnte
dafür aber nur niedrige Preise erzielen, weil die Wolle weder sachgerecht
vorbehandelt noch sortiert war. Es fehlten
Aufkaufstellen, über die die Preise reguliert werden
konnten. Die Seehandlung kaufte daher selbst Wolle auf, baute in Berlin eine
Wollsortieranstalt und kümmerte sich insgesamt
um Aufbereitung und Vertrieb dieses einheimischen Rohstoffes. Diese Maßnahmen machten Preußen zum wichtigsten Wollproduzenten in Europa.6)
Einstieg in die Wirtschaft Durch Gewährung von Darlehen an in Schwierigkeiten geratene Unternehmer
gelang der Seehandlung der Einstieg in die Wirtschaft. Zinsgünstige Kredite vergab
sie oft nur, wenn sie dafür am Eigentum beteiligt wurde (Grund und Boden, Maschinen). | zu sichern und die gefährdeten Betriebe
in die Gewinnzone zu bringen. Die chemische Fabrik in Oranienburg z. B. erhielt
zunächst eine Finanzhilfe und wurde dann
unter staatliche Aufsicht und Führung
gestellt.7) Nur über direkten Einfluß auf die
Produktion konnte die Seehandlung ihre
Förderprogramme realisieren. Von der Leitung
der Betriebe bis zur tatsächlichen
Übernahme war nur noch ein Schritt. Fabriken
wurden als Konkursmasse aufgekauft bzw. eigene Unternehmen gegründet.
Die Industrieförderung der Seehandlung konzentrierte sich auf wenige Branchen: Textilgewerbe, Maschinenbau, Eisengießerei, Papierfabrikation, Chemische Industrie, Mühlengewerbe und Zinkhalbprodukte. Wirtschaftspolitisch zeigte sie sich dabei immer als Institut des Staates. Ihre Unternehmen waren Staatsbetriebe. Die Seehandlung war gefragt, wenn es um Fördermaßnahmen ging, die mit hohen Kosten und wirtschaftlichen Risiken verbunden waren. Dazu zählten Investitionen in wirtschaftlich bedrohten Gebieten, wie Niederschlesien und Berlin und Umgebung.8) Sie führte moderne Produktionsmethoden ein und war, anders als die Privatwirtschaft, der ausländischen Konkurrenz gewachsen. Sie sorgte für die Ausbildung von Arbeitskräften, speziell Technikern, und gründete Unfall-, Sterbe- und Sparkassen. Einige Unternehmungen wurden als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen realisiert. Durch das | |||||
![]() ![]() |
![]() | ![]() |
15 Probleme/Projekte/Prozesse![]() | Geschichte der Seehandlung ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Entstehen neuer Wirtschaftszweige
wurde allmählich die Manufakturebene
verlassen und eine Industrie aufgebaut. In der Papier-,
Maschinenbau- und chemischen Industrie
in Berlin und Umgebung entwickelte die Seehandlung Musterbetriebe. Daß
Verluste dabei nicht ausbleiben konnten, ist
verständlich. Gründe dafür waren die fehlende
Infrastruktur, mangelhafte Verkehrswege, Zollschranken, die erst in Ansätzen
vorhandene Zulieferindustrie. Der Aufbau eines leistungsfähigen Maschinenbaus gelang nur
in Ansätzen.
Folgerichtig begann sich die Seehandlung auch um die Transportwege zu kümmern. Sie baute rund 125 Preußische Meilen (ca. 940 Kilometer) Chausseen und zwar von Berlin aus nach Ostpreußen, Galizien, Stettin, Hamburg und in Richtung Rheinland. Neben den Chausseen wurden Kanäle gebaut. Den Eisenbahnbau unterstützte sie nur zögernd, da sie fürchtete, daß die Einnahmen aus Chaussee- und Schiffahrtsgebühren zurückgehen würden. Ab 1843 mußte sie dafür allerdings Mittel zur Verfügung stellen und Eisenbahnpapiere im Wert von 1 670 000 Rtlr. zeichnen. Entwicklung zum Bankinstitut In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts geriet die Industrieförderungspolitik der Seehandlung in eine Krise. Ihre Gelder waren in Industrieunternehmen und in ausgedehn- | tem Grundbesitz festgelegt, und die
Societät geriet in Liquiditätsschwierigkeiten.
Außerdem hatte sich der wirtschaftliche
Zustand des Landes seit Gründung der
Seehandlung entscheidend verändert. Es gab nun
selbstbewußte Unternehmer,
Industriestandorte, privates Kapital für die Einführung
neuer Produktionsmethoden. Die Privatunternehmen warfen der Seehandlung unlauteren Wettbewerb vor, da sie mit ihrer
riesigen Kapitalkraft in einigen Gewerbebereichen eine staatlich gestützte Monopolstellung
innehatte. Sie forderten in der Presse, im Landtag und im Abgeordnetenhaus die
Auflösung und Privatisierung der
Seehandlungs-Betriebe.9) Ihre Aufgabe sollte auf
die eines Geldgebers reduziert werden.
Die politischen Veränderungen nach den Revolutionsereignissen von 1848 verstärkten diese Forderungen. Die Betriebe der Seehandlung wurden an private Unternehmen verkauft, gerade als sie sich konsolidiert hatten, so daß die Käufer in den Genuß der Erfolge dieser Pioniertätigkeit kamen.10) Die Seehandlung wurde wieder der Aufsicht des Finanzministers unterstellt. Sie war nun ein Bankinstitut, das Finanzgeschäfte zwischen dem Staat und dem Publikum vermittelte. Gesetzlich festgeschrieben wurden das Diskontogeschäft und die Finanzierung von Anleihen mit dem Staatshaushaltsgesetz vom 11. Mai 1899. Der Reingewinn aus den Geschäften der Bank floß dem Staat zu. Am 4. August 1904 wurde | |||
![]() ![]() |
![]() | ![]() |
16 Probleme/Projekte/Prozesse![]() | Geschichte der Seehandlung ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
das Kapital auf 100 Millionen Mark
erhöht, und die Societät erhielt den Namen
»Königliche Seehandlung«. Seit dem 11. August
1922 trägt sie den Namen »Preußische Staatsbank«.
Stiftung Preußische Seehandlung Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde durch die Alliierten Preußen als Staat liquidiert (1947). Die Preußische Staatsbank verlor dadurch die Grundlagen ihrer Geschäftstätigkeit, aber nicht ihr Vermögen. Als im Mai 1983 das Berliner Abgeordnetenhaus ein »Gesetz über die Verwendung des Vermögens öffentlich rechtlicher Altbanken und Verbänden des Kreditwesens« verabschiedete, war das das formale Aus für die Bank. Am 18. Juli 1983, also zwei Monate später, entstand eine Stiftung, die mit dem Namen und mit Teilen des Vermögens der liquidierten Staatsbank (19 Millionen DM) ausgestattet wurde.11) Die ausschließlich gemeinnützigen Zwecken dienende Stiftung des bürgerlichen Rechts hat die Aufgabe, Kultur und Wissenschaft in Berlin zu fördern. Fördermittel werden u. a. dem literarischen Schaffen in Berlin (Autorenstipendien für Kinder- und Jugendliteratur), der Erforschung Berliner Persönlichkeiten und historischer Ereignisse zur Verfügung gestellt. Weitere Schwerpunkte für die Vergabe von Mitteln aus den Erträgen des Stiftungskapitals sind die brandenburgisch-preußische Geschichte und wissenschaftliche | Arbeiten mit Berlin-Bezug. Die Stiftung
stellt Gelder für den Ankauf und die
Bearbeitung von Sammlungen und Archiven bereit und richtete an der FU-Berlin einen
Lehrstuhl »Geschichte der industriellen Welt«
(1988) ein. Außerdem vergibt sie regelmäßig
zwei Preise: den Theaterpreis Berlin (seit 1988) und den Berliner Preis für
deutschsprachige Literatur (seit 1989).
Der Sitz der »Stiftung « ist heute der Spandauer Damm in Charlottenburg. Quellen:
| |||||
![]() ![]() |
© Edition Luisenstadt, 1997
www.luise-berlin.de