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79 Porträt![]() | Franz Neumann ![]() ![]() |
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straße nahe dem Zentralviehhof auf. Er
besuchte die 109. Gemeindeschule in der Tilsiter Straße und wollte eigentlich Lehrer
werden. Mit seiner Schulzeit hatte er Pech, denn seine Lehrer wurden als Soldaten
eingezogen, so daß der Unterricht oft ausfiel.
Der Bildungshunger des Jugendlichen konnte so nur mäßig befriedigt werden. Seine
Mutter und der gewerkschaftlich organisierte Vater förderten ihren Kronsohn so gut sie konnten. Während seiner Schlosserlehre und auch in der Zeit seiner ersten Anstellungen bei »kleinen Krautern« in der Rüdersdorfer Straße und in der Frankfurter Allee besuchte er bis zu fünfmal in der Woche abends Handwerkerschulen in der Straßmann- und Andreasstraße. In den bewegten politischen Zeiten der jungen Weimarer Republik fand er sehr schnell eine politische Heimat in der Gewerkschaftsjugend und in der SPD. 1919 schloß er sich dem Metallarbeiterverband an, deren Jugend er seit 1920 in Berlin vorstand. Im selben Jahr erwarb er die Mitgliedschaft in der SPD. Sie wurde fortan zu seiner politischen Heimat. 1925 gehörte er zu den Mitbegründern der Berliner Gewerkschaftsjugend. In den Jahren bis 1933 arbeitete er als Jugendfürsorger beim Berliner Magistrat. Nach seiner Vermählung mit Gertrud Jänichen 1929 wohnte das Paar in der »Freien Scholle«, zuerst im Allmendeweg und dann nachdem es dort ausgebombt wurde bis zu seinem Tode | ||||||
Bernhard Meyer
Er stemmte sich gegen die Zwangsvereinigung Ehrenbürger Franz Neumann
Der Name Franz Neumann wurde unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg im
politischen Berlin zu einem Begriff für Standhaftigkeit und unbeugsamen Willen. Als waschechter Berliner und Urgestein der Sozialdemokratie verfocht er wie kein anderer seiner Mitstreiter die
Selbständigkeit und Unabhängigkeit der SPD. Sein
Name wurde zum Synonym konsequenter Ablehnung der Vereinigung von KPD und SPD
zur SED in Berlin. Nach 12 Jahren Faschismus bahnte er dringend erforderlichen
demokratischen Tugenden den Weg in seiner Heimatstadt.
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80 Porträt![]() | Franz Neumann ![]() ![]() |
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Moorweg 10. Mit seiner ebenfalls
politisch sehr aktiven Frau verlor er während der
Nazizeit nie den Kontakt zu Gleichgesinnten. Mut bewies er angesichts des sich blutig
und diktatorisch etablierenden Faschismus bei den Wahlen im März 1933 als
SPD-Spitzenkandidat in Reinickendorf. Als
Stadtverordneter gewählt, konnte er sein Mandat
nicht ausüben, da seine Partei kurze Zeit
später verboten wurde. Im folgenden Jahr
stellten ihn die Nazis wegen angeblicher Vorbereitung zum Hochverrat vor ein Gericht,
verurteilten ihn zu 1 1/2 Jahren Gefängnis
und stellten ihn danach unter Polizeiaufsicht.
Sofort nach Kriegsende 1945 wählten ihn seine Parteifreunde zum Kreisvorsitzenden der SPD in Reinickendorf. In seinem Amt als stellvertretender Bürgermeister von Reinickendorf geriet er in Kollision mit der französischen Besatzungsmacht, die ihn kurzzeitig arrestierte. Neben seiner kommunalen Einbindung beobachtete Franz Neumann aufmerksam die politischen Vorgänge in der Viersektorenstadt und in seiner Partei. Frühzeitig wie kaum ein anderer spürte er spätestens nach der 60er Konferenz von KPD und SPD im Dezember 1945 die Gefahr einer zwangsweisen Vereinigung mit den Kommunisten, was für ihn die Selbstaufgabe der Sozialdemokratie bedeutet hätte. Im Februar 1946 entsprang aus dem von ihm geführten Kreisverband der SPD die Initiative zu einer Urabstimmung unter den Sozialdemokraten Berlins zur Frage der Vereinigung mit der | KPD. Zu dieser Meinungsäußerung kam
es am 31. März 1946, nachdem Neumann zuvor am 1. März mit seinen Anhängern die
legendäre Funktionärskonferenz der Berliner
Sozialdemokratie organisierte und politisch führte. Er war es, der sich im damaligen
Admiralspalast in der Friedrichstraße gegen die Einheitsbefürworter Otto Grotewohl
und Max Fechner behauptete und in einer begeistert aufgenommenen Rede die
Urabstimmung durchsetzte. Das Ergebnis der Urabstimmung gilt in der Parteigeschichte
der SPD als eindeutige Absage an Zusammenschluß, Verschmelzung oder Vereinigung, ja sogar an eine Zusammenarbeit mit der KPD. Damit hatte sich Franz Neumann
gegen nicht unerhebliche Widerstände von Funktionsträgern und Unsicherheiten in
der Mitgliedschaft in seiner Partei durchgesetzt und die Unabhängigkeit der Berliner
Sozialdemokratie gesichert.
Im April 1946 wurde er auf dem Zehlendorfer Landesparteitag zu einem der drei Berliner SPD-Vorsitzenden gewählt. Schon wenige Monate danach übernahm er den alleinigen Vorsitz des Landesverbandes Berlin. Der »mutige Traditionalist«, wie Willy Brandt den kraftvollen und hellen Berliner später nannte, war fest in der Berliner Arbeiterschaft verwurzelt und widerstand dem von den Sowjets unterstützten Hegemoniestreben der KPD. Die praktizierte Politik und die Behandlung der ehemaligen Sozialdemokraten in der Einheitspartei ga- | |||||
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81 Porträt![]() | Franz Neumann ![]() ![]() |
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ben ihm recht. Die kommunalen
Oktoberwahlen 1946 in Berlin gestalteten sich zur Überraschung aller Alliierten zum
Triumph der SPD, die als stärkste politische Kraft
aus diesen demokratischen Wahlen hervorging. Maßgeblicher geistiger und
organisatorischer Vater des Erfolgs war Franz Neumann.
Darüber verlor er seine sozialpoltischen Ambitionen keineswegs aus dem Auge. 1946 gehörte Neumann zu den Mitbegründern der Berliner Arbeiterwohlfahrt und war seitdem einer der Mitvorsitzenden. Bis 1956 war er Vorsitzender der SPD von Berlin. Zwischen 1946 und 1960 gehörte er ununterbrochen der Stadtverordnetenversammlung bzw. dem Abgeordnetenhaus an, wo er bis 1958 die Fraktion seiner Partei führte. 20 Jahre lang (1949 bis 1969) gehörte er als Berliner Vertreter dem Deutschen Bundestag an. Am 20. Oktober 1971 wurde Franz Neumann für seine Verdienste um die Stadt die Ehrenbürgerschaft Berlins verliehen. In der Ehrenurkunde des Senats und des Abgeordnetenhauses wird sein Wirken beim Aufbau einer freiheitlichen Demokratie in Berlin, als Vorsitzender der SPD von Berlin sowie als Mitbegründer und späterer Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt Berlin gewürdigt, wobei betont wird, daß er entscheidend dazu beigetragen habe, »daß die 1946 geplante Zwangsvereinigung von SPD und KPD verhindert wurde«. Franz Neumann verstarb am 9. Oktober 1974 in Berlin. Er wurde auf dem Friedhof | Tegel »Am Nordgraben« beerdigt. In der
Öffentlichkeit der Stadt erinnern heute der »Franz-Neumann-Platz« und der dort
gelegene U-Bahnhof in Reinickendorf an ihn.
Am 14. Dezember 1974 gründete sich das Franz-Neumann-Archiv, das sich in der Ackerstraße (Wedding) befindet und liebevoll die Hinterlassenschaft seines Wirkens pflegt. | ||||
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© Edition Luisenstadt, 1997
www.luise-berlin.de