72 Porträt | Wilhelm Hauchecorne |
Frank Eberhardt
Der Vater der Preußischen Geologischen Landesanstalt Wilhelm Hauchecorne (18281900) Auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof in der
Bergmannstraße sehen wir wenige Schritte vom Mittelweg nach rechts innerhalb
eines Eisengitters eine hohe Stele aus schwedischem polierten Syenit. Ein
Porträt, umrahmt von einem Lorbeerzweig, ist
daran angebracht. Eisen und Schlegel über dem Porträt bezeichnen den Beruf
dieses Mannes: Bergmann. Die vergoldete Inschrift darunter besagt, daß Wilhelm
Hauchecorne, Dr. phil. h. c., Geheimer Oberbergrat,
Direktor der Königlichen Geologischen Landesanstalt und Bergakademie zu Berlin
von 18661900, hier begraben ist. Ein Bergmann in Berlin?
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Kirche in Berlin, Professor der Mathematik und zugleich Direktor eines Erziehungsinstitutes. Der Vater lebte als Steuerrat a. D. in Aachen. Hier wurde am 13. August 1828 Heinrich Lambert Wilhelm Hauchecorne geboren. Gemeinsam mit drei Schwestern wuchs der Junge in einem wohlhabenden Elternhaus auf, in dem schöngeistiges Leben blühte, insbesondere die Musik | ||||||
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gepflegt wurde. Der Vater wirkte
inzwischen als Spezialdirektor der Rheinischen
Eisenbahn, deren Mitbegründer und Miterbauer er war. Schon als Kind hatte er
Mineralien geschenkt bekommen und selbst eifrig
gesammelt. In Köln, wohin seine Eltern
verzogen waren, besuchte er das Gymnasium bis zum Abitur. Die Liebe zu
Mineralien und damit zum Bergbau bestimmte seinen Berufswunsch. Nach dem
praktischen Jahr am Oberbergamt Bonn studierte er
in Berlin Mineralogie und Geognosie (heute Geologie). Seine Lehrer waren der
Mineraloge Christian Samuel Weiss (17801848), Gustav Rose (17981873) und sein
späterer Amtskollege Ernst Beyrich (18151896).
Nach sechseinhalbjährigem Studium, das
er teilweise auch an der Bergakademie Freiberg absolvierte, schloß er mit dem
Referendar-Examen 1853 diese Phase seines Lebensweges ab.
Die Geologische Spezialkarte von Preußen Wilhelm Hauchecorne übernahm anschließend die Leitung einer staatlichen Grube und schuf sich damit auch die Möglichkeit, eine Familie zu gründen. Er heiratete 1855 die Tochter des Geheimen Bergrats Althans. Doch schon nach kurzer Tätigkeit schied er 1856 aus dem öffentlichen Dienst aus, um eine Stelle im privaten Bergbau aufzunehmen. Offensichtlich behagte ihm diese Ar- | beit nicht. Bereits 1858 kehrte er in
den Staatsdienst zurück und wurde 1862 zum Bergassessor, 1865 zum
Bergwerksinspektor ernannt. In all diesen Jahren blieb er
seinen naturwissenschaftlichen Interessen treu und unterhielt enge Verbindung mit einem
Kreis von Männern, die sich in der
Rheinprovinz mit Geologie und Mineralogie beschäftigten.
1866 wurde er nach Berlin in die Ministerialabteilung für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen berufen, um die Redaktion der gleichnamigen Zeitschrift sowie die Stellvertretung als Lehrer an der Bergakademie Berlin zu übernehmen. Dort begann er, gestützt durch das Vertrauen seiner Vorgesetzten und ausgerüstet mit reichen Kenntnissen, eine Tätigkeit, die er 34 Jahre lang ausgeübt hat. Nach dem Tode des bisherigen Direktors der Bergakademie wurde er noch im selben Jahre zu ihrem Direktor ernannt. Es begann für ihn eine Zeit fruchtbarer Tätigkeit, die besonders erfolgreich wurde durch das Zusammenwirken mit seinem ehemaligen Lehrer Ernst Beyrich. Dieser forderte für die geologische Landesaufnahme die Darstellung in großmaßstäblichen Karten (1:25 000), da diese für die praktischen Zwecke des Bergbaus sowie die Forst- und Landwirtschaft entscheidende Bedeutung hatten. Doch deren Druck war wegen zu hoher Kosten bisher abgelehnt worden. Hauchecorne, der inzwischen auch für die geologische Landesaufnahme | |||
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im Ministerium zuständig war, erkannte
die Bedeutung von Beyrichs Forderungen und unterstützte sie. Es gelang ihm, den
zuständigen Minister von der Notwendigkeit zu überzeugen, daß für die
herauszugebende Karte dieser Maßstab gewählt werden
müsse. Damit war die Grundlage für die
folgende moderne geologische Landesaufnahme gegeben. Sie ist nicht nur in Preußen,
sondern auch in anderen deutschen Staaten angewandt worden. Bei der praktischen Durchführung dieser großen Aufgabe
zeigte sich Hauchecornes großartiges
Organisationstalent. Im März 1867 rief er die
hervorragendsten deutschen Geologen zusammen und legte mit ihnen gemeinsam den
Plan der Arbeiten, die Methode der Untersuchung und der Darstellung, die
Grundzüge der farblichen Gestaltung und die Form
der Veröffentlichung fest.
Mitten in diese beginnende Arbeit fiel der Deutsch-Französische Krieg 1870/71. Hauchecorne meldete sich sofort freiwillig und wurde als Chef für Bergbau-, Hüttenbetrieb und Salzgewinnung nach Hagenau im Elsaß geschickt. Schon nach kurzer Zeit mußte er die Leitung der Kaiserlichen Tabak-Manufaktur in Straßburg übernehmen und konnte auch hier seine Leiterqualitäten unter Beweis stellen. Als Höhepunkt schließlich wurde er zum Berater bei der Grenzziehung in Lothringen berufen. Maßgebend für diese Wahl waren wohl nicht nur seine Vertrautheit mit der französischen | Sprache, die er von Jugend auf
beherrschte, sondern insbesondere die Kenntnis der
französischen Verwaltung aus seiner
früheren Tätigkeit. Gefragt waren insbesondere
sein Wissen über die Geologie und die Bergbauverhältnisse in Elsaß-Lothringen. Bei
der Grenzziehung bestanden die deutschen Interessen darin, den Hauptteil der
großen Eisenerzlagerstätten von Lothringen
für Deutschland zu sichern. Hauchecorne
setzte sich voll für diese Ziele ein und steckte
zum Beispiel in Lothringen jeden Grenzpfahl selbst ab. Das Engagement als Mitglied
der »Grenzregulierungs-Kommission« wurde mit der Verleihung des Eisernen Kreuzes
belohnt. Der Reichskanzler gab ihm zu Ehren sogar ein Essen.
Die Preußische Geologische Landesanstalt Damit hatte sich Hauchecorne dem Kaiser und seinem Kabinett für größere Aufgaben empfohlen. Gemeinsam mit dem Geologen Ernst Beyrich wurde er mit der Gründung und Organisation einer Preußischen Geologischen Landesanstalt beauftragt. Eine solche selbständige staatliche Stelle war erforderlich geworden, um die geologische Landesaufnahme in allen preußischen Provinzen koordinieren zu können. Dabei wurde neben der notwendigen Verwaltungsarbeit auch spezielles geologischen Fachwissen gefordert. Nach den schon länger | |||
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laufenden Vorarbeiten konnte die
Preußische Geologische Landesanstalt 1873
gegründet werden. Wilhelm Hauchecorne wurde ihr Leiter. Diese Landesanstalt
bildete mit der 1860 wiederbelebten Bergakademie (siehe BM 9/1992, S. 56), deren
Direktor ebenfalls Hauchecorne war, eine Einheit.
Mit dem angeschlossenen geologisch-mineralogischen Museum, der vom Ministerium übernommenen und erweiterten Bergwerksbibliothek und einem chemischen und metallurgischen Laboratorium war so ein bedeutendes Forschungs- und Ausbildungszentrum entstanden, das seine Krönung 1878 mit dem Bezug eines Neubaus in der Invalidenstraße 44 fand. (Diese staatliche geologische Dienststelle hat ihren Nachfolger in der Bundesrepublik in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Sitz in Hannover, gefunden. Das Gebäude der Preußischen Geologischen Landesanstalt in der Invalidenstraße 44 war bis 1990 Sitz des Ministeriums für Geologie der DDR sowie des Zentralen Geologischen Institutes und ist zukünftig für das Bundesministerium für Verkehr vorgesehen.) Die geologische Landesaufnahme wird realisiert Nun hatte Hauchecorne alle Voraussetzungen geschaffen, um als Direktor der Preußischen Geologischen Landesanstalt und der Bergakademie die geologische Landes- | aufnahme in Angriff nehmen zu
können. Um trotz der Geringfügigkeit des anfänglichen Personalbestandes möglichst viel zu leisten, verstand er es, die Mehrzahl der
Professoren der Geologie an den Preußischen Hochschulen als Mitarbeiter zu
gewinnen. Damit schuf er dem jungen Unternehmen einen festen Rückhalt in den Kreisen
der bewährten Fachkollegen und lenkte
deren Arbeiten vielfach in die zum Endziel führenden Bahnen. Dieser Ausbau der
geologischen Landesaufnahme durch freie Angliederung zahlreicher Kollegen, die
dem jungen Unternehmen als Helfer, Mitarbeiter und Freunde zur Seite traten, und mit
denen Hauchecorne fruchttragende freundliche Beziehungen gern pflegte, ist in
gleichem Maße seiner persönlichen
Liebenswürdigkeit wie seiner geschäftlichen Gewandtheit zu verdanken.
Schon bald nach der Konstituierung der Preußischen Geologischen Landesanstalt nahm Hauchecorne eine neue, große und umfangreiche Aufgabe der Landesaufnahme in Angriff, die geologisch-agronomische Untersuchung und Kartierung des Norddeutschen Flachlandes. In vier großen auf die Jahre 1873 bis 1878 sich verteilenden Konferenzen wurden unter Zuziehung sachverständiger Vertreter der Land- und Forstwirtschaft die auf dem Gebiet der Bodenerforschung vorhandenen Bedürfnisse dieser Zweige festgestellt, die Methode der Kartierung erörtert und versuchsweise aus- | |||||
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geführte Karten der Kritik der
Sachverständigen unterworfen.
Besonders hervorgehoben werden muß noch einmal die Zusammenarbeit zwischen Beyrich und Hauchecorne, da sie eine entscheidende Grundlage für das erfolgreiche Wirken beider Männer war. Während Beyrich, der wissenschaftlicher Leiter der Geologischen Kartierung war, seine Aufgabe in der möglichst korrekten Darstellung der geologischen Verhältnisse sah, widmete sich Hauchecorne intensiv der graphischen Darstellungsart sowie der Farbgebung. Er achtete darauf, daß die oft komplizierten geologischen Situationen in möglichst klarer und schöner Weise zur Darstellung kamen, und prüfte viele Jahre lang jedes Blatt persönlich. Dagegen nahm er an den Kartierungsarbeiten im Gelände selbst niemals teil. Dieses Kartenwerk wurde nicht nur für alle deutschen Staaten, sondern auch über die Reichsgrenzen hinaus zum Vorbild. So war es kein Wunder, daß Beyrich und Hauchecorne 1881 vom Internationalen Geologenkongreß in Bologna beauftragt wurden, die Arbeiten für eine internationale geologische Karte von Europa im Maßstab 1:1 500 000 zu leiten. Hauchecornes Vorschlag über die zu wählenden Farben hat sich dann nicht nur bei dieser Karte bewährt, sondern ist davon ausgehend von vielen Ländern für ihre eigene Kartierung gewählt worden und erleichterte damit über | die Grenzen hinweg außerordentlich das
Lesen dieser Karten. Auf dem III. Internationalen Geologenkongreß 1885 in Berlin
fungierte Hauchecorne als Generalsekretär und sein Mitstreiter Ernst Beyrich als
Präsident. 1890 wurde Hauchecorne zum
Bevollmächtigten und Leiter einer internationalen
Konferenz zur Erörterung des Schutzes
gewerblicher Arbeiter berufen. Ernennungen (1876 zum Geheimen Bergrat, 1891 zum
Geheimen Oberbergrat) und Ehrungen
(1886 Verleihung des Dr. phil. h. c. durch
die Universität Heidelberg) runden das Bild eines Mannes ab, der sich jeder Aufgabe
gestellt und sich nie geschont hat. Sein Wirken kann man aus heutiger Sicht
verstehen durch die Worte, die er jungen Menschen
als Quelle erfolgreichen Wirkens hinstellte: Die ganze freudige Hingabe an den idealen
Bergmannsberuf und treue aufopfernde Vaterlandsliebe.
Wilhelm Hauchecorne starb am 15. Januar 1900 in Berlin. Sein Grab befindet sich zwischen dem seiner Frau und dem seiner Tochter, während auf einem benachbarten Grabmal die Namen von sechs Kindern eingemeißelt sind, die schon in frühester Jugend ihren Eltern entrissen worden sind. Bildquelle:
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