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Schülerzeitung, wie gewinne ich Leser, woher bekomme ich das Geld? Das sind einige der wichtigsten Fragen, wenn die erste Ausgabe einer solchen Zeitung aus der Taufe gehoben werden soll. Doch auch wenn es gelingt, die ersten Hürden erfolgreich zu nehmen, lassen die nächsten Stolpersteine meist nicht auf sich warten. Schnell gibt es schon mal Krach mit dem Direktor oder mit einem Lehrer, der in der letzten Ausgabe kritisiert wurde und der sich jetzt leicht auf den Schlips getreten fühlt. Auch wenn der große Ärger in Form von Zensur vor der Tür steht, kann die JPB helfen.
     Das war schon immer so, allerdings hat die Junge Presse Berlin bereits eine bewegte Geschichte hinter sich, denn in 50 Jahren kann ja bekanntlich eine Menge passieren. 1947 wurde sie von dem RIAS-Schulfunkparlament unter dem Namen »Ring Berliner Schülerzeitungen« von dem Schulrat Herrmann Schneider aus der Taufe gehoben.
     Die Anfangsjahre wurden mit großer Unterstützung der Amerikaner gemeistert. Vielleicht lag es auch mit daran, daß die älteste Schülerzeitung in dem heute noch bestehenden Archiv der Jungen Presse aus dem Jahr 1945 in Englisch verfaßt wurde. Die Zeitung hatten Schüler mit ihrer Lehrerin im Englischunterricht hergestellt.
     Ihren heutigen Namen erhielt die »Junge Presse Berlin« am 27. Januar 1952. Seit Anbeginn ihres Daseins fristete sie sozusagen ein Zigeunerleben. Sie zog vom RIAS Berlin
Corinna Budras
Bewegte Zeiten

Vor 50 Jahren wurde die Junge Presse Berlin e. V. gegründet

Die Junge Presse Berlin e. V. (JPB) wird 50 und das muß natürlich gefeiert werden. Schließlich handelt es sich um ein stolzes Alter, und genau dieser Tatsache soll am Samstag, den 1. November 1997, im Reinickendorfer Atrium im Senftenberger Ring in entsprechender Weise gehuldigt werden. Dazu werden sich eine große Anzahl Ehemalige und heutige Aktive versammeln, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen und Erfahrungen auszutauschen.
     Und da gibt es sicherlich viel auszutauschen, denn seit der Entstehung ist so einiges vorgefallen: Es wurde diskutiert und gestritten, reformiert und umgezogen, Meinungen wurden vertreten und geändert. Wie jedoch auch schon bei der Gründung vor 50 Jahren, hat die Junge Presse Berlin e. V. noch immer ein Ziel: Jugendarbeit für Jugendliche von Jugendlichen zu machen und keinen »Berufsjugendlichen« das Feld zu überlassen.
Die Junge Presse Berlin ist dafür da, Schülerzeitungsredakteuren ein wenig unter die Arme zu greifen: Wie gründe ich eine neue

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in der Kufsteinerstraße in die Wilskistraße in Zehlendorf und von dort alsbald in die Invalidenstraße, in eine alte Sternwarte, wo sie zunächst Untermieter der Pädagogischen Arbeitsstelle war.
     Doch schon damals unterstützte man Schülerzeitungsprojekte mit den vorhandenen Mitteln. Mit Erfolg. Denn in den folgenden Jahren wurden diese Zeitungen immer beliebter. Immer mehr Schüler gründeten an ihrer Schule eine Zeitung, um die Mitschüler über wichtige Themen zu informieren. Politik war out. Viel wichtiger war es, Fragen zu klären, wie jene, ob beispielsweise Mädchen in der Schule Hosen tragen dürfen.
     Erst Mitte der 60er Jahre wurden die Schülerzeitungen politischer und stellten ihre eigenen Forderungen auf. Nach den Aufregungen der 68er wurde es jedoch ruhig in den Schülerzeitungen und in der Jungen Presse. Anfang der 70er fand sich
niemand mehr, der die Junge Presse Berlin weiterführen wollte. Die alten Hasen hatten ausgedient und Nachwuchs war rar. Inzwischen war jedoch der Aktenbestand der JPB enorm angeschwollen, und eine Unterbringung nicht mehr so leicht zu handhaben.
     Besonders das Archiv der Jungen Presse Berlin, das zu diesem Zeitpunkt schon auf mehrere hundert verschiedene Schülerzeitungen angewachsen war und bis in das Jahr 1945 zurückreichte, bereitete einige Sorgen. Schließlich blieb nur noch die Möglichkeit, den gesamten Aktenbestand einfach wegzuwerfen. Wäre da nicht ein junger Schülerzeitungsredakteur gewesen, der die Akten nach Bremen mitnahm, wo sie für mehrere Jahre in einer Garage verharrten.
     Die Renaissance erlebte die Junge Presse Berlin 1976, als sie von der Landesschülervertretung und von verschiedenen Schülerzeitungsredakteuren reaktiviert wurde. Schöner hätte es auch gar nicht sein können,
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denn so wurde die Junge Presse »von unten« wieder aufgebaut. Der nächste Ärger folgte jedoch sogleich auf dem Fuße. Die nunmehr SPD-dominierte Junge Presse spaltete sich 1978 in einen Verband der Jusos und einen der sogenannten Spontis. Die Lebensdauer der Juso-Fraktion erwies sich als nicht sehr lang. Nunmehr hatte man einen Verband von lauter Ja-Sagern, der keinen vernünftigen Austausch mehr förderte. Das wurde auch recht schnell erkannt und die Forderung nach Wiedervereinigung wurde laut.
     Der ganze interne Streit hatte zur Folge, daß die Schülerzeitungen vernachlässigt wurden und eine Servicearbeit gar nicht mehr bestand. Eine Wiedervereinigung zwischen den Jusos und den Spontis wurde aber nicht mehr vollzogen, vielmehr existierte nach einiger Zeit nur noch die JPB der Spontis. Die Arbeit nahm wieder ihren gewohnten Lauf, und 1983 konnte schließlich das JPB-Archiv aus Bremen nach Berlin überführt werden.
     Anfang der 90er bezog die Junge Presse Berlin dann ein Kellerbüro in der Perleberger Straße zusammen mit der Deutschen Jugendpresse; die Mitgliederzahl wuchs auf rund 300 an. Auch die aktiven Mitglieder verdoppelten sich. Hatten Peer, Jan und Jens 1994 noch alleine »gewirtschaftet«, kamen bald einige neue Köpfe und auch neue Ideen hinzu. Genauso wie vor 50 Jahren ist unser Hauptziel, jungen Schülerzeitungsredakteu-
ren bei ihrer Arbeit und natürlich auch im Falle auftretender Problem zu helfen.
     Mehrmals im Jahr veranstalten wir nun Schülerzeitungsseminare, in denen jungen Redakteuren die wichtigsten journalistischen Handgriffe, Stilformen, Layout und Finanzierung nähergebracht werden sollen. Seminare zum Thema Taubheit oder Computer für Mädchen haben wir ebenfalls durchgeführt.
     Gemeinsam mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) entwickelten wir vor zwei Jahren eine Seminarreihe zum Thema »Let's write about Sex«. Innerhalb dieses Seminars sprachen wir mit den Teilnehmern über Themen wie Rollenverhalten, Homosexualität oder Sex in den Medien. Artikel dazu sind von den Teilnehmern verfaßt worden. In insgesamt fünf verschiedenen Städten wurden diese Seminare durchgeführt, die bei den Teilnehmern immer großen Anklang gefunden haben.
     Ich stieß als vorerst erste Frau in dem bestehenden Team 1995 hinzu und bekam dann ein Jahr später Unterstützung von Jütte. Gemeinsam organisierten und gestalteten wir die Wanderaussstellung »50 Jahre Schülerzeitung«, die im vergangenen Jahr durch viele Berliner Bibliotheken »tourte«. (Vgl. BM 10/96, S. 107 f.) Auf sechs Stellwänden wurden Schülerzeitungsartikel aus den vergangenen fünf Jahrzehnten vorgestellt, alle aus unserem geretteten Archiv entnom-
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men. Ende August konten wir einen Schülerkalender herausbringen, der in erster Linie von Sebastian und Peer organisiert und konzipiert und an viele Schüler kostenlos verteilt wurde.
     Vor acht Jahren gründete die Junge Presse Berlin die Mailbox JPBerlin, die immer noch aktiv ist und somit eines der ältesten Mailboxsysteme Berlins darstellt. Besonders attraktiv ist die JPBerlin für Schülerzeitungsredakteure. Hier können sie auf viele Kollegen treffen, Tips und Erfahrungen austauschen. Im Laufe der Jahre haben inzwischen so manche angeregten Diskussionen stattgefunden.
     50 Jahre nach dem denkwürdigen Ereignis hat die Junge Presse Berlin inzwischen ihr Büro in der Perleberger Straße um fünf Zimmer im Erdgeschoß erweitert. So konnten wir ein eigenes Seminar- und Schulungszentrum gründen, das wir »Berliner Medienladen« getauft haben. Seit dem Umzug im Juli stehen uns nun zusätzlich ein Computerraum und ein moderner Seminarraum für rund 20 Seminarteilnehmer zur Verfügung, mehrere Übernachtungsmöglichkeiten werden bald hinzukommen.
     Die Junge Presse Berlin führt seit September im Monat mehrere Seminare zum Thema Schülerzeitungen und Zensur, Internet und Computerbenutzung, Journalismus und Stilformen durch. Damit in den nächsten 50 Jahren auch noch eine Menge passieren kann.
Das Büro der JPB in der Perleberger Straße 31 in 10559 Berlin (Moabit) ist jeweils am Dienstag von 19–22 Uhr und am Freitag von 18–21 Uhr geöffnet. Wer noch Fragen zu der 50-Jahr-Feier am 1. November hat oder Infos zur JPB bekommen möchte, kann sich telefonisch bei uns melden unter 396 21 08 oder einfach mal vorbeikommen.
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© Edition Luisenstadt, 1997
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