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sich die Frage nach den Auswirkungen auf die Raumplanung, den Territorialausbau und die Infrastruktur dieses Gebietes.1) Es geht darum, ob ursprüngliche Landesstrukturen überdauerten und sich im weiteren Verlauf bei der Gestaltung des Raumes fortsetzten, oder ob sie durch neue Strukturen ersetzt wurden, die eventuell ein völlig neues Beziehungsgefüge zwischen Umland und Metropole und den neuen Verwaltungsgebieten untereinander entstehen ließen. Auch ist zu klären, ob die Art und Intensität der Beziehungen zwischen den brandenburgischen Bezirken einem eigenen Grundmuster folgten, das sich aus dem traditionellen Beziehungsgeflecht herleitete, oder ob diese Beziehungen den Charakter von Beliebigkeit annahmen, die sich nur unwesentlich von den Beziehungscharakteristika zwischen völlig unterschiedlichen Verwaltungsbezirken unterschieden. Die Annahme, daß sich der radikale Umbau des politischen Systems in der DDR, der ab 1952 mit der vertikalen Neuordnung der staatlichen Verwaltung einen entscheidenden Impuls erfuhr und zum Verlust landesplanerischer Kompetenz führte, unmittelbar auf die Raumplanung und Raumgestaltung auswirkte, liegt nahe. Ob es sich tatsächlich so verhielt und welche Wirkungen dieser Wandel demnach hatte, welchem Muster er folgte und welchen Einflußfaktoren diese Entwicklung unterworfen war, bedarf indes einer eingehenden Prüfung. | ||||
Detlef Kotsch
Das Umland von Berlin und die geteilte Metropole Raumplanung und Strukturentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg Kaum eine Region Deutschlands ist in ihrer Raumstruktur nach dem Zweiten
Weltkrieg so nachhaltig verändert worden wie die
von Berlin- Brandenburg: Zunächst die Abtrennung der Metropole vom Umland
aufgrund alliierter Bestimmungen, dann die Teilung der Metropole, deren westlicher Teil
völlig isoliert wurde und deren östlicher Teil
sich wieder in das Umland reintegrierte.
Schließlich die Provinz Brandenburg selbst, die
1945 rund ein Drittel ihres Gebietes im Osten verlor und in bezug auf Berlin ihre
Umlandfunktion zu wichtigen Teilen einbüßte
zum Nachteil für beide Seiten, das Umland und die Metropole. Schließlich gliederte
sich das Land Brandenburg, wie auch die anderen Länder der DDR, in mehrere
Verwaltungsbezirke auf, die untereinander keine nennenswerten Beziehungen mehr
unterhielten.
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Ich möchte mich hier auf die
Planungsmechanismen und Planungsinstrumente konzentrieren. Zunächst zu den Begriffen:
Während heute von Raumplanung die Rede ist, dominierte zu jener Zeit der Begriff der
Landesplanung. Er deckte Bedeutungsinhalte ab, die später dem Raumbegriff
zugeordnet wurden. Als Landesplanung bezeichnete man seit der Weimarer Republik das
Bemühen der öffentlichen Hand um eine
optimale Raumnutzung auf überregionaler
Ebene, jedoch innerhalb einer zumeist wirtschaftsräumlich abgrenzbaren
Region.2) Planung beinhaltete zum einen die umfassende Bestandsaufnahme und wissenschaftliche Durchdringung der raumwirksamen
Kräfte bzw. der durch sie entstandenen
Probleme. Zum anderen handelte es sich dabei um
die aus der Bestandsaufnahme heraus hergeleitete Erarbeitung eines Nutzungskonzepts, somit eines Flächenaufteilungsplanes
für den in Frage stehenden Raum. Drittens umfaßte der Planungsbegriff die vom Gesetzgeber oder von der Verwaltung zur
Verwirklichung des Konzepts in die Wege geleiteten
Durchführungsmaßnahmen.3)
Hinsichtlich des Raumbezuges war Landesplanung überwiegend Raumplanung, oder genauer: Sie war kleinbzw. teilräumige, also überörtliche Planung. Sie orientierte sich weniger an Verwaltungsgrenzen als an sachlichen Gegebenheiten, die sich vorrangig aus der wirtschafts- und siedlungsstrukturellen Entwicklung ergaben. Der An- | spruch, Planungsentwürfe für eine
Provinz oder gar ein Land zu liefern, spielte kaum eine Rolle, mit Ausnahme der
Verkehrsplanung, die sich beim Ausbau des
Wasserstraßen- und Eisenbahnnetzes schon
frühzeitig als Landesplanung im wörtlichen Sinne
verstand. 1932 gab es im Deutschen Reich 30 Landesplanungsorganisationen.
Starke Impulse gingen von den beteiligten Städten und Kreisen aus, weshalb Landesplanung zu jener Zeit auf besondere Weise kommunale Interessen artikulierte, ehe die Nationalsozialisten in dem von ihnen geschaffenen totalitären Staatswesen eine gesamträumliche Planung etablierten. Nach dem Kriegsende befand sich die Landesplanung in einer völlig verworrenen Situation. Zerstörung und Desorganisation verlangten geradezu nach einer kompetenten und entscheidungsfähigen Landesplanung, um die Probleme zu bewältigen. Landesplanung setzte in der Nachkriegssituation auch sehr schnell ein. Sie beschränkte sich jedoch ausschließlich auf Teilbereiche, zum Beispiel das Verkehrswesen, und wurde auch hier nur punktuell wirksam. Unter den Bedingungen der sowjetischen Demontagen, die sich für deutsche Stellen wichtiger Informationen entzogen und somit jeder zusammenhängenden Landesplanung die Basis nahmen, konnte dieser Zustand kaum verwundern. Der Planungsehrgeiz auf deutscher Seite beschränkte | |||||
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sich so zunächst mit einigen
Ausnahmen, auf die an anderer Stelle einzugehen
ist4) auf örtliche Planung.
Von Raumplanung und räumlicher Strukturgestaltung war hingegen keine Rede. Das zeigte sich sowohl in der Gesetzgebung, die sich im Land Brandenburg auf das Wiederaufbaugesetz vom 19. Oktober 1946 5) und die darauf beruhenden Weisungen6) beschränkte, als auch in den Aufgaben und Kompetenzen der zuständigen Verwaltungsbehörde. So hatte sich die Hauptabteilung Aufbau im brandenburgischen Wirtschaftsministerium ausschließlich um die Trümmerberäumung und Wohnungsreparatur in den Städten zu bemühen, hingegen nicht um raumstrukturelle Planungen. Als im Sommer 1948 auf kommunales Betreiben hin Planungsverbände in Frankfurt an der Oder, Cottbus, Potsdam, Perleberg und Neuruppin ihre Gründung ankündigten, wurde ihnen dieses Vorhaben von der brandenburgischen Landesregierung untersagt. Gerade das Modell des Zweckverbandes »Oderland« mit Sitz in Frankfurt erinnerte an die 1929 geschaffene Landesplanungsstelle des damaligen Regierungsbezirkes Frankfurt und bedeutete zugleich eine Initiative der an einer Kooperation interessierten Kreise Lebus, Oberbarnim, Templin, Prenzlau, Angermünde, Guben und Beeskow- Storkow zur gemeinsamen Lösung von Aufgaben in diesem stark zerstörten Gebiet an der Oder. Zweck dieses Zusammenschlusses sollte sein, im | Einvernehmen mit der
Landesregierung Vorschläge für den Wiederaufbau in landesplanerischer Beziehung, verkehrlicher Beziehung und wirtschaftspolitischer
Beziehung auszuarbeiten und zu
unterbreiten.7) In Potsdam stießen diese Ideen auf
Ablehnung. Im Gegenzug übertrug der
Ministerpräsident der ihm direkt unterstellten
Hauptabteilung Wirtschaftsplanung die Weisungsbefugnis über Aufbau und Tätigkeit
von Planungsorganen im Land, allerdings ausschließlich auf dem Gebiet der
Wirtschaft.8)
Noch ehe sich unter diesen Bedingungen eine umfassende Landesplanung etablieren konnte, wurde sie bereits von der Zentralplanung abgelöst. Dieser Wandel setzte 1947 mit der Einrichtung der Deutschen Wirtschaftskommission als gesamtzonale Planungsbehörde bzw. ihrer Umwandlung im Jahr 1948 zu einer Art gesamtzonaler Ersatzregierung ein und gewann 1949/50 mit der Einrichtung des Ministeriums für Aufbau und der Deutschen Bauakademie sowie der ihnen unterstellten zentralen und dezentralen Behörden seinen Abschluß. Dagegen büßten die Landesbehörden ihre ja nie sehr große Planungsselbständigkeit fast vollständig ein. Auch in den zonalen bzw. DDR- Zentralbehörden dominierte zunächst der punktuelle Städtebau gegenüber landesplanerischen Ansätzen, was sich auch in den wichtigsten Dokumenten jener Zeit, dem »Aufbaugesetz« der DDR, den »Sechzehn Grundsätzen des | |||
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Städtebaus« und den Festlegungen des III. Parteitages der SED aus dem Jahr 1950 zeigte. Der wirtschaftspolitische
Paradigmenwechsel, der bereits 1948/49 mit dem ersten Zweijahresplan der Wirtschaft
begann, zog jedoch schnell und zunächst wohl
unbewußte landesplanerische Konsequenzen nach sich. Die Rekonstruktion wichtiger Industrieunternehmen, der Ausbau von Industriezweigen und die Etablierung
völlig neuer Industrien ging mit wichtigen
Standortentscheidungen einher. Solche Entscheidungen führten in der Regel zu einem beschleunigten Auf- und Ausbau der betreffenden Städte, zur Umsiedlung von
Arbeitskräften bzw. zur Steuerung neuer
Pendlerbewegungen und zur Herrichtung von Verkehrswegen. Was zunächst als Städtebau geplant wurde, bedeutete in praxi oft auch Raumgestaltung. Alte
Raumstrukturen, die durch Krieg und Demontagen beeinträchtigt worden waren, entstanden auf diese Weise neu und wurden in
Einzelfällen bereits zu diesem frühen
Zeitpunkt durch neue Elemente ergänzt, die
völlig neue Raumstrukturen nach sich zogen. Die aktive Raumgestaltung hatte zu Beginn der 50er Jahre längst konkrete Gestalt
angenommen.
Damit stellen sich neue Fragen. Zum Beispiel danach, ob die Planungen, auf deren Grundlage sich diese Prozesse vollzogen, ausgereift und damit sinnvoll waren. Es gilt herauszufinden, wer die Planungen voran- | trieb, auf welchen politischen und
theoretischen Grundlagen sie sich vollzogen und wer letztlich die Entscheidungen traf, wer somit die Verantwortung für Erfolg oder Mißerfolg trug.
Die oberste Entscheidungsgewalt lag auch in diesem Fall bei der SED- Führung. Als wichtigste Arbeitsbehörden traten das Ministerium für Aufbau und die Deutsche Bauakademie in Erscheinung, wenngleich dort keine konkrete Raumplanung betrieben wurde.9) Teilweise führten die Planungsarbeiten die auf Landesebene entstandenen Staatlichen Entwurfsbüros in Potsdam, Schwerin, Halle, Dresden und Weimar aus;10) sie wurden 1954, nun als Staatliche Entwurfsbüros für Stadt und Dorfplanung, auf alle Bezirksstädte mit jeweils 10 bis 19 Mitarbeitern verteilt und planungs- sowie weisungsrechtlich den Räten der Bezirke unterstellt.11) Sie blieben jedoch vorrangig Architekturbüros. Ansätze einer professionellen Raumplanung, inzwischen »komplexterritoriale Planung« genannt12), entwickelten sich in der Staatlichen Plankommission als Zentralbehörde in Ost-Berlin und in den Plankommissionen der Räte der Bezirke. Vor allem die Einrichtung der Bezirkswirtschaftsräte, die 1958 als erweiterte Planungsbehörden entstanden, wirkte sich hier impulsgebend aus. Die Raumplanung stützte sich nun auf theoretische Grundsatzarbeiten zur Standort- und Raumentwicklung sowie | |||||
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auf Forschungen zur Gebietsplanung, die vor allem Geographen an einigen Hochschulen und Universitäten durchführten, besonders an der Hochschule für Ökonomie in Berlin- Karlshorst.
Zugleich deuteten sich bereits in dieser Phase theoretische Defizite an, zu denen der zunehmende Dualismus von physischer Gebiets- und ökonomischer Territorialplanung ebenso gehörte wie die Trennung von ländlicher und städtischer Planung. Als Hemmnis erwies sich zudem die vor allem ideologisch begründete Voreingenommenheit gegenüber dem Begriff der Infrastruktur, der als »westlich« galt und daher ignoriert wurde. Die Ersatzbegriffe »materielltechnische Territorialstruktur« und »gebietswirtschaftliche Basisstruktur« waren nicht nur schwerfällig. Sie erwiesen sich auch als ungenau und erfaßten zumeist nur Teilbereiche, jedoch selten die Infrastruktur insgesamt. Die theoretischen Defizite zusammen sollten später die praktische Raumbzw. Territorialplanung negativ beeinflussen. In den 60er Jahren, als die DDR- Führung in den Instrumentarien einer erweiterten Planung den Ausweg aus der wirtschaftlichen Misere suchte, entstanden in den Bezirken Büros für Territorialplanung in Frankfurt an der Oder schon 1963, unmittelbar nach der Verkündung des Neuen Ökonomischen Systems der Planung und Leitung (NÖSPL) durch den Ministerrat der DDR, | in Cottbus ein Jahr später und in Potsdam zwei Jahre später.13) Die Büros, die überwiegend junge Ökonomie- und Geographie- Hochschulabsolventen einstellten und strukturell aus dem Bereich Gebietsplanung der bezirklichen Büros für Gebiets-, Stadt und Dorfplanung hervorgingen, unterstanden den inzwischen wieder selbständigen Bezirksplankommissionen14) als wissenschaftliche Einrichtungen zur Vorbereitung ökonomisch begründeter Entscheidungen und Lösungen zur Entwicklung der bezirklichen Territorialstruktur.15) Sie erarbeiteten Gebietsentwicklungsprogramme und Standortstudien, Untersuchungen zur Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung, bezirkliche Wohnungsbaukonzeptionen und Perspektivpläne der technischen und sozialen Infrastruktur. Als wertvolle Arbeitsergebnisse entstanden Planungsatlanten und Planungskataster. Da zeitgleich Büros für Städtebau eingerichtet und den Bezirksbauämtern unterstellt wurden16), löste man die Staatlichen Entwurfsbüros für Stadt und Dorfplanung auf. Als besondere Planungsorgane wurden 1969 bezirkliche Büros für Verkehrsplanung gebildet, die den Abteilungen Verkehr, Wasserwege und Nachrichten der Räte der Bezirke unterstanden.17) Die dezentrale Territorialplanung erlebte auf diese Weise in den 60er Jahren einen gewissen Höhepunkt18), was mit der partiellen Dezentralisierung der staatlichen Verwaltung auf Bezirksebene korrespondierte. Kaum eine | |||
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Rolle spielten bei der Territorialplanung hingegen die Kreise. Dort hatte in den Kreisplankommissionen je ein Mitarbeiter für den Gesamtbereich der Territorialplanung lediglich Zuarbeiten für die Bezirksbehörden zu erledigen. Die partielle Dezentralisierung der 60er Jahre wurde zu Beginn der 70er Jahre wieder durch eine straffere Zentralisierung abgelöst. Bei der Staatlichen Plankommission in Berlin wurde 1971 die Forschungsleitstelle für Territorialplanung gegründet. Sie lieferte Studien und beförderte den informellen Ideenaustausch zwischen den Hochschulen und den staatlichen Planungsstellen.19) Zu einer einflußreichen Institution entwickelte sich der Wissenschaftliche Rat für Wirtschaftsforschung, der unter Leitung von Helmut Koziolek20) rasch die wesentlichen Elemente der Planungskompetenz auf diesem Gebiet an sich riß.21) Statt Interdisziplinarität der Territorialplanung blieb in dieser Phase die sektorale Isolation zwischen Wirtschafts-, Siedlungs- und Infrastruktur erhalten. Da sämtliche Planungen zudem der politischen Opportunität unterworfen waren, war die Territorialplanung kaum in der Lage, praktische Varianten zur Lösung der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Probleme des Landes vorzulegen. Im Jahr 1983 unternahm die Staatliche Plankommission mit der Verabschiedung des »Generalschemas für die Verteilung der Standortentwicklung der Produktivkräfte in der DDR« | den letzten Versuch, diese Probleme durch eine langfristige und zentralisierte Planung unter Kontrolle zu bekommen.
Bemühungen, an deren Stelle verstärkt mit
dezentralen Planungsmechanismen zu
operieren,22) scheiterten bis Ende 1989
immer wieder an dem zentralistischen Führungsanspruch der obersten politischen
Herrschaftselite in der DDR. Die Tätigkeit der
Bezirksbüros für Territorialplanung
erschöpfte sich seit den 70er Jahren überwiegend
in der Adaption der zentralen Planvorgaben auf die bezirkliche Situation sowie in der
Sammlung und Bereitstellung von Datenmaterial für die zentralen Planungsprozesse.
Das Fazit muß somit lauten: Ja, Raumplanung fand in der DDR statt, jedoch vorrangig als Prozeß ohne ausreichende Beteiligung der Regionen, denen weder ein nennenswertes Mitspracherecht gegeben noch die Berücksichtigung dezentraler Interessen eingeräumt war. Welche Auswirkungen hatte diese Planung nun in praxi? Eine knappe Bilanz für den Raum Berlin- Brandenburg: Die alte räumliche Struktur hatte sich in wichtigen Punkten gewandelt. Eine Sonderstellung nahmen darin die 12 westlichen Bezirke von Berlin ein. Praktische Verbindungen zum Umland gab es kaum noch, mit Ausnahme der Abwasser- und Abfallbehandlung und des Transitverkehrs. Zwischen dem Ostteil Berlins und dem östlichen Umland hatte man sich vor allem seit den 70er Jahren | |||||
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um eine Neubelebung aktiver
Beziehungen bemüht, nachdem diese aus politischen
und Sicherheitserwägungen heraus in den 50er Jahren reduziert worden waren.
Spürbare Veränderungen hatten sich im Siedlungsnetz der drei brandenburgischen Verwaltungsbezirke vollzogen, begleitet von der Entstehung neuer wirtschaftlicher Zentren. Zu in sich geschlossenen Siedlungskörpern hatten sich die Bezirke aber nicht entwickelt. Vielmehr gliederten sich die Verwaltungsbezirke in mehrere Siedlungsräume, die sich um solche Siedlungszentren gruppierten, die Umlandfunktionen ausübten. Größe und Bevölkerungsdichte dieser Räume war ebenso unterschiedlich wie die Größe der Zentren. In einigen Regionen zeigte sich indes, daß die von den Planungsbehörden definierten Siedlungszentren nicht die notwendigen Bindungskräfte zu entwickeln vermochten, um die zentralörtlichen Funktionen tatsächlich zu erfüllen.23) Diese Entwicklung zeigte sich besonders in den strukturschwachen Regionen, so im Nordosten des Bezirkes Potsdam, wo die traditionellen Bindungskräfte von Wittenberge noch lange fortwirkten und Wittstock nur teilweise diese Funktionen zu übernehmen vermochte. Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich im Südwesten von Potsdam (Belzig, Jüterbog) und im Westen des Bezirkes Cottbus (Jessen- Herzberg). Starke Gravitationskräfte der Metropole Berlin wirkten in die großen Siedlungs- | räume
Fürstenwalde- Erkner- Rüdersdorf, Oranienburg- Hennigsdorf und Königs Wusterhausen- Wildau hinein. Über die Bezirksgrenzen hinaus blieben auch die
uckermärkischen Siedlungsbeziehungen erhalten, wie sich an der kommunalen Kooperation zwischen Schwedt und Prenzlau
zeigte. Während sich der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg entstandene Siedlungsraum Brandenburg- Rathenow- Premnitz
in seinen Grundstrukturen erhielt,24)
entstanden um Potsdam herum neue Siedlungsbeziehungen; Potsdam übernahm einen
Teil der zentralörtlichen Funktionen, die zuvor Berlin in diesem Gebiet ausgeübt hatte.
Im Siedlungsraum Frankfurt- Eisenhüttenstadt blieb lange Zeit die Entscheidung offen, welche Stadt die zentralörtliche Funktion zu übernehmen hätte; erst Ende der 60er Jahre fiel sie zugunsten von Frankfurt. Im Bezirk Cottbus hatten die städtebaulichen und wirtschaftlichen Entwicklungen die Entstehung von zwei großen Siedlungsräumen mit Cottbus und Hoyerswerda zur Folge, während traditionelle Zentren wie Guben und Finsterwalde ihre ursprüngliche Bedeutung einbüßten. Zum Teil waren diese Veränderungen das Ergebnis eines nachholenden Modernisierungsprozesses, der in anderen Regionen Ostdeutschlands schon früher stattgefunden hatte. Zum Teil ergaben sich diese Veränderungen aber auch aus den Prioritäten der Wirtschaftspolitik in der DDR, wonach es vor allem um die Entwick- | |||||
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lung der Grundstoff- und
Schwerindustrie ging, für die es im wiedervereinten
Deutschland kaum Bedarf gibt. Der »Rückbau«
dieser Entwicklungen ist vor allem im Raum Berlin- Brandenburg mit großen
sozialen Härten verbunden. Ein
wirtschaftspolitisches und raumplanerisches Konzept
zur Bewältigung dieser Probleme ist nicht in Sicht.
Quellen und Anmerkungen:
| Leipzig 1983, S. 6988; G. Herfert: Die
Bestimmung der Zentralität und ihrer
Kausalstruktur, dargestellt an ausgewählten Siedlungsräumen
in vorwiegend agrarisch geprägten Gebieten
des Bezirkes Potsdam, Diss. A, Pädagogische
Hochschule Potsdam 1982; M. Hoffmann:
Flächennutzung in einer sozialistischen
Gesellschaftsordnung, dargestellt am Beispiel der
Deutschen Demokratischen Republik (Gießener
Abhandlungen zur Agrar- und Wirtschaftsforschung des europäischen Ostens, Bd. 122), Berlin 1983;
Karl Heinz Kalisch: Grundzüge der
sozialistischen Territorialplanung in der DDR und der
kapitalistischen Raumplanung in der BRD, Diss. B, Berlin 1977; W. Ostwald: Territorialstruktur
und Intensivierung in der DDR, In: Geographische Berichte (1986), H. 4, S. 229244; D. Scholz/
H. Schmidt: Ballungsgebietsforschung in der DDR. Leistungen und Perspektiven, In:
Wissenschaftliche Mitteilungen des Instituts für
Geographie und Geoökologie der Akademie der
Wissenschaften der DDR (1988), H. 27, S. 2532;
Karl Eckart (Hrsg.): Raumplanung und Landesplanung in Deutschland, Berlin 1993
2 Vgl. Norbert Ley: Landesplanung, In: Handwörterbuch der Raumforschung und Raumordnung, Hannover 1970, Sp. 1 713 ff., hier: Sp. 1 732 3 Vgl. Christian Engeli: Landesplanung in Berlin- Brandenburg. Eine Untersuchung zur Geschichte des Landesplanungsverbandes Brandenburg- Mitte 19291936 (Schriften des Deutschen Instituts für Urbanistik, Bd. 75), Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1986, S. 11 f.; vgl. auch: Martin Pfannschmidt: Landesplanung im engeren mitteldeut- | |||||
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schen Industriebezirk, In: Raumordnung
und Landesplanung im 20. Jahrhundert
(Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung
und Landesplanung. Historische Forschung, Bd. 10), Hannover 1971, S. 1728
4 Das betraf einmal den Verkehrsbereich, der mit Blick auf die veränderten Hauptverkehrsströme in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR neue Hauptwege erforderte, und zum anderen die Siedlungsbeziehungen im Berliner Verflechtungsraum. 5 Gesetz- und Verordnungsblatt (1946), S. 379 6 Bundesarchiv, Außenstelle Potsdam (BA AP), DH1/41947 7 Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt Frankfurt an der Oder an den Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg/Hauptabteilung Wirtschaftsplanung vom 28. Oktober 1948, In: BLHA, Rep. 202C/212, Bl. 262 8 Schreiben des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg/Hauptabteilung Wirtschaftsplanung an den Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt an der Oder vom 3. September 1948, In: BLHA, Rep. 202C/212, Bl. 262 9 Die Deutsche Bauakademie, gegründet im Januar 1951 (seit 1972: Bauakademie der DDR), war Gelehrtengesellschaft und Forschungseinrichtung, die dem Ministerrat unterstand. Zur Bauakademie gehörten u. a. das Institut für Städtebau und Architektur, das vereinzelt Arbeiten zur Raumplanung leistete, sowie die Institute für Theorie und Geschichte der Baukunst, für Architektur und Wohnungsbau, für Architektur der Bauten der Gesellschaft und der Industrie, für | landwirtschaftliche Bauten und für Innenarchitektur.
10 BA AP, DH1/39092 11 BA AP, DH1/38966 12 So im Gesetz über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsapparates vom 11. Februar 1958 offiziell formuliert und als Aufgabe der Bezirkswirtschaftsräte festgelegt, In: Gesetzblatt der DDR, Teil 1 (1958), S. 52 13 Vgl. die betreffenden Bestandsübersichten, In: BLHA, Rep. 403, 603, 803 14 Vgl. oben im Text (Kapitel 2) 15 Vgl. Staatliche Plankommission/Abteilung Territoriale Planung, Konzeption zur Bildung der Büros für Territorialplanung bei den Bezirksplankommissionen, Berlin, 9. Dezember 1964, In: BLHA, Rep. 801/3571. Die Büros existierten bis zum Jahr 1991 und wurden dann in reduzierter Form als Abteilung Raumordnung in das brandenburgische Landesumweltamt überführt. 16 Das Potsdamer Büro wurde auf Erlaß des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr vom 10. April 1991 in das neuerrichtete Institut für Stadtentwicklung und Wohnen des Landes Brandenburg übernommen. Amtsblatt für Brandenburg Nr. 8 vom 10. Mai 1991 17 Aus den Büros gingen 1991 das brandenburgische Landesamt für Verkehr und Straßenbau (dem Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr unterstellt) sowie die Außenstellen des Landesamtes hervor. 18 Von einer dezentralen Planungsautonomie, wie in der Bundesrepublik Deutschland mit Art. 28 | ||||
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GG den Ländern und Kommunen
übertragen, kann dennoch keine Rede sein, weshalb den Thesen von der relativen Analogie zwischen der Raumplanung in beiden deutschen Staaten
zu widersprechen ist.
19 Vgl. Forschungsleitstelle für Territorialplanung der Staatlichen Plankommission, Protokoll der Beratung der Forschungsgruppe »Siedlungsstruktur« am 27. und 28. Oktober 1976 in Frankfurt an der Oder, 8. November 1976, In: BLHA, Rep. 601/3495 20 Seit 1963 Leiter des Ökonomischen Forschungsinstituts der Staatlichen Plankommission, 19651990 Direktor des Zentralinstituts für Sozialistische Wirtschaftsführung; Mitglied der Akademie der Wissenschaften und des ZK der SED 21 Wichtige Entscheidungen, die der Ministerrat treffen sollte, waren zuvor im Wissenschaftlichen Beirat zu beraten. Angaben zu diesem Mechanismus bei W. Ostwald/K. Scherf: Probleme der planmäßigen, proportionalen Entwicklung der Siedlungsstruktur der DDR. Bericht vor dem wissenschaftlichen Beirat der SPK 1973, In: BLHA, Rep. 401/VD-82 22 Vgl. G. Mohs/H. Usbeck: Urbanisierung, Strukturen, Prozesse, In: Wissenschaftliche Mitteilungen des Instituts für Geographie und Geoökologie der Akademie der Wissenschaften der DDR, Bd. 8, Leipzig 1983, S. 2125 23 Zu der besonderen Funktion, die nach den Planungen die Kreisstädte ausüben sollten, vgl. J. Lange/G. Suchy: Zur Problematik der Beziehungen von Kreisstädten zu ihrem Umland, dar | gestellt am Beispiel der Städte Fürstenwalde
und Luckenwalde unter besonderer
Berücksichtigung des Verkehrs als Mittler arbeitsräumlicher
Beziehungen, In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt- Universität Berlin, Mathem.- Nat.
R., 1975, H. 1, S. 4754
24 Diese Entwicklung wurde durch die staatliche Territorialplanung befördert, wogegen der Versuch, Teile der angrenzenden Kreise Havelberg und Genthin in die gemeinsame Planung einzubeziehen, an der Verwaltungsgrenze zum Bezirk Magdeburg scheiterte. Rat des Bezirkes Potsdam/Bezirksplankommission, Programm zur ökonomischen Entwicklung des Wirtschaftsgebietes Brandenburg- Premnitz- Rathenow, 26. Juli 1966, In: BLHA, Rep. 401/4949 | |||||
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© Edition Luisenstadt, 1997
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