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Berliner Biographien (S)
Sack, August Friedrich Wilhelm
S. war kein gebürtiger Berliner, verbrachte jedoch den größten Teil seines Lebens in dieser Stadt. Im März 1740 berief ihn König Friedrich Wilhelm I. (16881740, Kg. seit 1713) als Nachfolger des verstorbenen Johann Arnold Noltenius (16881740) auf eine Hof- und Dompredigerstelle. Er galt als guter Kanzelredner und hatte vielseitige Interessen. 1744 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Philosophischen Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften gewählt. Von 1751 bis 1766 übte er das Amt eines Visitators am Joachimsthalschen Gymnasium aus. Theologisch gehörte S. zu den gemäßigten Aufklärern und Neologen, die nicht mehr mit dem Pietismus sympathisierten. Sais, Tatjana
Nach einer Gesangs- und Ballettausbildung sowie Engagements in Frankfurt, trat S. seit 1932 auf Berliner Bühnen auf, u. a. im »Kabarett der Komiker« und in der »Katakombe«. Sie war in erster Ehe mit Günter Neumann (19131972), dem Chef der »Insulaner«, verheiratet. Bekannt wurde S. durch | die Übernahme der Gesangspartien bei den
»Insulanern«, dem legendären politischen Kabarett
des RIAS. Filmrollen spielte sie u. a. in »Bel
ami«(1939), »Berliner Ballade« (1948) »Der Engel, der seine Harfe versetzte« (1959). Sie wurde auf dem
Luisenfriedhof III in Charlottenburg neben Günter
Neumann begraben.
Sauerbruch, Margot
Sie war die zweite Frau des Chirurgen Ferdinand Sauerbruch (18751951) und führte an seiner Seite ein ereignisreiches und erfülltes Leben. Nach dem Studium in Berlin arbeitete sie zunächst als Internistin am Martin- Luther- Krankenhaus. Den Geheimrat S. lernte sie an der Charité kennen. Sie assistierte dem berühmten Mediziner bei Operationen; sie heirateten 1939. Die promovierte Ärztin war bis zuletzt als Gesellschafterin und Beraterin einer Firma tätig, die pharmazeutische und kosmetische Präparate auf Plazenta- Basis herstellte. Mit ihrem Mann teilte sie die Liebe zu Katzen und Pferden. Savigny, Karl Friedrich von
Der Sohn des berühmten Berliner Rechtsgelehrten Friedrich Karl von Savigny (17791861) studierte in Paris, Berlin und München Recht und trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein. Bald entschied er sich für die diplomatische Laufbahn und wurde in verschiedenen Residenzen Europas verwendet. Von | |||||
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1864 bis 1866 war er Preußens letzter
Bundestagsgesandter in Frankfurt am Main. Als Leiter der Regierungskonferenz für den Norddeutschen
Bund gehörte er zum engsten Mitarbeiterkreis
Bismarcks. S. war von 1867 bis 1868 preußischer
Abgeordneter und zwischen 1867 und 1875 Reichstagsmitglied, seit 1870 Fraktionsführer des Zentrums.
Schlicke, Alexander
Der engagierte Gewerkschaftssekretär avancierte 1895 zum Vorsitzenden des Metallarbeiterverbandes. In seiner Amtszeit entwickelte sich der Verband zur einflußreichsten deutschen Einzelgewerkschaft. Die von ihm vertretene »Burgfriedenspolitik« wurde auf der 14. Generalversammlung der Gewerkschaften abgelehnt, so daß er von seiner Funktion zurücktreten mußte. Von 1919 bis 1920 war er Reichsarbeitsminister. Danach leitete er von 1921 bis 1925 die Berliner Abteilung des Internationalen Arbeitsamtes Genf. Schmidt, Fritz
Nach mehrjähriger Praxis in Maschinenbaubetrieben trat der promovierte Ingenieur 1914 eine Stelle als wissenschaftlicher Oberassistent an der Bergakademie an. 1919 habilitierte er sich an der Technischen Hochschule Charlottenburg und erhielt 1922 einen Lehrauftrag für Maschinenlehre. 1925 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt | ||||
und mit der Leitung des Lehrstuhls betraut.
Neben seinem Fachgebiet betreute er auch die Fördertechnik. Der Verfasser mehrerer Lehrbücher
war Inhaber zahlreicher Bergbau- Patente. Als Hochschullehrer, der mit humorvollen Vorlesungen
die Studierenden mitzureißen verstand, genoß er
einen ausgezeichneten Ruf.
Schmidt, Paul Otto
S. arbeitete seit 1924 beim Fremdsprachenamt des Deutschen Reichstages. Bald darauf wurde er Chefdolmetscher im Auswärtigen Amt. Mit Reichsminister Gustav Stresemann (18781929) nahm er an allen wichtigen Konferenzen teil. Auch unter Reichskanzler Hitler behielt er sein Amt. So war er 1938 Übersetzer beim Münchener Abkommen. Der 1943 in die NSDAP eingetretene S. vermittelte sechs Jahre später in seinen Memoiren »Statist auf diplomatischer Bühne« einen Eindruck vom damaligen Zeitgeist und den politischen Hauptdarstellern. Schön, Gustav Rudolf
Sein Lebensweg war die beispielhafte Karriere eines sehr erfolgreichen Geschäftsmannes. In der Karibik aufgewachsen, in Hamburg als Kaufmann und Reeder zu Reichtum gelangt, erwarb er Anfang 1872 das großflächige Rittergut Weißensee. Seine Parzellierung und den Parzellenverkauf flankierte S. | ||||
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mit einer geschickten Pressekampagne für
Vorstadtsiedlungen im Berliner Osten. Diese löste einen Run auf Weißenseer Grundstücke aus
und ließ den Bodenpreis emporschnellen. Mit den Gewinnen aus dem Spekulationscoup siedelte er 1874 nach Paris über.
Schulenburg, Fritz-Dietlof Graf von
Wegen seiner Sympathien zur Arbeiterbewegung erhielt er den Spitznamen der »Rote Graf«. Er trat 1932 in die NSDAP ein, wandte sich aber nach der Röhm- Affäre von der Nazi- Ideologie ab. 1937 wurde er stellvertretender Polizeipräsident von Berlin. Als stellvertretender Oberpräsident von Schlesien bekam er 1939 Kontakt zum militärischen Widerstand um General Ludwig Beck (18801944). Ein Jahr später erklärte er seinen Parteiaustritt. S. gehörte bei der Vorbereitung des 20. Juli 1944 zum inneren Führungskreis und arbeitete am Entwurf der konservativen Verfassung mit. Nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler wurde S. zum Tod am Galgen verurteilt. |
Selbmann, Fritz
* 29. September 1899 in Lauterbach/ Hessen 26. Januar 1975 in Berlin Bergarbeiter, Politiker und Schriftsteller Der Sohn eines Kupferschmiedes arbeitete schon in früher Jugend als Bergmann im Ruhrgebiet. 1922 trat er der KPD bei und übte bald führende Funktionen in Oberschlesien und Sachsen aus. 1932 wurde S. in den Reichstag gewählt. Als politischer Häftling verbrachte er 12 Jahre in Zuchthäusern und Konzentrationslagern. In der DDR hatte er von 1953 bis 1955 das Amt eines Ministers für Schwerindustrie inne. 1958 wurde er wegen Unterstützung der angeblichen Fraktion Schirdewan/Wollweber im ZK der SED nicht mehr berücksichtigt. Seit 1964 lebte er als freiberuflicher Schriftsteller und Romancier. Von 1969 bis 1975 war er Vizepräsident des Deutschen Schriftstellerverbandes. Siemens, Georg von
Ohne Bankausbildung, aber mit Durchsetzungsvermögen und Weitblick ausgestattet, trat S. 1870 in die Direktion der neugegründeten Deutschen Bank. In seiner 30jährigen Tätigkeit brachte er das Unternehmen an die Spitze des deutschen Kreditgewerbes. Durch Einführung des Depositenkassensystems und die Festigung der In- und Auslandsfilialen stärkte er die Kapitalbasis der Deutschen Bank. Diese bildete die Voraussetzung für die Finanzierung und Entwicklung großer Industrie- und Eisenbahngesellschaften, wie z. B. der AEG, der Berliner Hoch- und Untergrundbahn, der Mannesmannröh- | |||||
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renwerke und der Bagdad- Bahn. S. war ein
Vetter des Industriellen Ernst Werner von Siemens (18161892).
Simrock, Clara
Die Ehefrau des Musikverlegers Fritz Simrock (18371901) führte seit den 1880er Jahren ihren musikalischen Salon täglich von 16 bis 18 Uhr im Haus »Am Karlsbad 3« in Tiergarten. Um das Jahr 1900 waren die Musiksoiréen und Matineen am Lützowplatz zu einem musikalischen Zentrum in Berlin geworden. Neben zahlreichen Sängern und Pianisten verkehrten dort u. a. die Komponisten Johannes Brahms (18331897), Anton Dvorak (18411904) und Max Bruch (18281920). Nach dem Tode ihres Mannes bat die alte Dame täglich zum Tee und führte Gespräche über Musik und Literatur. Streit, Guido Alexander Franz Friedrich Wilhelm von
Im Alter von 13 Jahren trat S. in das 28. Infanterieregiment ein. Er besuchte von 1830 bis 1832 die Ingenieur- und Artillerieschule. 1848 nahm er an der Niederschlagung der Straßenkämpfe in Berlin teil. Vier Jahre später wurde er Artillerieoffizier vom Platz in Spandau. Der 1859 in den Adelsstand erhobene erhielt 1865 seine Berufung zum Kommandanten von Spandau. 1869 zum Generalmajor | befördert, ernannten ihn die Spandauer für
seine Verdienste 1872 zu ihrem Ehrenbürger. Er war
Träger des Roten Adler Ordens III. Klasse mit
Schleife sowie des Kronen- Ordens II. Klasse. S. wurde
auf dem Luisenfriedhof am Fürstenbrunner Weg
in Charlottenburg begraben.
Struve, Gerhard
Nachdem er bereits längere Zeit als Bürgerdeputierter tätig war, wählte ihn die Stadtverordnetenversammlung im November 1890 zum unbesoldeten Stadtrat. Aufgrund seiner landwirtschaftlichen Erfahrungen wurde ihm die alleinige Leitung der staatlichen Rieselfelder übertragen. In Anerkennung seiner Leistungen beim Ausbau und der Umgestaltung der Rieselfelder erhielt er 1902 die Würde eines Stadtältesten. Das Vorwerk »Schenkendorf« wurde nach seinem Tod in »Struveshof« umbenannt. | |||
© Edition Luisenstadt, 1997
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