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Horst Wagner
Kurfürstliches Pfandhaus gegründet Leih- oder Pfandhäuser, jene noch immer oder schon wieder mehr benötigten
Institutionen, wo man etwas »versetzen« und
dafür schnell Bares bekommen kann, gibt es in Berlin genau seit 305 Jahren. Vom 26.
April 1692 ist das »Reglement Sr.
Churfürstl. Durchlaucht« Friedrich III. datiert,
wonach »das hiesige Adreß-Haus eingerichtet«
und zum »Director desselben Nicolas
Gauguet«, ein Berliner Hugenotte, bestellt wurde.
Ganz am Anfang der umfangreichen Verordnung wird festgelegt, daß an der Tür des
Hauses in der Friedrichstraße ein »großes Schild
mit Sr. Churfürstl. Durchl. Wappen affigiret«
und in deutscher und französischer Sprache
verkündet werden soll, daß hier »so wohl in
öffentlichen Auctionen als auch sonst nach Kauffmanns-Art allerhand Güter und
Waren ... angenommen und verkaufet werden«.
Namentlich aufgezählt werden dabei nicht nur Juwelen, Gold- und Silberartikel,
Stoffe, Hausgeräte und Möbel, sondern auch
»Pferde, Kutschen und dergleichen mehr«.
| sind. Damit auch sonst alles seine
Ordnung habe, seien nur solche Gewichte und
Maße zu verwenden, die vom Magistrat
»markiert« sind. Alle »Waaren und Effecten«, die
angenommen werden, müßten mit einem entsprechenden »Siegel und Stempel«
versehen werden. Über die Geschäfte sei ein
»Journal-Buch« zu führen, dessen Blätter vom
Französischen Gericht in Berlin »von Anfang bis
zu Ende numeriret werden«. In diesem Buch solle jeder, der etwas ins Adreß-Haus
bringt, »auff Teutsch oder Französisch, wie sie
es können«, seinen Namen sowie Maße
und Qualität der als Pfand abgelieferten
Dinge eintragen, damit er dieselben, so besser bei Kasse, auch wieder zurückfordern kann.
Im Paragraph 9 wird Director Gauguet bevollmächtigt, »auf die ihm anvertrauten
Effekten so viel Geldes, und so lange er will, vorzustrecken«.
Damit nun »Gesinde, so ihre Herren bestohlen oder sonst andere Diebe sich der Gelegenheit dieses Adreß-Hauses ... nicht bedienen mögen«, soll der Herr Direktor im Zweifelsfall die Ware zwar annehmen, aber »keinen Vorschuß darauf thun, bis er genugsame Nachricht eingeholt«. Wenn »reisende Leute oder andere Personen vom Lande ein oder anderes Gut ... versetzen wollen, so müssen sie mit bekannten Leuten aus der Stadt« ins Adreß-Haus kommen. In Artikel 27 wird Herrn Gauguet gestattet, auch als Haus- und Grundstücksmakler zu wirken, und im letzten, dem dreißigsten Paragra- | |||||
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phen, wird er kurfürstlich beauftragt, für
die neue Einrichtung die Werbetrommel zu rühren.
Das neue Adreß-Haus wurde bald eine bekannte Adresse in Berlin. Friedrich Nicolai erwähnt es in seiner 1786 herausgekommenen »Beschreibung der königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam« gleich drei Mal. Es werde hier, schreibt er u. a., »Geld gegen hinlängliches Pfand geliehen ... Man bekommt über das Pfand einen Schein auf einen Monat, der aber nach demselben noch ein Jahr, also zusammen dreyzehn, Monate gültig ist.« Die danach verfallenen Pfänder »werden von Zeit zu Zeit verauktioniert, welches vorher allezeit öffentlich bekannt gemacht wird«. Die Zinsen, die 1692 zwei Prozent betrugen, waren inzwischen auf sechs Prozent gestiegen. Hinzu kamen eine Magazinage genannte Aufbewahrungsgebühr von 1,5 Prozent und ein Einschreibungs-Geld von sechs Pfennig bis zwei Groschen. Das Adreß-Haus in der Friedrichstraße ist, wie man im 1834 herausgekommenen »Neuestem Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam« des Freiherrn von Zedlitz nachlesen kann, 1830 geschlossen worden. »Dagegen sind in fast allen Straßen Privat-Pfandleihen entstanden«, schreibt der darüber nicht erfreute Freiherr. Um das Pfandgeschäft wieder in zuverlässigere Hände zu legen, wurde noch 1834 unter dem Direktorat des Geheimen Hofrates Wetzel das | Königliche Leihhaus als Abteilung der
Preußischen Seehandlung in der Jägerstraße
gegründet. »Eine königliche Anstalt
nimmt jetzt die Pfänder der Armut auf,
königliche Beamte zahlen ihr das Geld aus, in
königlichen Büchern werden die Glieder der
großen Pauperitäts-Familie
einregistriert«, schreibt nicht ohne Ironie Robert
Springer 1868 in seinem Feuilleton »Das
Leihamt«, mit dem er seinen Sammelband »Berlin
wird Weltstadt« beginnt.
Im wieder Weltstadt werden wollenden Berlin von heute gibt es zwar Pfandleihen nicht mehr »in fast allen Straßen«, aber allein auf den »Gelben Seiten« der Telekom werben 17 Leihhäuser in größeren oder kleineren Annoncen, in der größten das seit 1875 bestehende Leihhaus am Görlitzer Bahnhof. | |||||
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© Edition Luisenstadt, 1997
www.luise-berlin.de