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Rahel Varnhagen, in die Wohnung der Familie
Claudius in Wandsbeck, das Haus der Boies in
Meldorf, das märkische Schloß des Alexander von der
Marwitz, um nur einige zu nennen. Er nimmt uns mit in die Autobiographien des Theologen Johann Otto Thieß und des
Geschichtsprofessors Ernst Moritz Arndt, um die Bürgerkultur zu
zeigen, deren Wurzeln weit zurückreichen. »Ihre
größte, vielfältigste Blüte aber entfaltete sich erst
nach Friedrichs des Großen Tod, begann schon vor 1848 zu welken und schwand dahin, je mehr Reichtum, Glanz und Macht zu Werten auch der
gebildeten Gesellschaft wurden.« (Seite 9)
In »Jugend vor zweihundert Jahren« erleben wir mit, wie Wilhelm Harnisch aus Wilsnack in der Prignitz und Friedrich Schumacher aus Altona sich im Gymnasium auf den einzigen Weg vorbereiten, den es damals für die Angehörigen der einfachen Stände in die akademische Welt gab: das Theologiestudium. »Wandsbeck« führt zu Claudius und dem Dichter und Übersetzer Johann Heinrich Voß, »Meldorf« zu dessen Schwager und Freund Heinrich Christian Boie, Mittelpunkt des Göttinger Hainbundes. Berlinkenner und -freunde werden mit besonderem Interesse einem Blick in die Stadt zur Zeit des Baumeisters Schinkel folgen. Zu Recht spricht Killy davon, mit welchen Schwierigkeiten das behaftet ist, und er beruft sich dabei auf den Kenner alles Märkischen, auf Theodor Fontane: »Das Berliner Leben unmittelbar nach der Schlacht von Jena ich meine etwa von 1808 bis 10 wo das königliche Paar aus Ostpreußen wieder in der Hauptstadt eingetroffen war war« total anders »als in den Jahren, die der Jenaer Affaire unmittelbar vorausgingen. Das Colorit der einen Zeit paßt nicht mehr für die andre; Stimmungen, Anschauungen, alles hatte sich geändert.« (Seite 52) Schinkel war 1793 als 12jähriger in die Stadt gekommen, er starb 1841, »sieben Jahre vor der neuen Revolution. Dazwischen liegt nicht nur ein Men- | ||||||
Walther Killy
Von Berlin bis Wandsbeck. Zwölf Kapitel deutscher Bürgerkultur um 1800 Verlag C. H. Beck, München 1996 Die Korrekturfahnen hat er noch gelesen, das Erscheinen seines Buches im Frühjahr 1996
konnte Walther Killy nicht mehr erleben. Im
Dezember 1995 war er im Alter von 78 Jahren gestorben;
einer der angesehensten Germanisten unserer Zeit,
Herausgeber vieler Kompendien, Anthologien,
Initiator und Organisator von Lexika. So ist »Von Berlin
bis Wandsbeck«, das Buch, das ihn lange, und wie er sagt mit Vergnügen beschäftigt hat, seine letzte Aufforderung geworden, uns der Vergangenheit bewußt zu werden, um die Gegenwart an ihr
zu messen. »So wie jedes literarische Werk zu
immer neuem Verstehen herausfordert, so wird eine
jede Generation sich immer neu zu ihrer eigenen Geschichte verhalten, und sei es nur, um sich des eigenen Ortes zu vergewissern.« (Seite 234) Als
wissenschaftlicher Schriftsteller war es stets sein
Anliegen, seine Erfahrungen mit Literatur zu
vermitteln, damit nicht vergessen wird, was wir der
Vergangenheit verdanken.
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schenalter, sondern die Scheide zwischen zwei Zeitaltern, wie sie ebenfalls 1841 durch die Promotion von Karl Marx bezeichnet werden mag. Er hatte in Berlin Hegels Lehren kennengelernt, und die waren freilich ganz anderer Art als diejenigen, welche Schinkel auf dem Gymnasium zum Grauen Kloster, fast ein halbes Jahrhundert zuvor, durch treffliche Lehrer vorgetragen worden waren. Und wieder anders war die Denkungsweise des Ehepaars Achim und Bettina von Arnim, bei deren erstem Sohn Schinkel Pate stand; anders die von Clemens Brentano, mit dem er nach Böhmen reiste; wieder anders diejenigen Wilhelm von Humboldts, dem er das Schlößchen Tegel umbaute, E. T. A. Hoffmanns, dem er die Operndekoration entwarf, zu schweigen vom bürgerlich auftretenden König Friedrich Wilhelm III., dessen Hauptstadt er die Gestalt gab.« (Seite 52) Wie wer in Berlin damals lebte, erfahren wir aus vielen noch unbekannten Briefen und Autobiographien u. a. der Rahel Levin, Schleiermachers, Karl Gutzkows, des Ägyptologen Brugsch, Karl Friedrich von Klödens. Vor allem aber: wie man miteinander umging, Anteil am anderen nahm. Killy schreibt, daß sich die Gesellschaft als immer offener erwies. »Das galt besonders auf zwei Gebieten, welche eng miteinander verbunden waren: dem der Wissenschaft und Kunst und dem der Emanzipation der Juden.« (Seite 57) Und er fügt der bekannten Bemerkung Fontanes vom »berlinisch- jüdischen Geist« hinzu: »Man kann diesen Satz rückblickend erweitern; es war nicht allein der berlinisch- jüdische Geist, der damals seine ausgebildetste Form gefunden hatte, es war die preußisch- berliner Kultur überhaupt, die nie wieder die Höhe erreichen sollte, die sie zwischen dem Tode Friedrichs und dem Ende der Napoleonischen Kriege gehabt.« (Seite 60) Zeugnis dafür sind wiederum Briefe. »Liest man diese Zeugnisse, so beginnt man zu begreifen, wie eine lebensvolle Gesellschaft miteinander umging, mitteilsam, zuhörend und begierig auf die Meinung des anderen. Es war das Zeit- | alter des Gesprächs, in dem das Menschliche,
auch das Allzumenschliche ernstgenommen wurde ... Gemessen an den Mitteilungen und der Mitteilsamkeit dieser Menschen, nicht zuletzt der Frauen, leben wir heute in einer Gesellschaft von Taubstummen, die genötigt ist, sich selbst ihre
Unfähigkeit zur Kommunikation mit Hilfe der
Kommunikationswissenschaft zu verbergen.« (Seite 61)
Den höchsten Ausdruck des Berliner geistigen Lebens sieht Walther Killy in der Gründung der Universität, die »das ganze Jahrhundert folgenreich bestimmen sollte«. (Seite 65) »Das waren die Gesinnungen, in denen das verarmte Land die Universität zu Berlin begründete.« (Seite 66) Und er verweist auf die von vielen nicht in Preußen vermutete Konsequenz, daß nämlich der Staat aus den Bereichen der Wissenschaft ferngehalten werden müsse. Überaus einprägsam werden diese 12 Kapitel deutscher Bürgerkultur um 1800, weil Killy den Leser nicht von Erkenntnis zu Erkenntnis führt, sondern ihn den Alltag miterleben läßt. Und da ist viel Interessantes zu erfahren: daß die Spiele der Kinder damals noch solche ohne Spielzeug waren, welches Gemüse im Hausgarten angebaut wurde, was die Gymnasiasten den Freitischen verdankten, warum sie nach dem Singen zur Leichenfeier eine Zitrone erhielten, wie der Wochenlehrplan einer Prima in Meldorf aussah (»8 Stunden Latein, 5 Stunden Griechisch, 1 Stunde Dänisch, 1 Stunde Deutsch, 2 Stunden Französisch, 2 Stunden Religion, 2 Stunden Geschichte, 2 Stunden Mathematik, 1 Stunde Logik, 1 Stunde Naturwissenschaft, 1 Stunde Geographie und 2 Stunden Hebräisch.« (Seite 46) Was die Großen dieser Zeit zu Liebe, Akazien, Rosen und Nachtigallen niederschrieben, liest sich im Essay »Briefe«. »Man hat zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts viel darüber nachgedacht, wie denn ein rechter Brief beschaffen sei. Wie wichtig man die Frage nahm, ist an der Tatsache erkennbar, daß der Brockhaus von 1827 für das Stichwort Brief fünfeinhalb eng | |||||
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bedruckte Seiten braucht.« (Seite 186) Nicht
zuletzt lesenswert, wie Walther Killy an der
Behandlung des Stichwortes »Conversation« im Brockhaus Aufstieg und Niedergang der deutschen Bürgerkultur nachvollzieht.
Walther Killy teilt mit, sein von Nostalgie freies Vergnügen an der Kulturwelt um 1800 habe dieses Buch hervorgerufen. Ein Vergnügen, das ganz auf Seiten des Lesers ist und ihn doch auch nachdenklich stimmt: »Aber die Geschichte kennt keine Ruhe und erst recht keine Dauer. Die Jahrzehnte, deren reiches Leben ich hier in knappen Worten beschrieben habe, gingen schnell vorbei, und es bleibt nicht viel mehr als staunende Erinnerung, Maßstab für das, was unsere Vorfahren und wir vertan haben, um es jetzt zu entbehren.« (Seite 67) Jutta Arnold | sichtlich, instruktiv und vergnüglich einem Thema widmet, mit dem jeder tagtäglich
konfrontiert ist.
Die Berliner Wissenschaftspublizistin Curter legt nämlich unter der ironisch gemeinten, aber zu Zeiten (z. B. von Dungbedürftigen Bauern des Umlandes) durchaus ernst verstandenen Metapher »Berliner Gold« eine gut illustrierte und flüssig lesbare Abhandlung vor, deren Vorstellung vor der Presse selbst dem ehemaligen technischen Direktor der »Berliner Stadtreinigung« (BSR) veranlaßte, mehr als ein würdigendes Wort zu verlieren. Es macht natürlich auch Spaß, den Kampf der stadtverwaltenden Behörden mit dem Haushaltmüll »ihrer« Bewohner über die letzten 400 (!) Jahre zu verfolgen, in denen kontinuierlich um halbwegs im Stadtbild zu erkennende Reinlichkeit gerungen wird, die Forderungen an die Haushalte sich in ermüdender Weise wiederholen und die angedrohten Strafen gegen Verstöße immer neue Dimensionen annehmen: Die Wertschätzung der »guten alten Zeit« relativiert sich dabei ebenso wie das Stöhnen über die im Normalverständnis gerade heutzutage sich häufenden Probleme. Wer sich in der Gegenwart über den Hundekot (auch eine Form Haushaltmüll!) grün und blau ärgert, darf ruhig erfahren, daß im 18. und 19. Jahrhundert von Berlin europaweit bekannt war, daß die »Berlinerinnen stinken« (natürlich korrekt zu schreiben: »die Berliner Rinnen/gleich »Rinnsteine«/stinken!«): Fäkalien und kleinerer Hausmüll in den Rinnsteinen der Berliner Straßen waren nämlich bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts bei weitem nichts Ungewöhnliches, sondern stirnrunzelnd ertragener Normalfall, den die Landesväter nur immer wieder aus dem direkten Dunstkreis ihres Regierungsgebäudes fernzuhalten trachteten. Trotz immer wieder angedrohter strenger Strafen war z.B. das Entleeren des »Nachtgeschirrs« von den Berliner Brücken nicht in den Griff zu bekommen. Als der Dichter Friedrich Rückert 1841 als Professor für | |||||
Maria Curter
Berliner Gold. Geschichte der Müllbeseitigung in Berlin Haude & Spener, Berlin 1996 Es war schon lange an der Zeit, ein Berliner Geschichtsthema seriös zu behandeln, das für die noble Kulturgeschichte bislang offenbar zu anrüchig war, um mit Ernst aufgegriffen zu werden: den Müll, und zwar speziell jenen, an dem keiner vorbeikommt den Haushaltmüll!! Jetzt kann man guten Gewissens zu der neuen Publikation des Verlages Haude & Spener raten, die sich im Rahmen der Verlagsreihe »Berliner Reminiszenzen« mit durchaus aufklärerischem Impetus, aber nichtsdestoweniger in populärer Manier d. h. kurz, über- | ||||||
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orientalische Philologie an der Berliner
Universität in die preußische Metropole kam, stellte er über
die Spree in Berlin entsetzt fest: »Sie kommt beim
Oberbaum herein/rein wie ein Schwan, um wie ein Schwein/beim Unterbaum herauszukommen.« (Dieses treffende Zitat aus einem Gedicht von 1843 fehlt leider bei Curter ...)
Als sich Berlin nach 1810 mit einigem Recht den Ruf einer »Hauptstadt der Intelligenz« zulegte, hinkte es auf dem Gebiet der Stadtreinlichkeit noch weit hinter anderen Metropolen hinterher: Zwar lagen Kot und anderer Haushaltsabfall nun nicht mehr in Haufen auf den Straßen und Plätzen mit ihm hat z. B. der Große Kurfürst ab 1646 den sumpfigen Boden des Lustgartens auffüllen lassen, um dort einen Küchengarten für den kurfürstlichen Hof anzulegen aber die Müll- und Fäkaliengruben (die nachts von einem Müll- Fuhrherrn geleert wurden, der häufig mit einem Bauern der Berliner Umgebung identisch war aber wehe! er oder sein Pferd erkrankte und der gewohnte Leerungsrhythmus verschob sich!) stanken trotz aller Abdeckungen und boten darüber hinaus herrliche Grundlagen für reichlich wuchernde Bakterienkulturen. Kann man sich heute noch vorstellen, daß es 1871 immerhin schon (natürlich in den »besseren« Wohnvierteln) 16 000 Klosetts mit Wasserspülung gab aber keine Stadtentwässerung (die ja erst nach 1874 mit Radialsystemen und Rieselfeldern in Angriff genommen wurde)? Das Büchlein erschöpft sich selbstverständlich nicht in der Analyse der Müllverursachung, sondern bietet auch Einblick in eine höchst spannende Organisations- und Technologiegeschichte von Müllerfassung und Müllbeseitigung. Seit 1875 baute der Magistrat Schritt für Schritt die Straßenreinigung als städtisches Unternehmen aus, so daß Mark Twain bekanntlich bei seinem Besuch in Berlin in den neunziger Jahren die Stadt zur saubersten der Welt beförderte. Aber der in den Haushalten produzierte Abfall war damit nicht erfaßt und abge- | fahren er fiel noch immer privaten Müllherrn anheim, die sich z. T. eine goldene Nase damit verdienten: Herr A. Tabbert, seit 1894 im Besitz des
Abfuhrmonopols, stiftete z. B. mit der linken Hand
die schöne Bronzefigur des Reformators Zwingli an
der Zwinglikirche am Rudolfplatz! (Er und seine
Kollegen machten eben, wie der Berliner,
schnoddrig aber treffend, kommentierte, »aus Scheiße
Bonbons.«) Die Sorge um Müllverladeplätze und
innerwie außerstädtische Mülldeponien wurde
hingegen der öffentlichen Hand, sprich: dem Magistrat,
überlassen. Dennoch bildete sich seit dem
polizeilichen Müllreglement von 1895 (das die verschließbare Mülltonne und den staubfreien Mülltransport verordnete) allmählich ein abgestimmtes System der Müllabfuhr heraus, das seit dem Rieselfeldersystem eben auch um den Bestand
Fäkalien entlastet und daher besser organisierbar war.
Als die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft im
Ersten Weltkrieg die bis dahin nur grob betriebene Müllsortierung verfeinerten, sanken die
Gewinne der Müll- Abfahrer allerdings fühlbar. Die seit
1894 bestehende »Wirtschaftsgenossenschaft
Berliner Grundbesitzer«, die mehr und mehr die
Müllabfuhr finanziert hatte, stellte dann auch 1922 ihre
Müllgeschäfte ein: Sie »rechneten« sich nicht. Die ihr
notgedrungen nachfolgende »Berliner
Müllabfuhr- AG« (BEMAG) kam schon nicht mehr ohne
städtische Aktienbeteiligung aus, und die Stadt übernahm 1923 prompt die Oberaufsicht sowie 12 Jahre
später das ganze Unternehmen als reinen Stadtbetrieb.
Das andernorts mit Erfolg praktizierte
kostensparende System der Müllverbrennung wollte in Berlin
übrigens trotz etlicher Anläufe nicht klappen bis
man dahinterkam, daß andernorts
Steinkohlerückstände im Haushaltabfall enthalten waren, in Berlin
wo erst mit Torf, dann mit Braunkohle geheizt wurde
eben nicht: Dem Berliner Müll fehlte einfach
die Brennkraft!
>Das ist natürlich in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts dank der technischen Fortschritte | |||||
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alles ganz anders geworden zudem besitzt
der Berliner Haushaltmüll jetzt infolge der
rasanten Entwicklung der Verpackungsindustrie
(wahrlich kein Ruhmesblatt der Industriegesellschaft!)
den dreifachen Heizwert gegenüber dem von 1890.
Aber auch heute ist die Müllverbrennung kein
Allheilmittel gegen den Abfall. Tatsächlich haben sich
durch das ganze 20. Jahrhundert drei Arten des
Umgangs mit dem Müll (wenn auch in den Proportionen
mit den Jahrzehnten wechselnd) erhalten:
Verbrennung; Deponie; Kompostierung. Da berührt bei
Curter sehr angenehm, daß auch die Leistungen der
Ostberliner »Müllionäre« während der Teilung
der Stadt entsprechend gewürdigt werden ja,
manches, z. B. die großflächige Müllkompostierung
bei Waßmannsdorf, ist vom Repräsentanten des
BSR- Managements bei der Vorstellung des Buches
sogar als wegweisend für die Konzepte der
gesamtberliner Stadtwirtschaft gelobt worden: selbst Überlegungen zur flächendeckend Bio-Müll
schluckenden »Specki- Tonne« sind der heutigen
Betriebsleitung nicht mehr fremd!
Kurt Wernicke | Antje Müller-Schubert/ Susanne Rehm
Caroline Hake/ Sara Harten Charité. Fotografischer Rundgang durch ein Krankenhaus be.bra verlag, Berlin/ Brandenburg 1996 Bis zum 9. November 1989 sahen die damaligen Medizinstudentinnen der Freien Universität
Berlin Müller-Schubert und Rehm die Charité nur von
weitem, genauer ȟber eine drei Meter hohe und
scharf bewachte Mauer«. (S. 7) Anerkennenswert, daß
sie sich hernach aufmachten, für sich (und nun für die Leser und Betrachter ihres Buches) in die Geschichte und Gegenwart der weltberühmten Charité einzutauchen. So haben sie sich fleißig
in der einschlägigen Literatur belesen, sich die
Örtlichkeiten besehen, Michael S. Cullen für ein
Vorwort gewonnen und Caroline Hake und Sara Harten mit dem Fotoapparat selbst in entlegene Winkel
des Areals geschickt. Vorgelegt haben sie einen
Bildband, der zu einem Drittel Text bietet.
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gängiges Klischee, mit dem er der
tatsächlichen Charitégeschichte nicht im mindesten gerecht
werden kann. Zum anderen erscheint das lange
Tauziehen um das künftige Schicksal der Charité, das
von Auflösung bis zur nun festgelegten Fusion mit
dem Universitätsklinikum Rudolf Virchow reichte, wie ein friedlich- harmonisches Spielchen. (S. 39) Daß die Existenz der von den Autorinnen
bewunderten traditionsreichen Charité auf des
Messers Schneide stand und daß es etliche
Machinationen gab, bleibt unerwähnt. Es ist nicht übertrieben:
Nur ihrem in aller Welt bekannten Namen verdankt
die Charité ihren Fortbestand. Von alldem findet sich im Kapitel »Charité 2000« nichts.
Dafür um so mehr die Geschichte der Charité. Cullen liefert in seinem Vorwort faktisch eine Baugeschichte, die sich auf bekannte und gesicherte Aussagen stützt. Mitunter lesen sich allerdings manche seiner Formulierungen merkwürdig ist es nur Laxheit oder gar Absicht oder historisches Unvermögen? Nur ein Beispiel: »Am 1. November 1945 nahm die Charité ihren Lehrbetrieb wieder auf; Mittel für den Wiederaufbau ... wurden ihr von der Kommandantur verwehrt.« (S. 17) Da »verwehrt« also der sowjetische Sieger, selbst aus tausend Wunden blutend und darbend, sich zuständig fühlend für ein total zerstörtes Berlin und eine hungernde deutsche Bevölkerung, Mittel schikanös, als ob er eben mal zu geizig wäre, etwas von der Kriegsbeute herauszugeben. Nein, der Nachkriegsbeginn der Charité ließe sich anhand von Quellen ganz anders beschreiben. Die »Kleine Geschichte der Charité« von Müller-Schubert/Rehm liest sich informativ und kurzweilig. Fast 300 Jahre der Geschichte Berlins und auch Preußens werden durch das Prisma Charité lebendig an den interessierten Leser herangebracht. Darin eingeschlossen die sicher nur wenigen bekannten ersten Ärztinnen an der Charité und eine Würdigung der Stomatologie. Eingegangen wird auf die Tätigkeit der DDR- Staatssicherheit. Leider wird | die Lesefreude immer wieder durch Fehler
oder Unkorrektheiten getrübt. Der Syphiliserreger wurde nicht 1900, sondern erst 1905 entdeckt (S. 27); der Kaiser hat an Virchows Begräbnis
1902 nicht teilgenommen (S. 30), Ende der 20er
Jahre gab es zwei chirurgische Kliniken, die von Bier
in der Ziegelstraße und die von Sauerbruch auf
dem Gelände der Charité (S. 32); Rapoport kam 1952
aus der Emigration in den USA bewußt in die DDR
und hat niemals in West-Berlin gewohnt (S. 36) usw.
Aufklärung durch die Autorinnen bedarf der
Zusammenhang ihrer Feststellung, daß sich die
Charité nach der DDR- Gründung 1949 »immer stärker an der Forschung der Sowjetunion« orientierte und der folgenden Aufzählung namhafter Wissenschaftler und ihrer aus der Medizin heraus
begründeten Forschungsthemen: Gietzelt schuf das
»Krebsregister der DDR«; Lohmann bestimmte
Hormone in Blut und Urin; Rosenthal erlangte Verdienste
in der Kieferchirurgie; Jung gelangen
»bedeutende Fortschritte bei Hämoglobin- Forschung«;
Rapoport arbeitete über Stoffwechsel des
Phosphorsäureester, und Prokop »erlangt als Gerichtsmediziner weltweites Ansehen«. (S. 35) Das alles also war von Moskau abhängig und gesteuert?
Höchst erfreulich und durchaus keine Selbstverständlichkeit die Aufnahme eines Abschnitts über die faschistische Ära, einschließlich des Widerstandes durch einige wenige Ärzte und Studenten, wie Georg Groscurth und Vera Wulff. Völlig an den Tatsachen geht jedoch die Feststellung vorbei, daß die »Ärzte zwischen begeisterter Zustimmung zum Nationalsozialismus und entschiedener Ablehnung« schwankten. Diese Aussage trifft weder für die Charité noch für das Reich insgesamt zu. Woran kann die »entschiedene« Ablehnung festgemacht werden? Gegen diese Aussage sprechen vor allem die hohe Mitgliederzahl von Ärzten in der NSDAP und die allseits stillschweigende Duldung der beruflichen und physischen Eliminierung ihrer jüdischen Kollegen. | |||||
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Bleiben die Fotografien. Der Leser erfährt eigenartigerweise nichts über die Fotografinnen und deren eventuelle Erfahrungen bei der Ablichtung von medizinischen Einrichtungen. Sie
präsentieren ausschließlich die Gegenwart der Charité, nicht
die Historie. Wie fotografiert man aber eine in
aller Welt bekannte Institution, also eine ältere Dame, die sich hier und da etwas geliftet hat? Eingangs heißt es, »fotografischer Rundgang durch ein Krankenhaus«. Die Charité ist zweifellos mehr als ein Krankenhaus, schon wegen der Studenten, von denen gar nichts mitgeteilt und gezeigt
wird. »Allgemeine« Krankenhäuser gibt es zuhauf, mehr oder weniger fotogen.
Die Betrachtung des dargebotenen Bildmaterials hinterläßt zwiespältige Eindrücke. Da gibt es eigentlich zu viel Bilder, die aus einem xbeliebigen Krankenhaus stammen könnten, also nur wenig charitéspezifische Atmosphäre vermitteln. Einige sind so, als ob das Schöne nicht gezeigt werden soll, wie das ansehenswerte physiotherapeutische Schwimmbecken. (S. 83) Gerade von diesem Becken existieren hervorragend gelungene Aufnahmen. Die hier eigens für die Publikation produzierte sieht erbärmlich aus, sie vermittelt dem Leser einen total falschen Eindruck vom der Realität, wovon sich übrigens jeder Besucher sogar von außen überzeugen kann. Und wenn dann dem erwartungsfreudigen Interessenten Fotografien angeboten werden wie auf den Seiten 45, 48, 49, 60, 70, 75, 119 (um nur einige Beispiele zu nennen), dann verkommt jeder Gedanke an Größe und Glanz, und der altbundesrepublikanische provinziale Leser denkt bei sich, daß sein kleines Kreiskrankenhaus aber um vieles schöner aussieht. Natürlich ist die Charité auch so, wie auf den genannten Bildern zu sehen aber muß man sie so zeigen? Jedes Krankenhaus hat schmuddlige und unansehnliche Ecken. Diese Bilder fallen vielleicht auch deshalb auf, weil besonders gelungene Abbildungen rar sind. Das Exklusive, das Besondere im Alltag fehlt. | Offensichtlich können sich alle Autoren und die Fotografinnen mit dem Hochhaus und einigen anderen Neubauten nicht so recht anfreunden vielleicht eine Sache des Geschmacks. Die
Fotografien sollten jedoch wenigstens einen objektiven
Eindruck vermitteln von dem, was tatsächlich zu
sehen ist. Das Versorgungszentrum (S. 78), die
Poliklinik (S. 82), das Hochhaus (S. 84) usw. können
wahrheitsgetreuer und natürlich attraktiver fotografiert werden. Der denkbare Einwand, so sei die neue Charité eben, sollte nicht geltend
gemacht werden, da sie, wie Abbildungen anderswo
belegen, etwas schöner und anziehender darstellbar
wäre, ohne die Realität zu verbiegen.
Der uneingeweihte Bildbetrachter wird enttäuscht sein von der Charité; der Kenner ist enttäuscht von der Motivwahl und der technischen Umsetzung. Bernhard Meyer | |||||
Claus-Dieter Sprink
Köpenick, wie es früher war Wartberg Verlag Gudensberg- Gleichen 1996 Die Sehnsucht nach der »guten alten Zeit« ist so alt wie die Menschheit, und der hektische Lebensrhythmus der Gegenwart mit seiner bis dato in der menschlichen Geschichte nie erlebten Reizüberflutung und Informationsaggression führt diese Sehnsucht zu ungeahnten Höhen. Bedurfte es früher im allgemeinen eines Jahrestagsanlasses, um »Unser altes Sowieso im Bild« vorzustellen und auf ein breites Publikumsinteresse zu stoßen, so ist diese Form der Besinnung auf frühere Zeiten inzwischen zu einem eigenständigen, an keine Jahrestage gebundenen Publikationszweig geworden. Das hängt | ||||||
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natürlich ganz profan damit zusammen, daß die
Erfindung der Fotografie inzwischen auch bereits
in historische Dimensionen gerückt ist und der Begriff »Vergangenheit« in seiner optischen
Umsetzung damit viel besser bedient werden kann: In
der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts auf
Fotografien von der Jahrhundertwende zurückzugreifen,
hieß für viele Zeitgenossen, Bekanntes
wiederzufinden. Jetzt, 50 bis 60 Jahre später, stehen dieselben
Fotoansichten für die große Mehrzahl der Betrachtenden absolut im Geruch des je nachdem Historischen oder Nostalgischen.
Dieser objektive Prozeß hat noch gar nichts mit den zum Teil einschneidenden Bauveränderungen der letzten Jahrzehnte zu tun, die sich u. a. aus dem Fortschreiten der Motorisierung ergaben, und die altvertraute Stadtbilder auch dort beschädigt haben, wo sie dank glücklicher Umstände zerstörerische Zeitläufte allen voran den Zweiten Weltkrieg ganz oder wenigstens in der Grundsubstanz unbeschädigt überstanden hatten. In Berlin ist das zumindest in den zentralen Stadtregionen bekanntlich nicht der Fall. Angesichts der neugewonnenen Bedeutung als Bundeshauptstadt jagt daher ein opulenter Bildband über die preußische Metropole und Kaiserstadt fast den anderen hier scheint eine Sucht nach Identität aus der optischen Bespiegelung der Stadtvergangenheit im Schwange zu sein. Um wieviel ehrlicher ist da die Gott sei Dank auch anzutreffende Besinnung auf den »Kiez« das engere Wohnumfeld. Immer öfter begegnet dem Berlin- Historiker die Freude an den Zeugen der Vergangenheit im lokalen Bereich, und dieser Bezug auf das Örtliche ist in einer Stadtregion wie Berlin wahrhaft verständlich: Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß BERLIN ein Konglomerat aus acht Städten, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken ist! Und wenigstens von den Städten und Landgemeinden hat jede ihre eigene Geschichte, ja, die einstigen Städte Köpenick und Spandau sind nicht nur nach den Ergebnissen archäologischer For- | schung, sondern auch nach den Maßstäben der Geschichtsschreibung (»erste urkundliche
Erwähnung«!) älter als Berlin. Ihre jahrhundertelange
Eigenständigkeit schlägt bis in die Gegenwart
durch: Spandauer und Köpenicker fahren zum
Einkauf nicht etwa »in die City«, sondern »nach Berlin«.
Der Reflexion über eigenes Leben als städtisches Gemeinwesen dient das vorliegende Bändchen in hervorragender Weise. In seinem kurzen Vorwort fragt der Verfasser, ob der allerorts anzutreffende Bedarf an »Wurzeln« nicht doch die bloße Sehnsucht nach einer Stadt widerspiegelt, in der man noch wohnen, arbeiten und spazierengehen kann? Wenn es so ist, dann bedienen die Bildbände über die »Metropole« Berlin diese Sehnsucht natürlich nicht. Der vorliegende Bildband tut es dagegen hervorragend. Die Fotografien entstammen bis auf minimale Ausnahmen dem Sachzeugen- Schatz des Heimatmuseums Köpenick, dessen Leiter Claus-Dieter Sprink ist; die früheste datiert von 1868, die jüngste vom August 1936, die Mehrzahl geht auf die Zeit um die Jahrhundertwende zurück. Bis auf eine Luftaufnahme, die ein weiteres Umfeld zeigt, dokumentieren alle die Köpenicker Altstadt mit einem kleinen scheuen Seitenblick auf die um 1900 gerade sich mausernde Dammvorstadt und Pflichtübung für Blicke nach und auf Köpenick in das bis 1898 selbständige, dann eingemeindete und als Straße erhaltene Fischerdorf Kietz. Der Autor, der auch die Bildauswahl besorgt hat, ist in seinem speziellen Heimatinteresse bei der Baugeschichte angesiedelt: Karten und Bauakten sind seine am meisten geschätzten Quellen. Mit einer Wiederholung des Typs der berühmten Berliner »Lindenrolle« am Beispiel des Berlin- Friedrichshagener Boulevards BÖLSCHE- STRASSE (»Bauwelt« Nr. 42/43, 82. Jg./1991) hat er sich nicht nur bestens ausgewiesen, sondern auch die Meßlatte für den Umgang mit Ortsgeschichte grundsätzlich höher gelegt. Mit gleicher Sorgfalt hat er die Quellen für die einfühlsame Kommentierung der im vorliegen- | |||
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den Band vorgestellten Fotos befragt. Resultat ist (da die Köpenicker Bauakten gut
überliefert sind) ein außerordentlich lehrreicher Blick in ein Gemeinwesen auf seinem Weg vom vorindustriellen Zustand in die Industriegesellschaft
allerdings (ein neuartiger Aspekt) sozusagen
gebrochen durch die Auswirkungen solcher Entwicklung
auf die überkommene Bausubstanz. Hätte man
schon immer mit der heutzutage wenn auch
keineswegs durchgängig, so doch immer bewußter und
lautstärker vorgetragenen Überzeugung gelebt, daß
Altes in der Straßen- und Baustruktur zu bewahren
ist, dann stünde sicherlich noch manches der nun
verschwundenen Gebäude wenn auch nicht mehr
das von Sprink ausgesparte älteste Köpenicker Haus
in der Kirchstraße: das wurde nämlich Opfer des
Bombenkrieges! Die durch den Krieg in Verlust
geratenen Altstadt- Gebäude sind erstaunlicherweise
überhaupt nicht im Bild vorgestellt: Spielt da
vielleicht doch die Generationenfrage hinein, die
unterschiedliche Lebensbilder zu produzieren pflegt?
Des Autors Engagement für die alte und heute nur allzuoft verschwundene Bauumwelt der Köpenicker Altstadt läßt ihn aus Begeisterung für das Frühere allerdings auch über das Ziel hinausschießen: ob Kaiserreich, Weimarer Republik, »Drittes Reich«, DDR oder (wenngleich versteckt, so doch für den Kenner auszumachen) Bundesrepublik jede Machtstruktur bekommt ihren Seitenhieb dafür, daß unter ihrer Administration alte Gebäude verschwanden bzw. dem Verfall preisgegeben sind. Das läßt natürlich außer acht, daß auch eine Stadt ein lebendiger Organismus ist, der sich entwickelt und verändert; und daß äußere (sprich zumeist: finanzielle) Zwänge durch noch soviel Anhänglichkeit an Bewahrenswertes letztendlich nicht weggefühlt werden können! Besonders abseitig kommt die zur Zeit in manchen Köpenicker Kreisen modische harsche Kritik an der Verkehrslösung zwischen Schloßplatz und Müggelheimer Straße entlang des Frauentogs einher: Es kann doch kein | Zufall sein, daß mit wachsendem
Verkehrsaufkommen diese Lösung seit 1928 (!) immer wieder
ins Auge gefaßt und dann schließlich nach einem
halben Jahrhundert unter großem finanziellen
Aufwand in Angriff genommen wurde. Eine Gesellschaft, in der das Kraftfahrzeug
essentielles Lebenselixier ist wenn man das auch
durchaus bedauern kann , muß eben im Interesse der
Erhaltung überkommener enger Straßenfluchten an
der einen Stelle großräumige Durchlaß- Lösungen
an anderen Stellen schaffen, auch wenn dabei, wie im Falle Köpenicks, idyllische, aber immerhin bausubstanzarme Hofanlagen geopfert werden müssen! Verkehrsplaner haben bei der
Stadtgestaltung eben heutzutage ein ebenso
bestimmendes Wort mitzureden wie Stadtplaner.
Bei aller überzeugenden Detailkenntnis zur Köpenicker Geschichte, die sich in den daten und faktenreichen Kommentierungen der Fotos niederschlägt, wird der Verfasser jedoch unsicher, wenn es um die brandenburgische Geschichte geht: Die Askanier waren bei ihrer Ostausdehnung zwischen 1150 und 1200 (S. 6) erst bis an die Linie Havel Nuthe gekommen und schlugen sich dann bis 1245 (askanischer Burgvogt in Köpenick!) um den Besitz von Teltow und Spree- Niederung mit den Markgrafen von Meißen, den Erzbischöfen von Magdeburg und den Bischöfen von Lebus herum. Und das Kriegsgericht im Schloß Köpenick verhängte am 28. Oktober 1730 keineswegs über Leutnant Katte die Todesstrafe (S. 66), sondern lebenslange Festungshaft, und bestätigte dieses Urteil gegen den Wutausbruch des Soldatenkönigs noch einmal am 31. Oktober. Dieses Urteil hob der Monarch dann am 1. November 1730 in Königs Wusterhausen durch eine Allerhöchste Kabinettsorder auf, die für Katte die Todesstrafe anordnete (vgl. Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Band »Oderland«, Kap. »Die Katte- Tragödie«). Kurt Wernicke | |||||
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Leserbrief an die Redaktion
Gedanken über ein Holocaust- Denkmal sowie seinen Standort Seit Jahren bemüht man sich in Berlin, ein
Holocaust- Denkmal zu errichten. Nachdem nun der
Ort gefunden zu sein scheint, auf dem das Mahnmal
errichtet werden soll, es ist ein Areal zwischen
der Ebert- und der Wilhelmstraße, auch bekannt
als ehemalige Ministergärten, erweist sich
dieses Grundstück als zu groß. Die preisgekrönten
Entwürfe sind nicht realisierbar, denn alle haben
den Zug ins Monumentale. Auch würde dieses
Grundstück Belästigungen erfahren von den noch in seiner Nachbarschaft zu errichtenden Bauten. Ebenso würde der um das Mahnmal herumtosende
Verkehr einer inneren Besinnung und die Toten
ehrenden Andacht sehr abträglich sein.
| Historisches Museum), Schloßbrücke und das
ehemalige Staatsratsgebäude sowie die in der
Zukunft zu errichtende Schinkelsche Bauakademie und ein Teil des Bundesaußenministeriums.
Zu hoffen ist auch, daß endlich eine allen Interessenten gerecht werdende Lösung für den Schloßplatz gefunden wird, die das Gegenüber des Denkmals wäre. Die Bodenplatte sieht sich auch aus ihrer Geschichte her und in der Wandlung vom National- Denkmal des Kaiserreiches zum Holocaust- Denkmal. Joachim Methlow | |||
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© Edition Luisenstadt, 1997
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