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spannendes technisches Abenteuer. Die
einfachen Detektorempfänger, von jedermann leicht zusammenzubasteln, bedurften
wie der Name schon sagt eines
»Detektors«, um zu funktionieren. Der Detektor war
eine relativ einfache mechanische Vorrichtung, bei der eine Drahtfederspitze aus
Bronze, Silber oder Gold auf einen bestimmten Punkt eines Kristalls (z. B. Bleiglanz)
aufgesetzt wurde. Diese Berührungsstelle ließ
den Strom nur in einer Richtung hindurch. War der Punkt gefunden, ertönte aus den
Kopfhörern das ersehnte Programm. Stieß man
an den Tisch, konnte es geschehen, daß die Drahtfederspitze verrutschte, und
es herrschte wieder Funkstille.
Detektorgeräte kosteten im Eigenbau oft nur Pfennige. Die Entwicklung der Röhrengeräte aber befand sich noch in den Kinderschuhen. Dementsprechend teuer waren die Geräte. Prohaskas umfangreicher Katalog von 1928 wies denn auch 13 verschiedene Formen von Detektoren aus. 2) Fünf Jahre nach Gründung der Firma brachte Prohaska seinen dritten Katalog auf den Markt. In ihm wies er auf eine Filiale in der Dresdener Straße 16 hin. Der Katalog zeigte den Aufschwung des Unternehmens auf noch andere Art: Prohaska hatte den Großhandel und das Versandgeschäft in sein Programm aufgenommen. Daß letzteres bereits gut florierte, insbesondere mit Bauteilen, bewiesen Referenzen aus Dresden, Breslau, Münster, Mainz, Schwerin ... | ||||||
Joachim Rechenberg
Berlins erstes Radio- Versandgeschäft Gerade rechtzeitig zum 29. Oktober 1923, dem Tag, an dem aus dem Vox-Haus in Berlin die erste reguläre deutsche Rundfunksendung auf Welle 400 ausgestrahlt
wurde, eröffnete Karl Alexander von Prohaska
in den Räumen einer ehemaligen Schankwirtschaft in der Gleimstraße 20 sein Radiofachgeschäft. Damit gehörte er zu den ersten, die die Bedeutung des neuen Mediums Rundfunk, das zwei Monate nach
der ersten Sendung schon 1025 zahlende Hörer in Berlin hatte, erkannten.
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Ein Kreiseisenbahn- Beamter aus
Perleberg schrieb an Prohaska: »Auf meine
Empfehlung hin als Bastler und Gründer
unseres Bastel-Clubs in P. habe ich einen
Bekannten eine Bestellung bei Ihnen aufgeben lassen
... Die Ware ist zur vollsten Zufriedenheit ausgefallen ...« 3)
An dieser Stelle sei bemerkt, daß Bastler und Funkamateure der gesamten Funktechnik in diesen Jahren wichtige Impulse gaben, ihre Geräte übertrafen die Qualität der industriell gefertigten oft erheblich. Dr. Eugen Nesper (18791961), ein Pionier des deutschen Rundfunkwesens, bestätigte in seinem Vorwort zum 1928er Katalog, »... daß sie (die »Radio- Zentrale Alex. von Prohaska«, J. R.) seit Jahren nicht nur auf dem Verkaufs- und Beratungsgebiet an erster Stelle steht«, sondern ihr auch »Fabrikanten und Konstrukteure mancherlei Hinweise und Anregungen zu verdanken haben«. 4) Welche Rolle die »Radio- Zentrale« in der Pionierzeit des Rundfunks spielte, beschrieb der Rundfunkpionier sehr anschaulich in seinen Lebenserinnerungen: »Prohaska«, so Dr. Nesper, stellte sich »mir Ende 1923 als Edelbastler« vor, »der sich aber bald in der Gleimstraße einen zunächst Bastlerbedürfnisse befriedigenden Funkladen einrichtete. Infolge seiner bemerkenswerten Eignung und demzufolge zweckmäßigen Dispositionen hat dann Prohaska in den folgenden Jahren nicht nur in vielen Berli- | ner Stadtgegenden Filialen
eingerichtet, sondern er organisierte auch einen mit
der Zeit wachsenden Versand und gliederte seinem Unternehmen noch eine an
Umfang und Bedeutung zunehmende Fabrikation an. Zu der alljährlich in Berlin stattfindenden Funkausstellung brachte Prohaska stets einen dickleibigen Funkkatalog heraus, der beinahe als klassisches Nachschlage- und Informationswerk weit über die Händlerkreise hinaus gesucht
war. Ich gedenke an dieser Stelle gern seiner aufopferungsvollen Arbeit für den D. R. C. (Deutscher Radio-Club, J. R.), bei der
ihm seine humorvolle Lebensauffassung sehr zustatten kam.« 5)
Die Radio- Zentrale entwickelte sich in einem rasanten Tempo. Der Katalog von 1930 nannte neben den Geschäften in der Gleim- und Dresdener Straße weitere Filialen in der Frankfurter Allee 270, Landsberger Allee 123, Schönhauser Allee 79, Müllerstraße 138. 1932 wurde das Geschäft in der Dresdener Straße aufgegeben, dafür ein anderes in der Badstraße 57 eingerichtet. Gleichzeitig begann Prohaska mit dem Exportgeschäft. 1935 schloß er die Filiale in der Badstraße wieder und eröffnete ein neues Geschäft in der Wilmersdorfer Straße 54. Um weitere auch unbemittelte Käuferkreise gewinnen zu können, gab Prohaska seine Kataloge jetzt kostenlos ab, erhob nur noch Porto und Versandspesen. Gleichzeitig | |||
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bot er Teilzahlungsgeschäfte an.
Interessant, daß Mitte der 30er Jahre trotz
Dominanz der Ein- und Mehrröhrengeräte noch
immer ein breites Interesse für die
einfachen Detektorgeräte vorhanden war. Ein
Zeichen dafür, daß man das knappe Geld nicht
für teure Radios ausgeben wollte.
Prohaska vertrieb, getreu seinem Versprechen in der ersten Anzeige, nur Markenware. Die Herstellernamen lesen sich wie Rundfunkgeschichte: Telefunken, Loewe, Nora, Schaub, Saba, Blaupunkt, Roland-Brand, Lorenz, Monette, Seibt, Kramolin, DeTeWe, Huth, Amato u. a. Später kamen noch Siemens, Sachsenwerk und Staßfurt hinzu. Abenteuerliche Typenbezeichnungen sagten dem Käufer, wozu das Gerät gut sein sollte: Für den »Blaupunkt Dreiröhren- Bezirks- und Überlandempfänger« beispielsweise versprach Prohaska beste Trennschärfe und Fernempfang. Bald eroberte die Politik den Rundfunk. Dr. Nesper schrieb im Vorwort zum 1931/32er Katalog: »Der einmal beschrittene Weg, den Rundfunk für die große Politik einzusetzen, dürfte in Zukunft immer mehr ausgebaut werden.« 6) Prohaska zeichnete jetzt als Direktor, er bot »Verkaufshelfern«, die ihm Kunden vermittelten, hohe Provisionen. Das Unternehmen schien gefestigt, Prohaska hatte einiges Vermögen angesammelt. Im Juni 1935 kaufte er für 140 000 Reichsmark das große Eckgrundstück Gleimstraße 20/Ecke Canti- | anstraße. 7) Die »Radio- Zentrale Alex.
von Prohaska« beschäftigte zu dieser Zeit
33 kaufmännische Angestellte, fünf Radiotechniker und drei Chauffeure. Seine Frau Martha Franziska (Mara) von Prohaska,
geb. Speer (19001992), schied aus der seit Januar 1927 bestehenden GmbH aus. Alexander
von Prohaska wurde als Alleininhaber ins Handelsregister eingetragen.
8)
Im August 1935 begann Prohaska mit dem Ausbau der Geschäftsräume in der Gleimstraße 20/Ecke Cantianstraße, erweiterte diese um die Nebenräume und eröffnete bald den großen Eckladen in den noch heute ersichtlichen Ausmaßen. Im Katalog für 1935/36 wurde die politische Wende zum Nationalsozialismus deutlich. Das Vorwort (nebst Bild und eigenhändiger Unterschrift) hielt der Präsident der Reichsrundfunkkammer. Dr. Nesper durfte weiter hinten fachspezifisch auftreten. Alexander von Prohaska selbst beschränkte sich auf eine ausführliche Würdigung der 12. Großen Deutschen Funkausstellung. Der Katalog zeigte an erster Stelle den DAF 1011, den »Deutschen Arbeitsfront- Empfänger« 1011, Reichspropagandaminister Goebbels präsentierte ihn persönlich auf der Funkausstellung. Mit »1011« wollten die Hersteller den 10. November 1933 würdigen, den Tag, an dem Hitler zum ersten Mal aus einem Unternehmen (Siemens) über den Rundfunk zum Volk sprach. 9) Auch der legendäre Volksempfänger | |||||
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VE 301 (65, Reichsmark) zog in den
Katalog ein. Die Bezeichnung »301« erinnerte
an den »Tag der Machtergreifung«, den 30.
Januar 1933. Als
»Gemeinschaftsempfänger« konzipiert, wurde er von allen großen Radiofirmen nach einheitlichen Konstruktionsunterlagen in Massenproduktion hergestellt. Bald aber kam ein noch billigerer
Apparat auf den Markt, der DKE (Deutscher Kleinempfänger), Prohaska- Katalog 1938/39.
Goebbels feierte ihn auf der 15. Funkausstellung als ein »revolutionäres Ereignis auf dem Rundfunkmarkt«. Dieser Apparat sollte dazu beitragen, den Rundfunk zur »Stimme der Nation« zu machen. Im Volksmund bekam der DKE, ein einfacher Allstrom- Einkreiser, den Namen »Goebbelsschnauze«. Als Grundtyp aller späteren Einkreiser wurde er unter unterschiedlichsten Namen und Varianten mit der typischen Verbundröhre noch bis weit in die 50er Jahre hinein produziert. Transistoren verbannten ihn schließlich ins Museum. Für einen Preis von 35, Reichsmark gab es den DKE bei Prohaska zu kaufen. Damit war er der billigste Empfänger seiner Klasse in Europa. Bei fünf Reichsmark Anzahlung konnte der Rest in 15 Monatsraten zu 2,30 Reichsmark abgestottert werden. In der Variante als Batterie- Empfänger kostete er 32,50 Reichsmark, zuzüglich 5,75 Reichsmark für eine Anodenbatterie und 3,75 Reichsmark für den Heiz- Akkumulator. Der zeitlich letzte vorhandene Katalog der | Radio- Zentrale umfaßt die Jahre
1939/40. Die rüstungsbedingte
Papierverknappung verhinderte wahrscheinlich weitere
Kataloge. Auch der Umsatz an Rundfunkgeräten ging zurück. Schließlich war Radio
London mit einem DKE zu empfangen. Prohaska schwärmte als Ausgleich dafür von einer Rekordrundfunkhörerzahl von 12 Millionen »im großdeutschen Raum«.
10)
Über die Kunden der »Radio- Zentrale Alex. von Prohaska« geben die Referenzlisten Auskunft. Sie reichen von Institutionen wie dem Reichsluftfahrtministerium, den Reichswerken Hermann Göring oder der Saalbau- Hochschulbrauerei im Wedding über solche Persönlichkeiten wie die Schauspielerinnen Pola Negri, Anni Ondra, Marika Rökk, die Kapellmeister Egon Kaiser und Teddy Staufer, die Schauspieler Louis Trenker, Viktor de Kowa, den Komponisten Theo Mackeben bis zum Boxer Max Schmeling. 11) Die Geräte in Prohaskas Läden repräsentierten den technischen Stand der Rundfunkindustrie Deutschlands. Abgesehen von den Radios der VE- oder DKE-Klasse, sind Mehrkreis- Superhet- Schaltungen Standard. Abstimmanzeigen (Magisches Auge), beleuchtete und geeichte Skalen fehlen ebensowenig wie die Senderwahl mittels programmierbarer Tasten. Geräte mit mehreren Lautsprechern (Hoch- und Tieftönern) mit Gegenkopplung und Baßanhebung (Staßfurt 800 W) stellen die | |||
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Oberklasse dar, sichtbar auch im Preis von 1 185, Reichsmark.
Spitzenreiter in den Schaufenstern Prohaskas war das Siemens KMG IV. Als Kammermusikgerät deklariert, versprach Prohaska für die Musiktruhe eine absolut »naturgetreue Wiedergabe«. Dafür sorgten vier Wellenbereiche, fünf elektrodynamische Lautsprecher und ein hochwertiges Phonoteil mit Saphir- Tonabnehmer. Auch das erste serienmäßig gefertigte Fernsehgerät Typ E1 (Einheitsempfänger 1) zu 650, Reichsmark konnte man bei Prohaska kaufen. Die Rundfunktechnik hatte in diesen Jahren einen vorläufigen technischen Höhepunkt erreicht, weitere Entwicklungen setzten erst lange nach Kriegsende und Aufhebung des alliierten Forschungsverbotes ein. Auch über das weitere Schicksal Prohaskas bis 1945 war nichts zu erfahren. Erst nach Kriegsende, am 25. April 1957, teilte Prohaska in einem Schreiben an das Amtsgericht Charlottenburg mit, sein Geschäft seit 1945 ohne Unterbrechung weitergeführt zu haben. Er nannte, unter Hinweis auf seine Enteignung im sowjetischen Sektor, als Geschäftslokal die ehemalige Filiale Müllerstraße 138. 12) Allerdings schien die Leitung des Hauses zunächst in anderen Händen zu liegen. Eine Anzeige aus dem Jahre 1947 gab als Namen unter der Überschrift »Radio- Zentrale« Wilhelm Ulivelli an. 13) Über die Enteignung gibt das Verord- | nungsblatt des Magistrats von
Groß-Berlin Auskunft. Prohaska erschien hier in der Liste derer, deren Vermögen nach dem Enteignungsgesetz einzuziehen sei. 14)
Sein Name stand auf der Liste der »Kriegsverbrecher und Naziaktivisten«, der zu enteignenden Personen und Institutionen. Mit der Unterschrift von Karl Maron, dem späteren DDR- Innenminister, verfügte der Magistrat vom 14. Mai 1949 den Übergang aller Vermögenswerte des Alexander von Prohaska in das Eigentum des Volkes. 15) Bereits zwölf Tage später, am 27. Mai 1949, erhielt Prohaska unter dem alten Namen »Radio- Zentrale Alex. vom Prohaska« vom Bezirksamt Wedding eine neue Gewerbeerlaubnis für den Handel mit Rundfunk und Elektrogeräten und Zubehör. Das Geschäft schien zunächst gut zu laufen, für 1956 wurde ein Umsatz von 400 000 DM und ein Gewerbekapital von 50 000 DM vermerkt. 16) Kein Wunder, hatten doch die Alliierten den Besitz von Rundfunkgeräten in Berlin verboten und die Bevölkerung aufgefordert, alle Geräte in Sammelstellen abzugeben. So gedieh das Geschäft nach Aufhebung des Verbots gut, sogar das mit den legendären Detektorgeräten der 20er Jahre. Sie funktionierten eben auch bei den häufigen Stromsperren. Und sie konnten wie einst selbst gebaut werden. 17) Das Geschäft erreichte nie mehr die Bedeutung der Vorkriegjahre. Karl Alexander von Prohaska starb am 28. November 1967 in | |||||
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Düsseldorf. Seine Ehefrau Mara erbte
das Geschäft in Berlin und führte es bis zum 30. Dezember 1978 weiter. Für 160 000 DM verkaufte sie es an ihren Mitarbeiter
Richard Hass, der es am 28. Mai 1984 an Uwe
Großmann und Silvio Bader für 140 000 weiterveräußerte. Auch sie führten das Geschäft unter dem traditionellen Namen als OHG weiter. Am 10. November 1994
wurde die Gesellschaft aufgelöst. Mit dem
Erlöschen des Namens »Radiozentrale Alex.
von Prohaska« ging ein Stück deutscher
Rundfunkgeschichte zu Ende.
Quellen:
| 15 Funktechnik, Berlin, Heft 9/1947, S. 12
16 Amtsgericht Charlottenburg, HRA 89712 17 Funktechnik, Berlin, Heft 9/1947, S. 12 | ||||||
Werbeslogans aus Prohaskas KatalogenDes Rundfunks unsichtbare Wellen Beste deutsche Qualität Willst Du ein tüchtiger Bastler sein, In Radio ist für Stadt und Land Prohaska nimmt als Lieferant, Der Rundfunk bringt für wenig Geld
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© Edition Luisenstadt, 1997
www.luise-berlin.de