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hatte, studierte er ab 1786 Medizin und Naturwissenschaften an der Hannoverschen Landesuniversität Göttingen. Zu seinen Lehrern gehörte der bekannte Naturforscher Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840). So nimmt es nicht wunder, daß Link 1789 für die Dissertation, mit der er zum Doktor der Medizin promovierte, ein biologisches Thema 1) wählte: die Flora der Felsgesteine rund um Göttingen.
     Bereits im Jahr zuvor hatte er in einer Preisschrift für die Universität ein chemisches Problem behandelt. 2) Auf diese Weise zeichneten sich schon während des Studiums die beiden Hauptrichtungen ab, in denen Link wissenschaftlich arbeiten wollte: die Chemie und die Botanik. 1789 wurde er Privatdozent in Göttingen. Bereits drei Jahre darauf berief ihn die Universität Rostock zum ordentlichen Professor für Naturgeschichte und Chemie.
     Von nun an schlug sich Links Lehr- und Forschungstätigkeit bis zur Mitte des folgenden Jahrhunderts in einer beinahe unübersehbaren Fülle von Artikeln und Buchpublikationen über die unterschiedlichsten Gegenstände nieder: Physik und Chemie, Geologie und Mineralogie, Botanik und Zoologie, Naturphilosophie und Ethik, Ur und Frühgeschichte, Sprach- und Literaturwissenschaft. Nicht zu Unrecht hat man ihn einen der letzten Universalgelehrten des 19. Jahrhunderts genannt.
     In die Rostocker Zeit fällt aber auch Links
Gerhard Fischer
Einer der letzten Universalgelehrten

Zum 230. Geburtstag des Berliner Botanikers H. F. Link

Fast hat es derzeit den Anschein, als würde die Linkstraße im Berliner Bezirk Kreuzberg dem turbulenten Baugeschehen rund um den Potsdamer Platz zum Opfer fallen. Doch keine Angst – die Stadtplaner haben dafür gesorgt, daß sie als ein breiter Grünstreifen überleben wird. So bleibt auch künftig mit dieser Straße auf ganz stilgemäße Art das Andenken an einen bedeutenden Berliner Botaniker gegenwärtig, dessen Geburtstag sich jetzt zum 230. Male jährt.
     Am 2. Februar 1767 erblickte Heinrich Friedrich Link in Hildesheim das Licht der Welt. Sein Vater, Pastor August Heinrich Link (1738–1783), entstammte einer niedersächsischen Pfarrersfamilie. Die Mutter, Elisabeth Sophia (1736–1814), kam aus dem Adelsgeschlecht derer von Wulffen. Des Vaters liebste Freizeitbeschäftigung war es, »Naturalien« zu sammeln. So weckte er auch in dem Sohn schon früh die Neigung zur Natur.
     Nachdem Heinrich Friedrich das Andreas- Gymnasium seiner Geburtsstadt besucht

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endgültige Option für die Botanik als Hauptfeld seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Den Ausschlag dafür mag eine Reise gegeben haben, die ihn von 1797 bis 1799 an der Seite des Dresdener Botanikers, Entomologen und Ornithologen Johann Centurius Graf von Hoffmannsegg (1766–1849) über Frankreich und Spanien nach Portugal geführt hatte und vor allem floristischen Erkundungen gewidmet war.
     Im Ergebnis dieser Reise veröffentlichte Link zunächst in drei Bänden (1800–1804) seine geologischen und mineralogischen Beobachtungen, dann jedoch 1809 zusammen mit Hoffmannsegg die »Portugiesische Flora« 3), die für lange Zeit zu den vegetationskundlichen Standardwerken über die Iberische Halbinsel zählen sollte. Gleichzeitig betrieb er mikroskopische Forschungen über die Pilze. Das hatte zur Folge, daß der berühmte Berliner Botaniker Karl Ludwig Willdenow (1765–1812) 4), der Herausgeber der 4. Ausgabe der »Species plantarum«, ihn beauftragte, in diesem auf Linné zurückgehenden Grundlagenwerk den Teil über die Pilze zu bearbeiten.
     Überhaupt zeichnete Link sich dadurch aus, daß er in einer Zeit, in der die botanische Fachwelt vorwiegend über systematische und morphologische Fragen, also namentlich über die Einteilung der Pflanzenwelt nach Merkmalen der äußeren Gestalt diskutierte, seine Aufmerksamkeit insbesondere auf die Anatomie und Phy-
siologie der Pflanzen, auf ihre Zellen und Gewebe richtete und sie unter diesem Gesichtspunkt mikroskopierte. Einen hervorhebenswerten Beitrag zum Fortschritt der Botanik leisteten in diesem Zusammenhang seine 1807 in Göttingen erschienenen Grundlehren der Anatomie und Physiologie der Pflanzen«.
     1804 hatte nämlich die dortige Königliche Gesellschaft der Wissenschaften als Preisfrage die Aufgabe gestellt, endlich einmal den »Gefäßbau der Gewächse« zu klären, und aufgefordert, darüber neue mikroskopische Untersuchungen anzustellen. Denn seit langem war umstritten, ob das pflanzliche Gewebe eine homogene Masse sei, in der die Zellen lediglich als Hohlräume eingelagert seien, oder ob die Zellen selbständige, von Scheidewänden umgebene, also in sich abgeschlossene Gebilde seien.
     Ein Mikroskop mit 180facher Vergrößerung ermöglichte Link den Nachweis, daß die letztgenannte Theorie richtig sei. Seine Abhandlung wurde von der Göttinger Gesellschaft preisgekrönt, und die genannte Publikation bildete fortan den Ausgangspunkt für weitere Forschungen zur Mikrostruktur der Pflanzen. Den gleichen Erfolg hatte Link übrigens 1808 bei der Akademie in St. Petersburg mit seiner Preisschrift »Von der Natur und den Eigenschaften des Lichts«.
     Zweimal wurde Link in Rostock für jeweils ein Jahr zum Rektor der Universität
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gewählt. Im Jahr 1800 ernannte ihn die Leopoldina, die bekannte Gesellschaft der Naturforscher, zu ihrem Mitglied. 1793 hatte er Charlotte Juliane Josephi (1768?–1829) geheiratet, die Schwester des Mediziners Prof. Wilhelm Josephi (1763–1845), seines Rostocker Fakultätskollegen. 1811 folgte Link einem Ruf der Breslauer Universität, eine ordentliche Professur für Chemie und Botanik zu übernehmen; im Jahr darauf wurde ihm auch die Direktion des dortigen Botanischen Gartens übertragen. In Breslau bekleidete er ebenfalls zweimal das Amt des Rektors.
     Im Sommer 1815 schließlich wurde Link als ordentlicher Professor der Botanik an die Medizinische Fakultät der Berliner Universität berufen. Zugleich wurde er Direktor des hiesigen Botanischen Gartens, den nach Willdenows Tod drei Jahre hindurch der Universitätszoologe Prof. Martin Hinrich Lichtenstein (1780–1857) verwaltet hatte. Mit Links Berliner Amtsantritt begann die wohl fruchtbarste, dreieinhalb Jahrzehnte umspannende Periode seines Schaffens.
     Bleibende Verdienste um den Berliner Botanischen Garten, den »Hortus regius Berolinensis«, der sich damals noch in der Potsdamer Straße – auf dem heutigen Gelände des Kammergerichts und seiner Umgebung – befand, hat sich Heinrich Friedrich Link in mindestens dreifacher Hinsicht erworben. Zum einen bereicherte er ihn um viele neue, auch seltene Pflanzen, nicht zuletzt durch Samentausch mit anderen
botanischen Instituten. 1843 wurden hier über 14 000 Arten gezählt, doppelt soviel wie noch zu Willdenows Zeiten; damit hatte Berlin den artenreichsten wissenschaftlichen Garten in Europa, eine Einrichtung von Weltrang.
     Zum anderen erweiterte Link die Bestände des Königlichen Herbariums, das bis 1818 dem Botanischen Garten angeschlossen war, und machte es zu einer selbständigen Institution, deren Direktor er 1819 wurde. Er veranlaßte, daß der preußische Staat 1818 das Willdenowsche Herbarium mit seinen etwa 26 000 Arten ankaufte, und arbeitete es in das Königliche Herbarium ein. Er trennte dessen Sammlungen räumlich vom Botanischen Garten, rief das »Generalherbar« ins Leben und schuf damit den Grundstock für das Berliner Botanische Museum. Nach seinen Plänen wurde ein Gartenherbarium angelegt – und wenn für alle diese Projekte die öffentlichen Mittel, wie damals schon üblich, nicht ausreichten, sprang er mit Geld aus seiner eigenen Tasche ein.
     Zum dritten führte Link 1816 den von Willdenow 1803 begonnenen »Hortus Berolinensis« – eine Beschreibung des Berliner Botanischen Gartens – zu Ende und gab in der Folgezeit eine Reihe von Bestandsverzeichnissen und Tafelwerken über diesen Garten heraus, teils in lateinischer Sprache für die gelehrte Welt, teils auf deutsch für ein größeres Publikum. 5) Dabei unterstützten ihn Mitarbeiter wie Christoph
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Friedrich Otto (1783–1856), der von 1805 bis 1843 als Inspektor des Botanischen Gartens wirkte, und Johannn Friedrich Klotzsch (1805–1860), Kustos am Botanischen Museum. Für die Illustration der Bände wurden am Botanischen Garten eigens Zeichner eingestellt, zunächst von 1824 bis 1828 Prof. Karl Röthig, später dessen Neffe und Schüler Carl Friedrich Schmidt (* 1813).
     Link hat auch eine Anzahl botanischer Grundlagenwerke verfaßt. An Willdenows Lebensarbeit knüpfte er an, indem er ab 1825 gemeinsam mit dem Leipziger Botaniker Christian Friedrich Schwägrichen (1775–1853) die 4. Auflage der schon erwähnten »Species plantarum« vollendete und von 1829 bis 1833 mit dem »Handbuch zur Erkennung der nutzbarsten und am häufigsten vorkommenden Gewächse« den von Willdenow 1792 vorgelegten »Grundriß der Kräuterkunde« um einen zweiten bis vierten Teil ergänzte. Diese thematische Linie setzte er 1837 mit den »Grundlehren der Kräuterkunde«, 1843 bis 1845 mit seinen »Vorlesungen über die Kräuterkunde« fort. Von seinen zahlreichen monographischen Publikationen seien an dieser Stelle nur die über die Gattung Pinus (Kiefer), die 1827 erschien, und die »Über den inneren Bau der Früchte der Tang-Arten« (1833) genannt.
     Als Systematiker stellte Link über 100 Pflanzengattungen und viele Arten neu auf. Doch auch durch Experimente trug er sich in die Annalen der Botanik ein. So stellte er
durch mikroskopische Untersuchung fest, daß sich die Steinkohle, deren Ursprung und chemischer Charakter bis dahin ungeklärt waren, im Prinzip ebenso zusammensetzt wie Braunkohle oder Torf: eine mehr oder weniger homogene Grundmasse mit eingebetteten pflanzlichen Bestandteilen. Dieses Forschungsergebnis veröffentlichte er 1838 in den Abhandlungen der Berliner Akademie unter dem Titel »Über den Ursprung der Stein- und Braunkohlen«.
     Im Jahr zuvor hatte er erste Versuche zu der damals vieldiskutierten Frage unternommen, ob das Wasser im Holzkörper der Pflanzen durch die Fasern oder durch die Gefäße aufsteigt: Er setzte verschiedene Pflanzen in einen Topf, den er eine Woche lang in eine Lösung von Eisenzyankali und dann einen Tag hindurch in eine Lösung von schwefelsaurem Eisen stellte. Aus dem Umstand, daß anschließend die Holzgefäße mit einer blauen Flüssigkeit angefüllt waren, schlußfolgerte er treffend, daß sie es sind, die das Wasser nach oben leiten.
     In der Zoologie gehörte Heinrich Friedrich Links besondere Liebe den Insekten und den Säugetieren, in der Botanik den niederen Pilzen und den Gräsern. Für die Jahrgänge 1841 bis 1846 von Wiegmanns »Archiv für Naturgeschichte« verfaßte er die »Jahresberichte über die Arbeiten für physiologische Botanik« in den Jahren 1840 bis 1845. Doch auch auf ganz anderen naturwissenschaftlichen Gebieten betätigte er sich als
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Autor, so mit einem zweibändigen »Handbuch der physikalischen Erdbeschreibung«, das 1826 in Berlin herauskam. In seinen Publikationen zur Vorzeit und zum Altertum ging er vornehmlich der Geschichte der Kulturpflanzen nach.
     Im Zusammenhang mit seiner Berufung nach Berlin war Link zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften und zum Direktor der pharmakognostischen Sammlung ernannt worden. Er gehörte der »Berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde« an, begründete 1822 die Deutsche Gartenbau- Gesellschaft mit und führte über lange Jahre den Vorsitz im Verein zur Förderung des Gartenbaus. 1823 mit dem Titel eines Geheimen Medizinalrats geehrt, war er Beisitzer der Wissenschaftlichen Deputation im preußischen Kultusministerium und Mitglied der Prüfungskommission für Ärzte und Pharmazeuten. Seit 1834 präsidierte er der Berliner Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. So verband er – dem Leitspruch der Berliner Akademie folgend – fortwährend »theoria cum praxi«, die Theorie mit der Praxis.
     In seiner Lehrtätigkeit an der Berliner Universität hat Link eine ganze Generation von Naturforschern und Medizinern mit herangebildet; als ein Beispiel von vielen sei hier nur auf seinen Schüler Christian Gottfried Ehrenberg (1795–1876) verwiesen, den nachmaligen Berliner Universitätsprofessor und Ständigen Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Den eigenen
Blick für die Natur förderte Link durch ausgedehnte Reisen; sie führten ihn 1823 nach Schweden, 1833 nach Griechenland, in den 40er Jahren dreimal nach Italien, zwischendurch und später nach Tirol, nach Korsika und nach Süddeutschland. Bei den Fahrten ins Ausland kamen ihm seine vielfältigen Kenntnisse fremder Sprachen zugute; sogar im Arabischen und im altindischen Sanskrit war er bewandert.
     Am 1. Januar 1851, wenige Wochen vor seinem 84. Geburtstag, ist Heinrich Friedrich Link in Berlin gestorben. Sein Freund und Akademie- Kollege Leopold von Buch (1774–1853), der berühmte Geologe, rief ihm nach: »Eine solche Kraft, Lebendigkeit, Vielseitigkeit und Beweglichkeit des Geistes erscheint uns nicht wieder.« In Alexander Heinrich Braun (1805–1877), dem Ordinarius der Berliner Universität, fand Link einen würdigen Nachfolger.

Anmerkungen:
1     Der lateinische Titel lautete: »Florae Goettingensis specimen sistens vegetabilia saxo calcario propria«.
2     »Commentatio de analysi urinae et origine calculi« (»Abhandlung über die Analyse des Harns und den Ursprung der Steinkrankheit«)
3     Französischer Originaltitel: »Flore portugaise«. Der 2. Band kam 1820 heraus.
4     »Berlinische Monatsschrift«, Heft 6/95, S. 45 ff.
5     Icones plantarum selectarum horti regii botanici Berolinensis cum descriptionibus et colendi ra-

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tione (»Abbildungen auserlesener Gewächse des königlichen botanischen Gartens ...«, zusammen mit C. F. Otto), 10 Bde., 1820–1828
Enumeratio plantarum horti botanici Berolinensis (»Verzeichnis der Pflanzen des Berliner königlichen botanischen Gartens«), 1820–1824
Hortus regius botanicus Berolinensis descriptus (»Der Berliner königliche botanische Garten, beschrieben«), 1827–1833
Icones plantarum rariorum horti regii botanici Berolinensis cum descriptionibus ... (»Abbildungen seltener Pflanzen des Berliner königlichen botanischen Gartens, mit Beschreibungen ...«), zusammen mit C. F. Otto), 1828–1831
Icones anatomicobotanicae ad illustranda elementa philosophiae botanicae (»Anatomisch- botanische Abbildungen zur Illustration der Elemente der Philosophie der Botanik«), 1837–1842 (unter dem Titel »Elementa philosophiae botanicae« hatte Link 1824 in Berlin einen Textband herausgebracht)
Icones selectae anatomicobotanicae (»Ausgewählte anatomisch- botanische Abbildungen«), 1839–1842
Icones plantarum rariorum horti regii botanici Berolinensis (»Abbildungen seltener Pflanzen des Berliner königlichen botanischen Gartens«, zusammen mit J. F. Klotzsch und C. F. Otto), 1840–1844
Abietinae horti regii botanici Berolinensis cultae (»Die Tannen des Berliner königlichen botanischen Gartens«), 1841
Filicum species in horto regio botanico Berolinensis cultae (»Die Arten der im Berliner königlichen botanischen Garten angebauten Farne«), 1841
Anatomia plantarum iconibus illustrata (»Mit Abbildungen illustrierte Anatomie der Pflanzen«), 3 Bde., 1843–1847
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