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1830 in Rußland und später dann im englischen Kolonialreich.
     Humboldt, der mit dem 1844 zum Direktor des Königlich Preußischen Statistischen Bureaus in Berlin ernannten Wilhelm Diterici (1790-1859) befreundet war, hatte diesem vorgeschlagen, in das Arbeitsprogramm des Büros die klimatologische Erforschung des Landes sowie eine Untersuchung über die Abhängigkeit der Lebensmittelpreise von den Witterungsverhältnissen mit aufzunehmen. Dazu mußte ein leistungsfähiges meteorologisches Meßnetz in Preußen aufgebaut werden, dessen Beobachtungsdaten in einer zentralen Stelle gesammelt und verarbeitet werden sollten. Diterici griff diese Anregung auf. Am 17. Oktober 1847 wurde das Königlich Preußische Meteorologische Institut durch eine Kabinettsorder gleichen Datums definitiv genehmigt. Es bestand zunächst aus einer kleinen Abteilung des Statistischen Büros mit einem einzigen Mitarbeiter, dem Direktor, denn die Geldmittel für das Institut waren äußerst knapp.
     Erster Direktor war der von Humboldt empfohlene Dr. phil. Wilhelm Mahlmann (1812-1848), ein gebürtiger Berliner, der einen ausgezeichneten Ruf als Wissenschaftler besaß. Mahlmann setzte sich sehr für die sorgfältige Auswahl der neu einzurichtenden Meßstationen und die Überprüfung der bestehenden Stationen ein. Ebenso für die Gewinnung von nebenamtlichen Beobachtern, für einheitliche Beobachtungsmetho
Heidrun Siebenhühner
Das Königlich Preußische Meteorologische Institut in Berlin

In ihrer Morgenausgabe vom 17. Oktober 1897 berichtete die »Vossische Zeitung« über ein gesellschaftliches Ereignis, das am Vortag in Potsdam stattgefunden und seinen besonderen Glanz durch die Anwesenheit des Kaiserpaares, Wilhelm II. und Auguste Victoria, erhalten hatte. Es war ein Festakt in der Gedenkhalle des Königlichen Geodätischen Instituts. Der Anlaß war das fünfzigjährige Bestehen des Königlich Preußischen Meteorologischen Instituts in Berlin.
     Die Festrede hielt Geheimrat Professor Wilhelm von Bezold (1837-1907), Institutsdirektor seit Oktober 1885. Er gab einen Überblick über die Entwicklung des Instituts seit seiner Gründung im Jahre 1847.
     Anstöße zur Errichtung eines meteorologischen Instituts und, damit verbunden, zum Aufbau eines Meßnetzes in Preußen waren von Alexander von Humboldt (1769-1859) ausgegangen. Bereits in anderen Ländern waren auf seinen Rat hin meteorologische Meßnetze installiert worden: so im Jahre


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schaftlichen Meteorologie in Preußen.
     Nach dem Tode H. W. Doves wurde das Institut zunächst kommissarisch von dem aus Sachsen stammenden Johann Albert Arndt (1811-1882) und von 1882 bis 1885 von dem in Schlesien geborenen Meteorologen Gustav Hellmann (1854-1939) geleitet.
     Das Königlich Preußische Meteorologische Institut in seiner bestehenden Form als Abteilung des Statistischen Büros genügte bereits in den 70er Jahren nicht mehr den Anforderungen von Wissenschaft und Praxis. Eine Reorganisation war nötig, sie wurde 1875/76 »angedacht«, aber erst im Jahre 1892 abgeschlossen. Einen entscheidenden Beitrag dazu leistete ab 1885 der neue Direktor des Instituts, der aus München stammende Physiker und Meteorologe Wilhelm von Bezold (1837-1907).
     Bezold war 1885 als ordentlicher Professor für Meteorologie an die Berliner Universität berufen worden und übernahm gleichzeitig das Königlich Preußische Meteorologische Institut.
     Im Laufe des Jahres 1885 entwickelte Bezold Pläne zur Reorganisation des Instituts. Seine Ziele waren eine
- Vergrößerung der Dichte des Meßnetzes und Erhöhung des wissenschaftlichen Niveaus der Beobachtungsverfahren und der zu verwendenden Instrumente;
- räumliche Trennung des Berliner Instituts von dem geplanten meteorologischen Observatorium;
den und gleiche Meßinstrumente. In den Jahren 1847 und 1848 besuchte er beinahe alle neuen Stationen zu Kontrollzwecken. Auf einer Reise durch Schlesien erkrankte er in Breslau und starb am 8. Dezember 1848.
     Sein Nachfolger wurde der Physiker und Meteorologe Prof. Heinrich Wilhelm Dove (1803-1879), Mitglied der Akademie der Wissenschaften und des Lehrkörpers der Berliner Universität. Der aus Liegnitz (Schlesien) stammende Dove hatte als Meteorologe bereits Weltruf erlangt, als man ihn im April 1849 an das Königlich Preußische Meteorologische Institut in Berlin berief. Hier arbeitete er, auf sich allein gestellt, am Ausbau der von Mahlmann begonnenen Einrichtung des Beobachtungsnetzes sowie an allen anderen notwendigen Aufgaben. Erst im Jahre 1866 erhielt das Institut einen ersten Assistenten. Bis 1871 reiste H. W. Dove allein durch Preußen, um den größten Teil der Stationen zu besuchen und zu überprüfen. Er wanderte »mit dem Normalbarometer auf dem Rükken ... durch das Tiefland wie auch zum Brocken und Riesengebirge« oder fuhr »mit dem empfindlichen Instrument in der Hand ... im Postwagen durch Masuren und die Eifel« und unterzog sich damit Strapazen, denen er bald nicht mehr gewachsen war. Am 4. April 1879 starb er in Berlin. Die englische Zeitschrift »Nature« bezeichnete ihn in ihrem Nachruf vom 10. April 1879 als »Father of the Meteorology« und würdigte damit auch seine Bedeutung als Begründer der wissen

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- Trennung des Instituts vom Statistischen Büro.
     Für die Realisierung dieser Pläne wurde ein Zeitraum von fünf Jahren veranschlagt. Die Verbindung zum Statistischen Büro konnte bereits 1886 vollständig gelöst werden. Das Zentralinstitut - als Kern des reorganisierten meteorologischen Instituts - zog von der Lindenstraße 32 (Kreuzberg) in Räume der ehemaligen Bauakademie am Schinkelplatz 6 (Mitte). Hier liefen nun alle Daten der Beobachtungsstationen zusammen und wurden ausgewertet. Das Potsdamer Observatorium diente dem Institut als Außen und Forschungsstelle.
     Die personelle Situation stellte sich im Jahr 1896, nach der Reorganisation, wie folgt dar: Für die drei Abteilungen des Berliner Zentralinstituts gab es einen Direktor, drei Oberbeamte, neun Assistenten und Büropersonal. Für die meteorologische und die magnetische Abteilung des Potsdamer Observatoriums standen je ein Vorsteher, zwei Assistenten und einige Unterbeamte zur Verfügung. Wilhelm von Bezold leitete das Königlich Preußische Meteorologische Institut noch bis 1907. Er starb am 17. Februar 1907 in Berlin.
     Bezolds Nachfolger im Amt wurde der bereits erwähnte Meteorologe Gustav Hellmann (1854-1939), der von 1882 bis 1885 schon einmal Interimsdirektor gewesen war. Hellmann, der grundlegende Beiträge über die Niederschlagsverhältnisse in Deutsch
land und auch zur Geschichte der Meteorologie lieferte, führte das Institut bis 1922. Er starb am 21. Februar 1939 in Berlin.
     Sein Nachfolger und zugleich der letzte Direktor des Preußischen Meteorologischen Instituts war der Physiker und Meteorologe Heinrich von Ficker (1881-1957), der von 1923 bis 1937 in Berlin wirkte. Der gebürtige Münchner war ordentlicher Professor für Meteorologie an der Berliner Universität und übernahm im Jahre 1923 das Institut. Im Jahre 1934, mit der Gründung des »Reichswetterdienstes« durch die Nationalsozialisten, wurde das selbständige Preußische Meteorologische Institut der Universität angeschlossen und hörte damit auf, zu existieren.

Quellen:
- Schlaak, Paul: 300 Jahre Wetterforschung in
Berlin in: Der Bär von Berlin 1976, S. 84-123
- Körber, Hans-Günther: Beiträge von Berliner Physikern zur Entwicklung der Physik der Atmosphäre in: Berliner Wissenschaftshistor.
Kolloquien III - Die Entwicklung Berlins als Wissenschaftszentrum (1870-1930) AdW 1981,
S. 176-195
- Neue Deutsche Biographie, Fünfter Band, Berlin 1971, S. 132
- Die naturwissenschaftlichen und medicinischen Staatsanstalten Berlins - Festschrift für die
59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte Berlin 1886, S. 131-134


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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 12/1996
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