![]() |
![]() |
27 Probleme/Projekte/Prozesse
![]() | Wilhelm Heiden-Heinrich ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
merschen Bauern- und
Handwerkerfamilie stammenden Tischlers wuchs in
bescheidenen Verhältnissen auf. Bereits als Junge verdiente er sich seinen Konfirmandenanzug durch die Veranstaltung von
Kinderfesten, Aushilfsarbeiten in einer Buchhandlung und in einem Sommertheater.
Nach dem Besuch der Volksschule wurde er Qualitätsarbeiter in der Billard-Queues-Fabrik Weißensee, mit 16 Jahren war er Würfelbudenbesitzer und mit 17
Redakteur und Herausgeber des Welt-Courier, einer internationalen Fachzeitung für Korrespondenz-, Tausch- und Sammelwesen.
Erste große Erfolge mit
Die leichte Muse zog ihn schon in jungen Jahren magisch an. 1913 ließ er sich zum Operettenbuffo ausbilden, wozu die Bekanntschaft Paul Linckes (1866-1946) am Apollo-Theater wesentlich beitrug. Nachdem er zuerst mit Lincke durch Norddeutschland tingelte, ging er nach Beendigung seines Gesangs- und Musikstudiums allein auf Tournee. In dieser Zeit legte er sich auch seinen Künstlernamen zu. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges brach er seine gerade erst begonnene Karriere ab, da viele Theater schließen mußten. Fast zwei Jahre hielt er sich als Fahrstuhlführer in einem Warenhaus und Laborant in einer Apotheke über Wasser, bis er im Jahre 1916 zum Hee | |||||
Bärbel Ruben
Der Theaterdirektor von Weißensee Wilhelm Heiden-Heinrich und seine Liebeserklärungen an Weißensee und Hohenschönhausen Der am 16. April 1895 in der Roelckestraße
14 geborene Wilhelm Heinrich wirkte unter seinem Künstlernamen Heiden-Heinrich
als Theaterdirektor der Stadthalle Weißensee (1919-1929), als Gastwirt der
Hohenschönhausener »Terrassen am Orankesee«
sowie Bauherr und Pächter des Strandbades
am Orankesee (1929-1942/44). Seine Liebe zum Heimatbezirk spiegelte sich im
ungewöhnlich vielfältigen Engagement zur
Belebung des kulturellen und wirtschaftlichen
Lebens Weißensees wider. Beredtes Zeugnis
dafür sind nicht nur seine selbst getexteten
und komponierten Liebeserklärungen an Weißensee und Hohenschönhausen.
1) In vielen seiner Unternehmungen hatte
Wilhelm Heinrich eine glückliche Hand, da er
hervorragende Eigenschaften sowohl als Künstler wie auch als Unternehmer besaß.
| |||||
![]() | ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
28 Probleme/Projekte/Prozesse
![]() | Wilhelm Heiden-Heinrich ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
resdienst gerufen wird. Da er wegen einer Herzkrankheit bereits nach sechs Wochen ausgemustert wurde, arbeitete er in der Frühschicht in einer Munitionsfabrik und trat am Abend im Apollo- oder Walhalla-Theater auf. Noch im letzten Kriegsjahr eröffnete er ein Theatergeschäftsbüro und | erntet mit seinem ersten eigenen
Ensemble, der »Deutschen Operetten- und
Volksbühne«, und dem selbstverfaßten Singspiel
»Die Glücksgöttin« an verschiedenen
Provinzbühnen große Erfolge.
Inzwischen ist er mit Ida Patschke verheiratet, einer herzensguten und temperamentvollen Frau, der wie ihrem Mann die Musik und das Schauspiel im Blut liegen. Im Dezember 1919 übernahm Wilhelm Heiden-Heinrich die seit fünf Jahren stilliegende Stadthalle in der Pistoriusstraße 23. Zur Stadthalle gehörten der Turnsaal der Gemeinde, ein Restaurant, eine Kegelbahn und ein Wannenbad. Mit Ausnahme des Wannenbades war Wilhelm Heiden-Heinrich der Gesamtpächter der Stadthalle. In der Gemeindeturnhalle fanden sonntags die Theateraufführungen seines Ensembles statt, was bedeutete, daß der Turnsaal jedesmal in einen Theatersaal umgewandelt werden mußte. Das »Theater in der Gemeindeturnhalle« - so seine offizielle Bezeichnung - erlebte zehn glanzvolle Jahre mit zahlreichen umjubelten Premierenfeiern von Volksstücken, Varietéaufführungen und Operetten, die zum nicht geringen Teil aus der Feder Heiden-Heinrichs selbst flossen. | ||||||
| |||||||
Eines der frühesten überlieferten Künstlerfotos: Wilhelm Heinrich beim Auftritt in Paul Linckes Operette »Casanova« 1913/14 | |||||||
![]() | ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
29 Probleme/Projekte/Prozesse
![]() | Wilhelm Heiden-Heinrich ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
| |||||
In der Pistoriusstraße 23 war das »Theater in der Gemeindeturnhalle« | |||||
Das Publikum kreischte
vor Vergnügen Für jedes Stück übernahm der
Theaterdirektor zugleich die Regie. Ihm zur Seite
standen die Schauspieler Otto Redlich, Paul Mohaupt, Carla Liebig, Marga Seidler und
Willi Rothenburg. Seine Frau Ida Heinrich
gehörte dem Schauspielensemble ebenfalls an.
| aufgeführten Stücke in der Stadthalle Weißensee waren laut überlieferten zeitgenössischen Theaterkritiken fast durchweg »phänomenale Erfolge«, Heiden-Heinrich und seine Frau waren »herzerfrischend«, »spielten mit gewohnter Routine«, charakterisierten ihre Rollen »einfach glänzend«, erhielten stets den »ungeteilten Beifall« des oftmals »vor Vergnügen kreischenden Publikums«. In seinen selbstverfaßten Liedern und Stücken bemühte sich Wilhelm Heiden- | ||||
![]() | ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
30 Probleme/Projekte/Prozesse
![]() | Wilhelm Heiden-Heinrich ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Heinrich darum, dem Lokalkolorit Tribut
zu zollen.
Mit der Weltwirtschaftskrise und der zunehmenden Verbreitung des Kinos setzte gegen Ende der 20er Jahre in Berlin auch das Theatersterben ein, viele kleine Bühnen und Vorstadttheater gingen in den Konkurs. Auch Wilhelm Heiden-Heinrich spürte, daß die | Zeit seines Theaters in der Stadthalle
vorbei war. In seiner Familiengeschichte schreibt er: »Als nach der furchtbaren Inflation
der Rückgang des Theatergeschäfts
einsetzte, versuchte ich mein Unternehmen durch Varieté- und Kabarettvorstellungen
lebensfähig zu halten, stellte mich aber dann
hauptsächlich auf den gastronomischen Betrieb um.«
In dieser Zeit begann er, vom alten Weißensee (die Stadthalle gab er 1933 auf) langsam Abschied zu nehmen, und verlagerte seine Aktivitäten an den Orankesee nach Hohenschönhausen. Er ging aus einer Ausschreibung zur Neuverpachtung der »Terrassen am Orankesee« als Sieger hervor. 3) Ausschlaggebend war dabei wohl sein überzeugendes wirtschaftliches Konzept, das vorsah, neben der Wiederherrichtung des heruntergekommenen Wirtshauses ein Strandbad am Orankesee aufzubauen. Damit sollte ein langgehegter Wunsch der Hohenschönhausener in Erfüllung gehen. Ursprünglich hatte die Weißenseer Bezirksverwaltung Magistratsmittel in Höhe von 150 000 RM für den Bau einer sehr großzügigen Badeanlage beantragt, diese aber nie bewilligt bekommen. Gerade in der Weltwirtschaftskrise waren die öffentlichen Kassen leer. Schon bald nach Abschluß des Vertrages | |||||||
| ||||||||
Wilhelm Heiden-Heinrich 1942 | ||||||||
![]() | ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
31 Probleme/Projekte/Prozesse
![]() | Wilhelm Heiden-Heinrich ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
| |||||
Terrassen am Orankesee | |||||
mit dem Bezirksamt Weißensee, der erst im Februar 1929 rechtswirksam wurde, setzten die umfangreichen Renovierungsarbeiten am Wirtshaus ein. Der Bau des attraktiven Freibades erfolgte in so kurzer Zeit, daß wenig später bereits die
»Berliner Nordostzeitung« erwartungsfroh den
»Wannsee des Berliner Nordostens« prophezeite.
Interessant ist, daß die Promenade um den See mit Abbruchmaterial von Häusern aufgeschüttet wurde, die dem Untergrundbahn | bau nach Friedrichsfelde weichen mußten. Aus den Baugruben der Hochhäuser am Alexanderplatz schaffte man wagenweise den weißen Sand für den Strand herbei, so daß der Eindruck entstand, der Sand stamme aus einem Ostseebad. 4) Im Einklang mit den Weißenseer Behörden schaffte es Heiden-Heinrich, das Strandbad tatsächlich bis zum Beginn der Badesaison 1929 fertigzustellen. | ||||
![]() | ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
32 Probleme/Projekte/Prozesse
![]() | Wilhelm Heiden-Heinrich ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
An einem Tag 12 000
Badegäste am Orankesee Am Sonntag, dem 23. Juli 1929, besuchten das Bad bereits 12 000 Badegäste.
5) Dies war zweifellos ein Rekord und kaum zu
bewältigen für den ca. fünf Hektar großen See.
Die Besucherzahlen lagen im Laufe der Zeit an den Wochenenden bei rund 10 000
Gästen. Der Pächter der »Terrassen am
Orankesee« und des Strandbades zog nun mit seiner ganzen Familie in die »Orankesee-Terrassen«. In Hohenschönhausen verbrachte
er seine glücklichsten Jahre, bis der totale Krieg seinem volksnahen Wirken auch
an diesem Orte ein Ende setzte. Unter Heiden-Heinrich erlebte das Wirtshaus am
Orankesee seine wahrscheinlich glanzvollste Zeit. Das Haus bot in der Saison mit
seinem Hauptrestaurant und kleinem Saal, seinem Vereinszimmer, dem Sommersaal und
den beiden Freiluftterrassen (eine davon direkt am See) Platz für 5 000 Besucher. Es
verfügte außerdem über einen Bierkeller mit Ausschank, eine Kaffeküche, eine Verbandskegelbahn, eine kleine Freilichtbühne
und ein Wildgehege mit Damhirschen und Rhesusaffen. Dieses Vergnügungsetablissement suchte in Hohenschönhausen
seinesgleichen und zog an den Wochenenden bei schönem Wetter einige tausend
Gäste aus ganz Berlin an.
| den Gästeansturm zu bewältigen. Viele
Vereine, allen voran der durch Lokalgrößen aus den Villenkolonien besetzte wohltätige Verein der »Orankeritterschaft«, tagten
im Lokal. Vielfältige Konzertreihen und Vergnügungsveranstaltungen, wie die
Frühkonzerte zu Pfingsten (Beginn: 6.00 Uhr morgens), sorgten für die große
Beliebtheit des Orankewirtes, der auch hier bei
allen Veranstaltungen Regie führte und als
Sänger auftrat. Wo sonst in Berlin gab es einen Gastwirt, der durch seine Mitgliedschaft im Guttemplerorden in früher Jugend geprägt, keinen Alkohol trank, nicht
rauchte, das Kartenspiel nicht kannte und statt dessen seinen Gästen ein Liederbuch mit seinen Kompositionen präsentierte?
Vermutlich ab 1942 wurde der Gaststättenbetrieb in den Orankesee-Terrassen stark eingeschränkt, da Teile des Wirtshauses von der Wehrmacht requiriert waren. Im Oktober 1942 ging er mit einer Varieté-Wehrmachtsbühne auf Tournee. Ab Februar 1944 begleitete ihn seine Tochter Heidi dabei. Das Strandbad am Orankesee wurde durch Bombenabwürfe in der Nacht vom 2. zum 3. Januar 1944 völlig zerstört. Im Juni 1944 fallen auf das behelfsmäßig wiederhergerichtete Bad erneut Bomben, und es blieb von da ab geschlossen. | |||||
![]() | ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
33 Probleme/Projekte/Prozesse
![]() | Wilhelm Heiden-Heinrich ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
|
Umzug nach Petershagen
und Kinderrevuen Im Herbst 1944 gab es auch kein Wehrmachtsvarieté mehr. Der Ernst der Lage
erforderte die Stillegung aller kulturellen Aktivitäten. Heiden-Heinrich und seine Tochter wurden
Rüstungsarbeiter.
|
So baute er mit unermüdlichem Elan
eine Gastspieldirektion in Petershagen auf, veranstaltete Kinderrevuen und
Abend-Gastspiele und alljährlich die
»Petershagener Kunst- und Gewerbemesse«. Daneben
züchtete er zusammen mit einem Freund Heilkräuterkulturen in Petershagen und
war ihm behilflich, im Jahr 1946 die Arzneimittelfabrik
»Biomed« in Berlin zu gründen. 1949 schied er aus
gesundheitlichen Gründen aus dem bald darauf volkseigenen Betrieb aus.
| |||||
| ||||||
![]() | ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
34 Probleme/Projekte/Prozesse
![]() | Wilhelm Heiden-Heinrich ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 11/1996
www.berlinische-monatsschrift.de