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lehrten Bauern und Astronomen« Christoph Arnold (1650-1697) in Sommerfeld bei Leipzig kennengelernt. Arnold, zum Leipziger Freundeskreis Gottfried Kirchs gehörend, unterrichtete die junge Maria Margaretha gemeinsam mit ihrem Vormund, dem Pastor Justin Töllner aus dem Nachbarort Panitzsch, in dessen Haus sie nach dem frühen Tod ihrer Eltern aufwuchs. Das wißbegierige, an Naturwissenschaften sehr interessierte junge Mädchen konnte sich auf diese Weise recht umfangreiche, unter anderem auch astronomische Kenntnisse aneignen.
     Gottfried Kirch hatte, als er seine spätere Frau kennenlernte, schon ein recht bewegtes Leben hinter sich. Der 30 Jahre Ältere, am 18. Dezember 1639 in Guben/Lausitz als Sohn eines Schneiders geboren, hatte in Jena Mathematik und Astronomie studiert, war wissenschaftlicher Gehilfe des Danziger Astronomen Johannes Hevelius (1611-1687) gewesen und hatte in Königsberg seine Studien beendet. Um 1677 ließ er sich in Lobenstein (Thüringen) nieder und heiratete zum ersten Mal. Hier befaßte er sich mit der Herstellung und Herausgabe von Kalendern mit astrologisch vorausberechneten Witterungsvorhersagen, um damit den Lebensunterhalt für sich, seine Frau und die sieben Kinder, die aus der Ehe hervorgegangen waren, zu bestreiten. Ein Vorhaben, das ihm mehr schlecht als recht gelang. Auch die Übersiedlung nach Leipzig im Jahre 1676, von der er sich eine Verbesserung sei
Heidrun Siebenhühner
Das Wetterbuch
der »Kirchin«

Fast 75jährige Beobachtungsreihe der
Astronomenfamilie Kirch

Am Silvestertag des Jahres 1700 vermerkte Frau Maria Margaretha Kirch (1670-1720), die Ehefrau des Direktors der Berliner Sternwarte Gottfried Kirch, in ihrem Tagebuch, daß in Berlin ein Regenbogen zu beobachten gewesen sei, »ein liebliches Zeichen bei Beschluß des alten Jahres, ja gar eines Seculi«.
     Für M. M. Kirch, die als Maria Margaretha Winkelmann am 25. Februar 1670 in Panitzsch bei Leipzig geboren worden war, waren Wetterbeobachtungen nichts Ungewöhnliches. Sie hatte sie bereits Jahre zuvor in Guben, der Geburts- und Heimatstadt ihres Mannes, angestellt und tagebuchartig festgehalten. Leider sind aus dieser Zeit nur Aufzeichnungen überliefert, die den Zeitraum vom 1. Januar 1697 bis zum 30. Juni 1697 umfassen. Es ist jedoch anzunehmen (und aus Hinweisen zu entnehmen), daß die »Kirchin« bereits früher mit ihren Beobachtungen begonnen hatte.
     Ihren Mann Gottfried Kirch (1639-1710) hatte Maria Margaretha im Hause des »ge


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ner Lage erhofft hatte, änderte nicht viel an seiner beruflichen und privaten Situation. Nach wie vor verdiente Gottfried Kirch das Geld für sich und seine Familie mit der »Kalendermacherei«. Erst durch die Entdeckung des gewaltigen Kometen, die ihm am 4. November 1680 während eines Aufenthaltes in der damaligen wettinischen Residenz Coburg gelang, nahm sein Leben eine Wende. Diese Entdeckung bedeutete für Kirch einen großen persönlichen Erfolg und rückte ihn in die erste Reihe der Astronomen in Europa. Er festigte seinen Ruf durch eine Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen.
     Einen herben Schicksalsschlag hatte Gottfried Kirch im Jahre 1690 hinnehmen müssen, als er seine erste Frau verlor. Auch die sieben Kinder waren bereits in jungen Jahren verstorben. In dieser Situation traf er nun im Hause Christoph Arnolds in Sommerfeld bei Leipzig auf die 30 Jahre jüngere Maria Margaretha Winkelmann. In der Folgezeit begegneten sie sich öfter, und schließlich heirateten beide am 5. Mai 1692. Die Ehe wurde sehr glücklich. Sechs Kinder gingen aus ihr hervor. Zwei von ihnen, Christfried Kirch (1694-1740) und Christine Kirch (1696-1782), setzten die astronomische und meteorologische Familientradition mit großem Erfolg fort.
     Gottfried und Maria Margaretha Kirch ließen sich bald nach ihrer Hochzeit in Guben nieder, wo sie in Gottfried Kirchs Elternhaus wohnten und ihr Geld mit der gewohn
ten Kalenderarbeit verdienten. Bei den dabei notwendigen astronomischen und astrologischen Berechnungen unterstützte Maria Margaretha ihren Mann tatkräftig. Sie wurde seine vertrauteste und beste Mitarbeiterin. Hier in Guben begann Maria Margaretha Kirch auch mit ihren regelmäßigen täglichen Wetterbeobachtungen und -aufzeichnungen.
     Im Juli 1700 kam es zu einer entscheidenden Veränderung im Leben der Familie Kirch: Gottfried Kirch wurde als erster Astronom an die Sternwarte der Berliner Societät der Wissenschaften berufen. Die Familie zog also nach Berlin, wo sie jedoch zunächst äußerst schwierige Arbeits und Lebensbedingungen vorfand. Die Sternwarte in der Dorotheenstraße (damals »Letzte Straße«) war noch im Bau, der sich aus finanziellen Gründen immer wieder verzögerte. Das Observatorium konnte 1706 erst provisorisch in Betrieb genommen werden, endgültig fertig war es sogar erst 1711. Die unbefriedigende Wohnungssituation besserte sich, nach zwei Umzügen, erst im Jahre 1708. Am 4. April zog die Familie in das nun fertiggestellte Astronomenhaus, Dorotheenstraße 10. Die Freude über die neue Bleibe währte jedoch nicht lange, denn am 25. Juli 1710 starb Gottfried Kirch.
     Trotz aller anfänglichen Schwierigkeiten führte Kirch, unterstützt von seiner Frau, in seiner Berliner Zeit eine große Zahl astronomischer und meteorologischer Beobachtun

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gen durch und hinterließ eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten. Mit den täglichen Witterungsaufzeichnungen begann er am 16. August 1700. Sie finden sich in seinem Witterungs-Tagebuch, das den Titel trägt:
Observatio
des Gewitters
Ao 1700
Vom 16t. Augustis biß
zu Ende besagten Jahres.
     Die Eintragungen dieses ersten Zeitabschnitts sind kurz und wurden ohne Verwendung meteorologischer Instrumente gewonnen. So lesen wir z. B. am 23. August: »herrlich schön Wetter den gantzen Tag«, am 26. August: »Noch schön Wetter« und am 30. August: »gewölckend«.
     Diese Eintragungen sind der Beginn einer von der Berliner Astronomenfamilie Kirch
geschaffenen Beobachtungsreihe, die in ihrer Art einmalig ist.
     Maria Margaretha Kirch hatte, selbständig und unabhängig von ihrem Mann, am 1. Januar 1701 mit ununterbrochenen täglichen Witterungsbeobachtungen begonnen und setzte diese zunächst bis zum 31. Mai 1714, dann - nach einer zweijährigen Unterbrechung - noch bis zum 17. Dezember 1720 fort. Ihr Beobachtungs-Tagebuch trägt den Titel:
Wetter Buch
M.M.K.
      1701
Bei ihren Aufzeichnungen bemühte sich Maria Margaretha Kirch um exakte und detaillierte Formulierungen, und sie benutzte für ihre Beobachtungen ein Thermometer, von ihr als »Wetterglas« bezeichnet. So lesen

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wir unter dem 18. Januar 1701: »Das Wetterglas hing in einer ziemlich offenen Kammer und war 16 und einhalb Grad.« Für den 13. Januar 1701 hatte sie vermerkt: »Noch trübe mit starkem Schneien abwechselnd. Um die Vesper-Zeit etwas zerbrochen Gewölck, es wärete aber nicht lange, so ward es wieder ganz trübe, und hat die folgende Nacht sehr geschneiet.« Und am 15. Januar 1701 schrieb sie: »Diese Woche ist erst leidlich gewesen, aber zuletzt folgte ein ernstes Winter-Wetter.«
Der Tod Gottfried Kirchs im Juli 1710 stürzte die Familie in eine äußerst schwierige Situation, denn Maria Margarethas Einkünfte aus Kalenderberechnungen reichten bei weitem nicht aus, um sich und ihre Kinder versorgen zu können. Aus dieser Notlage half Baron Bernhard Friedrich von Krosigk, der die Familie bei sich aufnahm und der Witwe Gottfried Kirchs die Möglichkeit bot, in seiner Privatsternwarte, auf dem Dach seines Hauses Wallstraße 135, zu arbeiten. Hier konnte sie auch ihre Wetterbeobachtungen, die sie 1701 begonnen hatte, fortsetzen. 1714 verließ der Baron Berlin, und Maria Margaretha Kirch nahm eine Einladung nach Danzig an, wo sie sich zwei Jahre lang aufhielt. Anfang des Jahres 1716 wurde ihr Sohn Christfried (geboren am 24. Dezember 1694 in Guben) als Direktor an die Berliner Sternwarte berufen, an der sein Vater bis 1710 gewirkt hatte. Maria Margaretha kehrte zurück nach Berlin, zog zu ihrem Sohn in
das Astronomenhaus und unterstützte ihn, wie Jahre zuvor ihren Mann, bei seinen astronomischen Arbeiten. Hier nahm sie auch am 15. April 1716 ihre Wetterbeobachtungen wieder auf und führte sie bis zum 17. Dezember 1720 weiter. Wenige Tage später, am 29. Dezember, starb sie.
     Christfried und Christine Kirch führten zunächst das Werk ihrer Eltern gemeinsam fort. Nach dem frühen Tod Christfried Kirchs im Jahre 1740 war es seine Schwester Christine, die die Witterungsbeobachtungen allein weiterführte und niederschrieb. Christine Kirch befaßte sich, wie ehemals ihre Eltern auch, mit astrologisch vorausberechneten Witterungsvorhersagen, die sie als selbständige wissenschaftliche Rechnerin für die von der Akademie herausgegebenen Volkskalender erstellte. Die Beobachtungen und Aufzeichnungen führte sie mit einigen Unterbrechungen bis zum 30. April 1774 weiter. Die Familie Kirch hatte somit also eine fast 75jährige meteorologische Beobachtungsreihe aufgestellt.
     Die Kirchschen Witterungs-Journale, die neben meteorologischen Aufzeichnungen viele Angaben über Kometen, Meteore, Sternschnuppen und veränderliche Sterne enthielten, waren lange Zeit unauffindbar, tauchten später in Schottland auf, wo sie von schottischen Astronomen ausgewertet worden waren. Kopien davon (Mikrofilme) befinden sich heute u. a. in der Bibliothek des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach.

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/1996
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