| Dr. Ritter wurde dann auch gleich als
Chef des neuen Krankenhauses vorgestellt, einer, wie die »Vossische« schrieb,
»architektonisch anmutigen und in klinischer Beziehung vollkommenen Anstalt«, in der 60 kleine Patienten im Alter bis zu eineinhalb (in Ausnahmefällen bis zu zwei) Jahren betreut werden konnten. Die Anstalt gliederte
sich in die chirurgische Abteilung mit einem »kleinen, aber vorzüglich
eingerichteten Operationssaal« sowie die Abteilungen
für Haut-, für Hals-Nase-Ohren- und für
Augenkrankheiten. Der Pflegedienst wurde von Schwestern des Roten Kreuzes versehen.
Besondere Erwähnung fand, daß das Krankenhaus inmitten eines großen Parkes gelegen ist, daß allen Krankenzimmern Veranden für Freiluftkuren vorgelagert und daß reichlich Baderäume
vorhanden sind. Als Besonderheit wurde der abseits vom Krankenhaus gelegene Isolationspavillon genannt, in dem »die Abteilungen für Keuchhusten, Diphtherie usw. völlig voneinander geschieden sind und eigene Eingänge besitzen«. Eine weitere
Novität: der krankenhauseigene
»Musterkuhstall« mit seinen »getrennten Raufen und
verdeckten Wassertrögen, die von den Kühen selbst aufgeklappt werden«, wie dem Reporter der »Tante Voss« auffiel. »Das Melken
geschieht in einem besonderen Raum, dem ein >Toilettenzimmer< zur Reinigung der Kühe vorgelagert ist.« Neben dem Stall,
in dem 38 Kühe Platz fanden, befindet sich
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| der Kühl- und der Verarbeitungsraum
zur Zubereitung der Säuglingsmilch.
Zum Krankenhaus gehörte auch eine Mütterabteilung mit acht
Säuglingsbetten, ein Stillzimmer für die Ammen,
Schwesternzimmer und ein Hörsaal. Gleichfalls hier
untergebracht waren eine
Säuglingsfürsorgestelle und das Büro der
Ziehkinderanstalt. Alles in allem ein Haus, in dem, wie die
»Vossische« abschließend bemerkte, »alle
Zweige der Säuglingsfürsorge vereinigt sind«.
Das Ganze war offenbar auch als eine Art Paradebeispiel für den III. Internationalen
Kongreß für Säuglingsschutz gedacht, der
im September 1911 in Berlin stattfand. Die
Eröffnung des Krankenhauses war jedenfalls noch rechtzeitig geschehen, so daß es
mit Foto und ausführlicher Beschreibung in
das für die Teilnehmer des Kongresses bestimmte Buch »Säuglingsfürsorge in
Groß-Berlin« aufgenommen werden konnte. Dem war
übrigens noch zu entnehmen, daß das
Säuglingskrankenhaus »mit seinen
Nebenanlagen einen Wert von weit über einer halben
Million Mark repräsentiert« und daß es
außer dem Kuhstall auch einen Pferdestall
für sechs stolze Rösser nebst »Knechtstube«
und einer »Remise für drei Wagen« gab.
Bildquelle:
Säuglingsfürsorge in Groß-Berlin. Für die
Besucher des III. Internationalen Kongresses für
Säuglingsschutz, Berlin 1911

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