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29 Probleme/Projekte/Prozesse
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Hainer Weißpflug
Pfuhle - Zeugnisse der Stadtgeschichte Das Berliner Naturschutzgesetz sieht vor, auch bemerkenswerte Bodenformen wie Wiesen und Moore sowie Gewässer als Naturdenkmale unter Schutz zu stellen. Unter diesen flächenhaften Naturdenkmalen Berlins stellen die Pfuhle den Löwenanteil. Sie wurden erst ab 1956 verstärkt unter Schutz gestellt.
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Nur einmal im Jahr steigt Wanda empor ...
Weithin bekannt ist die Sage von dem versunkenen Schloß und der Prinzessin vom Teufelssee am Fuße der Müggelberge in Köpenick. In einer anderen Sage aus slawischer Zeit wird die Entstehung des Teufelssees mit dem Schicksal der Gemahlin Jaczos von Köpenick, Wanda, verbunden. Nach sieben vergeblichen Versuchen der Wenden, die Panzerreiter Albrechts des Bären zu schlagen, kehrte Jaczo nach Köpenick zurück, fragte die Kriwen - die Priester und Weisen - seines Volkes um Rat: »Was soll ich tun, daß den Göttern und unserem Volke der Sieg werde?« Die Kriwen sprachen: »In den Müggelbergen mußt du eine Burg gründen, und, um sie unbezwinglich zu machen, dein Weib Wanda in die Gewölbe einmauern lassen!«
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Kehrt er je zurück, dann steigt aus dem Grunde des Teufelssees die unbezwingliche Wendenburg empor.«2)
Ein Opfer der Grundwasserabsenkung Auf heute verschüttete Pfuhle weisen auch Namen im Berliner Straßenverzeichnis: »Am Kesselpfuhl« und die Elsenpfuhlstraße in Wittenau, der Krumpuhler Weg in Tegel. Allein in dem Gebiet Steglitz - Tempelhof - Neukölln, in dem heute noch rund 30 Pfuhle vorhanden sind, lagen ursprünglich an die 200 derartige Kleingewässer. Die Hochfläche des Teltow, auf der diese Bezirke liegen, war besonders reich an einzelnen bzw. durch schmale Rinnen verbundenen Pfuhlen. Viele davon sind seit Ende des vorigen Jahrhunderts durch unterschiedlichste städtebauliche Maßnahmen zerstört worden. In den Meßtischblättern und geognostischen Karten von 1870/71 über den heutigen Bezirk Neukölln sind z. B. auf den Gemarkungen der Dörfer Rixdorf, Britz, Buckow und Rudow 66 Pfuhle eingezeichnet. Davon existierten 1969 nur noch elf von ursprünglich 36 in Britz, von sechs Pfuhlen in Buckow noch zwei und elf von 19 in Rudow.3)
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Der Neuköllner Heimatforscher Wilhelm Schmidt schrieb, daß die meisten Pfuhle seines Bezirkes der Grundwassersenkung zum Opfer gefallen sind, »die durch den Bau des Teltowkanals in den Jahren 1901-1905 oder bei den weiter vom Kanal entfernteren Gewässern durch die nach dem Ersten Weltkrieg einsetzende Besiedlung und Bebauung verursacht wurde ... Einige Pfuhle trockneten aus, andere hatten nur im Frühjahr Wasser, und nur wenige behielten das ganze Jahr Wasser bei verringertem Wasserspiegel und niedrigem Wasserstand. Verschiedene Pfuhle wurden bei dieser Gelegenheit eingeebnet (Strauchpfuhl in Britz, Espen- und Runder Pfuhl in Rudow).«4)
Kurt Hentzen, der sich mit der Entwicklung der Naturbedingungen Berlins befaßte, berichtete über zahlreiche Pfuhlzerstörungen im Gebiet Tempelhof und Mariendorf und hebt folgendes besonders hervor: »Zwischen den Dörfern Tempelhof und Mariendorf ist der langgestreckte, einst fast 1 000 m lange Riesenpfuhl nach 1890 zugeschüttet und bebaut worden, bis auf ein etwa 100 m langes Stück, das in unschöner Weise durch eine Bretterwand für ein Schwimmbad und eine Gaststätte geteilt wird (Seebad Mariendorf).«5) Auch in Tegel, Wittenau, Lübars, Marzahn, Hellersdorf, Weißensee und Pankow ab und gibt es zahlreiche Pfuhle. |
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Viele sind zugeschüttet und bebaut worden, wie der Saupfuhl südlich des Güterbahnhofs Weißensee, der Schleipfuhl an der Gürtelstraße und der Pankpfuhl, auf dem der Arminplatz angelegt wurde.
Inlandeis-Theorie brachte des Rätsels Lösung Die tiefdunklen, unergründlich scheinenden, häufig kreisrunden, seltener langgestreckten Pfuhle mit ihren steil abfallenden Ufern regten schon frühzeitig zu Erklärungsversuchen an. Als Berlin noch nicht seine heutige Ausdehnung erreicht hatte, rings um die Altstadt noch Felder, Wiesen und Wälder lagen, Lichtenberg, Prenzlauer Berg, Tegel, Tempelhof, Mariendorf oder Steglitz noch selbständige Dörfer und Städte waren, wurden um diese Pfuhle von den Bauern oft große Mengen von Feldsteinen abgelagert. Häufig sah es so aus, als wären diese Steine aus dem in ihrer Mitte liegenden Pfuhl gekommen. »Ein gar hochgelehrter Berliner, der Direktor der Berliner Realschule und außerdem noch Königlicher Oberbaurat und Königlicher Oberkonsistorialrat, Joh. Jes. Silberschlag, hatte in seiner 1768 erschienenen >Geogenie< den Gedanken ausgesprochen, daß diese Pfuhle erloschene Vulkane seien, aus denen vorzeiten aller Sand und Ton und alle Steine, |
die den Boden der Mark heute zusammensetzen, herausgeschleudert ... worden seien. Es war ein kühner Gedanke, den der alte vielseitige Gelehrte aus den unergründlichen Rätselaugen der alten Sölle gelesen haben wollte, aber spätere Forschungen haben gezeigt, daß er nicht richtig gelesen und daß die Rätselaugen ihn getäuscht hatten.«6)
Lange Zeit blieb die Entstehung der auch Sölle genannten Gewässer in Berlin und seiner Umgebung im dunkeln, ebenso wie die Herkunft der Findlinge. Erst die 1875 vom schwedischen Geologen Otto Torell begründete und bewiesene Inlandeistheorie brachte die Erklärung für das Rätsel der Pfuhle. Sie entstanden auch beim Rückzug der Eismassen der letzten, der Weichseleiszeit. Nach einer Theorie waren es von den Eisrändern herabstürzende Schmelzwasser, die Ausstrudelungssölle schufen, eben jene rätselhaften Pfuhle. Eine andere Theorie geht davon aus, daß beim Rückzug der Eismassen der letzten Eiszeit in den Grundmoränen der Gletscherströme Eisblöcke zurückgeblieben sind, die nach ihrem späteren Auftauen zum Einsturz der darüberliegenden Bodenschichten und damit zur Bildung jener meist runden Gewässer führten. Beide Theorien haben ihre Berechtigung, wobei heute überwiegend von der Einsturztheorie ausgegangen wird. |
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Heimat für Knoblauchkröte, Gras- und Teichfrosch
Geschützt werden sollten diese Kleingewässer aus mehreren Gründen. Zuerst natürlich, weil es sich um einen Rest von Eiszeitzeugen handelt, der der Nachwelt erhalten werden muß. Die Geschichte der Bebauung Berlins zeigt, daß auf die Natur, die Wälder, die Straßenbäume, die Feuchtgebiete u. a. keine Rücksicht genommen wurde und wird. Sollen die letzten noch vorhandenen Pfuhle nicht auch noch zugeschüttet werden, müssen sie als Naturdenkmale geschützt werden.
| Die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde verweist darauf, daß z. B. von 225 Farn- und Blütenpflanzen, die an den Neuköllner Pfuhlen nachgewiesen wurden, 53 auf der »Roten Liste« der ausgestorbenen oder vom Aussterben bedrohten Arten stehen. »Für Amphibien sind die Pfuhle die wichtigsten Biotope überhaupt in Berlin. Neun von zehn in der Stadt vorkommende Amphibienarten leben an Pfuhlen und sind zum Ablaichen auf diese Kleingewässer angewiesen: die vom Aussterben bedrohte Kreuzkröte; Wechselkröte, Kammolch, Grasfrosch (alle stark gefährdet), die gefährdete Erdkröte, Moorfrosch, Knoblauchkröte, Teichmolch sowie Teichfrosch ...«7) |
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Die meisten Pfuhle Berlins liegen in den Randbezirken und deren Ortsteilen. |
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Pfuhle sind auch Lebensraum für die als ausgestorben eingestuften Arten wie die Rotbauchunke oder den Laubfrosch. Auch zahlreiche Wasservögel und Fledermäuse haben hier ihren Lebensraum. Nicht zuletzt sei auf die Vielzahl der Insekten, Schnecken und Muscheln verwiesen, die zu den Lebensgemeinschaften dieser Kleingewässer gehört.
Schließlich sind viele der Pfuhle auch Zeugnisse der Stadtgeschichte. So mancher war in vergangenen Jahrhunderten Mittelpunkt erster Ansiedlungen, wurde genutzt, um wichtige Lebensbedürfnisse der Vorfahren der Berliner zu erfüllen. Auch dieser Aspekt sollte nicht in Vergessenheit geraten. Dr. Albert Kiekebusch, erster Direktor des Märkischen Museums, veröffentlichte 1916 in der »Brandenburgia« einen Beitrag zur Geschichte der Flurnamen unter dem Titel »Der Röthepfuhl«. Darin stellt er fest, daß zur Zeit des Flachsanbaus jedes Dorf mindestens einen Rötepfuhl besaß. Diese Pfuhle waren Jahrhunderte hindurch von großer wirtschaftlicher Bedeutung. »Nachdem die Flachsstengel mit der Wurzel ausgerauft, auf dem Felde getrocknet und von Samenkapseln befreit sind, werden sie geröstet oder, wie man in Niederdeutschland sagt, gerötet ... Die Flachsstengel werden, zu Bündeln vereinigt, ins Wasser gelegt, damit der gummiartige Klebstoff durch den eintretenden Verwesungsprozeß zerstört wird, so daß die Bastfasern sich vom holzigen Stengel und der Oberhaut leicht ablösen lassen.«8) |
Nachdem Kiekebusch den Vorgang des Rötens erläutert hat, führt er zahlreiche Pfuhle in Berlin und seiner Umgebung an, die entweder Rötepfuhl, Roethepfuhl, Rothe Pfuhl, Röthpfuhl heißen oder ähnliche Namen tragen. Auch dieser stadtgeschichtliche Aspekt sollte beim Schutz der Pfuhle als Naturdenkmale nicht in Vergessenheit geraten.
Nachdem beispielsweise der Große und der Kleine Rohrpfuhl im Spandauer Forst, der Faule See in Weißensee oder das Krumme Fenn und der Tränkepfuhl schon zwischen 1933 und 1941 zum Naturschutz- bzw. Landschaftsschutzgebiet erklärt wurden, erfolgte eine Unterschutzstellung der meisten Pfuhle erst in den 50er Jahren. Der Heimatforscher Wilhelm Schmidt hat sich auch hier bleibende Verdienste erworben. In einem Beitrag über die Pfuhle in Neukölln schrieb er: »Wie bereits in den 30er Jahren, beantragte ich auch nach dem letzten Kriege den Schutz der Neuköllner Pfuhle, von denen 1956 der Roete-, der Kien-, der Lolo-, der Eichen- und der Rohrpfuhl unter Landschaftsschutz gestellt wurden. Für den Klarpfuhl erfolgte die Unterschutzstellung erst 1960.«9) Er machte aber auch auf den nicht immer den Grundsätzen des Natur- und Landschaftsschutzes entsprechenden Umgang der Gartenämter und der Bevölkerung mit den geschützten Gewässern aufmerksam. Die Unterschutzstellung sollte ja erreichen, daß die Pfuhle in ihrem natürlichen Zustand erhalten werden. Dem widerspricht, wenn Gartenämter zur »Verschönerung« der Pfuhle die Uferränder mit Sträuchern und Bäumen bepflanzten. |
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Die ursprünglich lichtdurchfluteten Kleinstgewässer mit ihrer typischen Pflanzen- und Tierwelt wurden auf diese Weise in finstere Moderlöcher verwandelt, in denen bald alles Leben erlosch. »Der Klarpfuhl ist heute (1969) der einzige Pfuhl im Bezirk, der den alten naturgemäßen Zustand aller Feldpfuhle zeigt.«10) Wer heute einige der hier erwähnten Pfuhle besucht, muß leider feststellen, daß mancher einer wilden Müll-Deponie gleicht. Max Hilzheimer, der erste Berliner Naturschutzkommissar, hatte sehr recht, als er in der Diskussion über ein Naturschutzgebiet Großer Tiergarten in den dreißiger Jahren die Bedeutung der öffentlichen Meinung hervorhob. Verordnungen kann man ändern, mit der Zeit verlieren sie auch an Bedeutung oder an Beachtung. Ein wirklich dauerhafter Schutz wird nur erreicht werden, wenn solche Naturdenkmale den Menschen etwas bedeuten.
Quellen:
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 2/1996
www.berlinische-monatsschrift.de