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Paul Schlaak
Wärmstes Jahrzehnt seit 200 Jahren

Wetter und Witterung in Berlin von 1990 bis 2000

Der elfjährige Zeitraum 1990-2000 ist mit einer Mitteltemperatur von 9,7 °C in Berlin-Dahlem zweifellos der wärmste Abschnitt seit 200 Jahren. Die Abweichung beträgt +0,9 Kelvin (K), der Maßeinheit der Temperaturabweichung, die in diesem Fall bedeutet, dass die Lufttemperatur von 9,7 °C um 0,9 °C über dem 60-jährigen Durchschnitt 1909-1969 (8,8 °C) liegt.
     Verlässliche Temperaturmessungen gibt es in Berlin seit 1701; allerdings mussten sie in mühevoller Arbeit akribisch aufbereitet werden. Den Untersuchungen der Daten durch Jürgen Pelz (Freie Universität Berlin) ist es zu verdanken, dass nun seit kurzer Zeit vergleichbare Messreihen vorliegen. Sie weisen aus, dass genau vor 200 Jahren, im Jahrzehnt 1790-1799, die Temperaturabweichung verblüffend identisch mit dem hier zu besprechenden Zeitraum, dem Jahrzehnt 1990-1999, ist. Die Daten zeigen auch eindrucksvoll, dass es fast 100 Jahre lang einen ständigen Rückgang der jeweiligen Jahrzehntmittelwerte der Lufttemperatur von Berlin bis zum Zeitraum 1880-1889 gab. Das Mittel jener zehn Jahre liegt bei 8,2 °C, das Mittel für 1790-1799 bei 9,7 °C, also 1,5 K höher. Ab 1890 stieg dann die Temperatur kontinuierlich an, ähnlich wie im Zeitraum 1700-1790. Inwieweit aber ein Zusammenhang zwischen der hier belegten verblüffenden Identität der Temperaturabweichungen in den Jahrzehnten 1790-1799 und 1990-1999 mit einer auffallenden Wiederkehr maximaler Sonnenfleckenaktivität jeweils im Abstand von

etwa 200 Jahren um die Jahrhundertwenden 1200, 1400, 1600, 1800 und 2000 besteht, bedarf sicher noch weiterer Erforschung.
     Dass der »Wärmeschub« gerade im Zeitraum 1990-2000 sehr stark ausgeprägt war, zeigt ein Vergleich der Zahlen mit den Sommertagen, den Frost- und den Eistagen aus zurückliegenden Jahrzehnten. Im Zeitraum 1971-1981 z. B. hatte es in den drei Sommermonaten Juni, Juli und August insgesamt 280 Sommertage, d. h. Tage mit einem Temperaturmaximum von 25,0 °C und mehr, gegeben, in den Sommern der Jahre 1990-2000 aber 377 Sommertage, also fast 100 Tage mehr. Die Vergleichszahlen der so genannten Heißen Tage, d. h. Tage mit 30,0 °C und mehr, lauten 61 und 100 Heiße Tage für die beiden elfjährigen Zeiträume. Die Zahl der Frosttage (also Tage mit einem Temperaturminimum unter dem Gefrierpunkt) betrug z. B. in den elf Jahren bzw. Wintern 1939/40-1949/50 1 007, dagegen 1989/90-1999/2000 nur 830 - das sind 177 Frosttage weniger. Die Zahl der Eistage (das sind Tage, an denen das Temperaturmaximum unter dem Gefrierpunkt 0 °C liegt) reduzierte sich in den gleichen Zeiträumen von 342 auf 192 Eistage.

Ein ungewöhnliches Jahrzehnt

Tabelle 1 vermittelt eine Übersicht über die Temperatur-Abweichungen der jeweiligen Jahreszeiten- bzw. Jahresmitteltemperaturen vom vieljährigen Mittel 1909-1969 in Berlin und Mitteleuropa 1761-1970 für den Zeitraum 1990-2000. Wie die letzte Zeile der Tabelle mit den Mittelwerten für die einzelnen Jahreszeiten der elf Jahre zeigt, sind die Wärmeüberschüsse der vier Jahreszeiten über dem vieljährigen Durchschnitt deutlich unterschiedlich: Sie schwanken zwischen 1,5 K (Winter) und 0,1 K (Herbst). Der Wärmeüberschuss aller Jahreszeiten zusammen, also für die 132 Monate der elf Jahre, betrug 0,9 K, in Mitteleuropa vergleichsweise 1,3 K.

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Die Spalte e mit den Abweichungen der jeweiligen Jahresmitteltemperatur vom 60-jährigen Durchschnitt 1909-1969 verdeutlicht, dass die Jahre 1999 und 2000 die wärmsten der elf Jahre waren. Der Wert aus der Reihe Mitteleuropa (Spalte f) für das Jahr 2000 beträgt + 2,2 K.
     Damit war das Jahr 2000 in Mitteleuropa das wärmste seit 1761, d. h. seit 239 Jahren. Die bisher wärmsten Jahre waren mit einer Abweichung von 1,6 K 1834, von 1,7 K 1989, 1992 und 1999, von 1,8 K 1990, von 2,0 K 1994 sowie von 2,2 K im Jahr 2000.
Tabelle 1 macht deutlich, dass es nur einen richtig zu kalten Winter gegeben hat, nämlich den 1995/96. Aber auch die folgenden Jahreszeiten fielen zu kalt aus, sodass das ganze Jahr 1996 mit einer Abweichung von -1,0 K das einzige zu kalte Jahr aller elf Jahre war. Extrem zu warm waren die Winter 1989/90 und 1997/98, deutlich zu warm die vier Winter 1991/92, 1993/94, 1994/95 und 1999/2000 mit Werten zwischen 2,0 und 3,0 K. Einen extrem warmen Sommer, einen so genannten Jahrhundertsommer, hatte es 1992 mit einer Abweichung von +2,6 K gegeben. Sehr warm fiel auch der Sommer fünf Jahre später (1997) aus. Deutlich zu kühl war jedoch der Sommer 1993 mit -1,2 K und geringfügig zu kühl die Sommer 1996, 1998 und 2000, die letzten beiden jedoch nur um -0,1 K.
Deutlich zu milde Frühjahrsmonate hatte es 1990, 1993, 1998, 1999 und 2000 gegeben.
     Einen guten Einblick in das Wetter- bzw. Witterungsverhalten in einem etwas längeren Zeitraum von 10 bis 50 Jahren geben auch tabellarische Zusammenstellungen mit der Anzahl von Sommertagen und Frosttagen. In den Tabellen 2 und 3 sind diese Daten bei Sommertagen und Frosttagen für den elfjährigen Zeitraum 1990-2000 zusammengestellt.
     Tabelle 2 ist zu entnehmen, dass es im Sommer 1992, dem Jahrhundertsommer in Deutschland, bereits im Juni die erstaunliche Zahl von 21 Sommertagen, d. h. von Tagen mit einer Höchsttemperatur von 25,0 °C und mehr, gab. Im August 1997 wurden sogar 27 Sommertage gezählt. In den drei Sommermonaten zusammen konnten 1992 = 54 und 1997 = 53 Sommertage notiert werden. Im vieljährigen Mittel traten 28 Sommertage in Berlin-Dahlem auf. Selbst im Mai und September kann es noch eine erhebliche Zahl solcher Tage geben, wie der September 1999 mit 16 und der Mai 1993 mit 13 Sommertagen zeigen. Die allgemeine Zunahme solcher warmer Tage dokumentiert sich durch den Mittelwert über alle elf Jahre, nämlich 34 Sommertage für die drei Sommermonate zusammen gegenüber dem 60-jährigen Mittelwert von 28. Es hat also eine Zunahme von 6 Sommertagen gegeben.
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Tabelle 1
Temperaturabweichungen der jeweiligen Jahreszeiten- bzw. Jahresmitteltemperaturen vom vieljährigen Mittel in Berlin-Dahlem (1909-1969) und Mitteleuropa (1761-1970) für den Zeitraum 1990-2000

Winter
(Dez.-Feb.)
Frühjahr
(März-Mai)
Sommer
(Juni-Aug.)
Herbst
(Sep.-Nov.)
Gesamtes Jahr
(Januar-Dezember)
Berlin-
Dahlem
Mittel-
europa
Vieljahres-
mittel
+ 0,2°C+ 8,6°C+ 17,4°C+ 9,0°C+ 8,8°C+ 8,9°C
abcdef
1989/90+ 4,0 K1990+ 2,0 K+ 0,1 K+ 0,4 K+ 1,5 K+ 1,8 K
1990/91+ 0,3 K1991- 0,1 K+ 0,4 K+ 0,6 K+ 0,4 K+ 0,7 K
1991/92+ 2,1 K1992+ 1,3 K+ 2,6 K- 0,8 K+ 1,3 K+ 1,7 K
1992/93+ 0,9 K1993+ 2,2 K- 1,2 K-1,6 K+ 0,4 K+ 0,8 K
1993/94+ 2,1 K1994+ 1,1 K+ 1,8 K+ 0,3 K+ 1,4 K+ 2,0 K
1994/95+ 2,8 K1995+ 0,2 K+ 1,5 K+ 0,2 K+ 0,6 K+ 1,2 K
1995/96- 3,3 K1996- 0,9 K- 0,3 K- 0,1 K- 1,0 K- 0,3 K
1996/97- 0,3 K1997+ 0,1 K+ 2,0 K0,0 K+ 0,9 K+ 1,2 K
1997/98+ 3,6 K1998+ 1,8 K- 0,1 K- 0,8 K+ 1,0 K+ 1,4 K
1998/99+ 1,7 K1999+ 1,5 K+ 1,1 K+ 1,5 K+ 1,6 K+ 1,7 K
1999/00+ 2,5 K2000+ 2,5 K- 0,1 K+ 1,6 K+ 1,7 K+ 2,2 K
Mittel
1989/90-1999/2000
+ 1,5 KMittel
1990-2000
+ 1,1 K+ 0,7 K+ 0,1 K+ 0,9 K+ 1,3 K
K = Kelvin, d. i. die Temperaturabweichung eines aktuellen Temperaturwerts (hier von Jahreszeiten- bzw. Jahresmitteltemperaturen) von einem vieljährigen Durchschnitt

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Tabelle 2
Anzahl der Sommertage (= Tage mit einem Temperaturmaximum von 25 °C und mehr) in Berlin-Dahlem in den Monaten Mai bis September 1990-2000 im Vergleich zum vieljährigen Mittel 1909-1969

MaiJuniJuliAugustSeptemberSumme
Juni-August
Mittel (1909-1969)-8119-28
199066814-28
1991-2189929
19929211716-54
199313457-16
1994-62512-43
1995572120-48
199628512-25
19974111527453
19987657-18
19994420141638
2000111438-25
Summe 1990-2000618914214629377
Mittel 1990-20005,58,112,913,22,634,3

 
Tabelle 3
Anzahl der Frosttage (= Tage mit einem Temperaturminimum unter 0°C) in Berlin-Dahlem in den Monaten Oktober bis Mai 1989/90-1999/2000 im Vergleich zum vieljährigen Mittel 1909-1969

Okt.Nov.Dez.Jan.Febr.MärzAprilMaiSumme
Okt.-Mai
Mittel (1909-1969)2,39,517,420,518,515,14,10,387,6
1989/90-16169114-47
1990/91-520152655-76
1991/92741616972-61
1992/9398161422172-88
1993/94415851863-59
1994/956214187172-66
1995/961182930262581138
1996/97-7262311158-90
1997/9881111115131-60
1998/99114181415102-74
1999/20004141619864-71
Summe
1989/90-1999/2000
40114190174148122411830
Mittel
1989/90-1999/2000
3,610,417,315,813,511,13,70,175,5

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Die Zahl der Heißen Tage (Tage mit einem Temperatur-Maximum von 30 °C und mehr) spricht übrigens ebenfalls dafür, dass das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ein extrem warmes war. Während das Mittel 1909-1969 bei 5 Heißen Tagen im Jahr lag, stieg es 1990-2000 auf 9 an. In den Jahren 1992, 1994 und 1995 hatte es in den Monaten Juni, Juli und August 15, 19 und 18 Heiße Tage gegeben, allein im Juli 1994 14, so dass es der wärmste Juli seit 1830 in Berlin und auch in anderen Teilen Deutschlands war.
     Tabelle 3 mit den Frosttagen weist besonders die kalte Jahreszeit 1995/96 als extrem aus, gab es doch in den acht Monaten Oktober 1995 bis Mai 1996 die Rekordsumme von 138 Frosttagen, eine Summe, die es bisher in diesem Jahrhundert noch nicht gegeben hatte. Selbst der sehr strenge Winter 1928/29 brachte es nur auf 118 Frosttage. Auch die anderen Berliner Wetterstationen wiesen 1995/96 eine sehr ähnliche Zahl auf. In Potsdam waren es 142 Tage, am Flughafen Tegel 132, am Flughafen Tempelhof 130, am Flughafen Schönefeld 141 und an der etwa 50 km südöstlich von Berlin liegenden Station Lindenberg sogar 144 Frosttage.
     Auch die 50 Eistage (Tage mit einem Temperaturmaximum unter 0 °C) im Winter 1995/96 kennzeichnen übrigens jenen Winter als besonders kalt, auch wenn dies keine Rekordzahl darstellt (1946/47: 66, 1962/63: 60, 1939/40: 63, 1969/70: 59 Eistage). Im elfjährigen Zeitraum 1990-2000 ging jedoch die mittlere Zahl von Eistagen von 25,5 auf 17,4 zurück. Auch die mittlere Zahl der Schneefallzeiten sank in den elf Jahren auf 230 Stunden, während im 25-jährigen Mittel bisher 284 Stunden errechnet wurden. Ein deutlicher Rückgang ist auch im vergangenen Jahrzehnt bei den Nebeltagen in Berlin zu verzeichnen.
Das Mittel der elf Jahre 1990-2000 beträgt 16 Nebeltage, der vieljährige Mittelwert (1951-1980) liegt bei 38. Die Gewittertage erfuhren offensichtlich keine Veränderung. Im Zeitraum der elf Jahre liegt die mittlere Zahl bei 29, im 30-jährigen Mittel 1951-1980 bei 30 Gewittertagen im Jahr.

Literatur:
- Jürgen Pelz, Eine kritische Betrachtung der Geschichte der Temperaturmessung und deren Auswertung in Berlin seit 1701, Meteorologische Abh. der Freien Universität Berlin, Neue Folge Serie A, Band 4, Heft 4, Verlag Dietrich Reimer, Berlin 1993
- Jürgen Pelz, Prüfung der Jahresmittel-Temperaturen in Berlin für die Jahre 1780 bis 1835, Beiträge zur Berliner Wetterkarte des Meteorologischen Instituts der FU, Nr. 33/00 SO 9/00 v. 18. 4. 2000

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7/2001
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