76   Porträt Balthasar Permoser  Nächstes Blatt
Dietrich Nummert
Wanderer »per il mondo«

Der Bildhauer Balthasar Permoser (1651-1732)

Zeitlebens war er unterwegs. Von Bayern zog er durch Österreich, Italien, Frankreich, er reiste durch Deutschlands Kurfürstentümer, Königreiche und Herzogtümer. Mehr als ein Jahrzehnt weilte er in Florenz, vierzig Jahre in Dresden - und war trotzdem ein Wanderer »per il mondo«: Balthasar Permoser, Schöpfer der einzigartigen Skulpturen im Dresdener Zwinger, bemerkenswerter Figuren anderswo, auch in Berlin, Plastiken, die deutschen und italienischen Barock vereinten und neuen Ausdruck gaben.
     Dort, in Kammer bei Otting, nahe dem grüngesäumten Chiemsee, kam Balthasar Permoser vor 350 Jahren, am 13. August 1651, zur Welt. Vater Christian, ein Bauer, besaß das Hueber-Gut in Siglperg, später erwarb er den Reitmair-Hof hinzu. Das geschah kurz vor seinem Tod im Jahre 1667. Balthasar, einziger Anwärter auf den stattlichen Besitz, inzwischen fast 16 und bereits ein geschickter Schnitzer, schlug die Erbschaft zu Guns-ten seiner Mutter Anna, geborene Pendl, aus. Diese Handlung zeigt uns erstmals Permosers Charakter.


Balthasar Permoser, gezeichnet nach seinem Selbstbildnis auf der Rückseite des Christus an der Martersäule III von Wulf-Bert Beil

Er hatte in Salzburg, 13 bis 14 Stunden Fußmarsch entfernt, eine Bildschnitzerlehre begonnen, und da er sicher war, er könne ein guter Bildhauer werden, verzichtete er entschlossen auf Besitz und Reichtum.
     Während der Lehrzeit bei Vater und Sohn Wolf Weißenkirchner lernte er Laubwerk und Ornamente schnitzen, Proportionen beherrschen, die Technik der Meißelführung bei Gewändern und der Darstellung menschlicher Haut, die Materialien und ihre Eigenheiten kennen, kurz, das ganze Abc der Bildschnitzerei.

BlattanfangNächstes Blatt

   77   Porträt Balthasar Permoser  Voriges BlattNächstes Blatt
Danach, es müsste 1671 gewesen sein, machte er sich nach Wien auf den Weg. Hier fand er den Meister der Elfenbeinschnitzerei Johann Caspar Schenk, bei dem er vermutlich zumindest die Grundfertigkeiten dieser seltenen Kunst erlernte.

Anschauungsunterricht bei Michelangelo

Von Wien schließlich brach er um 1674 nach Italien auf. In der Literatur (Gaburri) heißt es lapidar, er habe »sich einige Jahre in Rom« aufgehalten. Wann genau er in der Ewigen Stadt eintraf, bei wem er lernte, arbeitete, was er schuf und für wen - alle diese Fragen bleiben unbeantwortet. Sicher mag nur sein, dass er begierig alles Alte studierte, alles Neue in der Kunst prüfte, durchdachte, ausprobierte und stetig seine eigene Handschrift prägte.
     Permosers nächstes Ziel hieß Florenz, glänzende Stadt der Medici, deren Kunst einst Leonardo da Vinci, Michelangelo und andere Große geprägt hatten. 1677 etwa müsste er dort eingetroffen sein, bereits ein ordentlicher, vielleicht schon ein bekannter Meister. Denn er erhielt Aufträge von den Medici. Dennoch blieb Zeit, auch in Florenz lernend zu schauen. Wir können es voraussetzen. In den Uffizien, bereits umgebaut zur Galerie, hingen Gemälde von Giotto, Raffael, Uccello, Botticelli, Leonardo da Vinci und Tizian.

Auf der Piazza Signoria stand, junge Bildhauer lehrend, stolz der originale David Michelangelos unter damals smogfreiem Himmel, und in der Medici-Kapelle boten deren Grabmalfiguren, der müde Abend, die träumende Nacht, die Aurora und der herrlich modellierte Tag, der aber noch kein Antlitz hat, einmaligen Anschauungsunterricht. Später wird Permoser - wie Michelangelo - bis an die Grenzen des Blocks gehen, nur eine Winzigkeit unbehauenen Marmors stehen lassen zum Zeichen von Meisterschaft.

Dresden nach 13 Jahren Florenz

Nach dreizehn Jahren Florenz, von wo aus er »di tanto in tanto«, also von Zeit zu Zeit »per il mondo«, in die Welt zog, zu unbekannten Städten, Landschaften oder die heimatlichen Orte besuchte, brach er schließlich nach Dresden auf. Die sächsische Stadt, seinerzeit war von »Elbflorenz« noch keine Rede, wurde für Jahrzehnte Permosers Wirkungsstätte. Das hatte seinen Grund.
     Kurprinz Friedrich August von Sachsen, der spätere August der Starke (1670-1733, Kfst. 1694) hatte während seiner Kavalierreise in Florenz Station gemacht, dort Permoser und dessen Kunst kennen gelernt. Der künftige Herrscher träumte, wie und womit er Dresdens Aussehen und Ansehen großartiger gestalten könne, wer dafür geeignet sei.

BlattanfangNächstes Blatt

   78   Porträt Balthasar Permoser  Voriges BlattNächstes Blatt
Also schaute und prüfte er aufmerksam Kunstwerke und Künstler. Der Sachsenprinz war nicht nur ein starker Kerl, er besaß Charme, konnte Vertrauen gewinnen. Jedenfalls vermochte er den bärtigen Bildhauer zu überzeugen, ihm werde in Dresden völlige künstlerische Freiheit gewährt werden. Gerade diese war Permoser wichtig.


Herbst (links)

Er wählte die Stadt an der Elbe und ein Gehalt von 200 Thalern, obwohl die Medici dem »eccelente scultore« 1 000 geboten hatten, erneut ein Fingerzeig auf Permosers Wesen. Im Sommer 1690 machte er sich auf den Weg, und in Dresden angekommen, durfte er sich nun Hofbildhauer nennen.

Mit Pöppelmann Arbeit am Zwinger

Während seiner Dresdner Zeit, vornehmlich von 1710 bis 1728, arbeitete er mit dem genialen Architekten Matthäus Daniel Pöppelmann (1662-1736) an beider Lebenswerk, dem großartigen Zwinger. Dabei prägte er den sächsischen Barock, er vereinigte bewegte Kraft mit zurückhaltender Zartheit, plastische Dekoration fügte er harmonisch in das Gesamtkunstwerk ein. Galerietrakte und Torbauten, Pavillons und Brunnen legen Zeugnis ab von seiner großen Kunst.
     Namentlich in den Jahren vor Beginn der Arbeiten am Zwinger sehen wir ihn, wie schon in Florenz, von Zeit zu Zeit per il mondo, durch die Welt ziehen.

BlattanfangNächstes Blatt

   79   Porträt Balthasar Permoser  Voriges BlattNächstes Blatt
Er weilte in Frankfurt a. M., Coburg und Bamberg, von Leipzig ist die Rede, von Zerbst, Königswartha, Zittau, Bautzen, Annaberg und Freiberg, hin und wieder zog es ihn in die engere Heimat, nach Kammer, Traunstein, Salzburg, schließlich auch in den Norden, nach Berlin.
     Was erwartete Permoser hier? Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, war 1688 gestorben. Die Nachfolge hatte Friedrich III. (I.) (1657-1713, Kurfürst ab 1688, König ab 1701) angetreten, ehrgeizig, prunkliebend, dazu klein und verwachsen. Ausgerechnet dieser von seiner Familie wie von Historikern so oft gescholtene Fürst schaffte es, Brandenburg-Preußen zum Königreich zu machen. Nicht nur das, er ließ während seiner Regierungszeit in Berlin und seiner Umgebung mehr große Architektur errichten als spätere Monarchen in Jahrhunderten. Natürlich kostete das alles enorme Mittel, die letztlich das Volk aufzubringen hatte. Diesem Fürsten gelang es auch, gleich mehrere gute, ja hervorragende Baumeister zu gewinnen. Nering (1659-1695), der Holländer, wäre zu nennen, der nur 36 Jahre alt wurde, aber an fast allen damaligen Paradebauten mitwirkte.
Nicht fehlen dürfen der Franzose Jean de Bodt (1670-1745) und Martin Heinrich Böhme (1676-1725), ebenso wenig der Schwede Eosander (1669-1728) und der aus dem Osten kommende Martin Grünberg (1655-1706). Und natürlich wäre jene Bauhochzeit undenkbar ohne jenen genialen Bildhauer, der den schönsten Entwurf für Umgestaltung und Erweiterung des kurfürstlichen Schlosses lieferte, Andreas Schlüter (1659-1714).


Winter (rechts), gezeichnet nach dem Permoser-Original von Wulf-Bert Beil

BlattanfangNächstes Blatt

   80   Porträt Balthasar Permoser  Voriges BlattNächstes Blatt

Herbst (links)

Berlin-Besuche sind nicht dokumentiert

Als Balthasar Permoser erstmals in die brandenburgische Residenz kam ... Hier bereits stocken wir, denn seine Berlin-Besuche sind nicht dokumentiert. Zu oft bleiben Fragen offen,


Winter (rechts) / Fotos: Nummert

etwa bei Schloss und Schlosskapelle Köpenick. Das Schloss, während des Dreißigjährigen Krieges beschädigt, wich seit 1677 einem Neubau, den später der junge Nering erweiterte. Eine Kirche kam zwischen 1682 und 1685 hinzu.

BlattanfangNächstes Blatt

   81   Porträt Balthasar Permoser  Voriges BlattNächstes Blatt
Ihre Attika krönen Freifiguren der vier Evangelisten. Auf Markus fand man das Zeichen Permosers: PB. Auch zeigte die Bearbeitung der Oberfläche die für Permoser typische Zehstellung. (Günter Schade über die restaurativen Arbeiten an der Schlosskapelle 1973/74). Ließe sich diese Angabe bestätigen, müsste die bislang für Permosers Berlin-Aufenthalte angenommene Zeit erheblich korrigiert werden. Sigfried Asche, er schrieb die wohl fundierteste Monografie über Permoser, nennt als Zeitraum für dessen hiesige Besuche: 1698 bis 1709. Für 1700 ist in der Literatur über ihn vermerkt, er sei nach Berlin zum Guss des Schlüterschen Reiterstandbildes des Großen Kurfürsten eingeladen worden. Das ist denkbar, denn einmal war solch Guss ohnehin ein Ereignis ersten Ranges unter Künstlern, zum anderen besorgte dieses schwierige Unternehmen der seinerzeit beste Gießer, nämlich Johann Jacobi (1661-1726), und drittens verkehrte die Post zwischen Dresden und Berlin regelmäßig. Die Bestallung Wolffgang von Schmettaus (1648-1711) zum Oberpostdirektor am 9. Mai 1698, der die »Erste Brandenburgische Postordnung« auf den Weg brachte, trug dazu bei. Permoser, der Weitgereiste, traf hier auf ein Völkergemisch, etwa jeder dritte Berliner redete in fremder Sprache. Neben alteingesessenen Brandenburgern und Preußen besetzten Franzosen, Holländer, Dänen, Böhmen, Polen, Schweden einflussreiche Ämter. Für das Jahr 1700, da Jacobi im hinter der Baustelle des Zeughauses gelegenen Gießhaus das großartige Reiterstandbild goss, ist Permosers Berlin-Besuch sicher. Er lernte jene kennen, die mit Umbau und Erweiterung des Schlosses zu tun hatten, in erster Linie Schlüter und Eosander, vielleicht bemerkte er auch die Rivalität zwischen beiden. Er bewunderte Schlüters Entwurf für das Schloss, und die bereits fertigen Köpfe sterbender Krieger im Zeughaushof. Trotzdem ermöglichen diese Tatsachen nicht die Folgerung, er sei von Schlüter für die Mitarbeit am Schloss gewonnen worden. Wer ihn für diese Aufgabe nach Berlin holte, auch diese Frage muss unbeantwortet bleiben. Denn mehrere Einflussreiche kannten Permosers Kunst, etwa von Besuchen in Italien. Seit seinem Dresdenaufenthalt ging ihm ein ganz besonderer Ruf voraus.

Der Bart, eine viertel Elle lang

Man nannte ihn »blos Balthasar«. Das war seinerzeit nicht gerade etwas Besonderes. Dass er jedoch, als die Männermode ausgesprochen bartlos war, einen auffälligen Bart »über ¼ Elle lang« (Curieuse Nachrichten von bärtigen Frauenzimmern, Dresden 1733) wuchern ließ, das rief in deutschen Landen Aufsehen hervor.

BlattanfangNächstes Blatt

   82   Porträt Balthasar Permoser  Voriges BlattNächstes Blatt
Seine »besondere Art sich zu kleiden« (Nachrichten von Künstlern und Kunstsachen, Leipzig 1768) trug ebenfalls zu Verwunderung, Spott oder arrogantem Naserümpfen unter Hofgesellschaften bei. Er hielt es wie Künstler aller Zeiten, er wollte sich im Äußeren unterscheiden von Nichtskönnern. Eine weitere Eigenart: Zeitgenossen erwähnen, »daß er aus Verdruß wegen aller Hand unzeitigen Kriticken seine Werke oftermals in Stücken zerschmiss und neben deme ware er so eigensinnig, daß er keinen Heller von dem Preiß eines Stückes nachliesse, wann er ihne einmal bestimmt hatte« (Lexikon Bayerischer Künstler 1775).
     Permosers Berliner Wirken ist vielfältig. Geblieben sind uns die beiden Hermen (Büstensäulen) vom Portal IV des Berliner Schlosses.
     Wir können sie nur deshalb bewundern, weil von ebendiesem Balkon am 9. November 1918 Karl Liebknecht die sozialistische Republik ausgerufen hatte und die DDR-Führung deshalb das Portal in das Staatsratsgebäude einfügen ließ. Dass vom gleichen Balkon am 1. August 1914 auch Kaiser Wilhelm II. (1859-1941, König und Kaiser 1888-1918) anlässlich der Mobilmachung eine Rede gehalten hatte, blieb ungesagt. Beide Hermen stören solcherart ideologische Begründungen ohnehin nicht, beide, Herbst und Winter genannt, tun ihre Pflicht als Tragefiguren eines Balkons.
     Herbst wie Winter neigen sich leicht nach innen, schauen den grüßend an, der auf das Portal zugeht.
Beide sind »aus tiefen Schatten herausgewölbt« (Sigfried Asche). Der Herbst mit seinem jugendlichen Gesicht, lächelnd, als freue er sich der Weinlese, der wohl geborgenen Ernte, der nun verdient zu feiernden Feste. Aus gefalteten Tüchern hebt sich die kräftige, bewegte Figur, weinlaubumkränzt, den Kopf gebeugt unter der Last, welche die Arme zu tragen haben. Der Winter, kein Greis, ein reifer Mann mit vergeistigtem Antlitz, fließendem Bart. »Das schützende Fell ... rollt, wie von eisigem Sturm erfasst, über Schulter und Arm.« (Sigfried Asche) Auch er stemmt kraftvoll die Arme hoch, er tut seine Arbeit, tut sie gewissermaßen freudig, als wollte Permoser bekunden: Nur so seien große Werke zu vollbringen.
     Wann entstanden die Hermen? Die Arbeiten zur Schlosserweiterung brachten es mit sich, dass die in unmittelbarer Nähe des zu errichtenden Portals IV gelegene Kapelle geschlossen werden musste. In der Zeit von Juli 1708 bis zum 12. Juli 1709, als Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine in der Schlosskapelle getauft wurde, könnten folglich Permoser und sein treuer Helfer Benjamin Thomae (1682-1751) aus Dresden an den Gebälkträgern gearbeitet haben. Der Zeitraum lässt sich noch mehr eingrenzen, denn im Februar 1709 ist der Meister bereits wieder in Dresden nachweisbar.
     Davor, im Jahre 1703, starb einer seiner Berliner Bekannten, der Medailleur Raymund Faltz (1658-1708).
BlattanfangNächstes Blatt

   83   Porträt Balthasar Permoser  Voriges BlattNächstes Blatt
Für ihn schuf er ein beeindruckendes Epitaph, das sich in der Petri-Kirche befand (1707?). Ein Brand im Jahre 1730 zerstörte das Werk. Lediglich zwei Stiche zeigen, dass Permoser eine für die damalige Zeit neue Art der Darstellung von Grabmälern gewählt hatte, die erneut sein Schöpfertum demonstrierte.
     Im Schloss Charlottenburg wird eine weitere Permosersche Berliner Arbeit bewahrt: Herkules würgt die Schlange (andere Titel: Herkulesknabe, der eine Schlange würgt, oder: Herkules mit Hydra). Von diesem Kunstwerk existiert nur noch der Kopf, alles andere wurde Opfer des Krieges.

Verschollene Attika-Figuren vom Schloss Friedrichsfelde

Der Krieg zerstörte auch andere Arbeiten Permosers, Schloss Friedrichsfelde liefert hierzu Belege. Benjamin Raulé (1634-1707, BM 1 und 5/99), aus Holland stammender mächtiger Generaldirektor der kurfürstlichen Admiralitäts- und Marine-Collegien, wohnhaft in seinem Hause auf dem Friedrichswerder, hatte 1690 das Dorf Rosenfelde erworben.


Das ins Staatsratsgebäude eingefügte Portal IV des Schlosses mit den Hermen von Permoser
BlattanfangNächstes Blatt

   84   Porträt Balthasar Permoser  Voriges BlattArtikelanfang
Er fiel beim Kurfürsten in Ungnade. Seinen Rosenfelder Besitz griff sich 1698, wie könnte es anders sein, Friedrich III. Der taufte das Dorf flugs in Friedrichsfelde um und ließ sich dort den Pauléschen Sommersitz ausbauen, der »1719 von Martin Heinrich Böhme zum jetzigen Umfang erweitert« (Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Berlin) wurde. Das abgewalmte Satteldach erhielt reichen plastischen Schmuck. Über dem Mittelrisalit entstanden Dachbalustraden mit Attikafiguren, die Balthasar Permoser zugeschrieben werden. Sie gelten seit Kriegsende als verschollen. Der Rest einer Figur soll vor einiger Zeit gefunden und zur Identifizierung nach Dresden gebracht worden sein.
     Permoser weilte also öfter in Berlin und auch in Köpenick, in Charlottenburg, in Friedrichsfelde, Orte, die ja nicht zu Berlin-Cölln gehörten.
     Ein Stuckateur Sewald, leider in keinem der Berliner Adress-Kalender zu finden, verkaufte Figuren, die »Balthasar« geformt hatte, an interessierte Bürger. Mehr geben die bisherigen Forschungen über Permosers Wirken in Berlin nicht her.
     Er kehrte nach Dresden zurück, wandernd, schauend. Als geruhsam Reisender hatte er Zeit, Landschaften und Menschen kennenzulernen. Er redete mit Leuten in der Herberge, auf dem Anger, mit Mitreisenden. Er lernte Kenner und Könner kennen, machte sich vertraut mit Sitten und Traditionen. Er widmete seine Aufmerksamkeit dem Schönen und dem Fremden.
Und er setzte kein Fett an, weder an den Hüften noch im Kopf.
     Es passt durchaus zu seinem Charakter, dass er 1714 ein Buch herausgab, das den kuriosen Titel trug: »Der ohne Ursach verworffene und dahero von Rechts wegen auff den Thron der Ehren wiederum erhabene Bart / Bey jetzigen ohnbärtigen Zeiten sonder alle Furcht zu männigliches Wohl und Vergnügen ausgefertiget vor und von BALTHASAR PERMOSERN, Königl. Pohln. und Churfl. Sächßl. bestalten Hoff-Bildhauern. Samt Anhang eines schönen / lustig und ausführlichen Real-Discurs von den Bärthen / In welchem angezeiget wird:« Es folgt eine lange Aufzählung über den Nutzen des Bartes, ob ihn schon die Alten besaßen, den Mönchen lange Bärte gebührten, warum »die Weibsbilder Bärthe bekommen« usw.
     Der Künstler, der den Sandstein beherrschte, das Geheimnis des Marmors kannte, der meisterhaft in Elfenbein und Holz schnitt, erlebte seine große Zeit in Dresden, und der dortige Zwinger ist sein Denkmal. Er starb, hochbetagt, am 20. Februar 1732. Sein Vetter Michael Moser dichtete: »Hier wird allzeit bleiben in Gunst / und Hochachtung seine Kunst«. Wir in Berlin sollten die uns geblieben Zeugnisse seiner Kunst, den Herbst und den Winter, ebenfalls würdigen, indem wir sie hin und wieder anschauen, uns zur Freude und zum Nutzen.

Fotos: Nummert/ Beil

BlattanfangArtikelanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7-2/2001
www.berlinische-monatsschrift.de