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92 Geschichte und Geschichten
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Harry Nehls
Ein Geschenk für Minutoli? Die Neuenburger Goldtabatiere des Prinzen Carl von Preußen Prinz Carl von Preußen, den Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785-1871) 1833 zu Recht einen »Beschützer und Kenner des Schönen« nannte, wurde am 29. Juni 1801 als drittältester Sohn Friedrich Wilhelms lIl. (1770-1840, König ab 1797) und der Königin Luise (1776-1810) im Schloss Charlottenburg geboren und dort am 1. August in der Eosanderkapelle auf die Namen Friedrich Carl Alexander getauft. Bekannte Maler, wie z. B. Franz Krüger (1797-1857), Ernst Gebauer (1782-1865), Wilhelm Hensel (1794-1861), Carl Steffeck (1818-1890) und Conrad Freyberg (1842-1915), haben den Königssohn porträtiert.1)
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und goldenen Epauletten: der Stern des Schwarzen Adlerordens und der Rote Adlerorden 3. Klasse. Beide Orden waren ihm am 29. Juni 1811, also zu seinem zehnten Geburtstag, verliehen worden.3) Das noch sehr kindlich ausschauende Gesicht mit voluminös toupierten, dunkelblonden Haaren ist leicht nach links gewendet. Die zu beiden Seiten des ovalen Porträtmedaillons spiegelbildlich angeordneten c-förmigen Ornamentgebilde dürfen sicherlich als Monogramm des Prinzen Carl interpretiert werden.
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93 Geschichte und Geschichten
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Die wertvolle Tabaksdose war 1986 in einer Ausstellung des Deutschen Kunsthandels im Knobelsdorff-Flügel des Schlosses Charlottenburg für 66 000 DM zum Kauf angeboten worden. Im dazu erschienenen Ausstellungskatalog wurde sie wie folgt beschrieben: »Schnupftabakdose, Gold, allseitig graviert und mit hellblauem und weißem Email eingelegt; auf dem Deckel Elfenbeinminiatur mit dem Porträt des Prinzen Carl von Preussen (1801-1883), Neuenburg (Schweiz), um 1820 (die Dose ist wahrscheinlich ein Geschenk des Prinzen an seinen langjährigen Erzieher, Baron Minutoli), 8 x 5 und 5 x 3 cm.«4)
Das Porträt des Prinzen Carl lässt sich auf eine Zeichnung von Franz Krüger zurückführen, die »zusammen mit den Bildnissen der anderen Hohenzollernprinzen und Prinzessinnen zum Geburtstag des Königs am 3. August 1824« entstand und ehemals im Hohenzollernmuseum im Schloss Monbijou aufbewahrt wurde.5) Krügers Zeichnung gilt communis opinio als das gelungenste Jugendbildnis des Prinzen, das sich nach Ausweis zahlreicher Kopien großer Beliebtheit erfreute. Wo und in welcher Werkstatt die leider unsignierte Schnupftabakdose angefertigt wurde, ist nicht bekannt. Naheliegend wäre es, diesbezüglich an den 1826 zum Hofgoldschmied des Prinzen Carl ernannten George Hossauer (1794-1874) zu denken, in dessen Werkstatt unter anderem auch derlei Dosen hergestellt wurden.6) |
George Hossauer
Doch lässt sich diese Annahme vorerst nicht beweisen.
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94 Geschichte und Geschichten
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»Baron Cerrini« (rechts) und Prinz Leopold von Preußen |
Der Kunst- und Altertümersammler Minutoli, von 1810 bis 1820 als Erzieher des Prinzen Carl tätig und im Spätsommer 1822 von einer neunmonatigen Ägyptenreise nach Berlin zurückgekehrt, hielt sich zwar nachweislich von 1823 bis 1826 in der Schweiz auf und wohnte auch kurzweilig zur Miete in Neuenburg (Neuchâtel). Auch hat Minutoli einen maßgeblichen Einfluss auf die Sammelleidenschaft des jungen Prinzen und sein lnteresse für Altertümer im weitesten Sinne ausgeübt, wovon man sich noch heute in Glienicke überzeugen kann. Doch ein so kostbares Geschenk wie die Goldtabatiere hätte Minutoli mit großer Wahrscheinlichkeit in einem seiner zahlreich erhalten gebliebenen Briefe erwähnt. Und weshalb auch hätte er, der keine Geldnöte kannte, die Tabakdose zu Lebzeiten veräußern sollen?
Die Provenienzangabe »Neuenburg« ist nur bedingt beweiskräftig, zumal gerade in der Schweiz auffälligerweise mehrere Kunstobjekte aus dem ehemaligen Besitz Prinz Carls aufgetaucht sind. Es wäre vielmehr denkbar, dass die Goldtabatiere auf (bislang) unbekannte Weise in den Besitz des »Baron Cerrini« alias Friedrich Münchgesang (1895-1985), der - zusammen mit dem Urenkel des Prinzen Carl, Leopold von Preußen junior (1895-1959) - seit den 1930er Jahren einen regelrechten Kunsthandel mit Prinz-Carl-Sachen (Antiken, Bücher, Autografen, Porzellane, Möbel etc. pp.) betrieb, gelangt war.8) |
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95 Geschichte und Geschichten
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Bemerkenswert ist zumindest die zeitliche Nähe zwischen dem Ableben Cerrinis (1985) und dem Angebot der Goldtabatiere im Kunsthandel (1986). Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass die Neuenburger Goldtabatiere nicht »um 1820«, sondern nur nach 1824 datiert werden kann.
Anmerkungen:
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 5/2001
www.berlinische-monatsschrift.de